Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Alle Themen rund um das Referendariat (Organisation, Ablauf, Wahlstation im Ausland etc.)

Moderator: Verwaltung

Antworten
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von julée »

Ich glaube noch etwas durchsichtiger, aber im Prinzip ähnlich. Ich würde in der Klausur schlichtweg im Kommentar die letzte Randnummer zur Revision auf den Hinweis zu § 238 Abs. 2 durchsuchen.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5289
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von thh »

Tobias__21 hat geschrieben: @Ara: Die Besorgnis der Befangenheit eines StA kann mE auch nicht ausreichen. Ich habe meine Argumentation darauf gestützt, dass ein Richter in diesem Fall kraft Gesetzes von der Mitwirkung ausgeschlossen wäre, § 22 StPO.
Ein StA in BW auch, https://dejure.org/gesetze/AGGVG/11.html
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
Gesetze mit Rechtsprechungsnachweisen und Querverweisen? https://dejure.org/ - pers. Merkliste u. Suchverlauf
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

Jo, kenn ich. Allerdings ist das ja Landesrecht. Fürs Strafverfahren fehlt die Gesetzgebungskompetenz. Ich halte den 11 AGGVG hier für nicht anwendbar.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Das kann man sicherlich so sehen, das würde aber einen nicht unerheblichen Begründungsaufwand erfordern. Im GVG bzw. in der StPO gibt es dazu ja keine expliziten Regelungen. Insofern hat der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz aus Art. 74 I Nr. 1 GG im positiven Sinne keinen Gebrauch gemacht, was gem. Art. 72 I GG grds. dazu führt, dass die Länder tätig werden dürfen. Von einer Sperrwirkung kann man nur ausgehen, wenn man argumentiert, das Bundesrecht sei auch durch die (planvolle) Nichtregelung abschließend.
"Honey, I forgot to duck."
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Blaumann »

Tobias__21 hat geschrieben:Wir diskutieren jetzt aber schon ziemlich lange, dafür dass das Thema eigentlich ein alter Hut ist :) Hoffentlich prüfen sie das in der mündlichen, dann geb ich einen fürs Forum aus :D
Die Nahbereichsempirie lehrt, dass "alte Hüte" im 2. Staatsexamen gerne wiederkehren, insbesondere im StrafR.

"Ach dem JPA sind meine 35 Seiten Sachverhalt noch nicht ausführlich genug und ich soll noch ein zusätzliches Problem einbauen? Hmmm, welches prozessuale Standardproblem nehmen wir heute? :-k "
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8348
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Aehm hab hier ne Klausur wo mir der Streitwertbeschluss nicht erlassen wurde. Wie mach ich das in ner Klausur?

Einfach hinten dran:

BESCHLUSS (ohne neuen rubrum?)

Der Streitwert wird auf X festgelegt.

Kurze Gründe

Unterschrift

?
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Blaumann »

julée hat geschrieben:
Blaumann hat geschrieben: Wenn die StPO den abwesenden StA als absoluten Revisionsgrund ansieht, kann man den befangenen StA im Lichte von Art. 6 MRK nicht einfach ignorieren.
Diese Schlussfolgerung überzeugt mich nicht. § 338 Nr. 5 StPO dürfte zum einen primär keine Vorschrift zum Schutze des Angeklagten sein, sondern allgemein zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrens und zur Absicherung des Beteiligungsrechts der StA als Vertreterin der Anklage.
Das ordnungsgemäße Verfahren unter Beteiligung der StA schützt auch den Angeklagten.

Wenn die Anwesenheit der StA nicht den Angeklagten schützen würde, warum kann er sie dann im Wege der Revision rügen?
Zum anderen wiederum der Verweis auf § 25 StPO: Auch der befangene Richter wird ggf. "ignoriert", nämlich immer dann, wenn der Angeklagte nicht rechtzeitig seine Besorgnis in der richtigen Form mitteilt.
Die Frage, ob und wann ein StA abgelehnt werden muss, ist aber eine gänzlich andere, als die Frage, ob die Mitwirkung grundsätzlich ein revisibler Rechtsfehler ist. Ich würde den 25 analog anwenden. Ich vermute, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass sich die Problematik des familiär befangenen StA praktisch ganz einfach zu lösen ist: Sofern der befangene StA die Sache nicht von selbst abgibt, ordnet der Dienstvorgesetzte die Abgabe auf Rüge des Angeklagten/Verteidigers oder des Gerichts einfach an.

Ich wundere mich auch über das Gericht, dass in Kenntnis der familiären Verbandelung des Sitzungsvertreters mit dem Geschädigten weiterverhandelt, anstatt einfach zu unterbrechen.
Benutzeravatar
Justitian
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 926
Registriert: Mittwoch 20. Februar 2013, 01:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Justitian »

Ara hat geschrieben:Aehm hab hier ne Klausur wo mir der Streitwertbeschluss nicht erlassen wurde. Wie mach ich das in ner Klausur?

Einfach hinten dran:

BESCHLUSS (ohne neuen rubrum?)

Der Streitwert wird auf X festgelegt.

Kurze Gründe

Unterschrift

?
Eigentlich müsstest Du ja einen kompletten Beschluss mit Rubrum nach dem Urteil schreiben. Um mir das zu ersparen schreibe ich immer am Ende des Urteils, aber noch vor der Unterschrift : "Zugleich ergeht in der Sache folgender Beschluss". Ich glaube es ist auch praxisüblich, meine indes dass Kaiser davon abrät.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Blaumann »

batman hat geschrieben:Die nicht auszuschließende Möglichkeit genügt, das stimmt. Aber hierfür würden mir rein theoretische Ausführungen á la "in der Praxis durchaus üblich" oder "Ankereffekt" nicht genügen. Für meine Begriffe müsste zugleich ein Revisionsangriff gegen die Strafzumessung erfolgen, sonst erweist sich ein etwaiger Verfahrungsfehler vielleicht als nicht entscheidungserheblich.
Die Gefahr einer Befangenheit ist stets eine abstrakte. Das ist von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung zu trennen. Auch ein befangener Verfahrensbeteiligter kann eine sachlich richtige Entscheidung treffen.

Seine Mitwirkung ist trotzdem ein Verfahrensfehler. Das Grundvertrauen in ein rechtsstaatliches Verfahren ist in diesem Fall schlicht nicht gewährleistet.
Ob Art. 6 EMRK tatsächlich verletzt ist, lässt sich Deinem Beispiel nicht sicher entnehmen. Dies wäre m.E. nur der Fall, wenn der StA ein evidentes persönliches Interesse hat oder sich von offenkundig sachferner Voreingenommenheit leiten lässt.
Da gehe ich mit. Die Maßstäbe an eine Befangenheit müssen bei einem StA deutlich strengere sein, als bei einem Richter. Der Umstand, dass sich der StA bereits vor der Abschluss der Beweisaufnahme von der Schuld des Angeklagten überzeugt zeigt, kann beispielsweise kein Argument sein. Seine Rolle im Verfahren ist eben eine völlig andere, als die des Richters.
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8348
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Blaumann hat geschrieben: Das ordnungsgemäße Verfahren unter Beteiligung der StA schützt auch den Angeklagten.

Wenn die Anwesenheit der StA nicht den Angeklagten schützen würde, warum kann er sie dann im Wege der Revision rügen?
Die Rügemöglichkeit und auch die Überwachung des ordnungsgemäßen Verfahrens ist Ausfluss aus Art. 20 III GG und soll der Findung materieller Wahrheit dienen. Der Gesetzgeber hat gerade keine § 160 II StPO entsprechende Norm für die Hauptverhandlung vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft ist ab Eröffnung des Hauptverfahrens Anklägerin und gerade nicht mehr objektive Ermittlungsbehörde.

Sie hat eine völlig andere Aufgabe als das Gericht und auch die Objektivitätspflicht basiert auf einem völlig anderen Grund.
Blaumann hat geschrieben:
batman hat geschrieben:Die nicht auszuschließende Möglichkeit genügt, das stimmt. Aber hierfür würden mir rein theoretische Ausführungen á la "in der Praxis durchaus üblich" oder "Ankereffekt" nicht genügen. Für meine Begriffe müsste zugleich ein Revisionsangriff gegen die Strafzumessung erfolgen, sonst erweist sich ein etwaiger Verfahrungsfehler vielleicht als nicht entscheidungserheblich.
Die Gefahr einer Befangenheit ist stets eine abstrakte. Das ist von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung zu trennen. Auch ein befangener Verfahrensbeteiligter kann eine sachlich richtige Entscheidung treffen.

Seine Mitwirkung ist trotzdem ein Verfahrensfehler. Das Grundvertrauen in ein rechtsstaatliches Verfahren ist in diesem Fall schlicht nicht gewährleistet.
Es geht beim Themenkomplex des befangenen Staatsanwalts aber NICHT um "die Gefahr einer Befangenheit", sondern um "Befangenheit". Wie oben aufgeführt basiert die Objektivitätspflicht der StA im Hauptverfahren nur auf Art. 20 III GG. Und Art. 20 III GG ist nicht schon dann verletzt, wenn die Gefahr der Befangenheit besteht, sondern nur wenn tatsächlich eine Befangenheit vorliegt.

Der Hinweis auf Art. 6 EMRK war oben übrigens ein Witz.... Die Berufung darauf für den Angeklagten ist schon deswegen fernliegend, weil im Wirkungskreis der EMRK es auch strafrechtliche Parteiverfahren gibt in denen der Staatsanwalt noch stärker als Partei ausgestaltet ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Blaumann »

Ara hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Im Klausurfall war eines der Opfer die Schwester des StA. In diesem Fall wäre auch ein Richter befangen gewesen, mir hat das genügt und ich habe aber deutlich gemacht, dass bei einem StA etwas strengere Maßstäbe angelegt werden müssen, sofern es nur um die Besorgnis der Befangenheit geht. Die Sache mit dem Revisionsangriff gegen die Strafzumessung ist ein gutes Argument, aber es besteht ja auch die Gefahr, dass der StA entlastende Indizien nicht weiter verfolgt und bspw. diesbezüglich keine Fragen, oder Beweisanträge, in der HV stellt. Natürlich ist das in aller erster Linie Aufgabe des Gericht im Rahmen der Aufklärungspflicht, der Staatsanwalt soll aber natürlich auch darauf hinwirken dass das Verfahren anständig abläuft und das Gericht bei der Sachverhaltsaufklärung unterstützen. Von daher würde ich nicht unbedingt allein auf die Strafzumessung abstellen.
Wäre ich vorsichtig mit dieser Argumentation. Die Rolle der StA wandelt sich mit Anklageerhebung. Die StA wird zum Ankläger. § 160 II StPO gilt für die Staatsanwaltschaft nicht mehr unmittelbar im Hauptverfahren. Die Objektivitätspflicht ergibt sich nur noch aus Art. 20 III GG.
Was heißt denn "nur noch". Ist eine Anordnung aus der Verfassung weniger bindend, als eine Anordnung aus dem einfachen Recht?

Im Übrigen lässt sich das auch aus dem einfachen Recht nicht herleiten. Die Objektivitätspflicht der StA lässt sich auch an anderen Stellen als dem Vorverfahren verorten, beispielsweise aus dem Recht der StA zugunsten des Angeklagten Rechtsmittel einzulegen.

Ich sehe nicht, inwiefern sich aus der StPO ergäbe, dass sich die Rolle der StA nach Anklageerhebung grundlegend ändern würde.
Daher hätte ich auch ein Problem einen Verstoß gegen Fair Trial zu erkennen, weil die MÖGLICHKEIT der Befangenheit des StA besteht. Es muss also auch objektiv tatsächlich eine Befangenheit vorliegen (und dafür reicht es nicht, dass das Opfer die Schwester des StA ist. Vielleicht hasst er seine Schwester?)
Wie genau soll der Angeklagte diese inneren Motivlage des Staatsanwaltes beweisen? Und warum sollte man diese Beweisproblematik aus der Sphäre des Staates, aus der sie stammt, in die Sphäre des Angeklagten verschieben?

Man kann trefflich darüber streiten, ob ein Urteil auf einem befangenen Staatsanwalt "beruht", ob dem Gericht das rechtsstaatswidrige Verhalten der StA zurechenbar ist usw.

Dass grundsätzlich ein schwerwiegender Verfahrensfehler vorliegt, wenn eine mit dem Geschädigten verwandte Person die Verfolgung des Beschuldigten betreibt, daran sollte eigentlich kein vernünftiger Zweifel vorliegen.
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8348
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Blaumann hat geschrieben: Was heißt denn "nur noch". Ist eine Anordnung aus der Verfassung weniger bindend, als eine Anordnung aus dem einfachen Recht?
Es geht nicht "um weniger bindend". Art. 20 III GG verlangt aber weniger als § 160 II StPO. Darum geht es.
Blaumann hat geschrieben: Ich sehe nicht, inwiefern sich aus der StPO ergäbe, dass sich die Rolle der StA nach Anklageerhebung grundlegend ändern würde.
Das ist aber wirklich ganz h.M.

Es zeigt sich schon daran, dass § 160 StPO im Abschnitt "Vorbereitung der öffentlichen Klage" steht und die gesamte StPO darauf ausgelegt ist, dass die Ermittlungskompetenz auf das Gericht übergeht.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Blaumann »

Ara hat geschrieben:
Blaumann hat geschrieben: Das ordnungsgemäße Verfahren unter Beteiligung der StA schützt auch den Angeklagten.

Wenn die Anwesenheit der StA nicht den Angeklagten schützen würde, warum kann er sie dann im Wege der Revision rügen?
Die Rügemöglichkeit und auch die Überwachung des ordnungsgemäßen Verfahrens ist Ausfluss aus Art. 20 III GG und soll der Findung materieller Wahrheit dienen. Der Gesetzgeber hat gerade keine § 160 II StPO entsprechende Norm für die Hauptverhandlung vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft ist ab Eröffnung des Hauptverfahrens Anklägerin und gerade nicht mehr objektive Ermittlungsbehörde.

Sie hat eine völlig andere Aufgabe als das Gericht und auch die Objektivitätspflicht basiert auf einem völlig anderen Grund.
Sie hat also eine Objektivitätspflicht ist aber keine objektive Ermittlungsbehörde? :-k

Was soll das bedeuten? Und was soll die praktische Konsequenz dessen sein?
Es geht beim Themenkomplex des befangenen Staatsanwalts aber NICHT um "die Gefahr einer Befangenheit", sondern um "Befangenheit". Wie oben aufgeführt basiert die Objektivitätspflicht der StA im Hauptverfahren nur auf Art. 20 III GG. Und Art. 20 III GG ist nicht schon dann verletzt, wenn die Gefahr der Befangenheit besteht, sondern nur wenn tatsächlich eine Befangenheit vorliegt.
Warum?

Die "Besorgnis der Befangenheit" ist beim Richter das ausschlaggebende Kriterium, weil dessen innere Gefühls- und Gedankenwelt für Dritte nicht ergründbar sind.

Das gilt auch für das Verwaltungsverfahren, § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.

Warum sollte man nun ausgerechnet bei der Person des Staatsanwalts den kaum möglichen Nachweis verlangen, dass er die Sache tatsächlich parteilich betreibt?
Der Hinweis auf Art. 6 EMRK war oben übrigens ein Witz.... Die Berufung darauf für den Angeklagten ist schon deswegen fernliegend, weil im Wirkungskreis der EMRK es auch strafrechtliche Parteiverfahren gibt in denen der Staatsanwalt noch stärker als Partei ausgestaltet ist.
Und in diesen Rechtsordnungen dürfen Personen, die mit dem Geschädigten verwandt sind oder anderweitig aufgrund persönlicher Betroffenheit im Urteilsvermögen eingeschränkt sind, an der Verfolgung mitwirken?

Und das soll mit Art. 6 MRK vereinbar sein?
Zuletzt geändert von Blaumann am Dienstag 22. August 2017, 14:33, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Blaumann
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1154
Registriert: Donnerstag 20. März 2014, 04:28
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Blaumann »

Ara hat geschrieben:
Blaumann hat geschrieben: Was heißt denn "nur noch". Ist eine Anordnung aus der Verfassung weniger bindend, als eine Anordnung aus dem einfachen Recht?
Es geht nicht "um weniger bindend". Art. 20 III GG verlangt aber weniger als § 160 II StPO. Darum geht es.
Woraus ergibt sich das?

Was ist die praktische Konsequenz? Wenn sich der StA in der Hauptverhandlung Anhaltspunkte für die Unschuld des Angeklagten ergeben, muss sie diesen nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten (Antragsrecht/Rechtsmittel) nachgehen?
Blaumann hat geschrieben: Ich sehe nicht, inwiefern sich aus der StPO ergäbe, dass sich die Rolle der StA nach Anklageerhebung grundlegend ändern würde.
Das ist aber wirklich ganz h.M.

Es zeigt sich schon daran, dass § 160 StPO im Abschnitt "Vorbereitung der öffentlichen Klage" steht und die gesamte StPO darauf ausgelegt ist, dass die Ermittlungskompetenz auf das Gericht übergeht.
Die grundlegend andere Rolle bezog sich auf die Pflicht zur Objektivität, nicht darauf dass die Entscheidungskompetenz für Verfahrensmaßnahmen auf das Gericht übergeht.
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8348
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Blaumann hat geschrieben: Sie hat also eine Objektivitätspflicht ist aber keine objektive Ermittlungsbehörde? :-k

Was soll das bedeuten? Und was soll die praktische Konsequenz dessen sein?
Nein sie wird Anklagebehörde. Die Ermittlungshoheit geht auf das Gericht über. Es gibt in dieser Phase keinen bedarf mehr die Staatsanwaltschaft als objektive Ermittlungsbehörde im Verfahren zu haben. Das Gericht hat hier die objektive Amtsermittlungspflicht. Die Staatsanwaltschaft wird zur Anklagebehörde und ist zur Objektivität nur im Rahmen von Art. 20 III GG verpflichtet.

Die praktische Konsequenz ist gewaltig. Dein bemühtes Beispiel mit der Revision zugunsten des Angeklagten zeigt es doch schon. Es ist lediglich ein Recht der Staatsanwaltschaft und nicht die Pflicht. Die Staatsanwaltschaft ist nicht dazu verpflichtet ein möglicherweise rechtswidriges Urteil zugunsten des Angeklagten anzufechten. Selbst die Nr. 147 III RiStBV lenkt das Ermessen dort nur sehr eingeschränkt. Bei offenen materiellrechtlichen Fragen muss die StA zum Beispiel keine Revision einlegen. Das ist quasi der Ausfluss von Art. 20 III GG, der halt nicht die StA zu jedem Verhalten zugunsten des Angeklagten verpflichtet.
Die "Besorgnis der Befangenheit" ist beim Richter das ausschlaggebende Kriterium, weil dessen innere Gefühls- und Gedankenwelt für Dritte nicht ergründbar sind.

Das gilt auch für das Verwaltungsverfahren, § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.

Warum sollte man nun ausgerechnet bei der Person des Staatsanwalts den kaum möglichen Nachweis verlangen, dass er die Sache tatsächlich parteilich betreibt?
Weil man einen Rechtsverstoß braucht. Art. 20 III GG verlangt einen Verstoß gegen Recht oder Gesetz. Der subjektive Eindruck des Angeklagten, dass die Gefahr der Befangenheit besteht, ist kein "Verstoß gegen Recht oder Gesetz". Nur wenn der Staatsanwalt tatsächlich befangen sein sollte, kann solch ein Verstoß vorliegen.

Ganz einfaches Beispiel: Wenn ein Staatsanwalt nach dem 1. Verhandlungstag sich vor die Kamera stellt und sagt er will das Schwein so lange ins Gefängnis bringen wie möglich und es ist egal was er ihm da noch für Lügengeschichten erzählt, er wird am Ende auf lebenslange Freiheitsstrafe plädieren. Sehe ich da keinen Revisionsgrund, wenn er weiter die Sitzungsvertretung macht. Bei nem Richter haben wir hier natürlich die Besorgnis der Befangenheit. Die Maßstäbe sind völlig andere.
Der Hinweis auf Art. 6 EMRK war oben übrigens ein Witz.... Die Berufung darauf für den Angeklagten ist schon deswegen fernliegend, weil im Wirkungskreis der EMRK es auch strafrechtliche Parteiverfahren gibt in denen der Staatsanwalt noch stärker als Partei ausgestaltet ist.
Und in diesen Rechtsordnungen dürfen Personen, die mit dem Geschädigten verwandt sind oder anderweitig aufgrund persönlicher Betroffenheit im Urteilsvermögen eingeschränkt sind, an der Verfolgung mitwirken?

Und das soll mit Art. 6 MRK vereinbar sein?
Warum sollte es nicht das nicht sein? Also zumindest wenn es kein gesetzlicher Ausschlussgrund ist, sondern "aufgrund persönlicher Betroffenheit" sehe ich da kein grundsätzliches Problem. Man wird den StA in der Regel nicht einsetzen, weil man fürchtet er wird die Arbeit nicht so gut machen, weil er emotional getrieben wird. Aber aus Art. 6 EMRK sehe ich da kein Problem.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Antworten