Arbeitszeiten als Strafverteidiger

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Gelöschter Nutzer

Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo zusammen,

ich beschäftige mich zur Zeit damit, beruflich "umzusatteln" und Strafverteidiger zu werden. Mich würde interessieren, wie die Arbeitszeiten so sind bzw. wie sie gestaltet werden können wenn man bereit ist, "Abstriche" zu machen. In einem Thread hier habe ich gelesen, dass sogar eine 30-Stunden-Woche möglich sei. Darauf lege ich es nicht an. Ich muss aber zugeben, dass meine Bereitschaft sich in Grenzen hält, im Schnitt mehr als 45 Stunden zu arbeiten. Das hängt mit meiner privaten Situation zusammen (Kleinkind, Frau, zeitintensiver Sport - das will alles gepflegt werden O:) ). 40 Stunden im Schnitt wären optimal. Natürlich ist mir bewusst, dass es auch mal Spitzen geben kann. Auch vom Notfallhandy habe ich schon gehört. Damit könnte ich leben, sofern der genannte Schnitt ungefähr eingehalten wird.

Noch ein Wort zur Kehrseite der Medaille. :D Ich nehme an, dass man mit dieser Arbeitseinstellung schwer in höhere Gehaltsdimensionen vorstoßen kann. Das ist alles relativ und Ansichtssache, was man darunter versteht. Für ein erfülltes Leben schweben mir persönlich aber langfristig 45-70k € Jahreseinkommen vor. Falls das nicht mit o.g. Stundenzahlen zu erzielen ist, würde ich eher den öffentlichen Dienst oder ein anderes Unternehmen anpeilen, auch wenn ich darauf deutlich weniger Lust hätte.

Ich arbeite zur Zeit übrigens als Volljurist in einem Unternehmen und habe fort eine relativ komfortable Situation. Gutes Gehalt, sehr moderate und flexible Arbeitszeiten. Allein die Inspiration und langfristige Perspektiven fehlen...
Swann
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Re: Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Swann »

elguapo hat geschrieben:Hallo zusammen,

ich beschäftige mich zur Zeit damit, beruflich "umzusatteln" und Strafverteidiger zu werden. Mich würde interessieren, wie die Arbeitszeiten so sind bzw. wie sie gestaltet werden können wenn man bereit ist, "Abstriche" zu machen. In einem Thread hier habe ich gelesen, dass sogar eine 30-Stunden-Woche möglich sei. Darauf lege ich es nicht an. Ich muss aber zugeben, dass meine Bereitschaft sich in Grenzen hält, im Schnitt mehr als 45 Stunden zu arbeiten. Das hängt mit meiner privaten Situation zusammen (Kleinkind, Frau, zeitintensiver Sport - das will alles gepflegt werden O:) ). 40 Stunden im Schnitt wären optimal. Natürlich ist mir bewusst, dass es auch mal Spitzen geben kann. Auch vom Notfallhandy habe ich schon gehört. Damit könnte ich leben, sofern der genannte Schnitt ungefähr eingehalten wird.

Noch ein Wort zur Kehrseite der Medaille. :D Ich nehme an, dass man mit dieser Arbeitseinstellung schwer in höhere Gehaltsdimensionen vorstoßen kann. Das ist alles relativ und Ansichtssache, was man darunter versteht. Für ein erfülltes Leben schweben mir persönlich aber langfristig 45-70k € Jahreseinkommen vor. Falls das nicht mit o.g. Stundenzahlen zu erzielen ist, würde ich eher den öffentlichen Dienst oder ein anderes Unternehmen anpeilen, auch wenn ich darauf deutlich weniger Lust hätte.

Ich arbeite zur Zeit übrigens als Volljurist in einem Unternehmen und habe fort eine relativ komfortable Situation. Gutes Gehalt, sehr moderate und flexible Arbeitszeiten. Allein die Inspiration und langfristige Perspektiven fehlen...
Ich glaube nicht, dass du dor mit dieser Einstellung eine selbstständige Existenz als Strafverteidiger aufbauen kannst. Das haut mit deinen Verdienstvorstellungen und Arbeitszeiten jedenfalls in den ersten Jahren vermutlich nicht ansatzweise hin. Bliebe nur eine Anstellung als Strafverteidiger. Aber ich vermute mal, dass auch dort die Stellenangebote, die deinen Vorstellungen entsprechen, nicht allzu häufig sein dürften.

Ich würd's lassen. Wie kommst du eigentlich auf Strafverteidiger?
Gelöschter Nutzer

Re: Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Danke für Deine Antwort!

Dazu muss ich noch ergänzen, dass ich 2-3 Jahre auch mit deutlich weniger Einkommen leben könnte.

Es passt zwar nur so halb zum Thema, aber ich hätte bei meinem jetzigen Arbeitgeber sogar die Möglichkeit einige Stunden die Woche damit zu verbringen, etwas eigenes auf die Beine zu stellen. Sprich, versuchen an ein zwei Mandate ranzukommen und/oder eine Selbständigkeit vorzubereiten. Sogar einen Fachanwaltslehrgang (wohl wissend, dass das noch nicht den FA-Titel bedeutet) könnte ich auf Firmenkosten besuchen.

Wieso Strafrecht? Ich erspare uns jetzt einen flammenden Beitrag zu meiner Motivation. ;) Hatte schon immer ein gewisses Faible dafür, allerdings kam ich sozusagen auf Abwege und bin zum Berufsstart zu einer Großkanzlei (anderes Rechtsgebiet) gegangen. Dort habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. Das lag aber nicht an den Arbeitszeiten (diese waren für meine damalige Lebenssituation tolerierbar), sondern an dem äußerst langweiligen Alltag, stupiden Aufgaben und dem nicht vorhandenen Mandantenkontakt. Ich hatte zumindest schon einmal ein Praktikum beim Strafverteidiger, habe also hoffentlich keine völlig weltfremden Vorstellungen von der Tätigkeit. Nur bin ich jetzt in einer Phase in der ich meinem Privatleben >50 Stunden nicht mehr zumuten möchte.
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Re: Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Herr Schraeg »

Ein guter und erfahrener Strafverteidiger kann seinen Arbeitsanfall sicher so steuern, dass er regelmäßig nicht mehr als 35 bis 40 h arbeitet und dennoch in den von Dir genannten Größenordnungen oder deutlich darüber verdient. Es dauert aber, sich einen solchen Ruf aufzubauen, daß man sich das leisten kann. Damit meine ich nicht die von Dir genannten zwei bis drei Jahre, sondern gehe von einem deutlich längeren Zeitraum aus. Während dieser langen "Aufbaupase" halte ich ebenso wie Swann Deine Vorstellungen von Arbeitsbelastung und Verdienst für unrealistisch.
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Tibor
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Re: Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Tibor »

Man kann es ja mal runter rechnen: 70.000 € Einkommen = Gewinn der Kanzlei vor Einkommensteuerbelastung, PKV und Versorgungswerk. Selbst bei ca. 240 Arbeitstagen (Mo-Fr und nur 20 Tage Urlaub/Krank), wäre also ein Gewinn von ca. 292 € täglich erforderlich. Selbst bei schlanker Verwaltung (kleine Räume, nur eine Teilzeit-Reno, kein großes Auto, kein Chichi) muss man m.E. mit 4-5.000 € Betriebsausgaben im Monat rechnen. Die 292 € Gewinn erforden also wohl ca. 520 € Umsatz jeden Tag. Bei Pflichtverteidigersachen wird das nichts (Grundgebühr 160 €, Terminsgebühr 136 €, 220 € bei HV); man kann auch nicht davon ausgehen viele Wahlmandate bzw. Berufungen/Revisionen als Pflichtverteidiger zu bekommen. Am Anfang erfordern 500 € Umsatz am Tag weitere Tätigkeiten, insbesondere auch mal eine Zivilklage wegen hoher Autounfallschäden (bessere Streitwerte).
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Kezzlerinho »

Ich mache gerade Station bei einem Strafverteidiger und der arbeitet deutlich mehr als die oben genannten 40 Stunden. E-Mails gegen Mitternacht sind keine Seltenheit, gerne auch am Wochenende.

Allerdings muss man dazu sagen, dass man die Arbeit auch extrem straffen könnte. Mein Ausbilder liebt es im Anwaltszimmer abzuhängen, ausgiebig Kaffee zu trinken....Bis der nach einem Verhandlungstag wieder ins Büro an den Schreibtisch kommt wird es gerne mal 18 Uhr.

Die meisten Kollegen arbeiten - soweit ich das beurteilen kann - wohl auch eher mehr als 40-45h.

Als Berufsanfänger würde ich mich aber erstmal gar nicht so groß um die Arbeitszeiten sorgen. Mit den 2,3 Mandaten, die man am Anfang hat, wird es ohnehin schwer auf 40h reine Arbeitszeit zu kommen....

Ach ja: Hallo!
Bin schon lange stiller Mitleser und habe mich jetzt mal registriert....
Gelöschter Nutzer

Re: Arbeitszeiten als Strafverteidiger

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Vielen Dank für die Antworten! =D>

Wenn ich das so lese, habe ich folgenden Eindruck:
- es ist nicht unrealistisch die ziemlich entspannte o.g. Kombination aus Gehalt und Arbeitszeit "einzurichten"
- Voraussetzung Nr. 1 ist die nötige Erfahrung
- Voraussetzung Nr. 2 ist, dass entsprechend lukrative Mandate bearbeitet werden.
- Der realistische Anfang sieht eher so aus: längere Bearbeitungszeit mangels Erfahrung und wenig lukrative Mandate mangels gutem Ruf.

Ich finde das ziemlich interessant. Es schient also durchaus möglich, dem Klischee des Selbständigen (arbeiten bis der Arzt kommt, "arbeitet selbst und ständig",...) auf lange Sicht zu entkommen, wenn man das denn möchte.

Das muss ich mir alles in allem noch sehr gut überlegen. :-s
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