Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

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458202349
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Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von 458202349 »

Ich mache Ref beim Anwalt (Feld- Wald- Wiesen) . Wir machen ausnahmsweise eine Strafverteidigung. Wir haben in einem Verfahren Akteneinsicht genommen. Aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte ergibt sich, dass die Polizei in Chatprotokolle besitzt die nicht teil der Gerichtsakte sind. Die Chatprotokolle würden wir gerne einsehen. Hauptverhandlungstermin ist anberaumt. Muss man einen Beweisantrag auf Beiziehung dieser Protokolle stellen? Wir kennen ja den Inhalt nicht. Wir können aber die genau Protokolle bezeichnen. Kann man ausnahmsweise bei der Polizei AE beantragen?

LG
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thh
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von thh »

458202349 hat geschrieben:Ich mache Ref beim Anwalt (Feld- Wald- Wiesen) . Wir machen ausnahmsweise eine Strafverteidigung. Wir haben in einem Verfahren Akteneinsicht genommen. Aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte ergibt sich, dass die Polizei in Chatprotokolle besitzt die nicht teil der Gerichtsakte sind.
Möglicherweise, weil es sich um Beweismittel handelt.
458202349 hat geschrieben:Die Chatprotokolle würden wir gerne einsehen. Hauptverhandlungstermin ist anberaumt. Muss man einen Beweisantrag auf Beiziehung dieser Protokolle stellen? Wir kennen ja den Inhalt nicht. Wir können aber die genau Protokolle bezeichnen. Kann man ausnahmsweise bei der Polizei AE beantragen?
Nicht erfolgreich, § 478 Abs. 1 StPO.

Ein Beweisantrag gestaltet sich vermutlich eher schwierig, wenn man nicht weiß, was man damit eigentlich beweisen will, aber was spricht gegen einen Antrag, die entsprechenden Protokolle einzusehen bzw. der Verteidigung zugänglich zu machen?
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458202349
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von 458202349 »

Danke thh.

Ja nur diesen Antrag auf Beiziehung würde ich als Beweisermittlungsantrag auslegen und den kann das Gericht ja relativ einfach abweisen.

Einen Beweisantrag könnte man nicht so einfach zurückweisen.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es sich um Beweismittel handelt aber der Verteidiger hat ja ein Recht auf Ansicht der Beweismittel. Nur die befinden sich bei der Polizei.

Dann wäre man ja echt auf die gute Laune des Gerichts angewiesen.
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von Eagnai »

Bist du denn sicher, dass es zu der Gerichtsakte nicht noch einen Sonderband gibt, in dem sich die Chat-Protokolle befinden könnten?

Es wäre eher ungewöhnlich, dass Chat-Protokolle, die der Polizei vorliegen, überhaupt keinen Weg zur StA und von dort zum Gericht gefunden haben.
458202349
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von 458202349 »

Ja. Es geht nicht um die dicken TKÜ Ordner sondern um Screenshots.
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thh
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von thh »

458202349 hat geschrieben:Ja nur diesen Antrag auf Beiziehung würde ich als Beweisermittlungsantrag auslegen und den kann das Gericht ja relativ einfach abweisen.
Wieso Beweisermittlungsantrag? Das ist doch eine Frage der Akteneinsicht (§ 147 StPO).
458202349 hat geschrieben:Einen Beweisantrag könnte man nicht so einfach zurückweisen.
Ich sehe nicht, wie man in dieser Konstellation einen sinnvollen Beweisantrag stellen könnte, aber gut.
458202349 hat geschrieben:Ich kann mir auch vorstellen, dass es sich um Beweismittel handelt aber der Verteidiger hat ja ein Recht auf Ansicht der Beweismittel. Nur die befinden sich bei der Polizei.
Das darf dem Verteidiger doch letztlich egal sein, ob die Beweismittel (oder Akten) bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht, einem Sachverständigen oder sonstwem liegen: er hat ein Einsichtsrecht. Das Gericht wird schon in der Lage sein, die Beweismittel (oder Aktenbestandteile) herbeizuschaffen.
458202349 hat geschrieben:Dann wäre man ja echt auf die gute Laune des Gerichts angewiesen.
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Ara
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von Ara »

Wenn das Gericht die Chatprotokolle verwenden möchte, muss es die doch eh in die Hauptverhandlung einbringen und dann erfährt die Verteidigung davon?

Ich sehe hier noch gar nicht die Motivation der StA oder des Gerichts der Verteidigung diese Protokolle vorzuenthalten?

Vermutlich wird die Einsicht doch mit einer einfachen Anfrage möglich sein? Ich sehe keinen Grund sich dagegen zu sperren.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben:Wenn das Gericht die Chatprotokolle verwenden möchte, muss es die doch eh in die Hauptverhandlung einbringen und dann erfährt die Verteidigung davon?
Ich nehme an, dass es hier um die Vermutung geht, dass da etwas Entlastendes verborgen sein könnte (und das Gericht die Protokolle nicht einbringt, weil sie nicht bei den Akten sind und es sie gar nicht kennt). Es macht schon Sinn, wenn die Verteidigung alles kennt, was auch die Ermittlungsbehörden kennen, und selbst entscheiden kann, was davon relevant ist.
Ara hat geschrieben: Ich sehe hier noch gar nicht die Motivation der StA oder des Gerichts der Verteidigung diese Protokolle vorzuenthalten?

Vermutlich wird die Einsicht doch mit einer einfachen Anfrage möglich sein? Ich sehe keinen Grund sich dagegen zu sperren.
Ich auch nicht - aber ist Misstrauen gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft nicht *der* Wesenszug eines Verteidigers? ;-)

Spaß beiseite - natürlich macht es Sinn, erst einmal (so rechtzeitig vor der HV wie möglich!) zu fragen; aber der Wunsch, Notfalladresse notfalls eine förmliche Entscheidung erzwingen zu können, also einen Plan B zu haben, wenn das Gericht sich nicht gutwillig zeigt, ist für mich nachvollziehbar.
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von 458202349 »

Genau thh! Nicht bös gemeint aber die Polizei kann doch oft gar nicht einschätzen, was am Ende juristisch von Relevanz ist. Vielleicht ergibt sich auch ein Beweisverwertungsverbot aus den Protokollen.

Laut BGH umfasst die Akteneinsicht alle Dokumente (auch elektronische) die bei der Polizei im Rahmen der Ermittlungen angefallen sind. Auch die, die nicht bei den Gerichtsakten sind. Wir stellen mal Antrag auf AE und teilen das Ergebnis mit.

Bei Verweigerung wäre es ein Revisionsgrund. Daher der Antrag.
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Ara
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von Ara »

458202349 hat geschrieben: Bei Verweigerung wäre es ein Revisionsgrund. Daher der Antrag.
Mit der Revision wirst du hier Probleme bekommen. Generell ist es schwierig in der Revision die verweigerte Akteneinsicht zu rügen.

Man braucht hier irgendeinen Akt des Gerichts. Entweder vor der HV eine Entscheidung nach § 147 StPO oder irgendwie nen Gerichtsbeschluss in der Hauptverhandlung, der die Verteidigung beschränkt.

Der abgelehnte Beweisermittlungsantrag würde in der Revision alleine recht wenig bringen, da der BGH quasi für die Revision verlangt, dass mitgeteilt wird, was in den fehlenden Aktenbestandteilen steht (Was die Verteidigung ja gerade nicht kennt). Siehe Oetker-Entscheidung BGHSt 30, 131, 132 (gebilligt von BVerfGE 63, 45, 69).

Wahrscheinlich wird man hier über § 23 EGGVG gehen müssen. Entsprechend der Rechtsprechung zur Spurenakte?!
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben:
458202349 hat geschrieben: Bei Verweigerung wäre es ein Revisionsgrund. Daher der Antrag.
Mit der Revision wirst du hier Probleme bekommen. Generell ist es schwierig in der Revision die verweigerte Akteneinsicht zu rügen.
Deswegen hatte ich eine der dazu ergangenen Entscheidungen genannt ...
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Re: Beweisantrag Beiziehung von Ermittlungsakten?

Beitrag von Eagnai »

Einen Beweisantrag kannst du schon deshalb nicht stellen, weil du die Beweistatsache nicht benennen kannst - du hast ja, wenn ich dich richtig verstehe, bisher überhaupt keine Idee, was Inhalt dieser Chats ist, und weißt also auch nicht, was deren Verlesung beweisen soll.

Völlig üblich ist es in solchen Fällen, erstmal ganz formlos um Beiziehung und Gewährung der Einsichtnahme in die Chat-Protokolle zu bitten.
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