Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

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Unsereins
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Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Unsereins »

Mahlzeit!

Da sich hier einige aus Großkanzleien und mittelständischen Kanzleien tummeln, würde ich mich freuen, ein paar Erfahrungen aus erster Hand ergattern zu können.

Wie sieht es mit den Arbeitszeiten aus?
Ich könnte mich bspw anfreunden mit Arbeitszeiten von Mo - Fr, 7.00 oder 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr. In Ausnahmefällen mehr. Alles darüber würde mich daran zweifeln lassen, dass ich mich im hohen Alter mal umdrehen und auf ein ausgefülltes Leben zurückblicken kann...

Wieviel Selbständigkeit gibt es im ersten Jahr (insb in der GK) - Mandantenkontakt, Sitzungen oder erstmal nur Gutachtenerstellung und Recherchearbeit?

Wieviel Englisch wird abverlangt (insb. in der GK)?
Meine Kenntnisse sind in Ordnung, aber keinesfalls verhandlungssicher.

Hat jemand schon beides (GK und MK) erlebt und kann vergleichen - Vorteile, Nachteile jeweils?

Hat jemand schon Justiz und Kanzlei erlebt und kann vergleichen?

Ich freue mich auf eure Erfahrungen.

MfG
Unsereins :wave:
Parabellum
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Parabellum »

Das kommt alles jeweils drauf an. Es gibt sone und es gibt solche, in jeder Hinsicht.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
Unsereins
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Unsereins »

Das dachte ich mir schon ;-) Deshalb würde ich mich ja über konkrete Erfahrungsberichte freuen, die freilich nicht verallgemeinerungsfähig sind, aber doch einen kleinen Einblick gewähren können :)
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Einwendungsduschgriff
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Unsereins hat geschrieben:Ich könnte mich bspw anfreunden mit Arbeitszeiten von Mo - Fr, 7.00 oder 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr. In Ausnahmefällen mehr.
In meiner Kanzlei wurde dieser frühe Beginn geduldet und auch akzeptiert - es ging ja schließlich um ein Arbeitspensum, das erfüllt werden sollte. Ansonsten kenne ich von einigen Freunden und Bekannten, dass eine so frühe Arbeitszeit eher skeptisch gesehen wird ("Was machen Sie da so früh? Da ist doch noch niemand da? Fangen Sie doch mit uns an."). In der Regel beginne der Arbeitstag mit dem Eintreffen des Partners. Daran solle man sich orientieren. Mit anderen Worten: ich finde das sowieso schon eine überaus überbordende Zeitzusage an einen Beruf. Es kann Dir nur leider passieren, dass eben um 20 Uhr regelmäßig der Austausch mit den Vereinigten Staaten beginnt. Was bringt Dir dann die frühe Arbeitsbeginn? Ich war gerne auch früh da, aber mein Partner fand das prima - so konnte er um 10 Uhr schon erste Ergebnisse weiterverarbeiten. Diese in die Frühe verschobene Arbeitszeit sorgt aber nicht überall für Sympathie. Bei uns war ein Beginn zwischen 9.30 Uhr und 11 Uhr üblicher - das sorgt aber natürlich bei gleichem Arbeitspensum für eine deutliche Verschiebung in den späten Abend.
Wieviel Englisch wird abverlangt (insb. in der GK)?
Mein Eindruck jeweils: es wird viel, sehr viel verlangt - hört man sich aber mal die Associates wie Partner an, dann weiß man recht schnell, dass auch dort in der Regel nur mit Wasser gekocht wird.
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Unsereins »

Oh, interessant. Danke! Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es einen zu frühen Arbeitsbeginn geben kann. Das überrascht mich echt. Ich bin eher der Typ früh anfangen und was wegschaffen, dafür zum Abendessen zu Hause sein. Das könnte ich mir in einer GK also wohl abschminken.

Englisch dürfte meine größte Hürde sein. Ich habe leider während Studium und Ref kurzsichtigerweise keinen Auslandsaufenthalt absolviert. Ich würde es rückblickend in beides einbauen.

Und bist du glücklich mit deinem Berufsleben in einer GK, Einwendungsduschgriff? Hast du eine zufriedenstellende - wie man es ja heutzutage nennt - "work-life-balance"?
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Einwendungsduschgriff
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Na, ich war da nur ein Jahr und habe dann den Weg in den öffentlichen Dienst gefunden. Mehr Flexibilität, sinnvollere Aufgaben, mehr juristisch arbeiten - jedenfalls bei meiner Berufswahl. Im Ergebnis hat mich aber die Lust auf eine wissenschaftliche Laufbahn gepackt und war die Zeit in der Wirtschaftskanzlei äußerst gewinnbringend, aber kein dauerhafter Lebensweg.

(Damals war meine "work-life-balance" aber durchaus fair: Beginn in der Regel gegen 8/8.30 Uhr und Arbeitsende gegen 18/19 Uhr. Ich war aber auch nur ein Teilzeitmensch und bin pro Strecke etwa anderthab Stunden gependelt.)
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Herr Schraeg
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Herr Schraeg »

Das
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ansonsten kenne ich von einigen Freunden und Bekannten, dass eine so frühe Arbeitszeit eher skeptisch gesehen wird
ist nicht verallgemeinerungsfähig, so dass die Schlussfolgerung
Unsereins hat geschrieben:Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es einen zu frühen Arbeitsbeginn geben kann. ... Das könnte ich mir in einer GK also wohl abschminken.
auf einer sehr dünnen Tatsachenbasis gründet.

Zum Beispiel gehöre ich auch zu denen, die lieber morgens als abends arbeiten und setze deshalb spätestens um 7.30 Uhr am Schreibtisch, während meine Kollegen bis zu zweieinhalb Stunden später eintrudeln. Richtig ist aber natürlich, dass sich die Arbeitszeiten bei Projekten mit Überseebezug verschieben können; dann ist auch Englisch unerlässlich.

Nach meiner Beobachtung nehmen sich die Arbeitszeiten in GK und MK (übrigens auch beim Einzelanwalt) nicht viel. Je kleiner die Einheit ist, desto mehr Flexibilität hat man natürlich, weil Dritte nicht auf die passgenaue Zuarbeit angewiesen sind.

So weit ich das überblicken kann, ist es wohl bei allen GKs so, dass man zu Beginn der anwaltlichen Karriere ein bis zwei Jahre ausgebildet wird und nichts ohne Überprüfung nach aussen geht. Natürlich sitzt man dieser Zeit auch bei Besprechungen mit dem Mandanten oder den Gegnern dabei oder telefoniert mit ihnen.

Aber im Prinzip hat Parabellum recht. Ich habe im Laufe der letzten Jahre hier im Forum gelernt, dass meine Erfahrungen auch nicht immer verallgemeinerungsfähig sind und sich nicht nur GKs untereinander, sondern auch die Standorte der jeweiligen GKs und noch wichtiger die Bereiche, in denen man arbeitet, erheblich voneinander unterscheiden. Prozessführung z.B. ist berechenbarer und weniger aufreibend als Projektarbeit, erst recht bei einem Deal mit Beteiligung von amerikanischen Investmentbanken. Also, in welchem Bereich willst Du denn arbeiten?
Unsereins
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Unsereins »

Einwendungsduschgriff, das klingt auf jeden Fall nach humanen Arbeitszeiten. Interessant, dass du von der Praxis in die Wissenschaft gegangen bist. Das ist vermutlich finanziell eine enorme Umstellung gewesen...

Herr Schraeg, danke für deine Erfahrungen. Natürlich divergieren alle Erfahrungen und sind nicht verallgemeinerungsfähig. Aber jede für sich ist interessant und stellt schon mal eine von vielen Möglichkeiten dar.
Deine Frage ist bei mir auch so ein Problem. Wusste denn jeder, der den Weg in eine Kanzlei sucht bereits, welches genaue Rechtsgebiet es sein soll? Ich weiss es nicht. Es gibt Gebiete, denen würde ich ungern beruflich begegnen (z.B. Arbeitsrecht, Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht, Steuerrecht...). Aber die meisten GKs tendieren nunmal in eben solche Richtungen. Gehe ich auf kleinere Kanzleien, wo ich bspw aus meiner Sicht interessanten Gebieten, wie Medizinrecht, begegnen könnte, schätze ich die Arbeitszeiten ähnlich und das Gehalt weit weit darunter liegend ein. Wo man dann bei der altbekannten Frage landet. Wonach geht man - viel Arbeit, weniger interessant, gutes Gehalt oder genau so viel Arbeit, interessant und weniger gutes Gehalt? :-k
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Einwendungsduschgriff
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Herr Schraeg hat geschrieben:Das
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ansonsten kenne ich von einigen Freunden und Bekannten, dass eine so frühe Arbeitszeit eher skeptisch gesehen wird
ist nicht verallgemeinerungsfähig, so dass die Schlussfolgerung
Unsereins hat geschrieben:Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es einen zu frühen Arbeitsbeginn geben kann. ... Das könnte ich mir in einer GK also wohl abschminken.
auf einer sehr dünnen Tatsachenbasis gründet.
Absolut, das ist vor allem die Frankfurter wie Düsseldorfer Transaktionsschule. Arbeitet man wie Herr Schraeg und ich auch selbst in vernünftigen Rechtsbereichen, so ist das in der Tat kein Problem.
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Nimm2 »

Hier (über zwanzig Berufsträger) geht es um 08:00 Uhr los, meistens gehe ich um 18:00 Uhr heim. Manchmal gehe ich auch zwischen 19:00 Uhr und 20:00 Uhr. Sehr selten bleibe ich länger.

Mandantenkontakt besteht voll. Schriftliches wird aber (fast) alles gegengelesen.

Bisher musste ich nur auf Englisch schriftlich arbeiten, was mit leo.org aber ganz gut klappt.
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von OJ1988 »

Und wo ist das?
Parabellum
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Parabellum »

Um mich mal an einen willkürlich gewählten Thread zum Thema anzuhängen:

Auch Großkanzlei ist nicht gleich Großkanzlei. Nachteil insbesondere eines internationalen Ladens ist z.B., dass es einem passieren kann, dass auf einmal aus strategischen Gründen der eigenen Standort geschlossen wird, vgl. hier z.B. Orrick Berlin und Frankfurt http://www.juve.de/nachrichten/namenund ... und-berlin
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von chris0 »

Parabellum hat geschrieben:Um mich mal an einen willkürlich gewählten Thread zum Thema anzuhängen:

Auch Großkanzlei ist nicht gleich Großkanzlei. Nachteil insbesondere eines internationalen Ladens ist z.B., dass es einem passieren kann, dass auf einmal aus strategischen Gründen der eigenen Standort geschlossen wird, vgl. hier z.B. Orrick Berlin und Frankfurt http://www.juve.de/nachrichten/namenund ... und-berlin
nicht immer aber oft zeichnet sich eine solche Entwicklung aber im Vorfeld ab (Profitabilität des Standorts, Abgänge etc.,das bekommt man dann vorab oft schon mit).

Bezüglich der Arbeitszeit: Wenn Du in der GK um 8.00 oder noch früher zum Aufschließen der Büroräume erscheinst, willst Du ja entsprechend abends dann früher gehen. Da Du als Associate idR für verschiedene Partner/Counsel etc. arbeiten wirst, bekommen die meisten nicht mit, dass du morgens besonders früh da bist (interessiert auch keinen). Wenn Du dann regelmäßig um 19.00h gehst, wird dies nach einer Weile negativ auffallen (ja, auch wenn Deine Stunden stimmen). Es wird auch eine gewisse Ansprechbarkeit erwartet... Andersrum funktioniert das besser (war nie mein Fall) und wird von vielen praktiziert, d.h. morgens spät rein und dann abends immer schön lange da und sich zeigen ;-)
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famulus
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Re: Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von famulus »

19 Uhr schon Feierabend machen zu wollen ist aber auch wirklich ziemlich frech. *scnr* #yolo
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Tibor
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Großkanzlei oder mittelständische Kanzlei

Beitrag von Tibor »

Wenn die Junganwälte von Heute das fressen, sind die Partner in 5-10 Jahren auch nicht besser drauf. Nur selten (Transaktionen mit US Bezug ausgenommen) ist nach 19 Uhr etwas so wichtig, dass es nicht am kommenden Tag um 8 Uhr erledigt werden könnte. Man muss auch seine Mandanten erziehen.
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