Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

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OJ1988
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von OJ1988 »

spotlessmind hat geschrieben:Ich hab mir zum Glück im ganzen Ref kombiniert nicht so viele Gedanken zu Stationssachen gemacht wie du scheinbar allein schon in der Strafrechtstation :drinking:
Das habe ich mir grade auch gedacht ;)
Tobias__21
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

OJ1988 hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Ja, genau so ein Fall ist das. Zu Tat 1+2 kommt noch eine Strafe dazu die gesamtstrafenfähig ist. Das heisst also: Ich bilde für Tat 1 und 2 jeweils eine Einzelstrafe, nehme die gesamtstrafenfähige strafe hinzu und bilde aus allen dreien eine nachträgliche Gesamtstrafe.

Dann für die Taten 3-8 jeweils eine Einzelstrafe, die ich dann auf eine Gesamtstrafe zusammenführe. Am Ende habe ich dann quasi zwei Gesamtstrafen die ich auch so plädiere. Richtig? Den zuständigen Sachbearbeiter gibts natürlich nicht mehr :)
Gesetz dem Fall, dass die Taten 1-2 und 3-8 auch rechtlich voneinander getrennte Taten sind (man also nirgends was zu Tateinheit zusammenführen kann): Ja.
Danke :)
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thh
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von thh »

Tobias__21 hat geschrieben:Ja, genau so ein Fall ist das. Zu Tat 1+2 kommt noch eine Strafe dazu die gesamtstrafenfähig ist. Das heisst also: Ich bilde für Tat 1 und 2 jeweils eine Einzelstrafe, nehme die gesamtstrafenfähige strafe hinzu und bilde aus allen dreien eine nachträgliche Gesamtstrafe.

Dann für die Taten 3-8 jeweils eine Einzelstrafe, die ich dann auf eine Gesamtstrafe zusammenführe. Am Ende habe ich dann quasi zwei Gesamtstrafen die ich auch so plädiere. Richtig?
Richtig.
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Tibor
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tibor »

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Tobias__21
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

Ist es eigentlich unredlich, wenn man als StA bei Befürchtung, dass das Gericht die Gewerbsmäßigkeit evtl. nicht mitgeht, im Schlussvortrag nochmal einen kleinen Puffer auf die Strafe drauf zu packen? :) Wenn man auf Gewerbsmäßigkeit plädiert und das Gericht folgt dem nicht, wird es ja sicher gleich mal Abzug in der vorgeschlagenen Strafe hageln, oder? :)
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thh
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von thh »

Tobias__21 hat geschrieben:Ist es eigentlich unredlich, wenn man als StA bei Befürchtung, dass das Gericht die Gewerbsmäßigkeit evtl. nicht mitgeht, im Schlussvortrag nochmal einen kleinen Puffer auf die Strafe drauf zu packen? :) Wenn man auf Gewerbsmäßigkeit plädiert und das Gericht folgt dem nicht, wird es ja sicher gleich mal Abzug in der vorgeschlagenen Strafe hageln, oder? :)
Das liegt nahe, ja, es sei denn, das Gericht hätte sonst die StA überboten. In der Regel wird die Strafe dann aber niedriger ausfallen als beantragt.
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von wololo »

Ich persönlich halte es zumindest für unsachlich, einen anderen Antrag zu stellen als denjenigen, den man selbst für tat- und schuldangemessen hält.
Tobias__21
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

Ich hab das aber schon öfter erlebt, dass sich die Richter gerne auch damit zufrieden geben die Gewerbsmäßigkeit zu verneinen (wenn sie nicht gerade wirklich offensichtlich ist), oder auch gerne den § 21 ziehen (egal wie gut das Plädoyer des StA ist). Und es scheint mir, dass manche Staatsanwälte genau aus diesem Grund beim Plädoyer nochmal extra draufpacken, wenn sie an der Gewerbsmäßigkeit (trotz 265 StPO) festhalten wollen, oder den § 21 verneinen. Einmal wurde mir das selbst auch nahegelegt. Das finde ich dann aber auch nicht wirklich korrekt. Entweder man plädiert die Strafe, die man für angemessen erachtet und schluckt dann den Abzug, oder man geht eben gleich auf den Regelstrafrahmen oder mildert nach 21. Mit Ankertheorie hat das ja auch nichts mehr zu tun, wenn man in Erwartung eines Abzug des Gerichts schon mal pauschal drauflegt.
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Ara
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

1. Woche bei der Staatsanwaltschaft wurde mir von meiner Ausbilderin gesagt: "Wissen Sie, manche Kollegen machen Strafaufschläge wenn der Angeklagte verteidigt ist, damit das Gericht dann irgendwo in der Mitte der beiden Anträge liegt. Ich mach sowas aber nicht. Das ist nicht richtig"

Paar Wochen später: "Wissen Sie, da müssen sie ruhig mal etwas höher greifen bei den Strafen. Für einen Angeklagten ist es nämlich nicht nachvollziehbar, wenn das Gericht irgendwann einmal höher ausurteilt als die StA beantragt hat, dann heißt es "nicht mal der Staatsanwalt fand das so schlimm". Dann lieber zu hoch beantragen und dann kann das Gericht drunterbleiben".

Das Verhalten hab ich ehrlich gesagt sehr häufig bei der StA gesehen. Diese völlige Differenz zwischen "Wie ich gesehen werden will" und "Wie ich bin". Fast jeder Staatsanwalt hat sich bemüht nach außen wie die objektivste Behörde zu wirken. In Realität unterliegen sie aber den üblichen Zwängen des gesamten Systems und spielen das "Spielchen" auch mit.

Gut war auch der Ratschlag der Staatsanwältin an das Gericht nach der Verhandlung, nachdem die Richterin erklärte, dass wenn sie hier eine unbedingte Freiheitsstrafe ausurteilt, in der Berufung es eine bedingte Freiheitsstrafe wird: "Dann dürfen sie nicht 2 Jahre und 3 Monat ausurteilen, sondern müssen gleich auf 2 Jahre 9 Monate oder höher gehen, dann kann das Berufungsgericht Strafabschlag vornehmen ohne in den Bereich der Bewährung zu kommen".

Als quasi Außenstehender finde ich das etwas erschreckend. Vermutlich würde ich in der Justiz diesen Zwängen aber auch zum Teil unterliegen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Tobias__21
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

Ja, vermutlich. Ich kann das stellenweise auch ein bisschen nachvollziehen. Bei den Richtern ist es ja teilweise auch so. Bei mir ging es um § 21. Der Verteidiger hat die Zeugen in der Verhandlung so bearbeitet, dass mir schon die Zornesröte ins Gesicht gestiegen ist. Da war weit und breit kein 21. Irgendwann hatte er die Zeugen dann aber so weit, dass dann Sätze vielen "Ja, jetzt wo sie das sagen, der hat schon etwas komisch gewirkt", obwohl sie mir davor geantwortet haben, dass der Angeklagte ihnen völlig klar erschien. Als er dann fertig war mit seinem Spielchen kam auch schon der Hinweis vom Gericht (ging um 244). Ich hab dann direkt losgelegt warum und wieso hier kein 21 da ist und ich das überhaupt nicht einsehe. Im Plädoyer habe ich zu allem Stellung genommen und genau begründet warum auch kein in dubio pro reo. Am Ende gab es zwei Monate Abschlag vom Gericht und den 21 (+). Als ich das in der Abteilung erzählt habe, haben die nur gemeint: Dass der Richter bei solchen Sachen keine Lust hat in eine Berufung/Revision zu laufen und dann lieber den einfacheren Weg geht, weil das auch Arbeit bei der Urteilsbegründung spart. Die Staatsanwaltschaft selbst hat natürlich auch kein Bock wegen 2 Monaten hin oder her noch Rechtsmittel einzulegen und so ist die Sache vom Tisch. Ratschlag an mich war dann: "Legen sie halt das nächste Mal die 2 Monate noch drauf, dann landen sie am Ende bei der Strafe, die sie eigentlich beantragen wollten"

Und ich wette, dass wenn ich den 21 genommen hätte, es keinen Abzug gegeben hätte. Aber das seh ich dann auch nicht ein, mich dann zu verbiegen und entgegen meiner Auffassung den Schlussvortrag so zu halten, dass ich es dem Gericht einfach mache.
Zuletzt geändert von Tobias__21 am Mittwoch 14. Juni 2017, 21:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Eagnai
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Eagnai »

Es gibt jedenfalls auch nicht wenige Richter, die ganz offen zugeben, dass sie sich in den meisten Fällen stark an den Anträgen der Staatsanwaltschaft orientieren und dabei eben jeweils einen kleinen Abschlag vornehmen, weil sie hoffen, dass der Angeklagte das Urteil dann als für ihn günstig empfindet (schließlich hatte der Staatsanwalt ja mehr beantragt) und deshalb vielleicht auf das Rechtsmittel verzichtet.

Ich habe (als Vertreter der Staatsanwaltschaft) auch schon mehr als einmal nach der Urteilsverkündung den Satz gehört "Ich hätte ja eigentlich mehr ausgeurteilt, aber ich wollte Sie nicht überbieten". Das spricht dann auch nicht gerade für die wahnsinnige richterliche Unbeeinflussbarkeit.

Im Ergebnis finde ich diese gegenseitige Beeinflussung allerdings auch nicht extrem problematisch, weil es in den allermeisten Fällen um Fragen geht wie "Bekommt er jetzt 40 oder 50 Tagessätze" oder "Werden es jetzt 2 Jahre 4 Monate oder 2 Jahre 6 Monate" und nicht um größere Abweichungen oder existentielle Fragen.
Tobias__21
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

Eagnai hat geschrieben: Im Ergebnis finde ich diese gegenseitige Beeinflussung allerdings auch nicht extrem problematisch, weil es in den allermeisten Fällen um Fragen geht wie "Bekommt er jetzt 40 oder 50 Tagessätze" oder "Werden es jetzt 2 Jahre 4 Monate oder 2 Jahre 6 Monate" und nicht um größere Abweichungen oder existentielle Fragen.
Ja, das stimmt wohl. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich habe auch schon wortwörtlich vom Richter gehört: " Das fangen wir hier gar nicht an, wenn sie das hier dogmatisch ausdiskutieren wollen, legen sie Berufung ein und machen das am Landgericht" Ich habe den Befangenheitsantrag schon in den Ohren gehabt, aber der Verteidiger hat nur gelacht und gemeint, na gut, lassen wir das. Ging um Notwehrprovokation (war aber natürlich keine). Ich glaube, dass man das am AG (zumindest beim Einzelrichter) auch relativ locker sieht. Es ist eben viel Arbeit, viel Kleinscheiss, da scheint man froh zu sein, dass es die Berufung gibt und nimmt es mit manchen Sachen eben nicht so ganz genau. So nach dem Motto: Hier muss es schnell gehen, für juristische Fragen ist das LG zuständig :)
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von julée »

wololo hat geschrieben:Ich persönlich halte es zumindest für unsachlich, einen anderen Antrag zu stellen als denjenigen, den man selbst für tat- und schuldangemessen hält.
Es gibt aber ja auch immer einen gewissen Rahmen, den man für angemessen halten kann und da halte ich es für legitim eher am oberen Rande zu bleiben, um im Wunschbereich zu landen, wenn man weiß, dass es meist ein bisschen weniger wird.
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Muirne »

Ich fand das Gemauschel schon teilweise sehr befremdlich und problematisch.
Am Krassesten fand ich aber einen Richter, der bei einer bewährungsfähigen Strafe ohne Bewährung gegeben hat, mit dem eindeutigen Hinweis, wenn die Frau zurück nach Rumänien ginge, würde sie die Strafe ja nicht absitzen müssen, sie hätte noch Zeit abzuhauen. Derart unmissverständlich, dass die Frau tatsächlich auch eindeutig zurückfragte, ob man sie nur loswerden wolle. Das hat er danach auch noch zugegeben, dass es ihm in dem Fall darum ging sie zur Ausreise zu bewegen, weil damit allen mehr geholfen sei. Pragmatisch. :-k
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
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Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Eagnai »

Das geht in eine ähnliche Richtung wie die - ziemlich gängige - "polnische Lösung" (oder rumänische, bulgarische...), bei der man einen in U-Haft sitzenden Täter zwar zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt, gleichzeitig aber den Haftbefehl außer Vollzug setzt in dem Wissen, dass derjenige dann schon verschwinden wird, bevor die Strafe vollstreckt wird. Das habe ich von Richtern schon x-mal erlebt und es ärgert mich ehrlich gesagt immer wieder ein bißchen.

Allerdings ist es ja auch nicht so, dass das von staatlicher Seite nicht gewünscht wäre - man ist ja stets bemüht, die Gefängnisse zu leeren, weil sie Geld kosten, siehe Weihnachtsamnestie und ähnliche Kostensparmodelle.
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