Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

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Parmi
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Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Hallo zusammen,

die Überschrift sagt eigentlich schon, worum es mir im Grunde geht.
Ich möchte den Sprung in die Selbständigkeit wagen. Im Moment stehe ich in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis; das Arbeitspensum liegt bei reellen 55-60h pro Woche (zzgl. recht langer Fahrtwege). Wochenendarbeit fällt allerdings nur sehr selten an.

Das Problem liegt hier allerings gleich in mehreren Faktoren.
Zum einen ist es mir vertraglich nicht ausdrücklich gestattet, eine Nebentätigkeit auszuüben. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mir das in einem gewissen Rahmen bereits qua Gesetz zusteht. Denn mein Vertrag sieht vor, dass ich jede Nebentätigkeit anzeigen muss und es wird meine Vorgesetzten nicht gerade erfreuen, wenn ich morgen auftauche und ebendas tue (obwohl de facto kein Konkurrenzverhältnis entstehen würde, da das Rechtsgebiet schwerpunktmäßig ganz woanders liegen soll).
Darüber hinaus ist es mir schon aus Zeitgründen gar nicht möglich, nebenher zu arbeiten. Im Moment schaff ich es nicht einmal abends kurz in den Supermarkt, um mir das Frühstück für morgen zu kaufen.
Wegen der hohen Arbeitsbelastung in meinem Hauptberuf (der zu allem Übel auch noch in einem Unternehmen ausgeübt wird-Stichwort "Syndikus"), hat die zuständige Anwaltskammer meinen Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft damals auch abgelehnt. Und so bin ich heute "nur" Syndikus, könnte also auch gar nicht richtig praktizieren, selbst dann nicht, wenn es mir gestattet würde.

Ich sehe daher keinen anderen Weg (falls Ihr Vorschläge habt-her damit!), als alles hinzuschmeißen und aus der Arbeitslosigkeit heraus in die Selbständigkeit zu starten. Hier wird mir aber vor Allem die dreimonatige Sperrfrist im Wege stehen und die Möglichkeit eines Gründerzuschusses halte ich im Moment noch für sehr gering (das mag in anderen Bezirken sicher anders sein-hier ist man jedenfalls sehr knauserig was Gründerzuschüsse angeht).

Ich weiss einfach gerade nicht weiter, stehe vor einem riesen Berg, der bei jedem Versuch, ihn zu erklimmen, größer erscheint.
Gibt es hier vielleicht Leidensgenossen? Irgendjemand, dem es genauso erging und der einen Weg geschaffen hat?
Meine monatlichen Fixkosten würde ich selbstverständlich so klein halten, wie nur möglich. Aber ganz auf Null komme ich nunmal nicht und familiäre Unterstützung ist leider auch nur in einem sehr begrenzten Rahmen möglich. An ein Darlehen (sofern mir überhaupt eines ausgezahlt würde) möchte ich zunächst nicht denken.
Vor Allem interessiert mich, wie Ihr das ganze umsetzen konntet. Büroräume könnten mir ggf. sogar unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Personal soll zunächst keines eingestellt werden. Aber Miete, Lebensunterhalt etc. Das alles muss ich überbrücken können. Nur wie? Und wie lange hat es gedauert, bis ihr euch etabliert habt?

Nachtrag, das wohl wichtigste vergessen. Businessplan. Gibt es hierzu Berater, die ihr empfehlen könntet? Oder Vorlagen etc?

Um sachdienliche Ratschläge wäre ich sehr dankbar!
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Tibor
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Tibor »

Du machst die 55-60h hoffentlich nicht in der WPG, oder? Im Zweifel musst du mal faktisch Überstunden abbummeln um nebenbei tätig zu werden. Wenn du im Unternehmen ohnehin keine Zukunft siehst, dann kannst du auch mal mit einem Schnupfen ne Woche krank sein. Ggf auch einfach mal im Büro auf die Bremse treten und langsamer angehen.
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Parmi
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Doch, in der WP mache ich diese Überstunden. Abbummeln wird jedes mal abgewartscht "für den Steuerberater", den ich ohnehin nicht machen will. Aber es ist nunmal ein guter Grund für den Vorgesetzten, den Wunsch nach Freizeitausgleich schön rauszuschieben.

Die Sache mit dem "Kranksein" setzt ja voraus, dass ich zumindest die formalen Voraussetzungen für eine Anwaltstätigkeit mitbringe. Da ich aber nicht als solcher zugelassen bin, geht das ja schon dem Grunde nach nicht. :letitallout: :cry:

Es ist zum heulen!
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Tibor
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Tibor »

Du kannst dich doch in der Wohnzimmerkanzlei niederlassen.
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Nein, das kann ich leider nicht. Denn als Wohnzimmeranwalt wird man hier nur zugelasssen, wenn man weniger als 30h pro Woche in seinem Hauptberuf arbeitet. Andernfalls muss der Arbeitgeber einen Zweizeiler an die Kammer schreiben aus dem sich ergibt, dass ich zu jeder Zeit auch für meine eigenen Mandanten da sein kann (nicht wörtlich, aber Du weißt sicher, was ich damit sagen will. Es gibt da solche vordrucke). Das aber macht mein Arbeitgeber nicht.
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Tibor
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Tibor »

Das ist ja lächerlich; und eine Zulassung in einem anderen Kammerbezirk? Bei den Eltern/Schwiegereltern?
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Ich bin mir nicht sicher, ob ich an zwei Kammern zugelassen sein kann in dieser Konstellation. Das werde ich mal in Erfahrung bringen.
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Tibor
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Tibor »

Aber du bist doch bisher in keiner Kammer zugelassen? Du musst ja nur für Zustellungen idR den Namen am Briefkasten haben. Die wenigsten RAK wollen noch ein echtes Kanzleischild am Haus. Das könnten also - mit Weisung - auch faktisch die Eltern für eine Übergangszeit übernehmen.
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Doch, ich bin zugelassen, als Syndikus. Ich hatte damals die Zulassung zur Rechts- und Syndikusanwaltschaft beantragt. Der Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft wurde mit Verweis auf die '30h-Regelung' abgelehnt. Aus diesem Grund wurde ich nur als Syndikus zugelassen, was damals ja kein Probem war, ich wollte einfach nur raus aus der gesetzlichen RV. Heute ist es leider doch ein Problem.
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von lucyyy »

Hallo,
kannst Du denn Deine Stundenzahl reduzieren, also eben auf unter 30h oder scheidet das finanziell aus? Wenn Du in der WPG keine Zukunft siehst, dann kannst Du ja auch mit offenen Karten spielen, nur weil Nebentätigkeit nicht geregelt ist, heisst es ja nicht, dass es nicht möglich ist.

Erfahrungen zur Selbständigkeit habe ich leider keine. Ist die WPG Dein erster Job, oder hast Du zuvor schon mal anwaltlich gearbeitet?

Vg
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Hallo Lucy

nein, eine Reduzierung ist absolut nicht möglich. Ich brauch auch gar nicht auf die Idee zu kommen und fragen. Hier gehen Recht und Wirklichkeit sehr weit auseinander. Nicht zuletzt deswegen möchte ich da raus. Aber selbstverständlich auch aus anderen Gründen.
Nein, zuvor war ich anwaltlich nicht tätig, ich bin direkt in die WP eingestiegen. Im Nachhinein ein dummer Weg, aber wer weiss das schon im Voraus. Was die Organisation und das Alltagsleben als Anwalt angeht (sofern Deine Frage hierauf bezogen war), so traue ich mir das aber zu und hätte zur Not auch einen alten Hasen an meiner Seite.
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von julée »

Auch wenn die Ausgangssituation nicht so ganz ideal ist, dürfte sie doch auch nicht so schlecht sein: Du hast einen ungekündigten Job, offensichtlich auch schon eine konkrete Option mit einem Ansprechpartner. Also naiv gefragt, warum nicht ein wenig für die Anfangszeit ansparen, einen vernünftigen Plan machen, dann kündigen und ggf. den Resturlaub für die restliche Organisation nutzen, um dann an Tag 1 der Arbeitslosigkeit im eigenen Anwaltsbüro sitzen zu können?
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Parmi
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Parmi »

Das ist eine berechtigte Frage. Selbstverständlich habe mir bereits eine -wenn auch mäßig- hohe Kante angespart. Damit dürfte ich allerdings nur ein paar Monate auskommen. Ich würde gerne ein ganzes Jahr überbrücken können und hierzu müsste ich noch eine ganze Weile hier ausharren ::evil:
Letztlich wird es aber wohl genau darauf hinauslaufen. Es ist so furchtbar frustrierend; heute ist es wieder extrem schlimm.
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von julée »

Ein paar Monate ist doch gar nicht schlecht (besser als nichts). Ob das ausreichend ist, dürfte nur ein richtiger Businessplan ergeben.
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Re: Selbständigkeit aus Arbeitlosigkeit heraus?

Beitrag von Tibor »

Blöde Frage: warum dann nicht kündigen, ALG1 beantragen und mit einer Wochenarbeitszeit von < 15h die Selbständigkeit beginnen und parallel ALG1 beziehen? Ggf reicht bereits auch die Zeit der abzubummelnden Überstunden sowie der Resturlaub für den Übergang? Oder man kann ggf die harte Tour ggü dem Arbeitgeber fahren und einfach mal nine2five machen und ggf eine Kündigung riskieren. Bei beabsichtigter Selbständigkeit ist ja ein Arbeitszeugnis unwichtig.
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