Fehlendes Formblat bei EU-Zustellung nach Art. 8 EUZVO

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Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Fehlendes Formblat bei EU-Zustellung nach Art. 8 EUZVO

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hello,

nach Art. 8 EUZVO (VO 1393/2007 EU) ist bei grenzüberschreitender Zustellung innerhalb der EU der Empfänger eines Schriftstücks (sagen wir: Klageschrift) per Formblatt gemäß Anhang der EUZVO in der Sprache des Empfängers darüber zu belehren, dass er das Schriftstück zurückweisen oder binnen 1 Woche zurücksenden kann, wenn es nicht in einer Sprache vorliegt, die er versteht (also wenn die Klage nicht in die Sprache des Adressaten übersetzt ist).

Was ist, wenn ihm das Formblatt nicht überreicht worden ist? Ist die Zustellung dann unheilbar unwirksam, oder läuft nur die Wochenfrist, binnen derer er das Schriftstück zurücksenden kann, nicht an? In letzterem Fall - nach berechtigter Zurückweisung - kann das Gericht durch Nachsenden der Übersetzung den Formmangel heilen.

Grund meiner Frage: Art. 8 I 1 EUZVO statuiert zwar die Belehrungspflicht, nicht aber eine Rechtsfolge für den Fall des Unterbleibens.

Beste Grüße und Danke!

Hello,

according to Art. 8 Regulation 1393/2007 EC the recipient of a document has to be taught by a form (in the Annex to bespoken Regulation) in the recipient's language about the recipient's right to reject the document or to return it within 1 week, if the document is not written in a language which the recipient understands.

What happens if the receiving agency does not provide the form in the recipient's language? Art. 8 of the Regulation does require the form but does not stipulate legal consequences. Is the transmission of the document invalid without the chance of being cured? Or will only the deadline be shiftet?

Best regards and thank you!
Papiertiger A38
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Re: Fehlendes Formblat bei EU-Zustellung nach Art. 8 EUZVO

Beitrag von Papiertiger A38 »

So wie ich die EUZVO kenne, ist das Formblatt auch dann erforderlich, wenn der Adressat die verwendete Sprache versteht und deshalb gerade kein Rückweisungsrecht geltend machen kann. Die EUZVO ist an dieser Stelle streng und ich würde die EUZVO auch so lesen, dass die Belehrung sogar dann erforderlich ist, wenn eine Amtssprache des Ziellandes genutzt wird. Ohne das Formblatt ist die ZUstellung formell fehlerhaft.

Wenn wir nun sagen würden, dass ein fehlerhaftes Formblatt nur dazu führt, dass die Rückweisungsfrist unbefristet besteht, die Zustellung an sich jedoch wirksam ist, dann hätte das zur Folge, dass die strenge (richtige) Lesart, dass das Formblatt immer erforderlich ist (also auch dann, wenn der Adressat keine Rückweisung geltend machen kann) leerlaufen: Das fehlende Formblatt bliebe dann nämlich in den Fällen, wo der Adressat kein Rückweisungsrecht wegen fehlender Übersetzung hat, letztlich ohne negative Folgen, da die unbegrenzte Rückweisungsfrist vom Adressaten ohnehin nicht genutzt werden kann. Genau dieses Ergebnis dürfte aber -- so wie ich die EuGH-Rechtsprechung verstehe -- gerade nicht gewollt sein.

Ein weiteres Problem wäre, dass, falls die Heilung des Mangels komplett ausbleibt oder sich längerfristig verzögert, die andere Partei mit einer schwebenden Zustellung konfrontiert wäre, bei der man sich nicht ganz sicher sein kann, ob sie denn nun wirksam ist, oder ob es doch noch zur Rückweisung kommt. Man stelle sich mal den Extremfall vor, dass ein VErfahren bereits im Vollstreckungsstadium steckt und der Adressat dann plötzlich auf die Idee kommt, dass er wegen dem fehlenden Formblatt ja die Zustellung der Klageschrift unbefristet zurückweisen kann, mit der Folge, dass eine Wiedereinsetzung ganz an den Anfang des Verfahrens gewährt werden muss.

Von daher bin ich der Meinung, dass ein fehlendes Formblatt dazu führt, dass die Zustellung ohne Formblatt durch das fehlende Formblatt unwirksam ist und eine Heilung dieses Mangels (soweit diese möglich ist) zumindest für die Ingangsetzung von Fristen nicht auf das ursprüngliche Zustellungsdatum zurückwirkt, sondern maximal den Mangel ex nunc heilt.

ZU klären wären aber noch die Rechtsfragen, ob:
• ein fehlendes Formblatt durch Nachreichen des Formblatts geheilt werden kann oder ob alle Unterlagen nochmal zugestellt werden müssen und
• ob, falls durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, eine fehlerhafte Zustellung ohne Formblatt zur Fristwahrung genügt oder ob die Frist nur dann gewahrt ist, wenn auch das Formblatt innerhalb der Frist zugestellt wird.

Beim ersten Punkt würde ich dahin tendieren, dass es reicht, wenn das Formblatt nachgereicht wird, aber sicher bin ich mir da nicht. Beim zweiten Punkt denke ich, dass diese Frage nach den Lex Fori bewertet werden muss und sich daher nicht einfach so anhand der EuZVO beantworten lässt, da die EuZVO den Lex Fori ausdrücklich die Option zubilligt, in den Fällen, wo durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden muss, an einen fiktiven ZUstellungstermin anzuknüpfen, der vor dem tatsächlichen Zustellungstermin liegen kann.
Julia
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Re: Fehlendes Formblat bei EU-Zustellung nach Art. 8 EUZVO

Beitrag von Julia »

Das ist nett, allerdings ist der Thread fast 7 Jahre alt, sodass der Ersteller vermutlich kein Interesse mehr haben dürfte.
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