Hilfe: Die Anwaltsklausur

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Gelöschter Nutzer

Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo zusammen,

ich hoffe, ihr könnt mir helfen. Ich habe Probleme Gutachten im Rahmen von zivilrechtlichen Anwaltsklausuren, Revisionen, StAklausuren oder öffentlichrechtlichen Anwaltsklausuren zu schreiben.

Mir wird einfach nicht klar, wie ich Rechtsprobleme/Meinungsstreitigkeiten darzustellen habe.

Ein Freund von mir, der junger Richter ist, meinte, er würde Meinungsstreitigkeiten gar nicht darstellen, da das praxisfern sei und den Korrektor nerven würde. Er würde nur die BGH-Meinung bringen.

Ich kann das aber nicht ganz nachvollziehen. Ich muss doch auch als Anwalt erst einmal das Problem umfassend lösen und nur im Ergebnis dem BGH folgen oder nicht?

Ich habe das Gefühl verrückt zu werden. Hat jemand wirklich Ahnung davon oder könnte mir ggf.sogar mal selbstgelöste Klausuren zur Verfügung stellen?

Viiiiielen Dank
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thh
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von thh »

milankundera hat geschrieben:Ich muss doch auch als Anwalt erst einmal das Problem umfassend lösen und nur im Ergebnis dem BGH folgen oder nicht?
Warum?

Den Mandanten interessiert doch, wie das Gericht eine Rechtsfrage voraussichtlich entscheiden wird. Wenn sich zu dieser Frage eine herrschende, obergerichtliche und/oder höchstrichterliche Rechtsprechung herausgebildet hat, ist im Regelfall davon auszugehen, dass ein Gericht dieser folgen wird. Dann mag es für den Mandanten noch sinnvoll sein, zu verstehen, warum die Rechtsprechung das so sieht (= Argumente für diese Ansicht), aber es ist weitgehend belanglos, ob es dazu andere Ansichten gibt und welche Argumente für diese sprechen.

Für die StA gilt das kaum anders. Es ist in der Regel sinnlos, gegen eine gefestigte Rechtsprechung zu argumentieren, mag man sie auch für falsch halten. Es kann vielleicht in Ausnahmefällen sinnvoll sein, diese Möglichkeit aufzuzeigen, dann aber verbunden mit dem Hinweis, dass das Gericht aller Wahrscheinlichkeit nach dieser Auffassung nicht folgen wird. In der Regel ist das aber schlicht für die Praxis - und damit auch für den Mandanten - irrelevant.
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Gelöschter Nutzer

Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Danke für die Antwort. Ich gebe dir ja eigentlich Recht, dass das so logisch ist. Ich dachte nur, dass ein Gutachten erst zum Ergebnis führen soll und die Entscheidung, welcher Ansicht man dann golgt, eher erst im 2 Schritt als taktische Erwägung vorgenommen wird. Würdest du also gar nicht auf andere Ansichten eingehen? Mein AG-Leiter im örecht meinte auch mal, dass man erst ein rein objektives Gutachten schreiben soll und eher im praktischen Teil dann die für den Mandanten günstigen Ansichten anführt.

Hast du schon dein 2. Examen geschrieben?
Gelöschter Nutzer

Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Also meinst du auch nicht, dass die Prüfer eine Auseinandersetzung mit anderen Meinungen erwarten?
EinHeinz
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von EinHeinz »

Und wie schaffst du das in fünf Stunden? Und wofür soll das gut sein, eine andere Meinung darzulegen, wenn klar ist, dass du dieser nicht folgst, weil es nicht im Interesse des Mandanten ist?

1. Schritt - Mandantenbegehren. Was will der Mandant?
2. Schritt Gutachten - ist das Mandantenbegehren nicht zu erreichen mit der hM aber es gibt eine Mindermeinung? Dann könnte die interessieren, sonst nicht. Wofür auch? Das ist reine Prostitution von Wissen und ineffizient.

Wenn du natürlich immer nur 4 Stunden für eine 30 seitige Klausur brauchst, kannst du bestimmt noch ein paar Lehrmeinungen nennen. ;)
Theopa
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Theopa »

Einer der wenigen Orte für (herrschende) Literaturmeinungen dürfte das Verteidigerplädoyer sein: Wenn der Angeklagte nach der Rechtsprechung zu verurteilen wäre ist es einen Versuch wert.

Abgesehen davon dürfte es kaum Situationen geben, in welchen man den Streit überhaupt erwähnt. Eventuell könnte man noch darüber nachdenken, wenn die letzte Rechtsprechung uralt ist und vieles für eine Änderung spricht. Wie oft man solche Fälle in der Klausur findet ist dann die andere Frage ;)
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von OJ1988 »

Man schaue sich veröffentliche Lösungsskizzen an und sehe: Natürlich werden auch im 2. StEx Meinungsstreitigkeiten wiedergekäut. Dass man in einer Anwaltsklausur im Zivilrecht seinen Schriftsatz nicht auf eine verdrehte Literaturmeinung stützt, ohne dem Mandanten wenigstens klaren Wein eingeschenkt zu haben, ist klar, geht aber nicht mit "gar nicht mal erwähnen, alles stur nach BGH machen" einher, so wie es hier tlw. insinuiert wird.
Gelöschter Nutzer

Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich habe doch eine umfassendr Beratungspflicht dem Mandanten gegenüber. D.h.dass ich ihn doch auch über andere Ansichten aus Risikogründen informieren muss. Auch wenn ich ihm i.E.zur Klage rate, weil die Rspr. Bisher zu seinem Gunsten entschieden hat...
julée
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von julée »

Es ist - wie so oft - eine Frage der Gewichtung. Der Rat sollte grds. auf der herrschenden Rechtsprechung fußen, weil die Vermutung besteht, dass die Rechtsprechung das genau so wieder entscheiden wird.

Wenn dem Mandanten eine abweichende Ansicht günstiger ist, dann kann man sie natürlich gegenüber dem Gericht versuchen, insbesondere, wenn es sonst nichts zu verlieren gibt (vor allem im Strafrecht beim Plädoyer - aber da sind die Klausuren auch regelmäßig so aufgebaut, dass genau das gefordert wird). Abwegige Ansichten, denen das Gericht möglicherweise aus heiterem Himmel folgen könnte, würde ich - je nach Popularität - in der gebotenen Kürze verwerfen.
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EinHeinz
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von EinHeinz »

milankundera hat geschrieben:Ich habe doch eine umfassendr Beratungspflicht dem Mandanten gegenüber. D.h.dass ich ihn doch auch über andere Ansichten aus Risikogründen informieren muss. Auch wenn ich ihm i.E.zur Klage rate, weil die Rspr. Bisher zu seinem Gunsten entschieden hat...
Dann mach es doch einfach. Bzw probier es, und wenn du in den 5 Stunden nicht mehr zum praktischen Teil kommst, weißt du, was gekürzt werden kann.
Gelöschter Nutzer

Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Dass das alles in 5 Stunden problematisch ist, ist mir klar.
Ich wollte ja nur wissen, was theoretisch der richtige Weg wäre..
OJ1988
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von OJ1988 »

Problembewusstsein und Fingerspitzengefühl. Wie immer ;)
Gelöschter Nutzer

Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Also hältst du es auch für richtig an problematischen Stellen andere Ansichten zumindest zu erwähnen?
OJ1988
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Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von OJ1988 »

Tendenziell ja. Man braucht dafür aber eben ein gewisses Fingerspitzengefühl, das man (mE: nur) mit Klausurerfahrung bekommt. Ich hätte im 2. StEx bspw. nie abweichende Ansichten zur "Saldotheorie" erwähnt und da groß mit "modifizierter 2-Kondiktionen-Lehre" rumgemacht. Der Streit um die richtige Abgrenzung "Raub/räuberische Erpressung" ist allerdings auch im 2. StEx Standard (wenngleich man ihn oft offen lassen kann).
Gelöschter Nutzer

Re: Hilfe: Die Anwaltsklausur

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Okay. Wie erkennst du denn, ob Streits noch relevant sind oder nicht? Und hast du Klausuren nur am Gericht geschrieben oder aucj bei Kaiser oder so?
Ich meine, in bekannten ljpa losungsskizzen werden ja auch manchmal andere Meinungen angesprochen.

Ich finde es einfach schwierig zu herauszufinden, was von mir verlangt wird!
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