Was Anwälte sich von Richtern wünschen

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Mr_Black
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Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Mr_Black »

In diesem Parallelthread geht es darum, was "Richter sich von Anwälten wünschen". Höflichkeit ist da offenbar ein wichtiges Anliegen der Richter.

Umgekehrt haben Anwälte aber sicher auch einige Wünsche an die Richterschaft.

Mir wäre es zum beispiel sehr lieb, wenn ich den Eindruck hätte, dass der Richter die Schriftsätze gelesen, den Sachverhalt verstanden und eine erste Rechtsmeinung gefasst hat, wenn er zur mündlichen Verhandlung lädt. Es gibt wohl kaum etwas sinnloseres als eine mündliche Verhandlung, bei der der Richter halbwegs den Grund des Streites zusammenbekommt, verbunden mit dem Hinweis, das Gericht habe sich noch keine Rechtsmeinung gebildet. Vielleicht um dann noch lustlos einen Vergleich 50/50 anzuregen...

Umgekehrt staune ich immer wieder, welch agressives, fast an Nötigung grenzende Verhalten einige Richter an den Tag legen können, um eine Partei in einen Vergleich zu drängen. Wobei der Eindruck entsteht, es geht dem Richter vorrangig um die eigene Arbeitsvermeidung.
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batman
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von batman »

Das sind absolut berechtigte Anliegen und jeder Richter sollte vermeiden, einen solchen Eindruck zu hinterlassen.

Dass der Sachverhalt vom Richter "verstanden" worden ist, setzt natürlich voraus, dass er seitens der Prozessbevollmächtigten schriftsätzlich in verständlicher Weise dargestellt worden ist ;)
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Tikka
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Tikka »

Mhh, ohne Roger Fisher kann man eine solche Angelegenheit nicht sachlich durchdiskutieren.
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Syd26
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Syd26 »

Dass Termine mit mehr als 3 Zeugen nicht nachmittags um 14 Uhr angesetzt werden, wenn beide Parteien eine Stunde Anreise haben. Für Anwälte mit Kindern, die pünktlich abgeholt werden müssen, ist dies ein logistischer Kraftakt.

Termine morgens um 9, wenn sowohl die Partei als auch deren Anwalt 200 km entfernt vom Gerichtsort sind.

Ortstermine freitag nachmittags.

Dann selbstverständlich die schon erwähnte aggressive Vorgehensweise, was Vergleiche angeht.

Im Übrigen wäre es auch wünschenswert, die Dinge ins Protokoll aufzunehmen, die der Anwalt gern drin hätte (auch, wenn es auf den ersten Blick unnötig erscheint).

@Arbeitsrichter: Ich weiß ja, dass ständige Kündigungsschutzprozesse langweilen können. Dies muss man aber nicht unbedingt zum Ausdruck bringen, wenn der Kläger/Beklagte anwesend ist.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von T0bi »

Längere Beweisaufnahmen sind am Nachmittag aber nunmal am besten aufgehoben, sonst kann es dir deinen Sitzungstag sprengen. Wenn du morgens um 9 Uhr anfängst mit 5 Zeugen kann das eine halbe Stunde dauern (wenn die Parteien sich angesichts der drohenden Beweisaufnahme doch noch einigen können); es kann eine Stunde dauern, weil das Beweisthema überschaubar ist und die Zeugen und Parteien gut mitziehen oder weil man den Gang der Beweisaufnahme - etwa aus einer Js- oder Owi-Akte heraus - bereits antizipieren kann; es kann aber auch drei Stunden dauern, wenn die Zeugen nicht ganz einfach sind und hinterher auf Grundlage der Beweisaufnahme noch ein (Widerrufs-)Vergleich mitgenommen werden soll. Und wenn dann noch zusätzlich Zeugen sistiert werden, worauf man (jedenfalls am Amtsgericht) auch gefasst sein muss, tut das sein übriges. Wie also soll man so etwas auf den Vormittag legen, wenn man am selben Sitzungstag noch (bei einem vollen Zivildezernat und nur einem Sitzungstag) noch eine weitere kleinere Beweisaufnahme und 5-6 andere Termine schaffen muss?
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Syd26 »

T0bi hat geschrieben:Längere Beweisaufnahmen sind am Nachmittag aber nunmal am besten aufgehoben, sonst kann es dir deinen Sitzungstag sprengen. Wenn du morgens um 9 Uhr anfängst mit 5 Zeugen kann das eine halbe Stunde dauern (wenn die Parteien sich angesichts der drohenden Beweisaufnahme doch noch einigen können); es kann eine Stunde dauern, weil das Beweisthema überschaubar ist und die Zeugen und Parteien gut mitziehen oder weil man den Gang der Beweisaufnahme - etwa aus einer Js- oder Owi-Akte heraus - bereits antizipieren kann; es kann aber auch drei Stunden dauern, wenn die Zeugen nicht ganz einfach sind und hinterher auf Grundlage der Beweisaufnahme noch ein (Widerrufs-)Vergleich mitgenommen werden soll. Und wenn dann noch zusätzlich Zeugen sistiert werden, worauf man (jedenfalls am Amtsgericht) auch gefasst sein muss, tut das sein übriges. Wie also soll man so etwas auf den Vormittag legen, wenn man am selben Sitzungstag noch (bei einem vollen Zivildezernat und nur einem Sitzungstag) noch eine weitere kleinere Beweisaufnahme und 5-6 andere Termine schaffen muss?
Diese Argumente habe ich nicht bedacht und die Gründe sind natürlich nachvollziehbar. Im Übrigen sprengt sowas aber auch den Anwaltsalltag. ;)
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batman
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von batman »

Deshalb: Vergleichsabschluss vor der Beweisaufnahme :)
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Stalker »

Ich hab die längeren Sachen auch immer Nachmittags terminiert - grad so den Diskoschlägerei mit 15 Zeugen Krams. Allerdings dann Beginn eher ab 12 Uhr als 14 Uhr, weil ich mich bei der Wachtmeisterei bei Verhandlungen, die länger als 15.30 Uhr gingen mit einem Fresskorb entschuldigen musste.

Ich habe im Gegenteil (Punkt 2 deiner Aufzählung) viel öfter erlebt, dass ich die Termine am frühen Vormittag bei auswärtigen Parteien mit dem Argument der frühen Anreise verlegt habe. Wenn die nicht eh schon abgesprochen waren.

Und Vergleiche NACH Beweisaufnahme hab ich eigentlich nicht erlebt. Spontan fällt mir da sogar kein einziger Fall ein, wobei ich allerdings auch nur knapp ein Jahr Zivilrecht gemacht habe. Und auch in Strafsachen hat eine Verständigung nach Beweisaufnahme meiner Erinnerung nach nie stattgefunden.
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Mr_Black
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Mr_Black »

Stalker hat geschrieben:Allerdings dann Beginn eher ab 12 Uhr als 14 Uhr, weil ich mich bei der Wachtmeisterei bei Verhandlungen, die länger als 15.30 Uhr gingen mit einem Fresskorb entschuldigen musste.
Richterliche Unabhängigkeit in der Praxis :D
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Re: AW: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Thandor79 »

Mr_Black hat geschrieben:
Stalker hat geschrieben:Allerdings dann Beginn eher ab 12 Uhr als 14 Uhr, weil ich mich bei der Wachtmeisterei bei Verhandlungen, die länger als 15.30 Uhr gingen mit einem Fresskorb entschuldigen musste.
Richterliche Unabhängigkeit in der Praxis :D
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Stalker »

Eh! Das nennt sich in der Beurteilung dann überdurchschnittliche Social Skills! Und selbst mit R1 kann man sich ein Dutzend Muffins dann auch noch grade leisten.^^
jan
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von jan »

Syd26 hat geschrieben:@Arbeitsrichter: Ich weiß ja, dass ständige Kündigungsschutzprozesse langweilen können. Dies muss man aber nicht unbedingt zum Ausdruck bringen, wenn der Kläger/Beklagte anwesend ist.
Das wundert mich. Kündigungsschutzprozesse sind vergleichsweise gut zu handeln, man braucht wenig Vorbereitung und der Vergleich ist die Regel und nicht die Ausnahme. Das sind doch die liebsten Kinder des Arbeitsrichters! Wehe, es kommt mal eine komplizierte Zahlungsklage..."Langweilig" wird es doch erst, wenn eine Partei nach Darlegung aller handesüblichen Argumente (Gerechtigkeit, Existenzangst etc.) einen Vergleich ablehnt und sich gar eine Beweisaufnahme nicht vermeiden lässt.
Trojan
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Trojan »

T0bi hat geschrieben:Längere Beweisaufnahmen sind am Nachmittag aber nunmal am besten aufgehoben, sonst kann es dir deinen Sitzungstag sprengen. Wenn du morgens um 9 Uhr anfängst mit 5 Zeugen kann das eine halbe Stunde dauern (wenn die Parteien sich angesichts der drohenden Beweisaufnahme doch noch einigen können); es kann eine Stunde dauern, weil das Beweisthema überschaubar ist und die Zeugen und Parteien gut mitziehen oder weil man den Gang der Beweisaufnahme - etwa aus einer Js- oder Owi-Akte heraus - bereits antizipieren kann; es kann aber auch drei Stunden dauern, wenn die Zeugen nicht ganz einfach sind und hinterher auf Grundlage der Beweisaufnahme noch ein (Widerrufs-)Vergleich mitgenommen werden soll. Und wenn dann noch zusätzlich Zeugen sistiert werden, worauf man (jedenfalls am Amtsgericht) auch gefasst sein muss, tut das sein übriges. Wie also soll man so etwas auf den Vormittag legen, wenn man am selben Sitzungstag noch (bei einem vollen Zivildezernat und nur einem Sitzungstag) noch eine weitere kleinere Beweisaufnahme und 5-6 andere Termine schaffen muss?
Völlig zutreffend dargestellt! O:) =D>
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Pippen »

Mehr Lebenserfahrung, viel mehr, und um Gottes Willen eine Änderung der Rsp. dahingehend, dass Zeugen mit emotionaler und wirtschaftlicher Nähe zu einer Partei iZw als unglaubwürdig gelten, wenn sie zugunsten der Partei aussagen.
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Vorkriegsjugend
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Re: Was Anwälte sich von Richtern wünschen

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Welcher Richter berücksichtigt das nicht in seiner Beurteilug der Zeugenaussage?
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