1. Staatsexamen ohne Rep

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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julée
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Re: 1. Staatsexamen ohne Rep

Beitrag von julée »

markus87 hat geschrieben:
Randbemerkung: Für viele bringt ein Rep tatsächlich nichts. Das liegt dann aber meist an der Fehlvorstellung, es gehe um passives Lernen durch Zuhören. In Einzelfällen liegt es natürlich auch an schlechten Dozenten, aber da kann man sich recht schnell ein Bild davon machen.
Kann man von einer guten Lehre mit nahezu perfekt aufbereiteten Materialien profitieren? Gewiss, aber diese Bedingungen muss man vor Ort auch erst mal antreffen. Und dann ist die Frage, welches der Angebote, die man vorfindet, zu einem bzgl. Organisation, Personen, Lernmaterialien, Lerntempo, Niveau (vorrangig nur die Grundlagen oder Wiederholung und Vertiefung), Sozialkontakten usw. passt.

Mich persönlich hätte ein kommerzielles Rep zu sehr eingeengt und wäre mir auch zu langsam gewesen. Ich habe dann vor allem im Zivilrecht - auch schon vor der eigentlichen Examensvorbereitung - ausgewählte Uni-Rep-Veranstaltungen besucht. Das war natürlich nicht alles so schön aus einer Hand, aber dafür war es die Chance von unterschiedlichen Personen zu lernen, die auch unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben - und es hat mir in beiden Examina was gebracht. Ansonsten weitgehend allein mit Büchern gelernt, 1x pro Woche mit einer Lerngruppe getroffen (nun ja, hätte effektiver sein können, aber sozial definitiv wichtig) und zusätzlich Uni-Examensklausurenkurs. Gab es am Ende Stellen, an denen mir, im Nachhinein gesehen, eine gute mündliche Erklärung was gebracht hätte? Ja, aber ob sie mir bei einer anderen Vorbereitung geliefert worden wäre? Ich wage es zu bezweifeln.
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mea parvitas
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Re: 1. Staatsexamen ohne Rep

Beitrag von mea parvitas »

Was ich niemals unterschätzen würde, ist das Zusammensuchen der Lernmaterialien und das Filtern von relevanten und irrelevanten Informationen. Fertige Rep-Unterlagen sind durch reines Lesen nicht immer verständlich, so dass du unter Umständen die Streitstände etc. selbst aufbereiten musst, um sie zu verstehen.
Ohne Rep hätte ich immer Angst, etwas in meiner Vorbereitung vergessen zu haben. Mit dem Rep erliege ich wenigstens dem Trugschluss, alles Relevante behandelt zu haben.
Samson
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Re: 1. Staatsexamen ohne Rep

Beitrag von Samson »

Das ist aber in der Tat ein Trugschluss. In meinem Examen kamen zwei Dinge dran, die zumindest bei Hemmer nicht behandelt wurden, aber in jedem vernünftigen Lehrbuch zum jeweiligen Rechtsgebiet zu finden sind:
- 648a BGB (ziemlich detailliert).
- 218 StGB (in allen Facetten absoluter Schwerpunkt der Strafrechtsklausur).

Ein Assistent an meiner Uni hat es unübertrefflich formuliert:
Was Prüfungsstoff ist, steht in der Japro. Den Stoff kann man dann in Lehrbüchern, Kommentaren und Aufsätzen nachlesen. Wieso man als angehender Akademiker über 20 hierzu meint proffessionelle Hilfe zu brauchen, ist nicht erklärlich.

(Wobei ich selbst beim Rep war. Ein Fehler rückblickend. Der einzige wirkliche Vorteil den ich im Rep sehe ist, dass man Gelegenheit hat, zu diskutieren und mündlich zu formulieren. So stellt man fest, ob man Dinge wirklich verstanden hat. Aber das geht auch im uni-Rep oder ggf. in einer guten Lerngruppe).
julée
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Re: 1. Staatsexamen ohne Rep

Beitrag von julée »

Das "Problem" ist ja zumeist, dass das Stoffprogramm von "fertigen" Lernangeboten auf einer Kombination aus "Erfahrung" und persönlichen Vorlieben des Dozenten beruhen. Gerade Ersteres verleitet aber dazu, die "Trefferquote" zulasten der Vollständigkeit / des Systemverständnisses durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen* zu erhöhen - was blöd ist, wenn das Prüfungsamt irgendwas aus dem Hut zaubert, das nur alle 10 Jahre einmal drankommt, also quasi nie, oder gar völlig "neu" ist. D. h. eigentlich muss man dann die Rep-Unterlagen auf Vollständigkeit kontrollieren und ggf. noch die fehlenden Themen woanders nachlesen.


*Damit will ich nicht in Abrede stellen, dass es Themen gibt, die wahrscheinlicher als andere sind und damit in der Vorbereitung ein größeres Gewicht genießen sollten, aber alles andere sollte man eben auch auf dem Schirm haben.
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