Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

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Sheila
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Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von Sheila »

Ich überlege, ob es für das Examen schlicht sinnvoller ist, mal 3 Monate in einer allg. Zivilkammer zu sein oder ob man alles, was zu lernen ist, auch in einer Spezialkammer mitbekommt. Ist es bedeutend mehr Arbeit in einer Spezialkammer, wenn man alles Klausurrelevante (zusätzlich) lernen möchte / soll?
Bin sehr dankbar für Anregungen!
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julée
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von julée »

Das dürfte darauf ankommen, wie speziell die Spezialkammer ist und ob sie daneben auch noch für allgemeine Zivilsachen zuständig ist. Wie ein Urteil zu schreiben ist, lernt man auch in einer Spezialkammer (sofern es dort auch "dünne" Akten gibt, die man Dir mitgeben kann) - ebenso etwas Prozessrecht. Das materielle Recht kann man ohnehin kaum mit den 10 schriftlichen Arbeiten umfassend abdecken.
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Baron
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von Baron »

Ich war in einer Spezialkammer und zwar in einem Rechtsgebiet, das ich als Wahlfach im ersten und im zweiten Examen hatte. War top! :)
Sheila
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von Sheila »

Also die Spezialkammern machen gar kein allgemeines Zivilrecht. Dazu kommt, dass die Rechtsgebiete materiell für mich Neuland wären. Ich würde eigentlich gerne die Zivilstation schon dazu nutzen, materielles Recht, das ich mir beruflich vorstellen kann, auszuprobieren. Allerdings unter der Prämisse, dass ich mir nicht zuviel Arbeit aufhalse, die letztlich in Hinblick auf das Examen nichts bringt. Oberste Priorität hat das Examen.

Die Frage ist deshalb, wie wichtig eigentlich konkret das materielle Recht in der Zivilstation für's Examen ist?
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Tante Dagobert
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von Tante Dagobert »

Naja, die paar Fälle, die man für seinen Ausbilder macht, haben meines Empfindens nach keinen großen Nutzen für das Examen. Mein VRiLG hat sich zwar redlich Mühe gegeben, mir eine Bandbreite unterschiedlicher Fallgestaltungen zukommen zu lassen (etwa 823, VSP - Eisglätte; KaufR, 123, 812, 818 (Rückabwichlung eines länger zurück liegenden Unternehmenskaufs); Durchgriffshaftung einer Gesellschaft; Verletzung von Beratungspflichten beim Darlehnsvertag; 1004 - APR), aber auch wenn ich die ganze Zeit bspw. nur gewerblichen Rechtsschutz gemacht hätte, wäre die Auswirkung auf das Examen meines Empfindens nach gleich geblieben.

Wie bereits angemerkt, ist das zentrale Augenmerk mE darauf zurichten, die Technik des Urteilschreibens bzw. des Votierens / der Relation zu erlernen.

Und für die spätere berufliche Perspektive - wenn sie denn in der Justiz liegt - ist es wohl sinnvoller, deinen Ausbilder zu bitten, dich in die Grundzüge der Dezernatsarbeit einzuweisen. Die verschiedenen Verfügungen, der Umgang mit der Geschäftsstelle, das Bearbeiten einer Akte, all das kann man gut in der Zivilstation kennen lernen. Der Unterschied zwischen Spezialkammer und allgemeinem Dezernat dürfte dabei nicht sonderlich schwerwiegend sein.
julée
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von julée »

Sheila hat geschrieben:Also die Spezialkammern machen gar kein allgemeines Zivilrecht. Dazu kommt, dass die Rechtsgebiete materiell für mich Neuland wären. Ich würde eigentlich gerne die Zivilstation schon dazu nutzen, materielles Recht, das ich mir beruflich vorstellen kann, auszuprobieren. Allerdings unter der Prämisse, dass ich mir nicht zuviel Arbeit aufhalse, die letztlich in Hinblick auf das Examen nichts bringt. Oberste Priorität hat das Examen.
Wenn es eine reine Spezialkammer ist und Du auf dem Rechtsgebiet keine Vorkenntnisse hast, dann bedeutet das natürlich, dass Du Dich jedes Mal in das Thema einarbeiten musst, um überhaupt ein Urteil / Votum schreiben zu können - und nicht mal zwischendurch einen Fall hast, bei dem Dir zumindest die materiell-rechtliche Lösung leicht fällt.

Wie arbeitsintensiv das tatsächlich wird, hängt dann sicherlich auch vom konkreten Rechtsgebiet (wie komplex?; wie dick sind die Akten?) ab, allerdings würde ich schon davon ausgehen, dass es ohne Vorkenntnisse eine eher anstrengende Station wird (zumal Du parallel dazu ZPO lernen musst und überhaupt "praktisch" zu arbeiten).
Die Frage ist deshalb, wie wichtig eigentlich konkret das materielle Recht in der Zivilstation für's Examen ist?
s. o., allerdings ist es natürlich die Gelegenheit (vor allem auch in den Verhandlungen), den ein oder anderen "normalen" Zivilrechtsfall zu sehen - das sollte man m. E. auch nicht unterschätzen. Aber mit einem Stapel alter Klausuren kann man sich sicherlich genauso gut auf das Examen vorbereiten.
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von marcus_tullius »

Ich war selbst in einer Kammer für Handelssachen und es war mäßig interessant und begeisternd. So durfte ich meine schriftlichen Arbeiten 2-3 Mal im privaten Baurecht anfertigen und dabei teilweise die VOB/B hoch und runter beten. Sofern die VOB/B nicht so problematisch war, waren die Akten vielmehr in tatsächlicher Hinsicht als in rechtlicher Hinsicht kompliziert... so wurden in einem Fall mit acht Mängeln primär aufgerechnet und es war eine einzige Qual, sich durch die Sachverständigengutachten und -ergänzungsgutachten sowie die 500 seitige Akte zu lesen.

Ansonsten konnte ich einen Widerspruch gegen eine Einstweilige im UWG bearbeiten, was noch mit Abstand das Spannendste war.
Zudem hatte fast jeder Fall einen grenzüberschreitenden Bezug, sodass man wenigstens IPR etwas wiederholen konnte =D> .

Alles in Allem wenig lehrreich und interessant, jedoch arbeitsintensiv.
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Phaidros
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Re: Zivilstation: allg. Zivilkammer oder Spezialkammer?

Beitrag von Phaidros »

"Meine" Kammer hatte eine Zuständigkeit für Bausachen. Die Sitzungen waren sterbenslangweilig. Stundenlange Erörterungen von Sachverständigen zu Dachneigungen, Putzmischungen und Fliesenqualitäten. Und am Ende hat man sich dann regelmäßig verglichen ...

(Die Ausbildungsakten waren top, da sie aus der allgemein-zivilrechtlichen Einzelrichtertätigkeit des Ausbilders kamen. Das konnte die Teilnahmepflicht an den Sitzungen aber nicht wirklich ausgleichen. Könnte ich nochmal wählen, würde ich ans Amtsgericht gehen.)
"ὁ ... ἀνεξέταστος βίος οὐ βιωτὸς ἀνθρώπῳ"
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