Enscheidungsfindung, Krise

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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arlovski
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von arlovski »

i live in tokyo hat geschrieben: Aber eines ist m.E. so wahr, wie es wahrer nicht sein kann: Lehrbücher sind nutzlos.
o.k.
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Ara
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von Ara »

Tibor hat geschrieben:
i live in tokyo hat geschrieben: Aber wir sind uns einig. Das Studium hat nichts mit dem späteren Beruf zutun. Man kann es gleich abschaffen.
Nein, diese Aussage ist der größte Blödsinn, den ich seit langem hier im Forum in Bezug auf das Studium gelesen habe. Insoweit ist hier keiner mit dir einig. Das Studium der ersten Semester mag nicht auf die Examina vorbereiten, es legt aber die Grundlagen. Im Ergebnis hat das Studium mehr mit der Praxis zu tun, als mit den Examina; freilich nur, wenn man die Studienangebote auch annimmt und sein Wissen in Vorlesungen und Seminaren vertieft und in der Bibliothek in Lehrbüchern liest. Wenn man nur Fall-Arbeitsgemeinschaften besucht, Skripten aus der Reihe "die 30 Probleme des X-Teilrechtsgebiets liest und vor dem Referendariat nur Rep-Unterlagen gelesen hat, dann hat man gar nicht studiert, man hat nur eine Examensvorbereitung gemacht.
Es kommt sicherlich auch auf die jeweilige "Praxis" an, muss man vermutlich ehrlicherweise sagen... Der FWW Anwalt als Fachanwalt für kleine Streitwertde, der mit Minimalaufwand seine Formulare aus dem Musterhandbuch ausfüllt und dann hofft, dass es schon irgendwie was wird, wird vermutlich das gelernte aus dem Studium selten brauchen.

In anderen Positionen mag es aber tatsächlich schwierige dogmatische und höchstrichterlich ungeklärte Fragen geben. Ich hab hier z.B. gerade eine fahrlässige Tötung durch unterlassen mit Problemen im Pflichtwidrigskeitszusammenhang, bei der ich prognostizieren muss, was am Ende möglicherweise der BGH dazu sagen wird. Das ist wenn überhaupt nur möglich mit den Grundlagen aus dem Studium, denn andere Quellen gibt es quasi nicht.

Und was man nicht unterschätzen darf: Nur das gemeinsame Studium erlaubt es über solche Fälle effektiv zu diskutieren unter Juristen. Wenn ich anderen Leuten das Problem erkläre und nach Einschätzungen frage, spart es enorm Zeit, wenn jeder weiß was ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang ist und welche Probleme da üblicherweise auftauchen. Auch wenn ich jemanden mit Auslegungsmethoden überzeugen möchte, ist es hilfreich, wenn der auf der Gegenseite die Auslegungsmethoden kennt.

Aber klar... Ne Klage auf Herausgabe eines Autos kriegt man auch mit Google und 4 richterlichen Hinweisen irgendwann mit seinem Musterhandbuch hin.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von julée »

Ara hat geschrieben:Es kommt sicherlich auch auf die jeweilige "Praxis" an, muss man vermutlich ehrlicherweise sagen... Der FWW Anwalt als Fachanwalt für kleine Streitwertde, der mit Minimalaufwand seine Formulare aus dem Musterhandbuch ausfüllt und dann hofft, dass es schon irgendwie was wird, wird vermutlich das gelernte aus dem Studium selten brauchen.

In anderen Positionen mag es aber tatsächlich schwierige dogmatische und höchstrichterlich ungeklärte Fragen geben.
Ich will Dich nicht enttäuschen, aber gerade in diesen banalen Zivilrechtsfällen gibt es immer wieder mal ziemlich knifflige Fragestellungen, über die man sich dann schon selbst den Kopf zerbrechen muss, bis man eine vernünftige Lösung gefunden hat.
Aber klar... Ne Klage auf Herausgabe eines Autos kriegt man auch mit Google und 4 richterlichen Hinweisen irgendwann mit seinem Musterhandbuch hin.
Theoretisch ja, praktisch: nicht immer.
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Ara
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von Ara »

julée hat geschrieben: Ich will Dich nicht enttäuschen, aber gerade in diesen banalen Zivilrechtsfällen gibt es immer wieder mal ziemlich knifflige Fragestellungen, über die man sich dann schon selbst den Kopf zerbrechen muss, bis man eine vernünftige Lösung gefunden hat.
Warum? Merkt der Mandant doch eh nicht, dass ichs verbockt hab? Der Richter hats nur nicht verstanden?
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von julée »

Tibor hat geschrieben:
i live in tokyo hat geschrieben: Aber wir sind uns einig. Das Studium hat nichts mit dem späteren Beruf zutun. Man kann es gleich abschaffen.
Nein, diese Aussage ist der größte Blödsinn, den ich seit langem hier im Forum in Bezug auf das Studium gelesen habe. Insoweit ist hier keiner mit dir einig. Das Studium der ersten Semester mag nicht auf die Examina vorbereiten, es legt aber die Grundlagen. Im Ergebnis hat das Studium mehr mit der Praxis zu tun, als mit den Examina; freilich nur, wenn man die Studienangebote auch annimmt und sein Wissen in Vorlesungen und Seminaren vertieft und in der Bibliothek in Lehrbüchern liest. Wenn man nur Fall-Arbeitsgemeinschaften besucht, Skripten aus der Reihe "die 30 Probleme des X-Teilrechtsgebiets liest und vor dem Referendariat nur Rep-Unterlagen gelesen hat, dann hat man gar nicht studiert, man hat nur eine Examensvorbereitung gemacht.
+ 1

Wer nur die paar Massen-Pflichtveranstaltungen zu Beginn des Studiums besucht hat, hat sicherlich die ein oder andere Chance vergeben, etwas außerhalb des Examensstoffs fürs künftige Berufsleben zu lernen und möglicherweise mal ein wenig über den Tellerrand zu schauen.

Einen Schwachpunkt in der juristischen Ausbildung würde ich nur im Bereich der Nebenfächer bzw. Soft skills sehen: So was wie "Psychologie der Zeugenvernehmung" oder "Umgang mit Psychopathen" mag im Studium ein wenig wie Trockenschwimmen sein, aber im Referendariat wird dann eigentlich schon vorausgesetzt, dass man das ja wohl irgendwie kann.
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von julée »

Ara hat geschrieben:
julée hat geschrieben: Ich will Dich nicht enttäuschen, aber gerade in diesen banalen Zivilrechtsfällen gibt es immer wieder mal ziemlich knifflige Fragestellungen, über die man sich dann schon selbst den Kopf zerbrechen muss, bis man eine vernünftige Lösung gefunden hat.
Warum? Merkt der Mandant doch eh nicht, dass ichs verbockt hab? Der Richter hats nur nicht verstanden?
Klar, so kann man es auch handhaben. Wobei ich immer wieder gerne die "Serviceleistung" erbringe, möglichst laienverständlich zu erklären, warum nicht ich das Problem war, sondern der Anwalt bzw. dessen Vortrag.
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i live in tokyo
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von i live in tokyo »

julée hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:
i live in tokyo hat geschrieben: Aber wir sind uns einig. Das Studium hat nichts mit dem späteren Beruf zutun. Man kann es gleich abschaffen.
Nein, diese Aussage ist der größte Blödsinn, den ich seit langem hier im Forum in Bezug auf das Studium gelesen habe. Insoweit ist hier keiner mit dir einig. Das Studium der ersten Semester mag nicht auf die Examina vorbereiten, es legt aber die Grundlagen. Im Ergebnis hat das Studium mehr mit der Praxis zu tun, als mit den Examina; freilich nur, wenn man die Studienangebote auch annimmt und sein Wissen in Vorlesungen und Seminaren vertieft und in der Bibliothek in Lehrbüchern liest. Wenn man nur Fall-Arbeitsgemeinschaften besucht, Skripten aus der Reihe "die 30 Probleme des X-Teilrechtsgebiets liest und vor dem Referendariat nur Rep-Unterlagen gelesen hat, dann hat man gar nicht studiert, man hat nur eine Examensvorbereitung gemacht.
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Wer nur die paar Massen-Pflichtveranstaltungen zu Beginn des Studiums besucht hat, hat sicherlich die ein oder andere Chance vergeben, etwas außerhalb des Examensstoffs fürs künftige Berufsleben zu lernen und möglicherweise mal ein wenig über den Tellerrand zu schauen.

Einen Schwachpunkt in der juristischen Ausbildung würde ich nur im Bereich der Nebenfächer bzw. Soft skills sehen: So was wie "Psychologie der Zeugenvernehmung" oder "Umgang mit Psychopathen" mag im Studium ein wenig wie Trockenschwimmen sein, aber im Referendariat wird dann eigentlich schon vorausgesetzt, dass man das ja wohl irgendwie kann.

Dann haben wir sicherlich etwas anderes studiert, denn meinen Tellerrand konnte ich erweitern mit so ziemlich allem, das nicht mit Jura zutun hatte (z.B. Sprachen lernen, Auslandspraktika nach 1.StEx und vor Ref) und mir heute mehr für alles an juristischer Arbeit und Denkweise bringt, als 20 Jahre Vorlesungen.
Vielleicht lag's ja auch daran, dass meine Vorlesungen qualitativ einfach absurd schlecht waren? Kann das nicht mit anderen Universitäten vergleichen. Und alles das, was hier so fröhlich an Beispielen gebracht wird (Auslegungsmethoden, Basics, Grundlagen etc.), lernt, versteht und verinnerlicht man wesentlich besser mit einer/zwei/drei Klausuren als mit 3 Semestern bis zur Zwischenprüfung.

Jedenfalls interessiert mich das Gebashe auch nicht sonderlich hier. Ich wollte dem TE lediglich mit auf dem Weg geben, seine Zeit nicht mit den geistigen Ergüssen aus Lehrbüchern zu verschwenden, sondern lieber direkt und hauptsächlich mit Klausuren zu lernen, sofern es ihm nur um Examensvorbereitung geht. Das hindert natürlich niemanden daran, aus Gründen der Neugier oder Interesse Bücher zu lesen. Man sollte nur nicht erwarten, dass einem dies auch nur irgendetwas für das Examen bringt.
Und dass Lehrbücher nicht der Examensnote helfen, daran halte ich nach wie vor fest.

Was man darüber hinaus wie gestaltet nach dem Motto der Crew der Juristen hier ("Ich will ganz viel über de Tellerrand schauen und deshalb muss ich jetzt 40 Lehrbücher am Stück lesen" usw.), das soll natürlich jedem selbst überlassen sein und jeder mag da seinen eigenen Sinn und Zweck finden. Aber du wolle gute Examen? Du mache Klausure. Viel.
Gelöschter Nutzer

Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@Tokyo
Gut, dass Du wenigstens noch das intrinsische Interesse an juristischen Lehr- und Fachbüchern gelten lässt. Sehr beruhigend. Ich dachte schon, das sei für Dich ebenso unnütz wie sämtliche Geisteswissenschaften. Könnte es sein, dass Du schlicht kein intellektueller Typ bist? ;)
julée
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von julée »

@i live in tokyo: Alles andere kommt noch dazu. Aber ich habe z. B. auch Veranstaltungen außerhalb des Pflichtstoffes im engeren Sinne besucht und habe dort mehr Diskussionen und "Jura live" mitbekommen, als ich jemals vor einem x-beliebigen Skript sitzend oder mit einem Stapel alter Examensklausuren erlebt hätte. Und im Verlauf eines gesamten Studiums ist sehr viel Zeit, ganze Lehrbücher zu lesen und einzelne Themen ein wenig mit wissenschaftlicher Neugierde zu vertiefen. Dass man das allein mit Klausuren erreichen kann, wage ich zu bezweifeln. Und auch als Erfolgskonzept fürs Examen ist es jedenfalls strittig, ob viele Klausuren tatsächlich viel helfen. Ich fand z. B. Fallbücher immer wahnsinnig langweilig (das einzige "Fallbuch", was ich wirklich gerne und vollständig gelesen habe, war Volkmann, Staatsrecht II) und habe jetzt auch nicht so übermäßig viele Probeklausuren geschrieben; das Ergebnis war jetzt trotzdem nicht so ganz schlecht.
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i live in tokyo
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von i live in tokyo »

julée hat geschrieben:@i live in tokyo: Alles andere kommt noch dazu. Aber ich habe z. B. auch Veranstaltungen außerhalb des Pflichtstoffes im engeren Sinne besucht und habe dort mehr Diskussionen und "Jura live" mitbekommen, als ich jemals vor einem x-beliebigen Skript sitzend oder mit einem Stapel alter Examensklausuren erlebt hätte. Und im Verlauf eines gesamten Studiums ist sehr viel Zeit, ganze Lehrbücher zu lesen und einzelne Themen ein wenig mit wissenschaftlicher Neugierde zu vertiefen. Dass man das allein mit Klausuren erreichen kann, wage ich zu bezweifeln. Und auch als Erfolgskonzept fürs Examen ist es jedenfalls strittig, ob viele Klausuren tatsächlich viel helfen. Ich fand z. B. Fallbücher immer wahnsinnig langweilig (das einzige "Fallbuch", was ich wirklich gerne und vollständig gelesen habe, war Volkmann, Staatsrecht II) und habe jetzt auch nicht so übermäßig viele Probeklausuren geschrieben; das Ergebnis war jetzt trotzdem nicht so ganz schlecht.

Wieso das Ergebnis nicht schlecht war, kann ich dir auch erläutern. Das lag sicherlich nicht an irgendwelchen Büchern und Promotionsschriften, die du gelesen haben mögest. Das lag vielmehr daran, dass du im Verlaufe deiner Examensvorbereitung einige (ich nehme ja wohl an, dass da zumindest 5-10 zu Stande gekommen sind) die Klausuren, die du geschrieben hast, schlicht und ergreifend unfassbar gut verinnerlicht hast. Weiteres Wissen wird dann durch Skripten und Zusammenfassungen gekommen sein. Kombiniert mit deiner guten klausurtaktischen Auffassungsgabe reicht es dann bei dir.

Deine Z-Klausuren sind aber garantiert nicht deshalb gut geworden, weil du Medicus und/oder Brox/Walker gelesen hast.

@Candor
Ich interessiere mich grundsätzlich für nichts, das mir keinen Vorteil bringt, außer, dass ich in einer Akadamikerrunde sagen kann, dass - beispielsweise - es mal früher Geschworene in Deutschland gab und nicht schon immer so wie heute mit Schöffen war.
Und 99,7% in Lehrbüchern gehören halt eben zu dem oben beispielsweise genannten Wissen.
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Tibor
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von Tibor »

Und du meinst, die frühere Existenz von Geschworenengerichten ist nun ein Fakt, der die Leute hinterm Ofen vorholt? Was meinst du, woher das Wort Schwurgericht in § 74 GVG kommt?
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von i live in tokyo »

Tibor hat geschrieben:Und du meinst, die frühere Existenz von Geschworenengerichten ist nun ein Fakt, der die Leute hinterm Ofen vorholt? Was meinst du, woher das Wort Schwurgericht in § 74 GVG kommt?
Ja, die Geschichte zu den Geschworenen/Schöffen ist mir bekannt. Nur die Gegenfrage: Was bringt es einem RA/Verteidiger, Richter, Staatsanwalt oder sonstigem Juristen, wenn er weiß, woher das Wort Schwurgericht kommt? Wie gesagt, er kann in einer Akademikerrunde die spannende Story dazu erzählen und alle klatschen. Oder gibt es da irgendwelche versteckten hidden trophies, die ich übersehe? Wenn, dann bitte ich um Aufklärung!
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von Tibor »

Nein, und wenn du glaubst, dass man wegen solcher Informationen ein Lehrbuch liest, dann glaub ich dir sogar, dass du noch nie ein Lehrbuch in der Hand gehalten hast.
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von julée »

i live in tokyo hat geschrieben:
julée hat geschrieben:@i live in tokyo: Alles andere kommt noch dazu. Aber ich habe z. B. auch Veranstaltungen außerhalb des Pflichtstoffes im engeren Sinne besucht und habe dort mehr Diskussionen und "Jura live" mitbekommen, als ich jemals vor einem x-beliebigen Skript sitzend oder mit einem Stapel alter Examensklausuren erlebt hätte. Und im Verlauf eines gesamten Studiums ist sehr viel Zeit, ganze Lehrbücher zu lesen und einzelne Themen ein wenig mit wissenschaftlicher Neugierde zu vertiefen. Dass man das allein mit Klausuren erreichen kann, wage ich zu bezweifeln. Und auch als Erfolgskonzept fürs Examen ist es jedenfalls strittig, ob viele Klausuren tatsächlich viel helfen. Ich fand z. B. Fallbücher immer wahnsinnig langweilig (das einzige "Fallbuch", was ich wirklich gerne und vollständig gelesen habe, war Volkmann, Staatsrecht II) und habe jetzt auch nicht so übermäßig viele Probeklausuren geschrieben; das Ergebnis war jetzt trotzdem nicht so ganz schlecht.

Wieso das Ergebnis nicht schlecht war, kann ich dir auch erläutern. Das lag sicherlich nicht an irgendwelchen Büchern und Promotionsschriften, die du gelesen haben mögest. Das lag vielmehr daran, dass du im Verlaufe deiner Examensvorbereitung einige (ich nehme ja wohl an, dass da zumindest 5-10 zu Stande gekommen sind) die Klausuren, die du geschrieben hast, schlicht und ergreifend unfassbar gut verinnerlicht hast. Weiteres Wissen wird dann durch Skripten und Zusammenfassungen gekommen sein. Kombiniert mit deiner guten klausurtaktischen Auffassungsgabe reicht es dann bei dir.
Gewiss, ein erhebliches praktisches Talent war bei mir immer vorhanden. Gleichwohl muss man immer ein Gleichgewicht zwischen dem Wissenserwerb und dem praktischen Klausurhandwerk finden; m. E. baut Letzeres auf Ersterem auf und ergänzt es. Nur mit Klausuren bleibt aber der systematische Wissenserwerb auf der Strecke (bereits allein deshalb, weil es nicht zu jedem Thema eine Klausur gibt).
Deine Z-Klausuren sind aber garantiert nicht deshalb gut geworden, weil du Medicus und/oder Brox/Walker gelesen hast.
Ich will Dich nicht enttäuschen, aber ich fürchte doch: Im 1. Examen kamen in allen 3 Zivilrechtsklausuren Nebengebiete dran, in denen ich schlichtweg Vorlesungen besucht und Lehrbücher gelesen hatte und in einer Klausur half tatsächlich die intensive Lektüre des Brox/Walker, BGB AT. In der mündlichen Prüfung im 1. Examen war eine gute systematische Orientierung im BGB gefragt (die ich allein mit Klausuren so nie erlangt hätte). Im 2. Examen half mir beim Aktenvortrag die Erinnerung an eine dogmatische Diskussion in einer Vorlesung und in der anschließenden Zivilrechtsprüfung die Lektüre des Looschelders, SchuldR AT etliche Jahre zuvor. Daneben überaus hilfreich eine geschulte "Coolness", die man erwirbt, wenn man im voll besetzten Hörsaal gefragt wird, was man denn eigentlich dazu sage.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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Re: Enscheidungsfindung, Krise

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@Tokyo
Wie konntest Du Dich denn ausreichend motivieren für Dein Jurastudium, wenn Dich ein Großteil davon so wenig interessiert?
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