Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsrecht?

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jurapeasant
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Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsrecht?

Beitrag von jurapeasant »

Hallo,

ich habe mir kürzlich einen Refplatz in einer englischen magic circle Kanzlei zu sehr guten Konditionen organisieren können. Ich werde dort im Corporate (ohne M&A) eingesetzt.

Ich habe dennoch Bedenken.

1. Ist das Schwerpunktsstudium schon ein gutes Stück her und gerade mit dem AktG habe ich mich noch nie so wirklich beschäftigt.

2. Ich war nie Wismit oder Hiwi und kann überhaupt nicht einschätzen, welche Aufgabenstellungen mich erwarten und ob ich überhaupt in der Lage bin diese angemessen zu bearbeiten.

Im Vorstellungsgespräch wurde gesagt, ich würde hauptsächlich mit börsennotierten Unternehmen arbeiten. Als Beispiel wurden Fragen hinsichtlich der Hauptversammlung erörtert. Auch wurde gesagt ich würde "wissenschaftlich" arbeiten. Auf letzteres kam es mir in Hinsicht auf 2.) auch an.

Insgesamt stelle ich mir also die Frage, wie ich mich bereits jetzt auf die Station vorbereiten könnte. Selbstverständlich mittels einer Auseinandersetzung mit dem AktG, ggf. ein Lehrbuch. Mehr interessiert mich aber - und ich hoffe jemand hat ein bisschen Erfahrung hierüber - wie die konkreten Aufgabenstellungen an einen Referendar im corporate Aussehen können und wie man an die Lösung herangeht... Problem einer Norm zuordnen und dann hoffen eine Antwort in Kommentaren zu finden? Ggf. selbst argumentieren (?! ... oh Gott).

Danke schonmal!
chr1983
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Re: Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsre

Beitrag von chr1983 »

jurapeasant hat geschrieben:Hallo,

ich habe mir kürzlich einen Refplatz in einer englischen magic circle Kanzlei zu sehr guten Konditionen organisieren können. Ich werde dort im Corporate (ohne M&A) eingesetzt.

Ich habe dennoch Bedenken.

1. Ist das Schwerpunktsstudium schon ein gutes Stück her und gerade mit dem AktG habe ich mich noch nie so wirklich beschäftigt.

2. Ich war nie Wismit oder Hiwi und kann überhaupt nicht einschätzen, welche Aufgabenstellungen mich erwarten und ob ich überhaupt in der Lage bin diese angemessen zu bearbeiten.

Im Vorstellungsgespräch wurde gesagt, ich würde hauptsächlich mit börsennotierten Unternehmen arbeiten. Als Beispiel wurden Fragen hinsichtlich der Hauptversammlung erörtert. Auch wurde gesagt ich würde "wissenschaftlich" arbeiten. Auf letzteres kam es mir in Hinsicht auf 2.) auch an.

Insgesamt stelle ich mir also die Frage, wie ich mich bereits jetzt auf die Station vorbereiten könnte. Selbstverständlich mittels einer Auseinandersetzung mit dem AktG, ggf. ein Lehrbuch. Mehr interessiert mich aber - und ich hoffe jemand hat ein bisschen Erfahrung hierüber - wie die konkreten Aufgabenstellungen an einen Referendar im corporate Aussehen können und wie man an die Lösung herangeht... Problem einer Norm zuordnen und dann hoffen eine Antwort in Kommentaren zu finden? Ggf. selbst argumentieren (?! ... oh Gott).

Danke schonmal!
Einfach auf Dich zukommen lassen. Die Aufgabenstellungen bzw. die rechtlichen Fragen werden im Zweifel so speziell sein, dass man sich darauf ohnehin nicht vorbereiten kann.

Bei uns sind die Aufgabenstellungen für Referendare vielfältig. Vermerke und ggf. kleinere Gutachten schreiben, Recherchen, Präsentationen vorbereiten, intern Vorträge halten, Mitarbeit an Schriftsätzen (wohl (-) im Bereich Corporate), Einbindung in DDs usw.
"Eine Banane bleibt eine Banane." (VG Frankfurt, Urt. v. 08.06.2016 - 5 K 4598/14.F)
jurapeasant
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Re: Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsre

Beitrag von jurapeasant »

Danke schonmal!

Aber was bedeutet gerade im Zusammenhang mit dem Kapitalgesellschaftsrecht "wissenschaftlich" zu arbeiten? Im Vorstellungsgespräch wurde - wie gesagt - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man häufig "wissenschaftlich" arbeiten müsse. Kürzlich habe ich dann in einer Kanzleiranking-Zeitschrift über eine der renommiertesten Boutiquen im Gesellschaftsrecht gelesen, die Leute dort wären "halbe Wissenschaftler". Aber warum? Weil man gerade im Gesellschaftsrecht häufiger mit Fragen konfrontiert wird, die man a) nicht mit dem Gesetz b) nicht aus einem Kommentar und c) nicht durch anderweitige höchstrichterliche Rspr. beantwortet werden kann?

Bedeutet dies also, dass man sich mit der "aufkommenden Frage" in der Art und Weise beschäftigen muss, wie zu Studienzeiten. Auslegungen, Analogien?

Und zu welchem Zweck? In einem Schriftsatzwechsel die gegnerische Großkanzlei dogmatisch zu überzeugen. Und im weiteren Prozessverlauf vielleicht sogar das oberste Gericht (OLG, BGH)?
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Re: Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsre

Beitrag von JRG »

jurapeasant hat geschrieben: Bedeutet dies also, dass man sich mit der "aufkommenden Frage" in der Art und Weise beschäftigen muss, wie zu Studienzeiten. Auslegungen, Analogien?
Genau das! Das Studium war ja kein Selbstzweck, genau dieses Handwerkszeug brauchst du für die spätere praktische Tätigkeit.
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Urs Blank
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Re: Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsre

Beitrag von Urs Blank »

jurapeasant hat geschrieben:Aber was bedeutet gerade im Zusammenhang mit dem Kapitalgesellschaftsrecht "wissenschaftlich" zu arbeiten? Im Vorstellungsgespräch wurde - wie gesagt - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man häufig "wissenschaftlich" arbeiten müsse. Kürzlich habe ich dann in einer Kanzleiranking-Zeitschrift über eine der renommiertesten Boutiquen im Gesellschaftsrecht gelesen, die Leute dort wären "halbe Wissenschaftler".
Es ist ja bereits streitig, ob universitär betriebene Rechtsdogmatik als Wissenschaft einzustufen ist - so ist sie nach einer Formulierung von Dieter Simon (ein Rechtshistoriker) nicht mehr als eine “belanglose Summe von Meinungen“. Und gerade im anglo-amerikanischen Rechtsraum - der maßgeblichen Referenzgröße insbesondere für Großkanzleien - gilt “doctrinal legal scholarship“ als einigermaßen altmodisch. Umso merkwürdiger, wenn Praktiker (meist teure Anwälte oder ambitionierte OLG-Richter) für ihre praktische Tätigkeit “Wissenschaftlickeit“ in Anspruch nehmen. Den kategorialen Unterschied zwischen einer - wie auch immer verstandenen - Wissenschaft und der Praxis kann jedenfalls auch noch so gründliches Arbeiten nicht verwischen. Ergo handelt es sich bei der Rede von der wissenschaftlichen Arbeit in der Kanzlei bestenfalls um Marketing-Phrasen, schlechtestenfalls um bloße Einbildung.
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Re: Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsre

Beitrag von jurapeasant »

Urs Blank hat geschrieben: Es ist ja bereits streitig, ob universitär betriebene Rechtsdogmatik als Wissenschaft einzustufen ist - so ist sie nach einer Formulierung von Dieter Simon (ein Rechtshistoriker) nicht mehr als eine “belanglose Summe von Meinungen“. Und gerade im anglo-amerikanischen Rechtsraum - der maßgeblichen Referenzgröße insbesondere für Großkanzleien - gilt “doctrinal legal scholarship“ als einigermaßen altmodisch. Umso merkwürdiger, wenn Praktiker (meist teure Anwälte oder ambitionierte OLG-Richter) für ihre praktische Tätigkeit “Wissenschaftlickeit“ in Anspruch nehmen. Den kategorialen Unterschied zwischen einer - wie auch immer verstandenen - Wissenschaft und der Praxis kann jedenfalls auch noch so gründliches Arbeiten nicht verwischen. Ergo handelt es sich bei der Rede von der wissenschaftlichen Arbeit in der Kanzlei bestenfalls um Marketing-Phrasen, schlechtestenfalls um bloße Einbildung.
Nunja, letztendlich wird aber aus der "Summe der Meinungen" eine vom erkennenden Gericht aufgefasst bzw. lässt sich von der zugrundeliegenden Argumentation überzeugen. Man könnte einwenden, dass höchstrichterliche Entscheidungen ohnehin nur rechtspolitische Entscheidungen wären, was ich persönlich aber nicht so sehe. Wahr ist, dass man die eigene Argumentation natürlich nach dem gewünschten Erfolg (des Mandanten richtet). Bei neutralen Rechtsgutachten wiederrum, die sich mit einer bisher unbeantworteten Frage auseinandersetzen, spielt die Dogmatik und damit auch die wissenschaftliche Arbeit eine bedeutsame Rolle. Ginge man davon aus, dass es keine Wissenschaftlichkeit in der Juristerei gäbe, wäre mithin jede gerichtliche Entscheidung willkürlich.
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Re: Vorbereitung Anwaltsstation GK im Kapitalgesellschaftsre

Beitrag von julée »

jurapeasant hat geschrieben:
Und zu welchem Zweck? In einem Schriftsatzwechsel die gegnerische Großkanzlei dogmatisch zu überzeugen. Und im weiteren Prozessverlauf vielleicht sogar das oberste Gericht (OLG, BGH)?
Neue Fragen mit juristischem Handwerkszeug zu lösen versuchen, ist nie verkehrt. Und gerade wenn das Problem "neu" ist, bleibt einem wenig anderes übrig. Und wenn es nichts gibt, muss auch das Gericht sehen, wie es zu einer Entscheidung gelangt. Und warum sollte es sich dann einer Argumentation mit dem Wortlaut, Sinn und Zweck usw. verschließen? Und natürlich mag es eher unwahrscheinlich sein, dass ein erstinstanzliches Gericht gegen die beständige BGH-Rechtsprechung (für die es im Übrigen oft doch ganz gute Gründe gibt, wenn man die universitäre Brille abgelegt hat) entscheidet - gleichwohl dürfte dies etwas wahrscheinlicher werden, wenn im Verfahren gute Gründe dagegen präsentiert werden und nicht nur "ist aber unfair" oder "Herr Prof. Dr. Dr. Dres. h. c. sieht das aber völlig anders".

Und in dem Sinne dürfte in der Praxis das Label "wissenschaftlich" schlichtweg der Abgrenzung von dem immer wieder anzutreffenden Juristen dienen, der meint, nachdem er sich durch zwei Examina gekämpft hat, Fälle endlich wieder so wie Tante Erna lösen zu dürften: Frei nach Bauchgefühl in weitgehender Ignoranz irgendwelcher juristischer Feinheiten, immer kurz vorm Haftungsfall (ein Hoch auf die richterliche Hinweispflicht).
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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