Referendariat als bedürfnisgerechte Ausbildung?

Alle Themen rund um das Referendariat (Organisation, Ablauf, Wahlstation im Ausland etc.)

Moderator: Verwaltung

davwm
Häufiger hier
Häufiger hier
Beiträge: 112
Registriert: Samstag 2. Januar 2016, 15:03
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von davwm »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Einer der größten Vorteile eines Juristen in europäischen Vergleich, der seine komplette Ausbildung im Vereinigten Königreich absolviert hat, ist in aller Regel seine Muttersprache. Ansonsten gilt dort hinsichtlich vieler Ausbildungseigenheiten und der anschließenden Fähigkeit zur selbständigen Arbeit einer signifikanten Zahl junger Berufseinsteiger, gerade wenn man sie ihres liebgewonnenen case-law-Systems (NB: ich bin mir bewusst, dass wir nicht über US-amerikanische Zustände sprechen, aber die ehemalige Herrschaftsmacht teilt hier noch manches ihrer ehemaligen Untergebenen) beraubt - wenn wir gerade schon auf Italienisch kommunizieren -: Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate!
Keiner streitet ab, dass regelmäßig der 23jährige UK-Stagiaire dem deutschen Dr LLM 2. SteX Berufseinsteiger fachlich etwas unterlegen sein dürfte. Allerdings sind gleichaltrige UK-Absolventen in dem Alter der deutschen Berufseinsteiger teilweise schon Senior Associate, da sieht es wieder anders aus.

Es geht ja auch weniger um den Vergleich von Ausbildungen, sondern um Systemen. Deutschland ist eher konservativ und auf formale Nachweise scharf - neben langem Staatsexamen soll dann bitte auch noch Dr/LLM dazu, für eine Unikarriere eine Habilitation, für Steuerrecht noch den Steuerberater, genauso wie ein selbständiger Fahrradmechaniker bitteschön seinen Meisterbrief macht... England ist eher liberal und experimentierfreudig, lässt mehrere - insbesondere schnellere - Wege zur Anwaltszulassung zu und fährt damit keineswegs schlechter, vielleicht sogar besser, wobei ich zugebe, dass der Vergleich schwierig ist. In anderen Bereichen wie 13jähriges Abi, Diplomstudiengänge vs. Bachelor/Master hat sich Deutschland dem internationalen Standard eher angepasst, zwar wird in den Feuilletons der Untergang des Abendlandes beschworen, aber in der Praxis scheint das doch zu funktionieren.

Auf lange Sicht ist doch sowieso klar: Das Berufsleben dauert hoffentlich 40 Jahre, daher dürfte das, was nach der formalen Ausbildung passiert, viel entscheidender sein. Das zeigt sich ja schon darin, dass es relativ egal ist, wo man in Deutschland studiert und Referendariat gemacht hat, obwohl es durchaus Unterschiede gibt. Genausowenig haben sich die Reformversuche der letzten 20-30 Jahre (Abschaffung einstufige Juristenausbildung, Schwerpunktbereich, Streichung Hausarbeitsexamen, Erhöhung Klausurenzahl) ausgewirkt. Meiner Meinung nach ist das Examen ein hervorragender Filter - wer gut abschneidet, ist regelmäßig schlau, fleißig und belastbar und dann auch in der Praxis ein guter Jurist. Diese Filterfunktion würde aber schon durch das 1. Examen erfüllt und ich denke, man könnte sie auch durch einen Bachelorstudiengang erfüllen. Die (vielen) zusätzlichen Jahre der Ausbildung wirken sich gar nicht aus, leider kann ich nur mit Altitalienisch dienen: "Quod natura non dat, Salmantica non praestat"

Ich gebe aber zu, dass das Referendariat durchaus seinen Charme hat, wenn sollte man vielleicht eher die Überlänge des Studiums kürzen.
EinHeinz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2348
Registriert: Sonntag 5. September 2010, 11:31

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von EinHeinz »

Ich hab den Kern der Debatte nicht mitbekommen. Warum soll man die Ausbildung kürzen? Wenn man sich ranhält ist man in sechs Jahren durch, also bei Turbo Lebensweg 23/24 Jahre alt beim Berufseinstieg. Ist das zu lang und ausgedehnt? Ist doch schön, dass man in unserem System eben auch erst mit 30 einsteigen kann, und dabei eine umfassender Bildung wahrnehmen kann. Dazu wird aber niemand gezwungen.
davwm
Häufiger hier
Häufiger hier
Beiträge: 112
Registriert: Samstag 2. Januar 2016, 15:03
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von davwm »

EinHeinz hat geschrieben:Ich hab den Kern der Debatte nicht mitbekommen. Warum soll man die Ausbildung kürzen? Wenn man sich ranhält ist man in sechs Jahren durch, also bei Turbo Lebensweg 23/24 Jahre alt beim Berufseinstieg. Ist das zu lang und ausgedehnt? Ist doch schön, dass man in unserem System eben auch erst mit 30 einsteigen kann, und dabei eine umfassender Bildung wahrnehmen kann. Dazu wird aber niemand gezwungen.
Naja, das sind eher Fantasiezahlen, selbst bei Examen nach 8. Semester dauert das Ganze mit Ref mindestens 6,5 Jahre, normaler Studienanfang nach G8 ist ja auch eher 18 (6+12) als 17... Im letzten Jahresbericht NRW war Durchschnittsalter 2. Examen mit 29 Jahren, 6 Monate und nur 0,6% haben es mit 25 geschafft, darunter gab es nichts.
EinHeinz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2348
Registriert: Sonntag 5. September 2010, 11:31

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von EinHeinz »

Ich selbst werde 26 beim Berufseinstieg. Ein Jahr in der Schule wiederholt, ein Jahr im Erasmus abgehangen. Auf beides kann man verzichten. Mit 7 Semestern Bachelor und 4 Semestern Master wäre ich ebenso 25 oder 26.

Es liegt wohl eher am nicht wollen, weil schlichtweg keine Notwendigkeit besteht, so schnell abzuschließen. Die meisten vernünftigen Mitmenschen werden, wenn sie es sich leisten können, etwas am Rande mitnehmen. Sei es ein Freiwilliges Jahr, Ausbildung, Auslandsjahr, Moot Court, Promotion, LLM, Elternzeit, durch die Welt reisen, Handicap verbessern, Poker Profi sein etc pp.

Was will ich sagen - die Ausbildung erscheint nicht überlang, wenn man sich dahinter klemmt. Man ist vielleicht 1 Jahr langsamer als ein Maschinenbauer und tendenziell schneller als ein Mediziner. Das ist doch nicht übel.
Samson
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1471
Registriert: Samstag 21. April 2007, 20:20

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von Samson »

Warum man die ergiebigste und potentiell schönste Lebensphase verkürzen sollte, ist mir auch nicht ersichtlich. Bereits jetzt erscheint mir die junge Studierendengeneration viel zu ehrgeizig und Wirtschaftsorientiert; viel zu wenig erkenntnishungrig und hedonistisch (das schließt sich nicht aus).
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16446
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von Tibor »

Die Durchschnittszahlen (Alter bei Abschluss des 2. Examens) werden insbesondere durch diejenigen hochgezogen, die nach dem 1. Examen lange pausieren, entweder wegen Diss, LLM, Auszeit etc. In meiner mündlichen Prüfung saß jemand, der nach dem 1. Examen noch einen vollständigen Uni-Diplomstudiengang absolviert hatte, andere vertrullern 5 Jahre für eine Diss. Eine hohe Anzahl an Studenten geht auch in den Verbesserungsversuch; das bedeutet oftmals 6-12 Monate längere Ausbildung ohne "Mehrbildung". Das Gros dürfte jedoch mit 19 einsteigen, dann im 9./10. Semester das 1. Examen machen und dann (rechnerisch) im 12.-15. Semester das Ref.; dann steigt man mit 26,5 ins Berufsleben ein.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Parabellum
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6850
Registriert: Dienstag 21. Juni 2011, 16:49
Ausbildungslevel: RA

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von Parabellum »

Können wir bitte mal diese ganze allgemeine Ref-Diskussion (ca. ab Seite 5) in einen anderen Thread verschieben? Danke.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
davwm
Häufiger hier
Häufiger hier
Beiträge: 112
Registriert: Samstag 2. Januar 2016, 15:03
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von davwm »

Ihr seid ziemlich "hart"! Die Ausbildung selbst ist also nicht übermäßig lang, weil jeder, der nach 8 Semester 1. Examen schreibt und dann unmittelbar ins Ref geht (was nicht überall klappt) und dann am Tag nach der mündlichen Prüfung zu arbeiten anfängt in 6,5 Jahren durchkommen muss?
Selbst dieser Musterschüler sieht aber gegen Musterschuler-UK, der in knapp 4 Jahren (inklusive Auslands-LLM!) mit genügend Vorlauf für Bewerbungen durchkommt, noch ziemlich blass aus.

Langsam wir aber auch mir die Diskussion zu albern, die Länge der deutschen Ausbildung ist doch mal wirklich ganz hM:

- Daniela Weber-Rey in "Briefe an junge Juristen, S. 151": "In Deutschland ist die Ausbildung sehr gut, aber lang - zu lang im internationalen, auch im europäischen Wettbewerb. Der Altersunterschied bei den Berufsanfängern ist groß, weil die Referendarsausbildung für die Anwaltszulassung erforderlich ist."

- Martin Selmayr (Hier (Verwaister Link https://www.audimax.de/jura/juristische-berufe/berufsbild/einblick-ins-eu-recht/ automatisch entfernt)): "Martin Selmayr empfiehlt, nicht zu lange mit einer Bewerbung bei den Europäischen Institutionen zu zögern: »Man sollte am besten schon in den letzten Jahren seiner Ausbildung bei einem Concours mitmachen. Schließlich steht man im Wettbewerb mit den Staatsangehörigen anderer Länder und die Deutschen haben im Vergleich sehr lange Studienzeiten«, gibt er zu bedenken. »Wenn man noch zu viel dazwischen unternimmt, kann es für eine interessante Karriere zu spät sein – und der Vorgesetzte ist dann vielleicht zehn Jahre jünger als man selbst.«
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von julée »

Herr Schraeg hat geschrieben:
julée hat geschrieben:Wenn man "effektiv" will, dann darf man sich aber nicht beschweren, dass der Staat die Absolventen nicht passgenau und fertig frei Haus liefert. ;) Und im Verbund wäre der Aufwand ja eher überschaubar (um den Bogen zum Thema zurückschlagen: mit der eingesparten Stationsvergütung könnte man sehr viele Ausbildungsveranstaltungen finanzieren *duck*).
Ich glaube, Du unterschätzt den Aufwand, um eine solche Ausbildungsveranstaltung zu konzipieren und lebendig, fundiert und aktuell zu halten. Und Du überschätzt vielleicht die Bereitschaft der Referendare, sich aktiv an freiwilligen Ausbildungsprogrammen ohne unmittelbare Examensrelevanz zu beteiligen. ;)

Damit ein solches Ausbildungsprogramm Nutzen stiftet, muss es wirklich umfassend und intensiv sein. Richterschaft und Anwaltschaft arbeiten mit demselben Handwerkszeug. Der Unterschied liegt in der Aufgabenstellung und damit in der Denk- und Herangehensweise, die man nicht in einem Seminar oder zwei Blockveranstaltungen verinnerlicht.
Ich habe durchaus eine Vorstellung von dem Aufwand, den man mit solchen Veranstaltungen treiben kann. Aber es gibt ja genügend Anwälte, die bereits woanders Veranstaltungen abhalten, so dass sich durchaus Synergie-Effekte ergeben würden. "Neu" einzubringen wäre ja im Wesentlichen die Komponente "wie denkt ein Anwalt?". Und hier würde ich die Latte für eine gelungene Veranstaltung auch nicht allzu hoch legen, denn sie soll ja eine "praktische" Ausbildung nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen und unterfüttern. Und etwa eine Veranstaltung zur Vertragsgestaltung hätte mir persönlich mehr gebracht als die Besprechung von 3 alten Klausuren aus Bayern und im Übrigen "learning by doing".

Und wenn man Angst hat, dass die Referendare nicht so zahlreich kommen: warum nicht die Veranstaltungen zunächst gleichermaßen an Referendare und Berufseinsteiger adressieren?
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

davwm hat geschrieben:Ihr seid ziemlich "hart"! Die Ausbildung selbst ist also nicht übermäßig lang, weil jeder, der nach 8 Semester 1. Examen schreibt und dann unmittelbar ins Ref geht (was nicht überall klappt) und dann am Tag nach der mündlichen Prüfung zu arbeiten anfängt in 6,5 Jahren durchkommen muss?
Selbst dieser Musterschüler sieht aber gegen Musterschuler-UK, der in knapp 4 Jahren (inklusive Auslands-LLM!) mit genügend Vorlauf für Bewerbungen durchkommt, noch ziemlich blass aus.

Langsam wir aber auch mir die Diskussion zu albern, die Länge der deutschen Ausbildung ist doch mal wirklich ganz hM:

- Daniela Weber-Rey in "Briefe an junge Juristen, S. 151": "In Deutschland ist die Ausbildung sehr gut, aber lang - zu lang im internationalen, auch im europäischen Wettbewerb. Der Altersunterschied bei den Berufsanfängern ist groß, weil die Referendarsausbildung für die Anwaltszulassung erforderlich ist."

- Martin Selmayr (Hier (Verwaister Link https://www.audimax.de/jura/juristische-berufe/berufsbild/einblick-ins-eu-recht/ automatisch entfernt)): "Martin Selmayr empfiehlt, nicht zu lange mit einer Bewerbung bei den Europäischen Institutionen zu zögern: »Man sollte am besten schon in den letzten Jahren seiner Ausbildung bei einem Concours mitmachen. Schließlich steht man im Wettbewerb mit den Staatsangehörigen anderer Länder und die Deutschen haben im Vergleich sehr lange Studienzeiten«, gibt er zu bedenken. »Wenn man noch zu viel dazwischen unternimmt, kann es für eine interessante Karriere zu spät sein – und der Vorgesetzte ist dann vielleicht zehn Jahre jünger als man selbst.«
Du trägst mit diesen Zitaten einen beträchtlichen Teil zur Albernheit bei. Die zitierten Aussagen sprechen für sich - sie sollten vor allem jedem vernünftigen jungen Juristen zeigen: Ihr kotzt mich an.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von julée »

davwm hat geschrieben:Ihr seid ziemlich "hart"! Die Ausbildung selbst ist also nicht übermäßig lang, weil jeder, der nach 8 Semester 1. Examen schreibt und dann unmittelbar ins Ref geht (was nicht überall klappt) und dann am Tag nach der mündlichen Prüfung zu arbeiten anfängt in 6,5 Jahren durchkommen muss?
Selbst dieser Musterschüler sieht aber gegen Musterschuler-UK, der in knapp 4 Jahren (inklusive Auslands-LLM!) mit genügend Vorlauf für Bewerbungen durchkommt, noch ziemlich blass aus.
Ja und der UK-Musterschüler hat hierbei keinen einzigen Tag "Berufserfahrung", während der deutsche Absolvent schon Verhandlungen geleitet hat, Sitzungsvertretungen gemacht hat und - Nebentätigkeiten einmal außen vor - ein paar Monate bis ein Jahr in einer Kanzlei mitgearbeitet hat. Und wenn man sich anschaut, wann im europäischen Ausland aus der "formalen" Anwaltszulassung direkt nach dem Studium eine "vollwertige" wird, dann ist die deutsche Ausbildungsdauer nicht mehr allzu lange - etwa in Belgien: 5 Jahre bis zum Master plus 3 Jahre "Stage" - voilà, Ausbildungsdauer 8 Jahre.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Benutzeravatar
non-liquet
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1440
Registriert: Dienstag 11. Mai 2004, 16:19
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von non-liquet »

davwm hat geschrieben:Langsam wir aber auch mir die Diskussion zu albern, die Länge der deutschen Ausbildung ist doch mal wirklich ganz hM:

- Daniela Weber-Rey in "Briefe an junge Juristen, S. 151": "In Deutschland ist die Ausbildung sehr gut, aber lang - zu lang im internationalen, auch im europäischen Wettbewerb. Der Altersunterschied bei den Berufsanfängern ist groß, weil die Referendarsausbildung für die Anwaltszulassung erforderlich ist."
Nun, dieser Beitrag geht ja noch weiter:

"Ausdauer ist also erforderlich, bringt dann aber größere Schlagkraft. Mit diesem stärkeren Rüstzeug gilt es dann mit Verve den Vorsprung an beruflicher Erfahrung der ausländischen Kollegen aufzuholen. Die Breite des Spektrums während der Referendarzeit, statt des Fokus auf eine bestimmte Ausrichtung, hat auch Vorteile, die selbstbewusst genutzt werden sollten."

Früher Berufsbeginn ist also doch nicht alles.

Und etwas später:

"Die angloamerikanische Neigung, junge Juristen stark auf Spezialisierung zu drängen, hat auch in Deutschland Spuren hinterlassen. Das kann sehr interessant und lehrreich sein, beschränkt aber das Entwicklungspotential. In unserer sich so schnell wandelnden Welt ist ein offener Blick auf andere Gebiete außerordentlich wichtig. Unser Rechtssystem ändert sich unter dem Einfluss des europäischen Rechts und in Industriezweigen, zumindest im Finanzsektor, unter einer starken Welle der Globalisierung sehr schnell. WAs heute noch eine Spezialistennische war, kann mrogen schon verschwunden sein. Also ist es besser, auf breiteren Füßen zu stehen."
davwm
Häufiger hier
Häufiger hier
Beiträge: 112
Registriert: Samstag 2. Januar 2016, 15:03
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von davwm »

julée hat geschrieben:Ja und der UK-Musterschüler hat hierbei keinen einzigen Tag "Berufserfahrung", während der deutsche Absolvent schon Verhandlungen geleitet hat, Sitzungsvertretungen gemacht hat und - Nebentätigkeiten einmal außen vor - ein paar Monate bis ein Jahr in einer Kanzlei mitgearbeitet hat. Und wenn man sich anschaut, wann im europäischen Ausland aus der "formalen" Anwaltszulassung direkt nach dem Studium eine "vollwertige" wird, dann ist die deutsche Ausbildungsdauer nicht mehr allzu lange - etwa in Belgien: 5 Jahre bis zum Master plus 3 Jahre "Stage" - voilà, Ausbildungsdauer 8 Jahre.
Du unterschlägst dann aber einen wesentlichen Unterschied: Der belgische Stagiaire verdient bei gewissen Kanzleien >50.000€ Jahresgehalt, was ein normales (bis hohes) Gehalt für normale Masterabsolventen auch in Deutschland wäre. Selbst wenn du das formal zur Ausbildungszeit rechnen willst, ist das eine völlig andere Lebenssituation, als wenn man für sein Referendargehalt alle paar Monate von einer Station zur nächsten tingelt, ein Tag pro Woche in AG rumhängt und zudem noch das Examen im Rücken hat.

@non-liquet:

Naja der Rest des Kapitels ist für mich eher dieses typische Anwaltsmarketinggelaber. Ein ehemaliger Chef der FTC hatte auf seinem Schreibtisch ein Schild "In God we trust - all others provide data": Die meisten Kanzleien haben ja das Modell 1st year: x €, 2nd year: y €, 3rd year: z €. Vielleicht springt zur Differenzierung ein Bonus <10% Jahresgehalt raus, aber das wars dann auch schon. Wo wollen deutsche Anwälte in der Struktur die paar Jahre verpasstes Gehalt nochmal aufholen, vom 5th year ins 7th year springen, bessere Partnerchancen? Das kann mir keiner erzählen.

Zudem gibt es ja immer mal wieder lustige "Top 40 under 40" rankings, auch in europäischen Rechtsgebieten, sowohl Anwälte als auch Wissenschaft, bei sowas sind Deutsche wirklich außerordentlich spärlich vertreten, was auch eher dagegen spricht, dass man (mittelfristig) irgendwas aufholen könnte.
EinHeinz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2348
Registriert: Sonntag 5. September 2010, 11:31

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von EinHeinz »

Was redest du da?
Benutzeravatar
Phaidros
Power User
Power User
Beiträge: 669
Registriert: Dienstag 25. November 2008, 15:18
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Verbot des Stationsentgelts für Referendare

Beitrag von Phaidros »

:phanta
Dabei war mein Beitrag (auf S. 5 oben), mit dem ich diese Geister hier heraufbeschworen habe, doch anders gemeint ... egal.

Mir scheint, hier prallen einfach unterschiedliche Wertesysteme aufeinander. Wem es nur um Geld und Partnerchancen geht, der kann doch auch einfach in UK/USA studieren und dort seine Karriere machen. Das kostet natürlich eine Kleinigkeit ...
Wer unsere überwiegend sehr gute und kostenlose Ausbildung wahrnehmen oder sich aus anderen Gründen an Deutschland ketten möchte, muss eben mit einem etwas höheren Alter bei Berufseinstieg rechnen. Das ist in meinen Augen kein Beinbruch. Ich kann mir übrigens auch mit 50 % TV-L 13 alles leisten, was ich brauche, inkl. Altersvorsorge.

Was hier gerne ausgeblendet wird, sind die vielfältigen Wechselmöglichkeiten. Ich kenne einen ehemaligen Anwalt aus dem Brüsseler Büro einer GK, der jetzt Amtsrichter ist. Das geht in anderen Ländern alles nicht so bequem. Unser System erlaubt "Fehltritte" und Neubeginne.
"ὁ ... ἀνεξέταστος βίος οὐ βιωτὸς ἀνθρώπῳ"
Antworten