Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

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Gelöschter Nutzer

Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die Einsicht in meine Klausuren im 1. StEx hat mich einigermaßen entsetzt, weniger aufgrund der (bereits zuvor bekannten) Noten, sondern mehr wegen der mMn z.T. äußerst fragwürdigen Korrekturanmerkungen.

Aufgrunddessen erwäge ich eine Prüfungsanfechtung, weiß aber nicht, ob das wirklich empfehlenswert wäre. Deshalb wollte ich wissen, ob ihr bereits Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt habt - und ggf. welche - bzw. "jemanden kennt, der jemanden kennt...".

Eine Klage werde ich schon angesichts der drohenden Kosten (voraussichtlich) nicht anstreben. Ich könnte mir aber einen Widerspruch vorstellen, auch ohne anwaltliche Beratung.

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Zum Hintergrund:

Besonders verwirrt haben mich die Bewertungen von zwei zivilrechtlichen Klausuren (Notenbereich jeweils oberes befriedigend).

1. Die Korrekturanmerkungen zur ersten Klausur weichen teilweise eklatant von meiner Klausurbearbeitung ab, wie z.B.:

- es wird unterstellt, ich hätte nicht zwischen zwei verschiedenen möglichen Kündigungsschreiben abgegrenzt. Tatsächlich prüfe ich die Erklärungen aber sukzessive, wie auch aus der Bearbeitung klar hervorgeht
- der Korrektor behauptet, ich hätte eine Thematik (fälschlich) im Rahmen einer bestimmten Norm angesprochen (§ 574 BGB), dabei wird diese Norm (bzw. ihr Inhalt) erst Seiten später in einem einzigen Satz ablehnend erwähnt
- fast sämtliche Verweise auf bestimmte Seiten in meiner Arbeit gehen fehl bzw. die Verweisungsziele existieren nicht ("S. 13a")
- es wird gesagt, ich bejahte einen Anspruch, dabei verneinte ich ihn
- es heißt, ich prüfte Ansprüche (§§ 861, 1004), dabei werden diese mit keinem Wort genannt
- ich hätte § 536c BGB fälschlich angeprüft, dabei taucht auch diese Norm in der Bearbeitung kein einziges Mal auf
- auf einen zu prüfenden Anspruch aus § 823 I BGB sei ich nicht eingegangen; tatsächlich erwähne ich diesen, wenngleich nur in einem Satz
- ich hätte fälschlich eine GoA angeprüft, dabei wird weder dieser Ausdruck noch eine einzige Norm der §§ 677 ff. o.Ä. auch nur ein einziges Mal erwähnt

Kurz: ca. ein Drittel der Korrekturanmerkungen liest sich so, als seien sei für eine völlig andere Klausur gedacht gewesen bzw. als hätte der Korrektor meine Arbeit teilweise überhaupt nicht gelesen.


2. Klausur zum dinglichen Vorkaufsrecht. Dabei haben mich insbesondere zwei Aspekte irritiert:

- zum einen wird behauptet, ich hätte an einer Stelle die Möglichkeit einer Umdeutung eines preislimitierten dinglichen Vorkaufsrechts zu einer Vormerkung nicht einmal erwähnt. Tatsächlich habe ich aber genau dies getan (wobei genau das Zauberwort "Vormerkung" gefallen ist), wenngleich ich die Möglichkeit i.E. begründet abgelehnt habe (numerus clausus des SachenR)

- zum anderen geht der Korrektor fälschlich dabei aus, ich hätte in der Klausur ein schuldrechtliches VorkaufsR (parallel zu einem dinglichen VorkaufsR?!) angenommen. Grund für seine falsche Annahme ist meine dogmatische Einordnung des dingl. VorkaufsR. Ich habe dieses nämlich als doppelt bedingten KV behandelt. Dies entspricht bzgl. des schuldrechtlichen VorkaufsR der hM. Deshalb ging der Korrektor wohl davon aus, ich hätte (fälschlich) ein schuldrechtliches VorkaufsR angenommen.

Allerdings wird auch die Einordnung des dinglichen (!) VorkaufsR als doppelt bedingter KV vertreten - wenngleich dies MM ist - vgl. etwa das Reichsgericht, aber auch der Nomos-Kommentar. Selbst im Staudinger heißt es, die Ansätze schlössen sich nicht aus.

Mein Problem ist aber nicht, dass ich einen (kleinen) Punktabzug für die leicht antiquierte Einordnung des dinglichen VorkaufsR erhalten habe. Sondern dass der Korrektor grundlos davon ausging, ich hätte (fälschlich) ein schuldrechtliches VorkaufsR angenommen, obwohl ich mehrfach die §§ 1094 ff. zitiert habe und den Begriff "schuldrechtliches VorkaufsR" mit keinem Wort erwähnt habe.

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Zusammenfassend habe ich v.a. Angst vor einer "rip" und möchte größere Kosten lieber vermeiden. Außerdem geht es nicht wirklich um viel, das Prädikat habe ich zum Glück trotzdem geschafft. Allerdings ärgert es mich, dass Korrektor1 offensichtlich weite Teile meiner Klausur nicht gelesen hat und Korrektor2 mir einen Fehler unterstellt hat, den ich nicht begangen habe. Und 1-2 (Einzel)Punkte mehr wären natürlich auch immer schön.

Habt ihr jemals von einer "rip" im Widerspruchsverfahren bei Examensklausuren gehört?
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Peaches2 »

Wie können Verweisungsziele nicht existieren?
Gelöschter Nutzer

Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Peaches2 hat geschrieben:Wie können Verweisungsziele nicht existieren?
Eine Seite "13a" existiert in meiner Arbeit nicht.
joee78
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von joee78 »

Suchender_ hat geschrieben:Zusammenfassend habe ich v.a. Angst vor einer "rip" und möchte größere Kosten lieber vermeiden. Außerdem geht es nicht wirklich um viel, das Prädikat habe ich zum Glück trotzdem geschafft. Allerdings ärgert es mich, dass Korrektor1 offensichtlich weite Teile meiner Klausur nicht gelesen hat und Korrektor2 mir einen Fehler unterstellt hat, den ich nicht begangen habe. Und 1-2 (Einzel)Punkte mehr wären natürlich auch immer schön.

Habt ihr jemals von einer "rip" im Widerspruchsverfahren bei Examensklausuren gehört?
Ist eher eine Theorie im Verwaltungsverfahrensrecht, die im Prüfungsrecht aber praktisch keine Anwendung findet:

http://www.lto.de/recht/studium-referen ... boeserung/
Sind Sie ein Mensch? Sowas Ähnliches, ich bin Anwalt.

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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von OJ1988 »

Hört sich auf den ersten Blick recht "handfest" an. Versuch doch einfach mal das Widerspruchsverfahren?
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Muirne
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Muirne »

Widersprüche gehen ja nur zu sehr geringen Teilen durch, aber wenn das so stimmt, musst du das doch quasi machen. Sauberer geht's ja quasi nicht. Ich hab mit Bruchteilen von sowas erfolgreich remonstriert. Ist natürlich kein Maßstab, da Examen, aber der typische nicht erfolgreiche Widerspruch dürfte kaum derart handfest sein.
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von juraklasse »

Das klingt in der Tat sehr skurril und ist natürlich super ärgerlich. Dennoch würde ich von einem Widerspruch/Anfechtung Abstand nehmen, sofern Du im Staatsteil ein VB bekommen hast. Ich persönlich hätte Angst, dass es doch zu einer RIP kommt, selbst wenn das Risiko dazu sehr klein sein mag. Die Klausuren waren ja auch scheinbar nicht so schlecht bewertet (oberes befriedigend) und evtl. hast Du in deinen eigenen Klausurlösungen an irgendeiner Stelle einen Bock drin, der Dir beim selbstständigen Lesen nicht so auffällt bzw. einen Weg gewählt, der in der offiziellen Lösungsskizze nicht vorgesehen ist. Letzlich ist es auch relativ egal, ob Du im ersten Examen 9,x oder 11,49. hast, sofern das VB auch im Staatsteil vorhanden ist. Sofern kein Notensprung ins "gut" winkt, würde ich mir daher das Restrisiko einer Verschlechterung nicht antun wollen und lieber ruhig schlafen.

Aber ich kann auch verstehen, dass man sich darüber tierisch ärgert und es gerne klären würde
Gelöschter Nutzer

Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

juraklasse hat geschrieben:Das klingt in der Tat sehr skurril und ist natürlich super ärgerlich. Dennoch würde ich von einem Widerspruch/Anfechtung Abstand nehmen, sofern Du im Staatsteil ein VB bekommen hast. Ich persönlich hätte Angst, dass es doch zu einer RIP kommt, selbst wenn das Risiko dazu sehr klein sein mag. Die Klausuren waren ja auch scheinbar nicht so schlecht bewertet (oberes befriedigend) und evtl. hast Du in deinen eigenen Klausurlösungen an irgendeiner Stelle einen Bock drin, der Dir beim selbstständigen Lesen nicht so auffällt bzw. einen Weg gewählt, der in der offiziellen Lösungsskizze nicht vorgesehen ist. Letzlich ist es auch relativ egal, ob Du im ersten Examen 9,x oder 11,49. hast, sofern das VB auch im Staatsteil vorhanden ist. Sofern kein Notensprung ins "gut" winkt, würde ich mir daher das Restrisiko einer Verschlechterung nicht antun wollen und lieber ruhig schlafen.

Aber ich kann auch verstehen, dass man sich darüber tierisch ärgert und es gerne klären würde
Ich bräuchte ca. 4 Einzel-/Klausurpunkte, aber das ist wohl äußerst unwahrscheinlich, selbst bei der Anfechtung von 2 Klausuren...

Das Problem ist auch, dass zumindest 1-2 der Aspekte in der ersten Klausur eher "zu meinen Gunsten falsch" waren. Die würde ich natürlich nicht erwähnen, aber bei einer gründlichen Nachprüfung könnten auch mal z.B. 6 statt 8 rauskommen. Und das wäre sehr ärgerlich.
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Muirne hat geschrieben:Widersprüche gehen ja nur zu sehr geringen Teilen durch, aber wenn das so stimmt, musst du das doch quasi machen. Sauberer geht's ja quasi nicht. Ich hab mit Bruchteilen von sowas erfolgreich remonstriert. Ist natürlich kein Maßstab, da Examen, aber der typische nicht erfolgreiche Widerspruch dürfte kaum derart handfest sein.
Wobei die Aussagekraft von so etwas wirklich begrenzt ist. Selbst wenn handfeste Korrekturfehler vorliegen, kann es durchaus sein, dass die vergebene Note dennoch "passt" und daher gehalten wird.
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Kasimir »

Ich würde es machen, vor allem wegen der ersten Klausur. Da scheint es nicht fernliegend, dass das die Benotung vertauscht worden ist.

Bei der zweiten Klausur: Naja, wenn du einen Widerspruch machst, dann nimm die Klausur auch mit. Scheint aber ja letztlich nur ein Punkt zu sein, wo du dann auch eine ziemliche Mindermeinung vertreten hast. Da wird wohl nichts bei rauskommen.

Vor einer rip hätte ich in deiner Situation keine Angst.
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von juraklasse »

Suchender_ hat geschrieben:
juraklasse hat geschrieben:Das klingt in der Tat sehr skurril und ist natürlich super ärgerlich. Dennoch würde ich von einem Widerspruch/Anfechtung Abstand nehmen, sofern Du im Staatsteil ein VB bekommen hast. Ich persönlich hätte Angst, dass es doch zu einer RIP kommt, selbst wenn das Risiko dazu sehr klein sein mag. Die Klausuren waren ja auch scheinbar nicht so schlecht bewertet (oberes befriedigend) und evtl. hast Du in deinen eigenen Klausurlösungen an irgendeiner Stelle einen Bock drin, der Dir beim selbstständigen Lesen nicht so auffällt bzw. einen Weg gewählt, der in der offiziellen Lösungsskizze nicht vorgesehen ist. Letzlich ist es auch relativ egal, ob Du im ersten Examen 9,x oder 11,49. hast, sofern das VB auch im Staatsteil vorhanden ist. Sofern kein Notensprung ins "gut" winkt, würde ich mir daher das Restrisiko einer Verschlechterung nicht antun wollen und lieber ruhig schlafen.

Aber ich kann auch verstehen, dass man sich darüber tierisch ärgert und es gerne klären würde
Ich bräuchte ca. 4 Einzel-/Klausurpunkte, aber das ist wohl äußerst unwahrscheinlich, selbst bei der Anfechtung von 2 Klausuren...

Das Problem ist auch, dass zumindest 1-2 der Aspekte in der ersten Klausur eher "zu meinen Gunsten falsch" waren. Die würde ich natürlich nicht erwähnen, aber bei einer gründlichen Nachprüfung könnten auch mal z.B. 6 statt 8 rauskommen. Und das wäre sehr ärgerlich.
Vor diesem Hintergrund würde ich mich einfach über die sehr gute Note im Examen freuen und entspannt Urlaub machen bzw. dich voller Vorfreude neuen Herausforderungen (Referendariat, LL.M., Dissertation etc.) stellen.
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Re: Prüfungsanfechtung - sinnvoll?

Beitrag von Muirne »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Muirne hat geschrieben:Widersprüche gehen ja nur zu sehr geringen Teilen durch, aber wenn das so stimmt, musst du das doch quasi machen. Sauberer geht's ja quasi nicht. Ich hab mit Bruchteilen von sowas erfolgreich remonstriert. Ist natürlich kein Maßstab, da Examen, aber der typische nicht erfolgreiche Widerspruch dürfte kaum derart handfest sein.
Wobei die Aussagekraft von so etwas wirklich begrenzt ist. Selbst wenn handfeste Korrekturfehler vorliegen, kann es durchaus sein, dass die vergebene Note dennoch "passt" und daher gehalten wird.
Möglich, wobei man das ja auch versuchen kann abzuschätzen. Dass auch zu seinen Gunsten ausgelegt wurde, relativiert das ganze hier natürlich stark.
Vllt würde ich dann auch nur in dem klaren Fall widersprechen. Aber nur dann, wenn ich glauben würde, dass 4 Punkte mehr prinzipiell drin sind. Aus Spaß muss man das nicht machen.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
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