Einige tröstende Worte nötig

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boogienat0r
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von boogienat0r »

@ Vortex: Der Wortlaut ist auch so zu lesen ("ohne ausdrückliche Zustimmung) nach ganz h.M. (z.B. Wolf/Neuner BGB AT, MünchKommentar).

Die Gegenauffassung beruft sich zwar auf den Wortlaut, ist jedoch mit Sinn und Zweck des Minderjährigenrechts nicht vereinbar, weil den Eltern keine Zwischenlösung gelassen wird in dem Sinne, dass Mittel zwar grdsl. zur freien Verfügung bereitgestellt werden, aber eben mit einigen Ausnahmen, z.B. keine Zeitschriften oder so kaufen.

Nach der h.M. läge für letzteres keine konkludente Zustimmung vor, nach der Mindermeinung wäre § 110 (+)
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Tibor
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Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von Tibor »

In Bezug auf 2€ Stücke als Taschengeld und den heimlichen Schokoladenkauf entgegen Mamas Anweisung führt dies aber zu einer Schwächung des Händlers, er muss ja immer damit rechnen, dass die Eltern was dagegen haben; rechtspraktisch werden dann wohl nur Winzelbeträge stehen bleiben, wenn die Eltern zu faul sind, zum Händler zu gehen. Im Übrigen führt der hier angeführte Minderjährigenschutz zu einer völligen "Übervormundung" der Jugend durch die Eltern; wir sprechen ja hier über Kinder von 7-17! Der Sinn des Taschengeldes ist es ja, den Kindern den Wert des Geldes näher zu bringen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld zu erlernen. Die hM führt dann aber dazu, dass dieser Lerneffekt immer unter der Kuratel der Eltern steht. Ich finde das nicht gut.
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Tibor
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von Tibor »

Nachtrag: http://www.jugendamt.nuernberg.de/downloads/taschengeld.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
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Vortex
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von Vortex »

Die Mindermeinung würde doch dann dazu führen, dass Eltern lieber gar kein Taschengeld geben, wenn sie nicht wollen, dass der 7-jährige Sohnemann sich davon eine Spielzeug-Pistole o.ä. kauft.

(Das Argument mit dem Händler finde ich auch eher schwach, da die §§ 106 ff. ja primär den Minderjährigen schützen und nicht den Geschäftspartner.)
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von julée »

Tibor hat geschrieben:In Bezug auf 2€ Stücke als Taschengeld und den heimlichen Schokoladenkauf entgegen Mamas Anweisung führt dies aber zu einer Schwächung des Händlers, er muss ja immer damit rechnen, dass die Eltern was dagegen haben; rechtspraktisch werden dann wohl nur Winzelbeträge stehen bleiben, wenn die Eltern zu faul sind, zum Händler zu gehen. Im Übrigen führt der hier angeführte Minderjährigenschutz zu einer völligen "Übervormundung" der Jugend durch die Eltern; wir sprechen ja hier über Kinder von 7-17! Der Sinn des Taschengeldes ist es ja, den Kindern den Wert des Geldes näher zu bringen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld zu erlernen. Die hM führt dann aber dazu, dass dieser Lerneffekt immer unter der Kuratel der Eltern steht. Ich finde das nicht gut.
Grundanliegen der §§ 107 ff. BGB ist der Minderjährigenschutz, d. h. der Vertragspartner muss hier in erheblichem Umfang mit Unsicherheiten leben.

Und ja, die Minderjährigen müssen mit den Vorstellungen ihrer Eltern leben und wenn die Ansage ist "Das Spiel spielst Du nicht (jedenfalls nicht zu Hause).", dann hat der Minderjährige doch auch nichts gewonnen, wenn er sich das Spiel rein rechtlich von seinem Taschengeld kaufen dürfte - rein praktisch dürfte er es nämlich immer noch nicht spielen, sondern er hätte vermutlich nur sein Taschengeld umsonst ausgegeben. Beim Schokoriegel ist der Minderjährige immerhin in dem Vorteil, dass er den Riegel vermutlich heimlich verputzen kann. Aber wenn er sich gleich für mehrere Wochen mit Schokoriegeln eindeckt, dürfte gleichfalls die Konfiszierung drohen.

Das "Problem" liegt hier m. E. nicht bei der Wirksamkeit der Verträge des Minderjährigen, sondern bei der Ausübung des Erziehungsrechts durch die Eltern, die mit zunehmendem Alter des Kindes lernen müssen, ihm einen größeren Entscheidungsspielraum zu belassen. Dem Minderjährigen dürfte indes bei größeren "Fehlkäufen" eine Unwirksamkeit des Vertrages mehr bringen als eine rein formale Wirksamkeit des Vertrages, die letztlich nur dem Verkäufer nützt, der völlig unbekümmert auch an Minderjährige verkaufen kann.

Und: Einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Taschengeld kann das Kind auch lernen, wenn es nicht "alles" kaufen darf, was es möchte; es lernt ja trotzdem mit dem Geld zu haushalten und ggf. zu sparen.
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von [enigma] »

§ 110 BGB würde ich hier bejahen. Bei Taschengeld ist doch grundsätzlich davon auszugehen, dass es dem Minderjährigen zur freien Verfügung überlassen ist. Die Erwägungen zur Altersfreigabe halte ich für nicht überzeugend, das würde schon eher Sinn machen, wenn er ein Spiel ab 18 gekauft hätte. Dass 16jährige Jungs von ihrem Taschengeld Spiele ab 16 kaufen ist völlig üblich und zu erwarten. Wenn die Eltern Taschengeld zur Verfügung stellen und eine derart zu erwartende Verwendung nicht wollen, müssten sie entsprechende Bedingungen aufstellen, die freie Verwendung also einschränken. Und das müsste wiederum im SV stehen. Aber wenn sich schon jemand die Mühe macht, so ausführlich zu argumentieren, würde ich das auch nicht als gänzlich unvertretbar oder falsch werten.

Klausurtaktisch ist es halt schon ungünstig, weil du nicht mehr zur Anfechtung des V kommst. Dass dieser seinen Irrtum laut SV für "unbeachtlich" hält, würde ich fast als Anfechtungserklärung deuten. Man kann das so deuten, dass er die Eingabe von 6 Euro als unbeachtlich in dem Sinne bezeichnet, dass er eben keinen Vertrag über 6 Euro will. Dass er am ursprünglichen Vertrag über 6 Euro nciht festhalten will demontriert er ja gerade dadurch, dass er 60 Euro oder das Spiel fordert. Juristisch egsehen hält er seinen Irrtum also für beachtlich und will sich vom Vertrag lösen ;) Aber zugegeben, das ist eine extrem unglückliche Formulierung im Sachverhalt.

Notlösung: Anfechtung kurz anprüfen, Anfechtungserklärung ablehnen und dann im Hilfsgutachten (falls in der Äußerung des V eine Anfechtungserklärung zu sehen ist) weiter prüfen. Das Hilfsgutachten hätte sich hier natürlich auch angeboten, wenn du § 110 BGB ablehnst.

Ansonsten klingt deine Lösung vernünftig, um durchzufallen müsstest du da schon nen größeren Bock geschossen haben.
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von Elifnural »

Anubis hat geschrieben:@Elifnural: Wir sind in demselben Semester :) Vielleicht nur mal als Frage am Rande: Wie läuft es denn in den anderen beiden Fächern? Ist BGB die einzige Baustelle? Dann lässt sich da sicherlich etwas machen…

Verfassungsrecht war ja sowas von hart....
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von Koala_Desperado »

Ich glaube, bei dem "V hält seinen Irrtum für unbeachtlich" war die TE "betriebsblind". Ich verstehe es so, dass V damit sagt: "Ist doch egal, dass ich mich geirrt habe; ich kriege trotzdem das Geld". Gemeint ist dagegen nicht "es ist rechtlich unbeachtlich, dass die 6 Euro auf einem Irrtum beruhten, damit gelten die 6 Euro trotz Irrtums".

Ist aber etwas missverständlich.

:alright
Riven
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Re: Einige tröstende Worte nötig

Beitrag von Riven »

Also die Anfechtung hab ich im Kopf schnell abgehakt. Vielleicht etwas vorschnell, an § 242 hab ich nicht gedacht. Aber da der andere Teil den Vertrag eh ablehnt, könnte er sich auch gar nicht an den 60 Euro festhalten lassen. Und den Vertrag ganz aus der Welt schaffen will er ja auch nicht. Von daher glaube ich nicht, dass man extra wegen der Anfechtung ein Fass aufmachen müsste.
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