Syd26 hat geschrieben:Wie die Mandantin darauf reagieren wird, ist eine andere Frage. Das kann wahrscheinlich niemand vorhersehen. Du musst von Stillschweigen bis zum Telefonterror wohl mit allem rechnen.
Grundsätzlich sind - gerade bei psychisch kranken Menschen - auch körperliche Übergriffe nicht völlig auszuschließen. Sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich - eine Gefahr, die nicht zur Hysterie führen, aber zumindest als Möglichkeit gesehen werden sollte.
joee78 hat geschrieben:Hatte mal nen Mandanten, der wollte erst mich töten, dann die Gegenseite. Hab dann ein Eilfax an die RAK gesandt mit der Bitte, mich von meiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, damit ich die Gegenseite warnen konnte. Innerhalb von 1 Stunde kam das Einverständnis.
Ich weiß ja, welche Schwierigkeiten Ärzte - und medizinisches Personal - mit den rechtlichen Grundlagen der Schweigepflicht haben und dass da teilweise skurrile Vorstellungen kursieren ("das Gericht muss mich zuerst von der Schweigepflicht entbinden"), hatte aber bisher gehofft, dass Juristen da besser informiert sind ...
Von der Berufspflicht zur Verschwiegenheit kann auch eine Berufskammer nicht entbinden - die Ärztekammer nicht den Arzt und die Rechtsanwaltskammer nicht den Rechtsanwalt. Entbinden kann nur der Patient oder Klient (auch nicht die Erben). Es gibt aber gesetzliche Verpflichtungen, die der Schweigepflicht vorgehen, und Fälle des berechtigten Bruchs der Schweigepflicht (§ 34 StGB). Dazu gehört die Abwehr schwerwiegender bevorstehender Gefahren, aber auch die Vertretung eigener Rechte als Beschuldigter einer Straftat, Beklagter im Zivilprozess oder Kläger im Honorarprozess. Bei Todesdrohungen ist es - hoffentlich - offenkundig, dass die Schweigepflicht Maßnahmen der Gefahrenabwehr nicht entgegensteht und im notwendigen Umfang Informationen geoffenbart werden dürfen. Ein "Einverständnis" der Kammer ist weder erforderlich noch rechtfertigend - ein unvermeidlicher Verbotsirrtum (hier in der Form des Erlaubnisirrtums) dürfte durch einen Rechtsanwalt jedenfalls verhältnismäßig schwer verargumentierbar sein. Eine Beratung der Kammermitglieder ist natürlich kein Problem.
joee78 hat geschrieben:Genau. Die haben mir sogar die Kommentierung zu § 43a BRAO rausgesucht, die das behandelt.
Ich würde ja v.a. auch die Kommentierung zu § 203 Abs. 1 StGB lesen.
joee78 hat geschrieben:Eigenmächtig wäre mir das zu heiß gewesen - hab schon so viele Kammerbeschwerden von Kollegen bekommen, die sich über irgendwas aufgeregt haben.
Fraglos ist vor der Offenbarung von Informationen aus dem Mandatsverhältnis eine Abwägung erforderlich. Diese hat der Rechtsanwalt - wie der Arzt - selbst in eigener Verantwortung vorzunehmen. Wenn das Ergebnis dieser Abwägung ist, dass die Gefahr von Beschwerden bei der Kammer schwerer wiegt als die Gefahr des eigenen Todes oder des eines anderen Menschen, dann ist das eben so.