Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Elifnural
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Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Elifnural »

Hallo ihr Lieben,

Ich hatte am Freitag meine Verfassungsrechtsklausur. Wir hatten in der Vorlesung und in den AG's auch in den Tutorien und Klausurenkursen ausfuhrlich die Verfassungsbeschwerde bearbeitet und erlernt. Dazu naturlich noch alle Grundrechte, die relevant sein könnten.

Unser Prof hatte etwa mit uns 30 Vorlesungstermine, 99% bestand aus Grundrechten, Verfassungsbeschwerde. 1% aus seinen Bemerkungen uber sich selbst und historisches.
Am anfang des Semesters (1.semester) in der 2 Vorlesungsstunde erwahnte der Prof, er sei beauftragt worden zu prufen, ob das Wort "Rasse"aus der Landesverfassung Brandenburg gestrichen werden soll oder nicht. Er erwahnte es nur kurz und sagte, man habe sich dagegen entschieden.
Das komplette Semester über hatten wir sonst ganz normal Grundrechte, so wie man es im Verfassungsrecht erwartet.

Da er seine Vorlesungen wenig spannend gestaltet, waren seine Vorlesungen immer recht leer und er habe am letzten Vorlesungstag gesagt, er würde all die jenigen, die nicht da waren durchfallen lassen.

Am Tag der klausur erhielten wir unsere Klausurbögen. Darauf waren Zwei fälle abgetippt. Die uberschrift der Klausur war Staatsorganisationsrecht und auch das Datum war ein falsches.
Ich dachte mir nichts dabei und las beide Fälle durch und wusste nicht mehr, was der Prof von uns wollte.
Ich habe zig Fallbucher bearbeitet, alle Falle aus den Vorlesungen Ag's und sonstlichen Kursen. IMMER war entweder nach einer VB oder nach einer Grundrechtsverletzung gefragt.
Diese beiden Fälle hatten aber sehr ungewöhnliche aufgabenstellungen.

Fall 1 : Entwurf einer Stellungnahme aus Sicht eines Juristen zur Änderung der Landesverfassung

Fall 2 : Gutachterliche Prüfung einiger Vorfragen

Ich kann verstehen, dass der Prof uns zeigen möchte, dass man spontan mit Klausuren umgehen muss und auch mit unbekannten Aufgabenstellungen.
Verstehen kann ich aber nicht, dass genau diese beiden Fragen und vor allem Fall 1 lediglich aus einer Vorlesungsstunde bestand.

Eine Klausur soll doch repräsentativ sein und klarstellen, ob der Student etwas uber Verfassungsrecht erlernt hat oder nicht.
Das, was der Prof da von uns abverlangte hatte keinen Bezug zu dem, was wir lernten. Wir alle waren sehr verwirrt. Viele haben innerhalb weniger Minuten ein leeres Blatt abgegeben. Auch im Nachinein erfuhr ich, dass fast kaum einer wusste, was da zu tun war.

Welche Möglichkeiten gibt es dagegen vorzugehen. Oder muss man das jetzt einfach wo hinnehmen?

Einen schonen Abend
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JulezLaw
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von JulezLaw »

Puh.... Keine schöne Situation, tut mir leid!
Ich wüsste jetzt nicht, dass man dagegen "vorgehen" könnte in irgendeiner Form, das Staatsorganisationsrecht ist ja durchaus prüfungsrelevant in den Anfangssemestern (meines, nicht klassisch juristischen Wissens).

Aber vielleicht könnte man wenigstens versuchen, über die Fachschaft das Gespräch mit dem Prof zu suchen. Schließlich dürfte die Durchfallquote bei deinen Schilderungen massiv sein, sodass ihr vielleicht wenigstens auf eine faire Zweitklausur hoffen könnt.

Meiner Erfahrung nach gehen andere Profs nicht gegen die eigenen Kollegen vor, und auch die Fakultäts-/Unileitung dürfte da, schon aufgrund der Prüfungsrelevanz, nichts weiter machen...
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Elifnural
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Elifnural »

JulezLaw hat geschrieben:Puh.... Keine schöne Situation, tut mir leid!
Ich wüsste jetzt nicht, dass man dagegen "vorgehen" könnte in irgendeiner Form, das Staatsorganisationsrecht ist ja durchaus prüfungsrelevant in den Anfangssemestern (meines, nicht klassisch juristischen Wissens).
Aber wenn man kein Staatsorganisationsrecht hatte? Staatsorganisationsrecht kommt erst im nachsten Semester, da kann man doch nicht verlangen, dass die Studenten das können? Oder doch?
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Ara
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Ara »

Fall 1 finde ich jetzt nicht so völlig unmöglich. Bei Fall 2 kommt halt drauf an, was genau für Vorfragen zu klären waren.

Ich würde erstmal die Bewertung abwarten... Vielleicht wird sehr wohlwollend berücksichtigt, dass ihr noch kein Staatsorganisationsrecht hattet.

Schön isses aber natürlich wirklich nicht.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Kasimir »

Ich kann verstehen, dass du dir als Student veraeppelt und ungerecht behandelt vorkommst. Ich denke trotzdem, dass die Situation fuer dich sehr hilfreich ist und dir letztlich mehr helfen wird, als du jetzt denkst.

Der Uebergang von der Schule zum Studium ist schwierig - gerade zum Jurastudium. Entgegen vieler Unkenrufe ist Jura kein Studium, in dem man Dinge auswendig lernen muss. Ein bestimmtes Rechtsgebiet laesst sich auch nicht konkret durch ein Lehrbuch oder eine Vorlesung eingrenzen. Das Argument "das hatten wir im Unterricht aber nicht" mag in der Schule gezaehlt haben, im Studium zaehlt es aber nicht. Und zwar aus folgendem Grund: Das ware Leben haelt keine Lehrbuchfaelle fuer dich bereit. In der Praxis wirst du als Rechtsanwaeltin oder Richterin es nicht mit einem Fall "aus dem BGB AT" oder "dem Verfassungsrecht" zu tun bekommen. Du musst einen Lebenssachverhalt unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten beurteilen. Die wenigsten Juristen haben in der Praxis mit Verfassungsbeschwerden zu tun. Verfassungsrecht wird vielmehr "versteckt" zur Bedeutung. Stell dir vor, du vertrittst als Strafverteidigerin jemanden, dessen Wohnung durchsucht worden ist. Das Strafprozessrecht musst du immer auch unter Beruecksichtigung von Art. 12 GG auslegen. Oder stell dir vor, du bist Richterin und musst ueber einen Fall entscheiden, in dem eine prominente Schauspielerin Schadensersatzansprueche von der Bildzeitung wegen der Veroeffentlichung von Paparazzi-Fotos haben moechte. Hier musst du - obwohl es sich um einen Zivilrechtsfall handelt - das allgemeine Persoenlichtkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und auch die Pressefreiheit aus Art. 5 GG beachten.

Und auf eine derartige Situation wollte der Professor euch sicherlich vorbereiten. Es ging sicher um das Zusammenspiel zwischen Landesverfassung und GG.

Anders als in der Schule wirst du in Juraklausuren es nicht mit "bekannten Faellen" zu tun bekommen. Du musst vielmehr dein Wissen auf voellig unbekannte Situationen und Konstellationen anwenden koennen. Es geht um die Transferleistung und nicht das Abspulen von Gelerntem. Vielleicht hilft dir diese Erkenntnis auch fuer deine zukuenftige Lernstrategie.

Und dann gibt es vielleicht noch eine Lehre, die - gerade fuer Jurastudenten - schwer zu akzeptieren ist: Das Leben ist nicht gerecht. Auch darauf musst du vorbereitet sein. Du kannst im Examen Klausuren bekommen, die dir liegen oder Klausuren, die gerade die Rechtsgebiete abdecken, die du nicht so gut beherrschst. Es kann sein, dass du im muendlichen Examen es mit einem Pruefer zu tun hat, der deine Art Faelle zu loesen nicht mag. Ja, das ist alles Zufall, aber auch daran muss man sich gewoehnen. Das Leben ist ungerecht und auch darauf muss man sich einstellen koennen. Was ist, wenn du morgen von einem Auto angefahren wirst und den Rest deines Lebens im Rollstuhl sitzen musst? Ja, gerecht ist das nicht, aber es wird dir auch nicht weiterhelfen, darueber zu jammern. Es geht im Leben darum, nicht ueber Dinge zu verzweifeln, die man nicht beeinflussen kann. Gerade im Jurastudium ist das wichtig. Ich will damit nicht sagen, dass das Jurastudium von Glueck oder Zufall beherrscht wird. Im Gegenteil: Fleiss ist eine der wesentlichen Erfolgsfaktoren im Jurastudium. Aber auch Ausdauer gehoert dazu. Man darf sich nicht beim ersten Rueckschlag selbst bedauern oder wochenlang darueber gruebeln. Aufstehen, Mund abwischen und mit voller Kraft weitermachen.
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von OJ1988 »

Kasimir hat geschrieben:Stell dir vor, du vertrittst als Strafverteidigerin jemanden, dessen Wohnung durchsucht worden ist. Das Strafprozessrecht musst du immer auch unter Beruecksichtigung von Art. 12 GG auslegen.
:-s
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Tibor
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Tibor »

Sehr qualifiziert dein Beitrag.
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OJ1988
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von OJ1988 »

Weniger ein Beitrag als Ungewissheit, ob sich hier verschrieben oder vielmehr zwei Beispiele aneinandergereiht wurden.
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Tibor
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Tibor »

Der Schreibfehler ist offenkundig.
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Ryze
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Ryze »

Auch wenn es sich um einen Schreibfehler handelt wäre die Veranlassung für eine solche Prüfung zwar unwahrscheinlich, abhängig von der Konstellation aber nicht mal völlig abwegig. :)

Zur Sache: Mir scheinen da auch noch zuviele Unklarheiten im Hinblick auf die Situation zu bestehen. So schreibst du, dass es sich um eine "Verfassungsklausur" handelte. Soll denn nach der (Zwischen-)Prüfungsordnung tatsächlich ausschließlich der Stoff der Vorlesung, in der die Grundrechte (oft auch als Staatsrecht II bezeichnet) behandelt werden, Teil der Klausur sein oder handelt es sich um eine Klausur, in der der Stoff beider Vorlesungen (Staatsrecht I = Staatsorganisationsrecht und Staatsrecht II) behandelt werden kann? Letztere Konstellation ist an einigen Universitäten ebenfalls möglich.

Handelte es sich denn tatsächlich um eine Klausur aus dem Staatsorganisationsrecht - was aufgrund der Überschrift wohl nahe liegt - oder war schwerpunktmäßig eine Prüfung von Grundrechtseingriffen angezeigt? Was waren die von dir als Vorfragen bezeichneten Fragen der zweiten Frage?
Kasimir
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Kasimir »

Es ging mir um Art. 13 GG.
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joee78
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von joee78 »

Grds. darf nur der Stoff einer Vorlesung Prüfungsgegenstand sein. Das Grundstudium ist ja so aufgebaut, dass im 1. und 2. Semester Staatsorganisationsrecht und im 3. Semester Grundrechte behandelt werden. Da ihr die ganze Zeit die Verfassungsbeschwerde behandelt habt, klingt das sehr nach der Grundrechtsvorlesung. Demnach wäre eine Staatsorganisationsrechtsklausur unzulässig.

Könntest das mittels einer Remonstration unter dem Stichpunkt "Verfahrensfehler" rügen. Kannst mir auch gerne ne pm schreiben.
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Blade II
Theopa
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Theopa »

joee78 hat geschrieben:Grds. darf nur der Stoff einer Vorlesung Prüfungsgegenstand sein.
Wo steht das? (Ernsthafte Frage)
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Tibor
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Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von Tibor »

Üblich sind doch mittlerweile Modulabschlussprüfungen; mancherorts sogar erst nach zwei Semestern.

Edit sagt: Dann heißt es bspw
Das Grundstudium der Rechtswissenschaft wird durch die Zwischenprüfung abgeschlossen, die aus drei gleichgewichtigen Prüfungsleistungen besteht: den Modulabschlussprüfungen in den Grundstudi- umsmodulen der Pflichtfächer (Z I, Ö I, S I). Gegenstand der Prüfungen sind die in den Lehrveranstaltungen der Module erworbenen Kompetenzen einschließlich der dort behandelten Themen und Fragestellungen.
Zuletzt geändert von Tibor am Montag 22. Februar 2016, 19:24, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: edit
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JulezLaw
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Re: Ungerechtigkeit Klausur, was tun?

Beitrag von JulezLaw »

So wahr der Beitrag von Kasimir ist, möchte ich doch anmerken, dass es auch Profs gibt, die tatsächlich absichtlich ihre Prüflinge "reinreiten". Wir haben hier einen, der selbst sagt, dass er in der mündlichen Prüfung eigentlich immer Themen prüft, bei denen er weiß, dass es "zu einem Trauerspiel" wird. Begründung: "Selbst Schuld, wenn sie nicht in meiner Vorlesung waren!".

Aber insgesamt stimme ich Kasimir zu ;)
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