Keiner streitet ab, dass regelmäßig der 23jährige UK-Stagiaire dem deutschen Dr LLM 2. SteX Berufseinsteiger fachlich etwas unterlegen sein dürfte. Allerdings sind gleichaltrige UK-Absolventen in dem Alter der deutschen Berufseinsteiger teilweise schon Senior Associate, da sieht es wieder anders aus.Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Einer der größten Vorteile eines Juristen in europäischen Vergleich, der seine komplette Ausbildung im Vereinigten Königreich absolviert hat, ist in aller Regel seine Muttersprache. Ansonsten gilt dort hinsichtlich vieler Ausbildungseigenheiten und der anschließenden Fähigkeit zur selbständigen Arbeit einer signifikanten Zahl junger Berufseinsteiger, gerade wenn man sie ihres liebgewonnenen case-law-Systems (NB: ich bin mir bewusst, dass wir nicht über US-amerikanische Zustände sprechen, aber die ehemalige Herrschaftsmacht teilt hier noch manches ihrer ehemaligen Untergebenen) beraubt - wenn wir gerade schon auf Italienisch kommunizieren -: Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate!
Es geht ja auch weniger um den Vergleich von Ausbildungen, sondern um Systemen. Deutschland ist eher konservativ und auf formale Nachweise scharf - neben langem Staatsexamen soll dann bitte auch noch Dr/LLM dazu, für eine Unikarriere eine Habilitation, für Steuerrecht noch den Steuerberater, genauso wie ein selbständiger Fahrradmechaniker bitteschön seinen Meisterbrief macht... England ist eher liberal und experimentierfreudig, lässt mehrere - insbesondere schnellere - Wege zur Anwaltszulassung zu und fährt damit keineswegs schlechter, vielleicht sogar besser, wobei ich zugebe, dass der Vergleich schwierig ist. In anderen Bereichen wie 13jähriges Abi, Diplomstudiengänge vs. Bachelor/Master hat sich Deutschland dem internationalen Standard eher angepasst, zwar wird in den Feuilletons der Untergang des Abendlandes beschworen, aber in der Praxis scheint das doch zu funktionieren.
Auf lange Sicht ist doch sowieso klar: Das Berufsleben dauert hoffentlich 40 Jahre, daher dürfte das, was nach der formalen Ausbildung passiert, viel entscheidender sein. Das zeigt sich ja schon darin, dass es relativ egal ist, wo man in Deutschland studiert und Referendariat gemacht hat, obwohl es durchaus Unterschiede gibt. Genausowenig haben sich die Reformversuche der letzten 20-30 Jahre (Abschaffung einstufige Juristenausbildung, Schwerpunktbereich, Streichung Hausarbeitsexamen, Erhöhung Klausurenzahl) ausgewirkt. Meiner Meinung nach ist das Examen ein hervorragender Filter - wer gut abschneidet, ist regelmäßig schlau, fleißig und belastbar und dann auch in der Praxis ein guter Jurist. Diese Filterfunktion würde aber schon durch das 1. Examen erfüllt und ich denke, man könnte sie auch durch einen Bachelorstudiengang erfüllen. Die (vielen) zusätzlichen Jahre der Ausbildung wirken sich gar nicht aus, leider kann ich nur mit Altitalienisch dienen: "Quod natura non dat, Salmantica non praestat"
Ich gebe aber zu, dass das Referendariat durchaus seinen Charme hat, wenn sollte man vielleicht eher die Überlänge des Studiums kürzen.