Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem?!

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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AmerigoVespucci
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Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem?!

Beitrag von AmerigoVespucci »

Hi,

ich versuche gerade, für Vertragsrecht zu lernen, wobei mir vor allem die Fallbearbeitung etwas Kopfschmerzen bereitet.

Ich versuche, Fälle aus so einem gelben Buch von Taeger/Haunhorst zu machen. Dabei stoppe ich die Zeit. Eben habe ich bei einem Fall ca. 25 Minuten gebraucht, wobei hier die Frage "wie ist die Rechtslage?" war und damit mehrere Anspruchsgrundlagen zu prüfen waren. Ich habe innerhalb dieser 25 Minuten aber nicht mal die erste Anspruchsgrundlage (von dreien, die ich ausgemacht habe) abschließend prüfen können.

Es ist bei uns so, dass man sagt 1 Punkt = 1 Minute. Und das Problem ist, dass die Fallbearbeitungen bei Altklausuren immer so im Umfang von 10-20 Punkten (also auch Minuten) liegen.

Jetzt stelle ich mir vor allem die Frage: Sind solche Übungsfälle aus Lehrbüchern vielleicht ganz bewusst so gestaltet, dass sie viel umfangreicher sind und man viel länger braucht, als das bei typischen Klausuraufgaben der Fall ist?

Hat jemand einen Tipp, wie ich schneller werden könnte?

Und wie sieht es so generell mit der Punktevergabe aus? Wenn ich den Gutachtenstil wahre und zumindest die richtigen Paragraphen angebe, es aber aus Zeitgründen nicht schaffe, dass alles komplett auszuformulieren, bekomme ich dann immer noch gute Teilpunkte?

Danke!

PS: Ich finde Rechtswissenschaften übrigens komisch. Das ist oft alles total unübersichtlich und uneinheitlich. Dabei meine ich jetzt nicht innerhalb eines Bereichs, sondern zwischen verschiedenen Rechtsbereichen. Etwa, wenn man sich Patent- und Urheberrecht, Vertragsrecht oder Öffentliches Recht anguckt.

Erst mal ist die Vorgehensweise beim Gutachten im ÖR - zumindest bei mir an der Uni - eine gänzlich andere als im Vertragsrecht. Außerdem sagt die Dozentin des ÖR, dass es gut ist, wenn man Alternativlösungen anbietet, während das im Vertragsrecht vermieden werden muss und Punkte kosten kann.

Dann hat man noch so einen Fall wie Patent- und Urheberrecht, wo man in Sachen Fallbearbeitung und bestimmter Stil bei der Vorgehensweise gar nichts können muss.
Ich habe in Patent- und Urheberrecht eine 2,3 geschrieben, obwohl ich von den Fällen null Ahnung hatte und dort vermutlich nur deshalb Punkte bekommen habe, weil ich jeweils die richtigen Paragraphen gefunden hatte. Ich hatte noch nie an der Uni ein so schlechtes Gefühl während einer Klausur wie beim Patent- und Urheberrecht und dann trotzdem völlig überraschend eine 2,3 bekommen. So etwas halte ich im Vertragsrecht für völlig unmöglich (ich spreche bei Patent- und Urheberrecht und Vertragsrecht übrigens vom selben Dozenten).

Und im ÖR hatte ich bei der Fallbearbeitung in der Klausur volle Punktzahl, obwohl ich insgesamt nur 3 Tage für diese Klausur gelernt hatte und in der Vorbereitung nie eine Falllösung geübt habe.
Im Vertragsrecht habe ich da aber Bedenken.
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Vortex
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von Vortex »

Es wäre vllt. ganz gut zu erfahren, was du überhaupt studierst ;)

Mache dir am besten eine Lösungsskizze und dann formulierst du den Rest der Zeit einfach nur noch aus, dann musst du mitten beim Schreiben nicht mehr groß überlegen.

Außerdem kannst du bei völlig unproblematischen Sachen den Gutachtenstil weglassen, ein guter Korrektor wird dir das nicht übel nehmen und sogar honorieren, weil du Schwerpunkte erkennst (leider sind ja nicht alle Korrektoren gut, naja...)
AmerigoVespucci
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von AmerigoVespucci »

Danke schon mal.

Ich studiere Politikwissenschaft und mache Rechtswissenschaften als Nebenfach.
AmerigoVespucci
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von AmerigoVespucci »

Ich hab noch zwei weitere Fragen:

1. Wofür bekommt man denn eigentlich bei der Fallbearbeitung Teilpunkte und wofür nicht? Werden allein richtige Paragraphen-Angaben schon mit Teilpunkten belohnt? Bekommt man Teilpunkte nur dafür, dass der Lösungssatz richtig ist?
2. Welche Rolle spielt eigentlich "richtig" oder "falsch"? Kann man auch mit Paragraphen volle Punktzahl erreichen, die vom Dozenten als nicht richtig oder als nicht Ideallösung angesehen werden? Also kommt es im Endeffekt mehr darauf an, schlüssig und logisch zu argumentieren, auch wenn der Dozent den Fall anders bewerten würde?
Gelöschter Nutzer

Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

AmerigoVespucci hat geschrieben:Ich hab noch zwei weitere Fragen:

1. Wofür bekommt man denn eigentlich bei der Fallbearbeitung Teilpunkte und wofür nicht? Werden allein richtige Paragraphen-Angaben schon mit Teilpunkten belohnt? Bekommt man Teilpunkte nur dafür, dass der Lösungssatz richtig ist?
2. Welche Rolle spielt eigentlich "richtig" oder "falsch"? Kann man auch mit Paragraphen volle Punktzahl erreichen, die vom Dozenten als nicht richtig oder als nicht Ideallösung angesehen werden? Also kommt es im Endeffekt mehr darauf an, schlüssig und logisch zu argumentieren, auch wenn der Dozent den Fall anders bewerten würde?
1. Soweit du einen Gedanken/Prüfung mit §§ belegst wird das honoriert, klar. Denn der Anspruch ergibt sich letztlich (meistens) aus dem Gesetz.

2. Du kannst davon ausgehen, dass das Schuldrecht/Strafrecht usw. logisch aufgebaut ist. Also solltest du die "richtigen" Paragraphen bei deiner Lösung irgendwie "finden", also mit anderen Worten: Die "richtige" Lösung ist die, die schlüssig/logisch sich eng am Gesetz bewegt und mit dem Gesetz begründet wird. Punkte gibt es dafür, eine Abweichung innerhalb eines Prüfungspunktes zu erkennen und die entsprechenden Problematiken aufzuwerfen und zu lösen - grob gesagt.
Gelöschter Nutzer

Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Schlag dir das mit dem "genauen" aus dem Kopf. So eine Klausur ist kein Besinnungsaufsatz. Es geht letztlich darum, dem Korrektor möglichst klar zu machen, was man genau prüft, also den konkreten Anspruch/Strafbarkeit/Rechtmäßigkeit des Abschleppens eines PKW oder was auch immer. Da ist keine wissenschaftliche Abhandlung gefordert, sondern eine sehr konkrete Prüfung. die "Kunst" besteht sozusagen darin, dann ganz konkret die jeweilige Problematik an der richtigen Stelle anzusprechen. Ist bei einem Nebenfachstudierenden wohl echt hart, das ist auch für Juristen nicht immer ganz so leicht :alright
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Vortex
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von Vortex »

AmerigoVespucci hat geschrieben: Bekommt man Teilpunkte nur dafür, dass der Lösungssatz richtig ist?
Das Endergebnis ist nicht so wichtig. Im Strafrecht bspw. könnte man das ja mit relativ guten Chancen einfach raten. Es kommt wie damals in Mathe in der Schule auf den Lösungsweg an.
AmerigoVespucci hat geschrieben: 2. Welche Rolle spielt eigentlich "richtig" oder "falsch"? Kann man auch mit Paragraphen volle Punktzahl erreichen, die vom Dozenten als nicht richtig oder als nicht Ideallösung angesehen werden? Also kommt es im Endeffekt mehr darauf an, schlüssig und logisch zu argumentieren, auch wenn der Dozent den Fall anders bewerten würde?
Jein, also die richtige Anspruchsgrundlage oder das richtige Delikt sollte man schon finden, aber innerhalb der einzelnen Tatbestandsmerkmale kann man mit entsprechender Argumentation sehr vieles vertreten. Mit guter Begründung ist in Jura fast alles vertretbar (Zitat Rep-Dozent, wobei das "fast" sogar noch von mir hinzugefügt wurde). Ich würde dem zustimmen (ansonsten wäre der Anwaltsberuf wohl auch ein bisschen überflüssig). Aber es muss sich halt in den mehr oder weniger engen Grenzen des Gesetzes bewegen.
AmerigoVespucci
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von AmerigoVespucci »

Danke für die Antworten.

Hat jemand vielleicht noch einen Tipp bezüglich der Vorgehensweise bei der Fallbearbeitung?

Natürlich habe ich mir selbst schon was zurechtgelegt, unter Rückgriff auf Vorlesungsfolien und Literatur. Aber vielleicht kann man das noch optimieren.

Hier meine Vorgehensweise:

1. Fall lesen
2. Möglicherweise relevante Begriffe aufschreiben und Paragraphen in BGB suchen und aufschreiben
3. Mir die Frage stellen, wie viele Ansprüche geprüft werden müssen (Bei Fragen wie "zu Recht?" nur eine, Frage "wie ist die Rechtslage?" als Signal dafür, dass auf jeden Fall mehr als eine geprüft werden muss)
4. Mir die Frage stellen, wer was von wem auf welcher Anspruchsgrundlage verlangt und das in einer Skizze aufschreiben
5. Bei mehreren beteiligten Personen und mehreren Daten diese chronologisch/übersichtlich aufschreiben
6. Mit Gutachten beginnen
6.1. I. Anspruch des X gegen Y auf Z gem. § ...
6.2. Tatbestand (Beschreibung des Sachverhalts, einsteigen mit "Anspruch könnte gegeben sein, wenn..." und/oder "Voraussetzung dafür ist..."
6.3. Rechtsfolge: Anspruch ist gem. .../wegen ... gegeben/nicht gegeben.
6.4. Schlusssatz
6.5. gegebenenfalls nächsten Anspruch prüfen "II. ..."

Ideen dazu?

Danke :)

PS: Ich bin echt aufgeregt. Morgen ist die Klausur. Ich bin im Drittversuch. Warum? Weil ich dumm bin. Den Erstversuch habe ich verschenkt, weil ich mich nicht rechtzeitig von der Klausur abgemeldet habe. Beim Zweitversuch bin ich durchgefallen, weil ich im Prinzip gar nicht gelernt habe und mich vor allem 0 mit dem Aufbau der Fallprüfung beschäftigt hatte. Ich bin damals in diese Klausur gegangen mit den Erfahrungen im Hinterkopf, die ich aus Patent- und Urheberrecht hatte. Damals hatte ich relativ viel für die Klausur gelernt, mich aber auch null mit der Fallbearbeitung beschäftigt, weil dazu in der Vorlesung überhaupt nichts Konkretes gesagt wurde. In der Klausur kam dann nur wenig von dem dran, was ich aufgrund meines Lernens hätte beantworten können. Letztlich habe ich trotzdem eine 2,3 geschrieben, weil ich anscheinend bei vielen Aufgaben die richtigen Paragraphen gefunden habe.
Jedenfalls, das ist zwar mein Drittversuch und ich bin aufgeregt, aber andererseits besteht am Ende noch die Möglichkeit, eine mündliche Ergänzungsprüfung zu machen. Deshalb mache ich mir da keine großen Sorgen. Vor allem aber deshalb nicht, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ich bei meinem derzeitigen Vorbereitungs- und Wissensstand wieder durchfallen werde.
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Vortex
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von Vortex »

Deine Falllösungs-Strategie ist doch okay. Jeder ist anders, ein Patentrezept gibt es nicht. Eine Sache aber: "Zu Recht?" heißt nicht, dass nur eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Es sei denn natürlich, das wurde euch im Vorfeld so gesagt.

Für die Zukunft vllt.: Es gibt zwei Bücher, die ich gut finde und zwar "Einführung in den Gutachtenstil" und "Kleine Schule des juristischen Denkens". Vllt. helfen die dir.
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von AmerigoVespucci »

Vielen Dank, Vortex! :)

Ich weiß aber nicht, ob ich den Gutachtenstil für die Zukunft noch mal können muss. Ich habe jetzt nur noch Europarecht und transnationales Wirtschaftsrecht offen. Da brauche ich keinen Gutachtenstil, sondern eine von der Dozentin erfundene "RER-Prüfung" (die Dozentin kommt von Harvard). Jedenfalls ist das ein relativ einfaches Schema, das ich auch für Öffentliches Recht schon können musste.

Die Klausur heute verlief doch ganz gut für mich, denke ich. Bestanden habe ich auf jeden Fall.

Da ich dafür keinen neuen Thread eröffnen möchte, noch eine Frage bezüglich Europarecht. Diese Klausur schreibe ich Ende März. Hast du, Vortext, oder sonst jemand, vielleicht irgendwelche Tipps für Europarecht oder auch ähnlich gute Literaturhinweise?

Erneut: Dankeschön :)
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scndbesthand
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Re: AW: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitpro

Beitrag von scndbesthand »

RER-Prüfung. War das nicht die Dozentin mit dem extravaganten Handschmuck?
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von AmerigoVespucci »

Jap :D

War hier schon mal unter einem anderen Nick unterwegs, wusste aber nicht mehr unter welchem. Da ging es um genau diese Dozentin. Die mit dem Schiff an der Hand, die die RER-Prüfung erfunden hat :D
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Vortex
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Re: Lernen für Vertragsrecht - Fallbearbeitung - Zeitproblem

Beitrag von Vortex »

AmerigoVespucci hat geschrieben: Da ich dafür keinen neuen Thread eröffnen möchte, noch eine Frage bezüglich Europarecht. Diese Klausur schreibe ich Ende März. Hast du, Vortext, oder sonst jemand, vielleicht irgendwelche Tipps für Europarecht oder auch ähnlich gute Literaturhinweise?
Europarecht mag und kann ich nicht :) Ich hab hier das Lehrbuch von Streinz, fand das glaub ich aber "nur" okay und wahrscheinlich wäre das auch zu überladen. Vielleicht wäre ein Skript besser geeignet, zB. von hemmer oder so (hab bzgl. hemmer-Skripten nur Erfahrung mit den BGB-Skripten, welche ich aber gut finde).
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