Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Weltraumbaer
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Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben?

Beitrag von Weltraumbaer »

Guten Abend,

ich wende mich an euch mit der Bitte um Rat. Wieder einmal :)

Heute hatten wir an der Universität eine Reihe von kleinen Präsentationen, in denen uns die universitären Schwerpunkte vorgestellt wurden. In halbstündigen Präsentationen, versuchten Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter uns ihren jeweiligen Schwerpunkt schmackhaft zu machen - so überzeugend, dass man glaubte, es gäbe Prämien für jeden gewonnenen Studenten :D

Jedenfalls lief es darauf hinaus, dass ich mich auf zwei Schwerpunkte eingrenzen konnte: Europa- und Völkerrecht (1) oder Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (2).

Ich habe nun folgenden Zwiespalt: Wie wichtig ist die Wahl des Schwerpunktes für das Berufsleben?

Für die Note des Staatsexamens macht ja der Schwerpunkt stolze 30 Prozent der Gesamtnote aus, doch natürlich muss man auch an das morgen denken.

Inwiefern juckt es die Welt der Juristen, welchen Schwerpunkt ich wählte?

Kann ich auch ins Gesellschaftsrecht einsteigen, obgleich ich in dem Bereich ein Quereinsteiger wäre?

Limitiere ich mich nicht auf (2) und schließe alles andere aus?


Mir persönlich liegt (1) eher, doch (2) verspricht bessere Berufschancen und eine sichere Zukunft (Ich habe Angst in einem Waschmaschinenkarton zu leben und sich von 0,59 Cent-Thaisuppen zu ernähren.). (1) klingt eher nach brotlose Kunst und Kampf um Praktika, während (2) doch irgendwie vernünftiger erscheint.


Was denkt ihr? Jeder Rat ist willkommen.

Einen schönen Abend wünsche ich natürlich auch --- trotz der Hitze :eeeek:

Weltraumbaer
Gelöschter Nutzer

Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wo studierst du denn, wenn ich fragen darf?

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich damals den Schwerpunkt von den Profs abhängig gemacht habe und von welchen ich dachte, dass es mir am meisten bringt und mein Interesse wecken würde. Habe diese Entscheidung auch nie bereut, da die Veranstaltungen durchweg positiv waren und mir Spaß gemacht haben. Ob ich später auch in diesem Feld tätig werden möchte, weiß ich jetzt noch nicht. Zumal es auch im Referendariat (zumindest in Ba-Wü) nochmal einen Schwerpunkt gibt. Das heißt auch dort kannst du dich insoweit (nochmal) spezialisieren.
Weltraumbaer
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Weltraumbaer »

HU Berlin.
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Tibor
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Tibor »

Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
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julée
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von julée »

Ich würde grds dazu raten, den Bereich zu vertiefen, der einem am meisten Spaß macht und nicht allein auf die Berufschancen zu schauen. Eine Entscheidung fürs Leben ist der SPB definitiv nicht. Allerdings sollte man den Wert einer Spezialisierung bei vielleicht eher durchschnittlichen Examensnoten nicht unterschätzen: es dürften sich deutlich mehr Türen öffnen, wenn man nachweisen kann, dass man sich in das Gebiet xy schon eingearbeitet hat und dort Erfahrungen gesammelt hat, als wenn man sich mit den gleichen Noten und ohne erkennbare Spezialisierung bewirbt. Spätestens im Ref sollte man sich über die Zielrichtung nähere Gedanken machen und dann entsprechende Erfahrungen sammeln.

Den "Schwerpunktbereich" im Ref würde ich indes nicht überbewerten - gerade in Berlin entscheiden sich die meisten für Strafrecht, Zivilrecht oder Verwaltungsrecht staatliche oder anwaltliche Sicht. Und auch anderswo dürfte sich das Problem stellen, dass etwa das Berufsfeld Arbeitsrecht nur für diejenigen ernsthaft in Bertracht kommen, die auch schon im SPB Arbeitsrecht gemacht haben.
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Samson
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Samson »

Es gibt keine Entscheidung meiner Studienzeit, die ich so sehr bereue, wie einen Lebenslauf- und Karriereorientierten Schwerpunkt (nämlich Kapitalgesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht) zu wählen.

Der Schwerpunkt wäre eine Chance gewesen, fachlich mal ernstlich geisteswissenschaftlich zu arbeiten - sprich: Geschichte zu studieren. Da wäre eine Seminararbeit über das preußische allgemeine Landrecht drin gewesen, nicht so ein Quatsch wie Exit-Klauseln in der GmbH & Co. KG (würg).

Der Schwerpunkt interessiert auf dem Arbeitsmarkt keinen Menschen (außer vielleicht im Strafrecht). Das Ref bietet genug Gelegenheit, sich zu profilieren.
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Weltraumbaer »

Wieder einmal enttäuscht das Forum nicht! Vielen Dank für die vielen Antworten.

Obgleich Tibor mir Unternehmens- und Gesellschaftsrecht empfiehlt, werde ich dem Rat von Samson und Julée und Samson folgen, mich also nicht nur auf die Karriere fixieren, sondern auf dass, wofür ich mich viel mehr interessiere: Europa- und Völkerrecht. Die Themen in diesem Schwerpunkt sind für federleicht und es macht mir auch privat Spaß mich durch Artikel und längere Traktate zu diesem Thema zu wühlen.

Außerdem macht die Benotung meines Schwerpunktes stolze 30 Prozent der Examensnote aus, weswegen ich doch eher auf das gehen, werde, in dem ich eine bessere Chancen habe auf eine bessere Note.

Obgleich ich jetzt volker- und europarechtlich vertiefen werde, sehe ich meine Zukunft doch im Gesellschaftsrecht. Auch dort kann ich gute Leistungen vorweisen, doch brenne ich einfach für ersteres. Ich kann mich ja mit Praktika in gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Kanzleien profilieren.

Danke für alle Antworten - gerne können natürlich weitere Folgen :D

LG

Weltraumbaer.
Tobias__21
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Tobias__21 »

Ihr fallt aber auch echt auf jeden Blödsinn rein?! :D
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Weltraumbaer
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Weltraumbaer »

Tobias__21 hat geschrieben:Ihr fallt aber auch echt auf jeden Blödsinn rein?! :D
Soll heißen?
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Anubis
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Anubis »

Ein guter Thread! :D
Grundsätzlich würde ich dir raten, im Zweifelsfall lieber das Fach zu wählen, welches dir Freude bereitet und woran du mehr Interesse hast. In deinem Fall wäre das (1). Selbst dann, wenn das andere „vernünftiger“ (2) erscheint, so ist man erfahrungsgemäß doch bereit für das Lieblingsfach deutlich mehr Zeit und Mühen zu investieren, was sich am Ende auch im Ergebnis der Schwerpunktnote niederschlägt ;) Bedenke in diesem Zusammenhang auch, dass die Hausarbeit in dem Schwerpunkt allein zu 2/3 in die Note eingeht. Ich kenne auch Jurastudenten aus den oberen Semestern, die eine reine Vernunftsentscheidung getroffen haben und diese nun bitterlich bereuen und letztlich den Schwerpunkt mehr schlecht als recht abgeschlossen haben.
Zuletzt geändert von Anubis am Mittwoch 29. Juni 2016, 12:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Anubis
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Anubis »

Darf ich den Thread kurz „kapern“? :D ::oops:
@Samson: Was würdest du im Härtefall bei gleichem Interesse bei einer Wahl zwischen Strafrecht und Rechtsgeschichte empfehlen? Ich stecke zurzeit in dem gleichen Dilemma wie der Fragesteller.
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Tibor
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Tibor »

Anubis hat geschrieben:Bedenke in diesem Zusammenhang auch, dass die Hausarbeit in dem Schwerpunkt allein zu 2/3 in die Note eingeht.
Nein, nach der Fachspezifische Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaft der HU-Berlin werden Studienarbeit, mündliche Prüfung und Klausur gleich gewichtet, gehen also jeweils mit 10% in das 1. Examen ein.
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Samson »

Anubis hat geschrieben:Darf ich den Thread kurz „kapern“? :D ::oops:
@Samson: Was würdest du im Härtefall bei gleichem Interesse bei einer Wahl zwischen Strafrecht und Rechtsgeschichte empfehlen? Ich stecke zurzeit in dem gleichen Dilemma wie der Fragesteller.
Da gibt es keinen Vorrang. Für Strafrecht spricht
a) Wohl doch höhere Praxis- und Examensrelevant. Man darf sich ggf. vertieft mit juristischen Elementarbegriffen wie "Gerechtigkeit", "Schuld" und so großartigen Dingen wie Strafzwecktheorien befassen. Außerdem eine Chance, vertieft Kriminologie kennen zu lernen - ein Bereich, bei dem mich jetzt sehr ärgert, dass ich darüber faktisch gar nichts weiß.

b) Für Rechtsgeschichte sprechen die im Zweifel besseren Noten und dass dies so ziemlich der einzige Schwerpunkt ist, wo man sich wissenschaftlich vertieft mit nichtjuristischen Themen befassen kann/muss. Ob dies ein Vor- oder Nachteil ist, ist Geschmackssache.
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von OJ1988 »

Das kommt aber auch auf die Ausgestaltung im Einzelnen an: Mein "strafrechtlicher" Schwerpunktsbereich bestand "damals" einfach aus Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht. Examensrelevant war da sehr, sehr wenig bis gar nichts.
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Anubis
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Re: Universitäre Schwerpunkte: eine Entscheidung für's Leben

Beitrag von Anubis »

Ahh, entschuldigt. Ich vergaß, dass Welttraumbaer ja an der HU studiert.

@Welttraumbaer: Vielleicht ist das hier für dich noch eine Entscheidungshilfe ;) http://www.lto.de/jura/schwerpunktbereiche/

Bei uns besteht der Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften im Kern aus den drei Pflichtfächern: Wirtschaftsstrafrecht, strafrechtliche Sanktionen und strafprozessuales Revisionsrecht.

Ich kann momentan leider noch schwer einschätzen, ob und inwiefern die genannten Stoffgebiete beispielsweise in den Examina hilfreich sein könnten... Jugendstrafrecht, Psychiatrie, Ordnungswidrigkeitenrecht und Kriminologie II werden ua als Wahlfächer angeboten. Kriminologie habe ich im Rahmen des Grundlagenscheins belegt. Dort haben auch die angesprochenen "Strafzwecktheorien" eine Rolle gespielt. Im Schwerpunkt soll lt. dem Vorlesungsverzeichnis darauf aufgebaut werden. Die Frage nach Gerechtigkeit fällt bei uns in den Schwerpunktbereich Rechtsgeschichte (Es ist vorgesehen, dass Rechtsgeschichte ab den kommenden Semestern gemeinsam mit Rechtsphilosophie im Schwerpunkt gelehrt wird.)

Mich stören an dem Schwerpunkbereich Strafrecht einzig die durchschnittlichen Notenergebnisse (8-9 Punkte) Wenn der Schwerpunkt ursprünglich dazu gedacht war einen kleinen Ausgleich zum staatlichen Teil darzustellen, ist das etwas mau… :(
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