Mein Examen

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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AlicImWunderland
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Mein Examen

Beitrag von AlicImWunderland »

Moin ich schreibe momentan mein Staatsexamen in NRW und habe mir überlegt vllt die ein oder andere Klausur (soweit ich sie noch erinnere) hier abzutippen. Ist ja vllt für den ein oder anderen interessant, der sich immer schon gefragt hat, wie so eine Klausur "eigentlich aussieht". Bin leider auch einer dieser Menschen die am liebsten 5 Sekunden nach der Klausur schon wissen wollen wie es gelaufen ist, während die meisten anderen immer eher im "Ach egal das ist jetzt vorbei ich will nichts mehr wissen von der Klausur" Modus sind. Deshalb könnt ihr auch gern eure Lösungsskizzen oder so posten, damit ich mich etwas besser einschätzen kann ;) .


Also Heute war Zivilrecht I dran:


Die N GmbH und Co KG bietet Internetverbindungen im Rahmen eines Flatratevertrages an und vermietet dabei die benötigten Router gleich mit.
O ist alleiniger Gesellschafter der GmbH

A ist selbstständiger Architekt und arbeitet von zu Hause aus in einem kleinen Büro. Seit 2008 hat er einen Vertrag mit N über eine Flatrate mit 10 Mb/s Bandbreite.
N bietet einen Businessvertrag an, bei welchem eine Ausfallzeit von nicht mehr als 10 Stunden pro Jahr zugesagt wird. Aus Kostengründen hat A jedoch einen normalen Standardtarif gewählt.

Da ihm die Bandbreite mittlerweile zu wenig geworden ist, schreibt er an die N im Mai 2015 eine Mail und fragt nach einem Tarifwechsel auf einen Normal Tarif mit 100 Mb/s. Ende Mai bestätigt die N dies per Brief. Für die volle Bandbreite ist jedoch ein neuer Router notwendig. N sagt zu den neuen Tarif zum 1.7.15 freizuschalten und dem A den neuen Router bis zu diesem Datum zu schicken.

Kurz danach kommt es zu einem umfangreichen Poststreik, über den überall in den Medien berichtet wird. O (handelt für N) versendet dennoch am 15.6.15 den Router mit der Post. Ein Versand mit einem nicht streikenden Unternehmen wäre möglich gewesen, allerdings zu Mehrkosten von einem Euro. Die Internetflatrate funktioniert nur mit dem Gerät der N.

Am 1.7 schaltet die N den neuen Tarif frei. Als der Router jedoch nicht bei A eintrifft, ruft dieser die N per Handy an und verlangt "bis zum Eintreffen des neuen Routers seinen alten Tarif zurück zu erhalten, so dass er in der Wartezeit den alten Router nutzen kann". Aufgrund technischer Probleme, deren Ursprung weder N noch A kennen klappt dies jedoch bis zum 7.7.15 einschließlich nicht.

Am 6.7.15 ist der Streik beendet und A kann seinen neuen Tarif endlich nutzen.

In der Zwischenzeit musste der A jedoch um Schäden iHv 5000 Euro abzuwenden (Durch nicht geschlossene Vertrage, Abgabetermine usw.) und sein Tagesgeschäft zu erledigen, über seinen Handytarif ins Netz gehen. Da dieser jedoch keine Flat sondern Datengebunden ist, entstanden ihm Mehrkosten von 20 Euro.


A fragt ob er diese Kosten von N ersetzt verlangen kann. N entgegnet A hätte keine Ansprüche. Wolle er besser geschützt sein, so hätte er eben den Businesstarif buchen müssen.

A erhebt formell ordnungsgemäße Klage vor dem Amtsgericht Köln ohne durch einen Anwalt vertreten zu sein. N verweist darauf, dass laut ihren AGB (??? hier bin ich nicht mehr ganz sicher) der einzig mögliche Klageort Düsseldorf sei.



Frage 1: Ist die Klage des A zulässig?
Frage 2: Hat A den geltend gemachten Anspruch iHv 20 Euro?



Fallfortsetzung (ganz grob weiß ich nicht mehr):

Die Komplementäre der GmbH und Co KG halten O für "schuldig", weil er die ganze Sache verbockt habe.

Frage 3: Angenommen der Anspruch des A besteht - kann die N den O auf Ausgleich der 20 Euro in Haftung nehmen?



Weitere Fortsetzung:


A ist über die ganze Misere so erbost, dass er bei N anruft und erklärt den alten Router werde er nicht zurückschicken, sondern stattdessen gewinnbringend verkaufen. Bevor dies geschieht, bricht jedoch der D bei A ein und stiehlt den Router, den er an X verkauft welcher von der ganzen Sache nichts weiß.

Frage 4: N fragt nun ob ihr gegen X ein Herausgabeanspruch bezüglich des Routers zusteht
StudiVader315226
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Re: Mein Examen

Beitrag von StudiVader315226 »

Bei Frage 4 ist zunächst auf gutgläubigen Erwerb der X einzugehen, aber man kann (vermutlich sogar im Urteilsstil?) feststellen, dass die Sache dem unmittelbaren Besitzer A abhanden gekommen, ja sogar gestohlen worden, ist und daher kein gutgläubiger Erwerb eintreten konnte. Beim 985 muss man dann noch auf die Frage eingehen, an wen N Herausgabe verlangen kann. An sich selbst kann N nämlich nur dann verlangen, wenn A, unmittelbarer (Fremd-)Besitzer, den Besitz nicht mehr übernehmen kann oder will (was ich hier aufgrund der Formulierung, er sei "über die ganze Misere erbost", annehmen würde.
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Re: Mein Examen

Beitrag von Tobias__21 »

StudiVader315226 hat geschrieben:An sich selbst kann N nämlich nur dann verlangen, wenn A, unmittelbarer (Fremd-)Besitzer, den Besitz nicht mehr übernehmen kann oder will (was ich hier aufgrund der Formulierung, er sei "über die ganze Misere erbost", annehmen würde.
Warum denn das?

Das mit dem gutgläubigen Erwerb musst Du auch nochmal durchdenken. Problem liegt hier wohl bei § 935 I S 2 BGB. Stichwort: Aufgabe des Fremdbesitzwillens durch A, der den Router ja verkaufen will, sich also zum Eigenbesitzer aufschwingt / aufschwingen will..
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AlicImWunderland
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Re: Mein Examen

Beitrag von AlicImWunderland »

Örecht I (1. Fall von 2):


A hat Lehramt studiert und direkt nach seinem Studium 2 Jahre in den USA als Lehrkraft gearbeitet. Nach seiner Rückkehr will er in Deutschland arbeiten und ist völlig überrascht, dass er zuvor ein Referendariat bestreiten und ein Staatsexamen bestehen muss. Um die Zeit zu verkürzen und schneller richtiges Geld zu verdienen, macht er von der Regelung in §29 BLV gebraucht
(1) Hauptberufliche Tätigkeiten, die nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprechen, können auf die Probezeit angerechnet werden.
und stellt einen Antrag nach § (Leider vergessen, war im Sachverhalt abgedruckt. Inhalt war aber "Die Behörde KANN wenn die Voraussetzungen des § 29 vorliegen, die Referendariatszeit verkürzen. Der Referendariatsdienst dauert mindestens 12 Monate (normal sind 18).

Dieser wird von der Bezirksregierung nach kurzer Prüfung positiv beschieden.

Nach 3 Monaten bekommt A eine Erinnerung der Behörde per Post, dass sein Staatsexamen bald bevorsteht. Grund ist § xy (auch vergessen, aber Inhalt war auf jeden fall, dass sich dadurch dass man das Ref verkürzt auch die Prüfung verschoben hat, weil diese zu Anfang des letzten Halbjahres der Ref Laufbahn abgelegt werden muss...irgendwie so).

A ist schockiert, da er noch nicht einmal angefangen hat zu lernen und von der ganzen Regelung nichts wusste. Daher wendet er sich nun an die Bezirksregierung und beantragt die Anerkennung der Laufzeitverkürzung wieder rückgängig zu machen. Dabei macht er -insoweit zutreffend- geltend, dass eine Rückgängigmachung den Prüfungsablauf nicht stören würde.

Die Behörde lehnt seinen Antrag jedoch am 15.01.2016 schriftlich ab ohne den Einzelfall zu prüfen und allein aus "grundsätzlichen Erwägungen". Am 19.02.2016 erhebt A daher Klage vor dem örtlich zuständigen Gericht.


Frage: Zulässigkeit und Begründetheit der Klage des A?


Was würdet ihr sagen? (vor allem in Bezug auf die Begründetheit)


In den ersten 5 Minuten saß wirklich der halbe Kurs mit offenen Mund herum und dachte sich "Hääää?! Was ist das denn jetzt" :D



Bin mir auch immer noch nicht sicher ob ich den richtig gelöst hätte.
Tobias__21
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Re: Mein Examen

Beitrag von Tobias__21 »

Interessant :)

Ohne groß nachzudenken und ohne Gewähr der Richtigkeit:

- Die positive Bescheidung hinsichtlich der Verkürzung der Ref. Zeit dürfte ein (begünstigender) VA sein, da A trotz Sonderstatus (Beamter) im Außenverhältnis auch als Privatperson berührt wird.

- Eine AK gegen diesen VA kommt aus mehreren Gründen wohl nicht in Betracht. Bleibt prozessual wohl eine VK auf Aufhebung der "Genehmigung" übrig

- Sonderregelungen fallen mir keine ein (war da was angegeben?), also müsste sich das nach dem VwVfG richten, §§ 48ff. VwVfG

- Jetzt bin auch etwas überfragt :) Problem wird wohl sein, ob ein Anspruch auch hinsichtlich der Rücknahme eines begünstigenden VA besteht der vom Begünstigenden selbst geltend gemacht wird, weil er nun seine Begünstigung nicht mehr haben will. Dann müsste man schauen ob dieser VA rechtswidrig / rechtmäßig war. Ich würde hier vielleicht bei § 37 VwVfG ansetzen und die Frage aufwerfen ob der VA inhaltlich bestimmt genug war, oder ob die Behörde auf die Rechtsfolge, die mit der Genehmigung ausgelöst wird, hätte hinweisen müssen (früherer Examenstermin). Das würde ich verneinen, da es wohl an A liegt seine Prüfungsordnungen anständig zu lesen und es darüberhinaus doch keine allgemeine Hinweispflicht der Behörde auf eine bestehende Rechtslage gibt. Bei der Hinweispflicht bin ich mir nicht sicher, aber wo soll die denn herkommen? Zumal es hier auch noch um einen begünstigenden VA geht, der auf Antrag des A selbst erlassen wurde.

- Jetzt stellt sich die Frage ob sich aus den §§ 48 VwVfG ein Anspruch ergibt, dass auch rechtmäßige begünstigende VAe auf Antrag des Begünstigten selbst aufgehoben werden können. Aber wo soll da das subjektiv öffentliche Recht herkommen, das dem A solch einen Anspruch vermittelt?
Nehmen wir aber mal an so ein Anspruch kann dem Grunde nach gegeben sein, dann stellt sich die Frage ob A diesen Anspruch geltend machen kann, denn im Grunde unterliegt er hier doch einem bloßen "Rechtsfolgeirrtum".

- Wenn also die §§ 48 ff VwVfG nicht weiterhelfen, könnte sich mit dem Argument er habe auch ohne materiell-rechtliche Postion zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gerichtlich zu Wehr setzen? Immerhin hat die Behörde seinen Antrag ja ohne nähere Prüfung abgelehnt. Nach h.M gibt es einen solchen Anspruch aber ohne entsprechende Norm, die das auf Rechtsfolgenseite regelt nicht. Hilft also auch nicht.

Die Klage wäre unbegründet.

Wie gesagt, ich bin mir da absolut nicht sicher, kann auch sein dass ich völlig daneben liege, sowas habe ich auch noch nicht gesehen. Aber ich denke es wird hier stark um Verwaltungsrecht AT (nicht gerade mein Lieblingsrechtsgebiet) und Prozessrecht gehen. Vielleicht meldet sich ja noch jemand der sich besser auskennt.
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Re: Mein Examen

Beitrag von Ara »

Soweit ich mich dunkel erinnere, gibt es einen Anspruch auf Rücknahme über § 48 nur, wenn die bestehende Entscheidung ermessensfehlerhaft war (Was hier nicht der Fall ist).

Der Weg führt dann nur noch über § 51 VwVfG. Die Nummern passend aber auf dem ersten Blick nicht auf den Fall.

Jedoch hat er einen Anspruch, dass sein Antrag nach § 51 VwVfG geprüft wird. Er kann also darauf klagen, dass die Behörde die Wiederaufnahme im Einzelfall prüft und nicht pauschal ablehnt.
(Fiese Sache der Fall)
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Mein Examen

Beitrag von Tobias__21 »

Ah, deswegen der Hinweis mit den 3 Monaten :) § 51 hätte ich jetzt direkt ausgeschlossen, da tatbestandlich schon nicht einschlägig. Aber man könnte tatsächlich an der pauschalen Ablehnung ansetzen
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Re: Mein Examen

Beitrag von AlicImWunderland »

Ja der Fall war wirklich fies. Würde gerne posten was ich geschrieben habe, aber fürchte hier im Forum sind Leute die auch korrigieren oder? Möchte nicht unbedingt zuordenbar werden, falls ich hier im Board mal was dummes geschrieben hab :)

Aber ja, fand den Fall auch richtig fies. Die § 48 ff. kennt man aus dem Studium ja eigentlich in und auswendig - aber in so einer Konstellation sind sie mir wirklich noch nie begegnet und nach allem was ich gehört habe auch keinem der anderen Kandidaten.

Naja dafür war die Örecht II Klausur dann die "Spinner" Entscheidung des BVerfG zum Äußerungsrecht des Bundespräsidenten - da hatte wohl ein Klausursteller ein schlechtes Gewissen :D
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