Suchender_ hat geschrieben:Ach, ich bin wirklich kein Fan der Berufs-/ Ausbildungswelt.
Naja, in der Berufswelt muss man eben lernen, was üblich ist, und sich dann entscheiden, wie man selbst es halten will; das kann man in der Regel zeitnah selbst entscheiden, spätestens nach ein paar Monaten, wenn man aus der Abzeichnung heraus ist.
In der Ausbildungswelt muss man im Zweifelsfall fragen, wie der Ausbilder es gerne hätte.
Suchender_ hat geschrieben:Man weiß wie es geht, man kennt das Dilemma, man rennt also nicht blindlings in den "Fehler", kann ihn aber trotzdem kaum vermeiden. Das finde ich sehr frustrierend.
Eigentlich kann man doch wenig wirklich falsch machen?
Suchender_ hat geschrieben:- Frage ich beim Ausbilder nach, wirkt das unsouverän bzw. es gibt keine richtige Antwort.
Wenn es keine richtige Antwort gibt, ist es schade; unsouverän wirkt das m.E. nicht. Im Gegenteil: ich finde es wichtig, zu fragen - freilich nachdem man selbst gedacht und geprüft hat und genau weiß, was man warum fragen will.
Lieber fragen als etwas falsch zu machen oder ewig Zeit zu investieren für eine Frage, die ein erfahrener Kollege sofort beantworten kann (wobei das für Referendare - im Gegensatz zu Berufsansfängern - etwas zu modifizieren ist: die können es ruhig auch mal "falsch" machen und dann fürs nächste Mal lernen, und freilich müssen und sollen sie ggf. etwas mehr Zeit investieren, um etwas selbst zu lernen).
Suchender_ hat geschrieben:- Schreibe ich ein kurzes Ergebnis der Ermittlungen, kann das als sehr praxisfern gesehen werden (habe ich bislang noch bei keiner Anklage zum StrafR gesehen).
- Schreibe ich es nicht, könnte es heißen "warum haben sie ihr Ergebnis nicht begründet".
Weniger zweifeln, mehr fragen oder machen.
Für die
Praxis stellt sich zunächst die Frage, ob die Ausführungen zur Beweiswürdigung notwendig sind oder nicht, und dann, ob sie hilfreich sind und genügend Zeit vorhanden ist. -- Notwendig sind die Ausführungen eigentlich nie. Aus dem Anklagesatz und den Akten ergibt sich regelmäßig, dass der hinreichende Tatverdacht bejaht wurde und ggf. welcher Zeugenaussage gefolgt wurde und welcher nicht. Der Zweck weiterer Ausführungen kann dann nur sein, die Auffassung der Staatsanwaltschaft dazu darzulegen, damit diese bei der Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens gehört wird. In der Praxis pflegt die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts vor der Eröffnung des Hauptverfahrens beim Strafrichter nicht allzu tief zu sein, und notfalls bleibt noch die Beschwerde; außerdem darf man doch zweifeln, dass das Gericht, das nach Aktenprüfung den hinreichenden Tatverdacht verneint, sich davon durch lichtvolle Ausführungen in der Anklageschrift hätte abbringen lassen. -- Hilfreich sind Ausführungen dann, wenn man sich Gedanken über die Beweislage gemacht hat, vielleicht gar Aktenauszüge und Skizzen, und eine schöne Beweiswürdigung im Kopf bereits fertig ist. Dann wäre es Vergeudung, wenn sich nochmal jemand so tief einarbeiten müsste, und wenn man die Zeit hat, dann sollte man das verschriftlichen; Gericht und Sitzungsvertreter freuen sich darüber. In der Praxis mangelt es bei Allgemeinsachen vor dem Strafrichter in der Regel an dieser Zeit.
Wenn man seine Gedanken dann zur Akte bringen will, gibt es dazu verschiedene Möglichkeiten. Die beste Möglichkeit ist, wie gesagt, das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen - und es steht ja nirgendwo, dass es beim Strafrichter nicht erscheinen dürfte, es ist da nur ungewöhnlich, aber durchaus zulässig, wenn auch in der Praxis mehr als selten. (Da kommt es in der Regel nur bei Spezialmaterien vor.) Alternativ kann man seine Erwägungen auch in einem Aktenvermerk zur Akte bringen; das hat den Nachteil, dass das Gericht es vielleicht erst später sieht und der Sitzungsvertreter diesen Aktenteil vielleicht nicht hat. Es ist selbstverständlich auch nicht verboten, seine Erwägungen in Vermerkform in die Abschlussverfügung aufzunehmen, aber da gehört es eigentlich[tm] nicht hin.
Im
Ausbildungsfall kann man sich entweder für eine der oben genannten Lösungen entscheiden, oder fragen, oder ein Kurzgutachten mit abgeben, oder bei der Abgabe der Arbeit darauf verweisen, dass man sich dazu Gedanken gemacht hat und diese gerne bei der Besprechung - oder direkt - erläutern würde. Wie der Ausbilder das am liebsten hätte, lässt sich nicht vorhersagen; alle Lösungen sind sinnvoll, das ist Geschmacksfrage. Vernünftige Menschen werden mit jeder dieser Lösungen klarkommen und bei der Besprechung ggf. etwas dazu sagen; nicht vernünftige Menschen hätten es vielleicht lieber noch ganz anders gesehen ...
Es gibt in der Praxis meistens mehrere oder viele mögliche Lösungen; gute und weniger gute, bewährte und ungewohnte, übliche und unübliche. Meistens gibt es aber mindestens zwei möglich Vorgehensweisen, die beide keine klaren Vor- oder Nachteile haben und die verschiedene Dezernenten auch verschieden lösen, je nachdem eben, wie es ihren persönlichen Vorlieben entspricht.