Ausbilderzeugnis anfechten

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Gelöschter Nutzer

Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo meine Lieben,

ich hab heute per Post mein Zeugnis aus der Wahlstation bekommen. Ich bin in Hessen und wir bekommen ein richtiges Zeugnis und einen Nachweis über die getätigten Arbeiten.

Nun weist mein Zeugnis wirklich böswillige Formulierungen auf, die in indirekter Rede angeblich Gesagtes von mir wieder geben.
Z.B. hieß es unter Mitarbeit: "erbat sich auch morgens oft mehr Zeit zum Ausschlaffen, sodass ich ihr schließlich nachließ, erst um 11:00 Uur erscheinen zu müssen." oder
"An Sitzungen nahm sie eher ungern ind widerwillig teil und fragte schon zu Beginn, wielange das denn wieder dauere".

Zudem habe ich in den Arbeiten eine durchschnittliche Leistung von 14,5 Punkten und im Zeugnis dann 11 Punkte bekommen. Die Note ist mir allerdings nicht ganz so wichtig.
Ich hatte zwar schon während der Station den Eindruck, dass er mich regelrecht "hasst" aber ich hätte nie gedacht menschlich so enttäuscht zu werden und das von einem Abteilungsleiter und kurz vor meiner mündlichen Prüfung.

Kommen wir zum Punkt, wisst ihr, ob es Sinn macht gegen ein solches Zeugnis vorzugehen? Hat man überhaupt Chancen? Besonders im Hinblick darauf, dass mein Traumjob bei der Staatsanwaltschaft wäre :( :(
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Tibor
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Tibor »

Na, wenn die Aussagen der Wahrheit entsprechen, dann wird es wohl schwer.
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OJ1988
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von OJ1988 »

Alle Achtung, da hat die Chemie aber gestimmt.

Ansonsten sehe ich das wie mein Vorredner. Kann mir aber nicht vorstellen, dass du dir ausgebeten hast, erst um 11 kommen zu müssen, weil du "ausschlafen" wolltest - gerade wenn das der angebliche Traumjob ist. Oder?
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Tibor
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Tibor »

Genausowenig kann ich mir vorstellen, dass eine solche Formulierung vom Himmel fällt.
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von OJ1988 »

Auch wieder wahr.
Stalker
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Stalker »

Mein Reffies kriegen 11 erst ab wirklich guten Leistungen - das ist jetzt echt kein gruseliges Stationszeugnis.
Eagnai
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Eagnai »

Du findest es nicht gruselig, wenn im Zeugnis steht, dass der Referendar ständig darum gebeten habe, doch bitteschön morgens ausschlafen zu dürfen, und nur widerwillig an Sitzungen teilgenommen habe? Schlimmer geht es doch kaum noch.

Und auch die Note - wenn die Durchschnittsnote der einzelnen Arbeiten bei 14,5 liegt, muss man ja die sonstigen notengebenden Aspekte (wie eben die Sitzungsteilnahme, das Engagement, die mündlichen Rechtsgespräche o.ä.) extrem schlecht bewertet haben, um auf eine Gesamtnote von 11 zu kommen.
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von OJ1988 »

11 Punkte in einem Stationszeugnis würde ich als ehrabschneidend wahrnehmen. Aber da mag es von Ort zu Ort unterschiedliche Gepflogenheiten geben.
julée
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von julée »

Eagnai hat geschrieben:
Und auch die Note - wenn die Durchschnittsnote der einzelnen Arbeiten bei 14,5 liegt, muss man ja die sonstigen notengebenden Aspekte (wie eben die Sitzungsteilnahme, das Engagement, die mündlichen Rechtsgespräche o.ä.) extrem schlecht bewertet haben, um auf eine Gesamtnote von 11 zu kommen.
Wenn man es 1 : 1 gewichtet, wären es 7-8 Punkte für "Arbeitsmotivation usw."; wenn man es 2 : 1 gewichtet, wären es 4-5 Punkte. Wenn die Textbeschreibung einen wahren Kern haben sollte, würde ich das jetzt nicht für so wahnsinnig unangemessen halten.

Ärgerlich ist so ein Zeugnis in der Wahlstation natürlich. Ob ein Vorgehen hiergegen Sinn macht und Aussicht auf Erfolg hat, dürfte auch davon abhängen, wie zutreffend die Aussagen sind. Stationszeugnisse dürften ja auch wenig schmeichelhafte Wahrheiten enthalten.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Eagnai »

julée hat geschrieben: Wenn man es 1 : 1 gewichtet, wären es 7-8 Punkte für "Arbeitsmotivation usw."; wenn man es 2 : 1 gewichtet, wären es 4-5 Punkte. Wenn die Textbeschreibung einen wahren Kern haben sollte, würde ich das jetzt nicht für so wahnsinnig unangemessen halten.
Von unangemessen habe ich ja auch nicht geredet - das kann ich nicht beurteilen, weil ich ja nicht weiß, ob an den Vorwürfen was dran ist. Wenn ein Referendar tatsächlich sagen sollte, er wolle morgens doch bitte lieber ausschlafen statt zu arbeiten, wäre es sicherlich angemessen, das negativ zu bewerten.

Ich wollte eigentlich nur ausdrücken, dass ich ein solches Zeugnis, wenn ich es lesen würde, als sehr schlecht empfinden würde.
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von julée »

D' accord. Gut oder auch nur okay ist das Zeugnis mit der Beschreibung des Arbeitsverhaltens beim besten Willen nicht. 11 Punkte hin oder her.
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von bill-1 »

Gibts bei Stationszeugnissen denn keine Pflicht zur arbeitnehmerfreundlichen Vormulierung? In einem Arbeitszeugnis dürften solche Formulierungen doch nicht zulässig sein, oder etwa doch?
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Tibor
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von Tibor »

Hess. VGH, Beschluss, 26.10.2007, - 8 TP 1731/07 - in: NJW 2008, 1608

LS: Stationszeugnisse für Rechtsreferendare dienen ausschließlich Prüfungszwecken und müssen daher auch negative Ausbildungsleistungen deutlich bezeichnen und bewerten. Auf diese Zeugnisse ist die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur wohlwollenden Gestaltung von Zeugnissen des Arbeitgebers für Arbeitneh- mer nicht übertragbar.
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von bill-1 »

Ah, interessant! Na dann wird das mit dem Anfechten woch eher schwierig, wenn sich die TEin tatsächlich in entsprechender Weise geäußert haben sollte. Und selbst, wenn nicht: trotzdem schwierig.
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Re: Ausbilderzeugnis anfechten

Beitrag von thh »

bill-1 hat geschrieben:Gibts bei Stationszeugnissen denn keine Pflicht zur arbeitnehmerfreundlichen Vormulierung?
Nein. Dienstliche Beurteilungen müssen (nur) wahrheitsgemäß sein.

Es besteht trotzdem - jedenfalls hier - die Neigung, sich in der Notengebung nicht an der üblichen juristischen Notenskala, sondern am faktischen Notendurchschnitt zu orientieren, verbunden mit der Bitte der Ausbildungsleiter, Benotungen strikt nach der Notenskala als solche zu kennzeichnen. Insofern kommt eine durchschnittliche Leistung hier auf ~ 11 Punkte, wirklich gute Leistungen liegen darüber, alles darunter ist schon ungewöhnlich. Es besteht aber durchaus die Tendenz, in der verbalen Beschreibung die tatsächliche Leistung klarzustellen, die dann auch mal 4 Punkten oder weniger entsprechen kann.

Eine solche wie die hier fragliche Bewertung habe ich noch nicht gesehen und halte ich auch, selbst wenn so geschehen, für grenzwertig, aber freilich zulässig; ich bin der Meinung, man kann auch mit anderen Formulierungen sehr deutlich machen, was gemeint ist. Es kommt übrigens durchaus vor, dass Referendare nicht nur keine verwertbaren Leistungen erbringen, sondern auch zu jedem (!) Termin mit dem Ausbilder mindestens 15 Minuten zu spät kommen, die vereinbarte (in der Regel auf eine Woche kalkulierte) Ausarbeitung gar nicht selten nicht fertiggestellt haben, weil sie vergessen, vom Computer gefressen, leider aufgrund plötzlicher Erkrankung nicht erstelllt usw. werden konnte; man glaubt manches erst, wenn man es gesehen hat. Ob das dann natürlich auch in "Traumstationen" geschieht, sei dahingestellt.

Zur hier fraglichen Bewertung: Ich gehe auch davon aus, dass sie jedenfalls einen wahren Kern hat, der bspw. auch darin bestehen kann, dass einmal um einen späteren Termin gebeten wurde, weil am Vorabend eine Veranstaltung stattgefunden hat, oder dass bei einer langweiligen und -wierigen Verhandlung einmal die (vielleicht auch missverstandene) Frage aufkommt, wie lange das denn noch gehen mag (was sich im übrigen sicherlich auch Staatsanwälte und Rechtsanwälte und nicht zuletzt Richter manchmal stöhnend fragend werden). Dann wäre das Zeugnis immer noch irgendwie wahr, würde aber (bewusst?) böswillig einen falschen Eindruck erwecken.

Was die mögliche Vorgehensweise betrifft: Ohne genauere Kenntnisse gehe ich davon aus, dass der Beurteiler negative Beurteilungen ggf. wird begründen müssen. Wenn der Beurteiler aber nicht ganz unerfahren ist, wird er sich notiert haben oder reproduzieren können, wann diese Bemerkungen gefallen sein sollen. Danach steht dann Wort (des Referendars) gegen Wort (des Ausbilders, hier wohl eines Abteilungsleiters, also Oberstaatsanwalts). Ich würde mir keine großen Illusionen über das Ergebnis machen.

Im Zweifelsfall kann jedenfalls, soweit ich sehe, die Beurteilung mit dem Beurteiler besprochen und um Abänderung gebeten werden (das sehe ich hier nicht so wirklich ...) oder aber eine schriftliche Gegenäußerung abgegeben werden.

[Falls jemand weiß, welche Rechtsschutzmöglichen es - insb. in Hessen - gibt, und nicht nur spekuliert wie ich, möge das bitte ergänzen. :)]
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