Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Alle Themen rund um das Referendariat (Organisation, Ablauf, Wahlstation im Ausland etc.)

Moderator: Verwaltung

Antworten
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8350
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Justitian hat geschrieben:Wie war das noch: gilt die Wirkung des § 138 III ZPO auch, wenn bereits der Kläger unsubstantiiert vorgetragen hat?
Was für eine Situation stellst du dir vor? Ich muss doch gar nicht immer "substantiiert" vortragen, beziehungsweise der Grad bemisst sich doch am Verhalten des Beklagten.

Wenn der Kläger schreibt "Wir haben nen Kaufvertrag abgeschlossen", ohne Angabe von Datum, Ort oder sonstige Umstände, reicht es doch aus, wenn der Beklagte das nicht bestreitet?
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Justitian
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 926
Registriert: Mittwoch 20. Februar 2013, 01:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Justitian »

Hmm ich hätte gesagt dass sich umgekehrt der Grad an Substantiierung für den Beklagten am Vortrag des Klägers ausrichtet, der Kläger aber immer zu einem gewissen Grad substantiiert vortragen muss.
Wenn man die Substantiierungspflicht als allgemeines Prinzip § 138 I ZPO entnimmt und § 253 II ZPO als spezielle Ausprägung dieses Grundsatzes versteht, könnte man ja sagen, dass ein völlig pauschaler Vortrag - soweit er nicht bereits zur Unzulässigkeit der Klage führt - den Anforderungen nicht genügt, die die ZPO an die Beibringung der entscheidungserheblichen Tatsachen stellt. § 138 III ZPO ist ja doch noch mal etwas anderes als ein Anerkenntnis
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Benutzeravatar
Justitian
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 926
Registriert: Mittwoch 20. Februar 2013, 01:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Justitian »

Was wäre denn z.B., wenn der Kläger 10% Zinsen aus der Klageforderung beantragt und gar nichts dazu vorträgt. Der Beklagt schweigt, genügt das dann für eine Verurteilung hinsichtlich der Zinsforderung? Oder wäre der Antrag sogar schon entsprechend § 253 II Nr. 2 ZPO unzulässig?
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8350
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Naja wenn der Kläger sagt "Der Himmel ist rosa" und der Beklagte das zugesteht, dann ist der Himmel für das Gericht doch rosa.

Also ich sehe da ehrlich gesagt keine Probleme. Das Vorbringen des Klägers muss natürlich immer dafür reichen, dass du unter die Norm subsumieren kannst.

Wenn er sagt "Der Himmel ist rosa, deswegen bekomme ich 100 Euro vom Beklagten" und der Beklagte das nicht bestreitet, wird man ihn nicht verurteilen können, obwohl der Himmel rosa ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Justitian
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 926
Registriert: Mittwoch 20. Februar 2013, 01:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Justitian »

Naja die ZPO setzt ja schon einige Grenzen. Das Beispiel mit "Der Himmel ist rosa" scheitert z.B. an § 291 ZPO, offenkundige Tatsachen können auch nicht abweichend zugestanden werden. "Der Himmel ist rosa, deswegen bekomme ich 100€ vom Beklagten" wäre nicht schlüssig
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8350
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Justitian hat geschrieben:Naja die ZPO setzt ja schon einige Grenzen. Das Beispiel mit "Der Himmel ist rosa" scheitert z.B. an § 291 ZPO, offenkundige Tatsachen
Das ist str. und die h.M. verlangt, dass das Gericht nicht gegen den Willen der Parteien offenkundige Tatsachen in das Verfahren einbringen darf. Das verbietet der Beibringungsgrundsatz (es muss sich zumindest eine Partei der Ansicht des Gerichts anschließen)

(Aber wir entfernen uns vom Thema).
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Justitian
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 926
Registriert: Mittwoch 20. Februar 2013, 01:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Justitian »

Wenn überhaupt scheint mir das eine MM. zu sein die den Vorrang des Beibringungsgrundsatzes vertritt. In jedem Fall sieht es die Rspr. anders. Diese Überlegungen scheinen mir auch mit der Ausgangsfrage zusammenzuhängen, denn wenn man den Beibringungsgrundsatz über alles stellt muss es auch den Parteien überlassen sein, einen unsubstantiierten Vortrag unstreitig zu stellen.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
Benutzeravatar
Urs Blank
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1741
Registriert: Samstag 31. Januar 2009, 12:38
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Urs Blank »

Justitian hat geschrieben:Wenn überhaupt scheint mir das eine MM. zu sein die den Vorrang des Beibringungsgrundsatzes vertritt. In jedem Fall sieht es die Rspr. anders. Diese Überlegungen scheinen mir auch mit der Ausgangsfrage zusammenzuhängen, denn wenn man den Beibringungsgrundsatz über alles stellt muss es auch den Parteien überlassen sein, einen unsubstantiierten Vortrag unstreitig zu stellen.
Vielleicht helfen:

Schulz, NJW 2017, 16

BGH, Versäumnisurteil vom 16.11.2016, VIII ZR 297/15 = NJW-RR 2017, 380
"Cats exit the room in a hurry when oysters are opened."
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8350
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Ara »

Mag mir einer der Flächenstaatler einmal kurz den § 78 I Nr. 1 VwGO erklären? In meinem Studium hieß es immer sehr simpel "Richtiger Beklagter ist die Freie und Hansestadt Hamburg nach dem Rechtsträgerprinzip".

Nun hatte ich eine Anwalts-Klausur aus NRW, in dem die Ordnungsbehörde aus Dormagen irgendwas gemacht hat. Im Bearbeitervermerk steht nur "Es ist davon auszugehen, dass der Bürgermeister von Dormagen zuständig war".

So und wen verklag ich denn nun? Dass es nicht die Bundesrepublik Deutschland ist war mir klar... Als Hamburger hätte ich im ersten Moment das Bundesland NRW verklagt. Dann hab ich mich dran erinnert, dass die Flächenstaatler immer gerne ihre Gemeinden für alles verklagen und die ja auch ne Körperschaft sind. Die Gemeinde zu der Dormagen gehört war mir aber ja gar nicht bekannt.

Jetzt hab ich das ganze einmal gegooglt und anscheinend wird "Die Stadt Dormagen, vertreten durch den Bürgermeister," verklagt. Warum genau kann ich bitte eine Stadt verklagen? Wenn dann müsste doch die Gemeinde verklagt werden? Oder ist eine "Stadt" immer eine Gemeinde? Aber es gibt doch Städte, die Mitglied in einer Gemeinde sind... Sonst müssten Gemeinden ja "durchlöcher" sein von Städten die in ihrem Gemeindegebiet liegen und eigene Gemeinden bilden.

Woher soll ich überhaupt als Stadtstaatler wissen, was ne Gemeinde in irgend nem anderen Bundesland ist? Ob Dormagen nun ne Gemeinde ist oder irgend n Kackdorf was zu Bielefeld gehört... Das weiß doch ich nicht.

Und wo wir gerade dabei sind: Ein Landkreis ist ja (nach Wikipedia-Recherche) ein Zusammenschluss von Gemeinden. Ist für § 78 I Nr. 1 VwGO irgendwann einmal ein Landkreis relevant? Oder ist Beklagter immer die Gemeinde oder das Land?
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Richtige Klagegegnerin ist in deinem Fall tatsächlich die Stadt Dormagen als Rechtsträgerin des Bürgermeisters nach § 78 I Nr. 1 VwGO.

Dass das eine eigene Gemeinde ist, ergibt sich aus dem Bearbeitervermerk. Sonst gäbe es dort keinen Bürgermeister. Stadt = Gemeinde (Mag für Flächenstaatler auch nicht evident sein...)

Landkreise oder Kreise (der Begriff variiert je nach Bundesland) können auch richtiger Klagegegner sein, und dann kann es oft richtig kompliziert werden, weil die Landräte (bzw. das Landratsamt...) in einigen Bundesländern eine Doppelstellung haben, so dass sie einerseits als Behörde ihres (Land-)Kreises oder aber im Wege der Organleihe für das Land tätig werden. Je nachdem ist dann entweder der (Land-)Kreis oder das Land Klagegegner.

In manchen Bundesländern gibt es diese Fälle der Organleihe übrigens auch noch bei Bürgermeistern...

Alles andere sprengt hier den Rahmen. Entweder du arbeitest Kommunalrecht noch einmal auf - was bei einem fremden Landesrecht aber auch nicht bedeuten muss, dass man alles in einer Klausur sofort richtig durchschaut (!) - oder du hoffst einfach, dass es nicht drankommt.

Im Zweifel liegst du mit der Gemeinde tatsächlich meist richtig, wenn es nicht evident das Land ist.
"Honey, I forgot to duck."
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Tobias__21 »

Fürs Baurecht kannst Du Dir merken: "Steht am Bau das Landratsamt, dann verklage ich das Land". Wollte den Spruch schon länger mal anbringen :D
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von julée »

Abstrakt dürfte sich fremdes Kommunalrecht tatsächlich nicht lernen lassen. Aber vielleicht soviel zur praktischen Einordnung: neben Mini-Landgemeinden mit wenigen 1.000 Einwohnern muss man auch Städten wie Köln oder München gerecht werden. Die Gemeinde mit 10.000 Einwohnern gehört in aller Regel einem (Land)Kreis an, der weitgehend die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde wahrnimmt, weil die einzelnen Gemeinden hiermit überfordert wären (siehe z. B. §§ 1, 2 LKrO BW). Dann gibt es am anderen Ende der Skala die Gemeinden, die kreisfreie Städte bzw. Stadtkreise (so die Bezeichnung in BW) sind und die sämtliche Aufgaben eines Landkreises wahrnehmen - und dies aufgrund ihrer Größe auch können. Und dann gibt es noch wilde Zwischenlösungen. Und ja, es kann sein, dass mitten im Gebiet eines Landkreises eine kreisfreie Stadt bzw. ein Stadtkreis liegt, z. B. Heidelberg ist Verwaltungssitz des umliegenden Rhein-Neckar-Kreis, selbst aber ein Stadtkreis.

In der Klausur dürfte sich aber immer ein mehr oder weniger subtiler Hinweis finden, wen man richtigerweise verklagen sollte - und sei es nur, dass die entsprechenden Normen der GemO abgedruckt sind.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Stadtkreise hat BW Gott sei Dank als Begriff exklusiv. Toll ist auch die "Städteregion Aachen".
"Honey, I forgot to duck."
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Man sollte eigentlich mal ein Ranking durchführen, welches Bundesland das Kommunalrecht mit den merkwürdigsten Rechtsfiguren und irreführendsten Bezeichnungen hat.
"Honey, I forgot to duck."
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Exmatrikulation vor Ref und andere Fragen

Beitrag von julée »

Also "Stadtkreis" finde ich jetzt noch recht nachvollziehbar und der Sache nach treffend, aber in der Tat, ein Ranking wäre interessant.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Antworten