Arbeitsschritte bis zum fertigen Zivilurteil

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valemmrich
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Arbeitsschritte bis zum fertigen Zivilurteil

Beitrag von valemmrich »

Hallo liebes Forum,

bin seit gut zwei Monaten Referendar in BW. Womit ich mich noch schwer tue, ist die Klausurbearbeitung bzw. die Erstellung eines Urteils.

Konkret weiß ich nicht so sehr, wie ich an eine Akte rangehen soll, um dann am Ende möglichst effizient das Urteil geschrieben zu haben.

Meine Arbeitsschritte sehen wie folgt aus:

1) Sachverhalt erfassen
- dabei Hilfsmittel wie Aktenauszug erstellen

2) Rechtliche Bewertung des Falls

3) Urteil schreiben

Wie seid ihr an eine Akte rangegangen? Habt Ihr beispielsweise stets einen Aktenauszug erstellt? Habt ihr im Rahmen der rechtlichen Bewertung (2) eine stichwortartige relationstechnische Prüfung durchgeführt oder eher ein einschichtiges Gutachten stichwortartig wie im 1. Examen gemacht?

Wäre froh, wenn ein paar ihre Erfahrungen teilen könnten :)

Beste Grüße
Der Schwabe tut gerne so, als ob er arm sei. Aber er ist beleidigt, wenn andere ihm das glauben. [M. Rommel]
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Re: Arbeitsschritte bis zum fertigen Zivilurteil

Beitrag von Idee1290 »

Hallo!

Also: Bei mir hat sich das zwischen den Stationsurteilen und den Klausururteilen unterschieden.

- In den Stationsurteilen habe ich in der Regel einen Aktenauszug erstellt, also mir den Tatbestand so erarbeitet, dass ich genau geschaut habe, wer was vorgetragen hat. Meistens war das einfach eine Word-Tabelle mit 2-3 Spalten. 1 Spalte Klägervortrag, eine Beklagtenvortrag und wenn es zu unübersichtlich wurde, in eine dritte Spalte die rechtilche Frage für die das relevant war (auch gemischt: Beweislast, hinreichend bestritten, oder zB materiell-rechtlich "Vertretenmüssen" oder so)
Eine echte Relation habe ich in der Regel nicht gemacht, aber je nach Umfang der Akte, Detailliertheit des Vortrags und meinem rechtlichen Vorwissen dann doch mehr oder weniger detailliert und akkurat und auch Richtung Mini-Relation.

- In den Übungsklausuren merkt man schnell, das man für solche Spielereien gar keine Zeit hat. Da habe ich das Anfangs aber noch gemacht bzw. auch machen müssen, um mit den Aktenauszügen klar zu kommen. Frisst aber erheblich Zeit, also habe ich - je mehr es Richtung Examen lief - darauf trainiert, das direkt im Fall erkennen zu können. Aus Zeit- und Umfanggründen kann das meist auch nur an einer, maximal an zwei Stellen im Sachverhalt passieren. Die muss man erkennen lernen.

Ich hoffe, das hilft dir weiter.

Edit: In den Stationsurteilen habe ich mir auch erstmal den Tatbestand runtergeschrieben, nachdem ich mir sicher war, alles ordentlich sortiert zu haben. Aber ich habe den durchaus hinterher, während der rechtlichen Beurteilung und dem Urteilsschreiben, auch noch mal verändert. In der Klausur ist das ja die absolute Gretchenfrage: TB zuerst oder zuletzt. Muss man da mE für sich selbst entscheiden. Ist aber in der Klausur auch eine andere Situation als in der Station mit dem Urteil dort, man kann also nciht zwingend Schlüsse daraus ziehen, wie man das in der Station gehandhabt hat. Für die Station fand ichs aber einfacher.
Zuletzt geändert von Idee1290 am Donnerstag 21. Juni 2018, 15:39, insgesamt 1-mal geändert.
Praxiskommentar
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Re: Arbeitsschritte bis zum fertigen Zivilurteil

Beitrag von Praxiskommentar »

Zur Erfassung des Sachverhalts hat mir tatsächlich immer eine Gegenüberstellung von Klägervortrag und Beklagtenvortrag geholfen. So sieht man schnell, was bestritten wird und was unstreitig ist und muss danach seinen SV nur anhand der Übersicht runterschreiben.

Ich löse Fälle zunächst (für mich) in einem Gutachten (wie im 1. Examen). Mit Relationsgutachten kann ich nicht viel anfangen.
Tobias__21
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Re: Arbeitsschritte bis zum fertigen Zivilurteil

Beitrag von Tobias__21 »

Ich habe auch diese Tabelle gemacht und nach streitigem und unstreitigem gefiltert. Beim Urteilsstil habe ich mich um klare Obersätze bemüht und dann drunter subsumiert. Es bietet sich hier oft an den Gesetzwortlaut zu wiederholen (aber nicht immer ;)) Dann hat man aber eine Struktur, die man abarbeiten kann. Dann immer das Ergebnis (bzw. die Antwort) vorne anstellen und dann begründen. Man kann sich dabei ein kleines Kind (bzw. die Partei) vorstellen, das immer "warum" fragt. Warum ist das keine Leistung? Warum dringe ich mit meinem Vortrag nicht durch? Warum fehlt der Rechtsgrund? Warum ist der Zeuge unglaubwürdig? Und wenn keine "warums" mehr offen bleiben, ist man fertig :) Stand glaub so auch in nem Kaiserskript :)

Es gibt dazu auch Lehrbücher. Bspw: Schellhammer - Arbeitsmethode des Zivilrichters.

Ist aber m.W.n auch auf die Relationsmethode angelegt. Ich bin zumindest mit dem Relationsgutachten auch nie warm geworden, aber anschauen kann man es sich mal. Laut Anders/Gehle immerhin noch das Mittel der Wahl. Auch wenn man es selbst nicht so anwendet, schadet es nicht, die Grundzüge zu kennen.
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