Ist Jura das Richtige für mich?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo liebe Community,

sicherlich wurdet Ihr schon x Mal mit Fragen wie diesen behelligt, trotzdem würde ich mich im Hinblick auf die doch recht unterschiedlichen Gegebenheiten bei jeder dieser Anfragen über eine objektive Einschätzung freuen. :)

Kurz zu mir: ich habe im vergangenen Sommer mein Abi gemacht und nach plötzlichen Zweifeln im Bezug auf meine Studien- und Berufswahl beschlossen, erst mal bloß interessehalber mit einem geisteswissenschaftlichen Studium (Russisch und Theologie) zu beginnen, um mir über meine Zukunftsperspektiven im Klaren zu werden.

Meine Interessen in der Schule waren immer sehr breit gefächert, ich mache sehr viel Musik und habe lange überlegt, das auch beruflich in Erwägung zu ziehen. Die Wahl eines Studiengangs fiel mir schwer, weil ich am liebsten alles gleichzeitig gemacht hätte. Musik, Politik, Sprachen, Literatur, Medizin, alles erschien mir irgendwie passend. Da ich aus einer Familie von Zahnärzten komme :happy8: dachte ich mir irgendwann, dass das doch was für mich wäre. Ich habe einige Praktika in dem Bereich absolviert und es hat mir auch immer gefallen, da es mich fachlich schon interessiert; die doch sehr handwerkliche Arbeit am Patienten und der Praxisalltag, den ich durch meine familiäre "Vorbelastung" doch ganz gut kenne, widerstreben mir allerdings. Ich glaube ich arbeite einfach lieber mit dem Kopf als mit den Händen :P
Jetzt aber von er Vorgeschichte zum Thema: sein längerem liebäugle ich damit, Jura zu studieren.
In der Schule war Deutsch eines meiner absoluten Lieblingsfächer, ich habe hier auch mit Bestnote abgeschlossen (was nicht eingebildet klingen soll). Auch Wirtschaft mochte ich sehr, in Recht konnte ich allerdings nur 9 Punkte erreichen, weil ich damals absolut nichts für diesen Teilbereich gelernt hatte (retrospektiv kann ich nur sagen, Schande über mich ^^). Mich interessiert die Auseinandersetzung mit Sprache genauso sehr wie Politik und Wirtschaft, wodurch ich irgendwann auf die Rechtswissenschaft kam. Außerdem möchte ich ein Fach studieren, dass mich auch fordert. Generell würde ich mich als sehr leistungsorientiert bezeichnen und möchte auch in allem, was ich anpacke, erfolgreich sein. Dabei bin ich aber auch bereit, viel dafür zu tun und erwarte nicht, dass es mir in den Schoß fällt. Ich kann nur einfach nicht einschätzen, wie viel "Talent" es bedarf, um ein guter Jurist zu sein bzw. wie viel ich davon abbekommen habe.
Was mich auch abschreckt ist die Tatsache, dass es ein so wenig durch Prüfungen strukturiertes Studium ist und man nach dem Scheitern im Examen o.Ä. vor fünf oder sechs verlorenen Jahren steht (wobei ich bisher lerntechnisch immer sehr gut organisiert war).
Vor kurzem wurde mir die Arbeit als Jurist außerdem als das schlichte emotionslose Betrachten eines Sachverhalts beschrieben, was sich aus der Perspektive eines Laien wie mir auch nicht besonders spaßig anhört.
Generell würde mich die Arbeit als Anwalt oder auch in der Politik aber einfach sehr reizen (zumindest aus meiner bisherigen Perspektive).
Oh noch etwas... in Foren ließt man häufiger, dass gute Noten in Mathe wichtig seien, weil sie Rückschlüsse auf die Fähigkeiten zum logischen Denken erlauben würden - dazu lässt sich nur sagen, dass Mathe mein absolut einziges schlechtes Fach war. Für Finanzen und die "unternehmerischen" Aspekte von Zahlen etc. interessiere ich mich zwar sehr, für Fragen wie "wie leite ich diese Formel etc. her" konnte ich mich allerdings noch nie erwärmen. In wie weit seht Ihr als Juristen bzw. Jurastudenten einen Zusammenhang zwischen Mathematik und der Jurisprudenz?

Ich weiß nicht ob diese Informationen ausreichend sind, um sich ein Bild von meiner Situation zu machen. In jedem Fall wäre ich Euch dankbar über eine kleine Einschätzung oder einen Rat! :)
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Ara
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Ara »

Ein Interesse für Wirtschaft und Politik ist sicherlich hilfreich für Jura, aber du musst dich vom Gedanken verabschieden, dass Jura irgendwie groß politisch oder ideologisch geprägt ist.

Meines Erachtens versucht das Jurastudium jegliches ideologisches Denken auszutreiben und ich würde fast behaupten, dass das auch einen guten Juristen ausmacht. Der Jurist wendet meistens halt das Recht nur an und nur ein kleiner Teil der Juristen gestaltet auch wirklich das Recht. Es fließt zwar in vielen Fällen auch eine Wertung mit ein, aber das ist m.E. ein sehr geringer Teil. Meist wird das Gesetz so angewandt, wie es der Gesetzgeber sich vorgestellt hat.

Es ist in vielen Fällen schlicht egal wer, warum und aus welchen Motiven etwas getan hat. Selbst wenn es der größte Betrüger ist, hat er möglicherweise einen Anspruch der ihm zugestanden werden muss. Spätestens in der Praxis trifft es quasi immer auf. Sei es im Strafrecht ein Freispruch aus formellen Gründen oder auch im Zivilrecht ein unsympathischer Kotzbrocken der nun einmal einen Anspruch gegen die arme Oma hat.

Dem muss man sich bewusst sein.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von spotlessmind »

Was man sich auch bewusst machen muss:
Im Gegensatz zu anderen Studiengänge dauert Jura im Schnitt etwa 10-11 Semester bis zum ersten Staatsexamen, dann eventuelle Wartezeit, 2-jähriges Referendariat. Ohne Zweitversuche sind wir damit schon bei 7 Jahren!
Dessen sollte man sich meiner Meinung nach wirklich bewusst sein. Man hat bei Jura mind. 7 Jahre vor sich, die auch von einer gewissen Unsicherheit geprägt sind, da man erst nach Notenvergabe im 2. Staatsexamen seine Jobaussichten/Möglichkeiten konkret bewerten kann.
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Tibor
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Tibor »

spotlessmind hat geschrieben:Was man sich auch bewusst machen muss:
Im Gegensatz zu anderen Studiengänge dauert Jura im Schnitt etwa 10-11 Semester bis zum ersten Staatsexamen, dann eventuelle Wartezeit, 2-jähriges Referendariat. Ohne Zweitversuche sind wir damit schon bei 7 Jahren!
Diese Aussage halte ich so für nicht verallgemeinerungsfähig. Ein Gros der Absolventen erledigt das Studium auch heute im Freiversuch, mithin nach 9 Semestern (8 Semester Studium zzgl. 1 Prüfungssemester).
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von spotlessmind »

Tibor hat geschrieben:
spotlessmind hat geschrieben:Was man sich auch bewusst machen muss:
Im Gegensatz zu anderen Studiengänge dauert Jura im Schnitt etwa 10-11 Semester bis zum ersten Staatsexamen, dann eventuelle Wartezeit, 2-jähriges Referendariat. Ohne Zweitversuche sind wir damit schon bei 7 Jahren!
Diese Aussage halte ich so für nicht verallgemeinerungsfähig. Ein Gros der Absolventen erledigt das Studium auch heute im Freiversuch, mithin nach 9 Semestern (8 Semester Studium zzgl. 1 Prüfungssemester).

Auszug aus dem aktuellsten Bericht des Bayerischen LJPAs:

"Betrachtet man die Studiendauer bis zum Abschluss der Ersten Juristischen
Prüfung (= Hochschulabschlussprüfung), die neben der Ersten Juristischen
Staatsprüfung die Juristische Universitätsprüfung umfasst, betrug diese in
Bayern 2015
– bei den Erstablegerinnen und Erstablegern in der Staatlichen Pflichtfachprüfung,
die die Hochschulabschlussprüfung insgesamt bestanden haben:
10,64 Semester
(arithmetischer Mittelwert, Medianwert: 10,0 Semester);
– bei den Erstablegerinnen und Erstablegern sowie Wiederholerinnen und
Wiederholern zusammen: 11,60 Semester
(arithmetischer Mittelwert, Medianwert: 11,0 Semester)."

https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/ ... t_2015.pdf
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Tibor
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Tibor »

Studiendauer ist aber nicht mit Fachsemesterzahl gleichzusetzen, es dürften auch einige 1-2 Urlaubssemester freiwillig für Praktika, Work&Travel oder Erasmus einlegen. Aber ok. Um ein Semester müsssen wir uns nicht streiten. Der Median von 10 zeigt aber, dass es auch in 9 zu schaffen ist ;-)
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Kroate »

Tibor hat geschrieben:Studiendauer ist aber nicht mit Fachsemesterzahl gleichzusetzen, es dürften auch einige 1-2 Urlaubssemester freiwillig für Praktika, Work&Travel oder Erasmus einlegen. Aber ok. Um ein Semester müsssen wir uns nicht streiten. Der Median von 10 zeigt aber, dass es auch in 9 zu schaffen ist ;-)
Doch, in diesem Fall schon, denn genau auf die Fachsemesterzahl wird in der verlinkten PDF abgestellt.

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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Mietspantrakt »

eine mathematische begabung und die faehigkeit zum abstrakten denken sind die grundschluessel zum erfolg in jura. du musst die hinter dem gesetz stehenden strukturen und wertungen erkennen und sodann auf konkrete faelle anwenden koennen. jura ist ein eigenes formelsystem aus regeln, ausnahmen und gegenausnahmen; aus analogien, umkehrschluessen und teleologischen reduktionen. (im examen) belohnt wird derjenige, der diese denkfiguren schnell anwenden und das ganze in bestzeit in der durchtechnisierten juristischen sprache zu papier bringen kann.
der 1983 geborene klaeger studiert seit dem wintersemester 2003/2004 biologie (diplom) an der beklagten (vg goettingen, urteil vom 2.3.2010 - 4 a 39/07)
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Theopa »

Mietspantrakt hat geschrieben:eine mathematische begabung und die faehigkeit zum abstrakten denken sind die grundschluessel zum erfolg in jura.
Man sollte aber zwischen einer grundsätzlichen logischen Begabung und guten Schulnoten in Mathematik unterscheiden. Man braucht kein Interesse an Kurvendiskussionen, um juristische Fälle lösen zu können ;)
Gelöschter Nutzer

Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

s0phia hat geschrieben:Vor kurzem wurde mir die Arbeit als Jurist außerdem als das schlichte emotionslose Betrachten eines Sachverhalts beschrieben, was sich aus der Perspektive eines Laien wie mir auch nicht besonders spaßig anhört.
Mm, das sollte aber eben gerade Spaß machen, sonst könnte es ein Zeichen dafür sein, dass es nichts für Dich ist. Interessiert es Dich denn wirklich? Brennend? Liebst Du juristische Sachfragen? Zieht es Dich rein oder nicht?
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von arlovski »

Candor hat geschrieben:Mm, das sollte aber eben gerade Spaß machen, sonst könnte es ein Zeichen dafür sein, dass es nichts für Dich ist. Interessiert es Dich denn wirklich? Brennend? Liebst Du juristische Sachfragen? Zieht es Dich rein oder nicht?
das weiß man doch kurz nach dem abi und vorm (potentiellen) jurastudium eher nicht; und wenn man glaubt dies zu wissen beruht es wohl auf einer fehlvorstellung der realität.

rückblickend - jetzt > 2.5 jahre nach beginn des studiums - hatte ich (und meine kommilitonen) nach dem abi jedenfalls keinen blassen schimmer was mich mit jura tatsächlich erwarten würde.
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Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von thh »

Mietspantrakt hat geschrieben:eine mathematische begabung und die faehigkeit zum abstrakten denken sind die grundschluessel zum erfolg in jura.
Jein. Das ist nur die halbe Miete - im Studium vielleicht 2/3. Eine sprachliche Begabung ist ebenfalls nicht unbedeutend.
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
Gesetze mit Rechtsprechungsnachweisen und Querverweisen? https://dejure.org/ - pers. Merkliste u. Suchverlauf
Gelöschter Nutzer

Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

arlovski hat geschrieben:
Candor hat geschrieben:Mm, das sollte aber eben gerade Spaß machen, sonst könnte es ein Zeichen dafür sein, dass es nichts für Dich ist. Interessiert es Dich denn wirklich? Brennend? Liebst Du juristische Sachfragen? Zieht es Dich rein oder nicht?
das weiß man doch kurz nach dem abi und vorm (potentiellen) jurastudium eher nicht; und wenn man glaubt dies zu wissen beruht es wohl auf einer fehlvorstellung der realität.

rückblickend - jetzt > 2.5 jahre nach beginn des studiums - hatte ich (und meine kommilitonen) nach dem abi jedenfalls keinen blassen schimmer was mich mit jura tatsächlich erwarten würde.
So ganz unbedarft und ohne jeden Wissensvorsprung sollte man aber kein Studium angehen. Es hat jedenfalls keinen Sinn, dies andere beurteilen zu lassen oder sich entkonkretisiert darüber spekulativ zu ergehen. Hilfreicher wäre eine gewisse Wissensaneignung und das konkrete Reinschnuppern in Praktika und öffentlich zugängliche Gerichtsanlässe etc. Und wenn jemand so gar kein pragmatischer Mensch ist, wäre vielleicht auch eine Berufsrichtung angezeigt, die mehr in Verwaltungsaufgaben ohne großen Menschenumgang führt. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass sich gewisse Einseitigkeiten auch bewusst ausgleichen lassen, wenn die Motivation genug groß ist. Nur ohne intrinsische Motivation stell ich mir das schwierig vor.
Gelöschter Nutzer

Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

arlovski hat geschrieben:
Candor hat geschrieben:Mm, das sollte aber eben gerade Spaß machen, sonst könnte es ein Zeichen dafür sein, dass es nichts für Dich ist. Interessiert es Dich denn wirklich? Brennend? Liebst Du juristische Sachfragen? Zieht es Dich rein oder nicht?
das weiß man doch kurz nach dem abi und vorm (potentiellen) jurastudium eher nicht; und wenn man glaubt dies zu wissen beruht es wohl auf einer fehlvorstellung der realität.

rückblickend - jetzt > 2.5 jahre nach beginn des studiums - hatte ich (und meine kommilitonen) nach dem abi jedenfalls keinen blassen schimmer was mich mit jura tatsächlich erwarten würde.

darf ich fragen, wie deine Zwischenbilanz nach 2,5 Jahren so aussieht? :)
julée
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Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Ist Jura das Richtige für mich?

Beitrag von julée »

s0phia hat geschrieben:Vor kurzem wurde mir die Arbeit als Jurist außerdem als das schlichte emotionslose Betrachten eines Sachverhalts beschrieben, was sich aus der Perspektive eines Laien wie mir auch nicht besonders spaßig anhört.
Was heißt "emotionslos"? Es heißt eben das, was Ara schon schrieb: Ich kann die eine Partei höchst unsympatisch finden und gleichwohl kann es sein, dass sie in der Sache Recht hat. Es kann sein, dass der Vermieter die arme Mieterin mit drei Kindern rausmobben möchte, es kann aber sein, dass ihm das Recht genau das erlaubt. An der Stelle muss man die Bereitschaft mitbringen, sich auch die andere Seite anzuschauen und nachzuvollziehen, ob es für die vielleicht doch gute Argumente gibt, die dazu führen, dass man ihr auch aus Überzeugung Recht geben kann, selbst wenn man Mitleid mit der Partei hat, die verliert. Als Richter schaut man sich beide Seiten objektiv an und entscheidet dann; als Anwalt vertritt man zwar eine Seite, muss aber natürlich auch abschätzen können, was für die Gegenseite spricht, wo die Risiken der eigenen Positionen liegen und in welchen Fällen man dem eigenen Mandanten besser beibringt, dass er schlichtweg Unrecht hat.

In Diskussionen kennzeichnet den Juristen das abwägende "zwar (...), aber (...)" und die Bereitschaft, auch Argumente gegen die Mainstream-Meinung zu finden. Hinzu kommt die Fähigkeit, am Ende eine konkrete Entscheidung treffen zu können (viele Geisteswissenschaftler hören hingegen meist genau an dem Punkt auf, an dem sie feststellen, dass es ein echtes Problem und die Lösung irgendwie nicht so einfach ist).

Ob man vor dem Studium wissen kann, was auf einen zukommt? Jein. Verfassungsrecht war genauso spannend, wie ich es mir vorher gedacht habe. Strafrecht fand ich mit all den Meinungsstreitigkeiten wahnsinnig komplex und anstrengend und in der Folge - mangels besonders großen Erfolgs - leicht deprimierend. Und so spannend, wie man sich das im Vorfeld vorstellt, sind die Vorlesungen zum Strafrecht auch selten, da schlichtweg das praktische CSI-Element fehlt. Zum Zivilrecht habe ich mir vorher relativ wenig Gedanken gemacht, da Ausgleich widerstreitender privater Interessen auch immer ziemlich abstrakt klingt. Fand ich aber im Studium von Anfang an interessant.

Sinnvoll ist es sicherlich (insbesondere wenn man bereits studiert), sich mal in paar Vorlesungen reinzusetzen, vielleicht mal ein Buch wie z. B. "Fast alles, was Recht ist" von Wesel zu lesen und / oder ein Praktikum zu machen, um eine Idee zu bekommen, was einen erwarten wird.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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