Stilfragen zum Gutachten

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Squidward
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Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Squidward »

Abend,

ich habe kurz zwei Fragen zum Gutachtenstil insbesondere in Hausarbeiten.

1) Zum Obersatz beim Tatbestand. Und zwar habe ich da schon die unterschiedlichsten Varianten gelesen.
Ganz am Anfang des ersten Semesters noch das penible "der objektive Tatbestand müsste erfüllt sein" und später dann auch häufiger mal direkt eine Aufzählung der Tatbestandsmerkmale, die dann in einem fließtext abgehandelt werden oder in Unterpunkten direkt mit der Definition starten.
Beim subjektiven Tatbestand sehe ich aber eigentlich immer nur die Form, in der direkt mit dem Vorsatz begonnen wird und das Wort subjektiver Tatbestand außerhalb der Überschrift überhaupt nicht fällt. Mir erscheint es auch irgendwie etwas gekünstelt immer wieder diesen Satz (subjektiv/objektiv) zu liefern. Kann darauf verzichtet werden? Und wenn der Obersatz hinsichtlich des obj. TB geschrieben wird, müsste doch unter den Tatbestandsmerkmalen auch ein Zwischenergebnis hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmäßigkeit folgen, oder nicht?
Momentan hab ich in meinem Entwurf immer einfach eine Überschrift für den objektiven Tatbestand, aber dann halt keinerlei Obersatz und auch kein Zwischenergebnis nach den Tatbestandsmerkmalen. Kann man das so machen bzw. was würdet ihr empfehlen (gerade fürs 1/2 Semester)?

2) Werden am Anfang des Studiums ja recht viele Überschriften gemacht (insb. für die Tatbestandsmerkmale). Nun wollte ich einmal wissen, ob man das in der Hausarbeit souverän genauso machen kann also bei der Körperverletzung die körperliche Misshandlung und die Gesundheitsschädigung als Subebenen bspw, oder ob das vielleicht schon zu viel ist, wenn keine großen Probleme vorliegen. Ich habe jetzt schon einige Punkte eingedampft, die mir einfach nach zu viel Überschrift für zu wenig Inhalt aussahen (bspw Notwehrlage unter einen einzelnen Punkt), aber so richtig sicher fühle ich mich noch nicht mit meinen Tatbestandsmerkmalüberschriften. Geht das klar oder wurde das schonmal bei jemandem angestrichen?

Grüße
Liz
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Re: Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Liz »

Gutachtenstil ist - genauso wie später der Urteilsstil - ein gewisses "Denkschema", das zwangsläufig auch mal ein wenig stupide anmuten kann - um "Schönheit" geht es an der Stelle überhaupt nicht! D. h. es sollte grds. - und gerade in den Anfangssemestern - immer einen Obersatz, eine Definiton, eine Subsumtion und einen Schlusssatz geben. Überschriften sind indes überflüssig und können den Obersatz grds. nicht ersetzen; zu kleinteilig sollte die Gliederung - nicht zuletzt unter Platzgesichtspunkten - nicht sein.
Natürlich darf man - auch als Anfänger - völlig Unproblematisches ggf. in einem Satz feststellen. Ebenso scheint es mir auch durchaus üblich zu sein, nicht "Es müsste auch der subjektive Tatbestand erfüllt sein. Dies setzt voraus, dass der A vorsätzlich gehandelt hat. Vorsätzlich handelt wer, (...). Der A hat (...). Mithin handelte der A vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand ist folglich erfüllt." zu schreiben, sondern es unter der Zwischenüberschrift "Subjektiver Tatbestand" auf "A müsste auch vorsätzlich gehandelt haben. Vorsätzlich handelt wer, (...). Der A hat (...). Mithin handelte der A vorsätzlich." zu verkürzen. Aber man muss sich klar machen: Das ist schon kein "sauberer" Gutachtenstil mehr. Wenn man gar zwei von vier Elementen des Gutachtenstils weglässt, weiß ich nicht, inwieweit man da noch von einem Gutachtenstil sprechen kann.
Gelöschter Nutzer

Re: Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

http://wcms.itz.uni-halle.de/download.p ... em=2277254

Das ist der beste mir bekannte Aufsatz zu der Thematik.

Man ist da innerhalb gewisser Grenzen relativ frei und muss eigenverantwortlich abwägen, welche Breite der Darstellung für das Verständnis des Lesers nötig ist bzw. wann die Prägnanz durch das Auswalzen von Selbstverständlichketen leidet ("der objektive Tatbestand müsste erfüllt sein" bspw.).
D. h. es sollte grds. - und gerade in den Anfangssemestern - immer einen Obersatz, eine Definiton, eine Subsumtion und einen Schlusssatz geben. Überschriften sind indes überflüssig und können den Obersatz grds. nicht ersetzen; zu kleinteilig sollte die Gliederung - nicht zuletzt unter Platzgesichtspunkten - nicht sein.
Das sehe ich anders - es ist weder zeitlich möglich noch unter dem Gesichtspunkt der Schwerpunktsetzung wünschenswert das Gutachtenschema immer komplett durchzugehen. Vielmehr ist es auch in Anfängerarbeiten oft geboten, unproblematisches im Feststellungsstil abzuhandeln (wie du es in der Folge ja selber sagst?).

Natürlich darf man - auch als Anfänger - völlig Unproblematisches ggf. in einem Satz feststellen. Ebenso scheint es mir auch durchaus üblich zu sein, nicht "Es müsste auch der subjektive Tatbestand erfüllt sein. Dies setzt voraus, dass der A vorsätzlich gehandelt hat. Vorsätzlich handelt wer, (...). Der A hat (...). Mithin handelte der A vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand ist folglich erfüllt." zu schreiben, sondern es unter der Zwischenüberschrift "Subjektiver Tatbestand" auf "A müsste auch vorsätzlich gehandelt haben. Vorsätzlich handelt wer, (...). Der A hat (...). Mithin handelte der A vorsätzlich." zu verkürzen. Aber man muss sich klar machen: Das ist schon kein "sauberer" Gutachtenstil mehr. Wenn man gar zwei von vier Elementen des Gutachtenstils weglässt, weiß ich nicht, inwieweit man da noch von einem Gutachtenstil sprechen kann.
Eigentlich hat der Gutachtenstil nur drei Elemente, die "Definiton" ist nur ein untergeordneter Obersatz, s.h. den von mir verlinkten Aufsatz. Dein Beispiel mit dem Vorsatz weist in meinen Augen alle drei Elemente auf:

OS: A müsste vorsätzlich gehandelt haben. (ist zwar an sich unvollständig, bezieht sich aber ja noch auf den der Prüfung vorangestellten Satz "A könnte sich wegen xy strafbar gemacht haben" und bildet damit einen vollständigen OS)

Definition/OS2: Vorsätzlich handelt, wer ...

Untersatz/Subsumtion: A handelte mit Wissen und Willen um ...

Schlußsatz: Also handelte A vorsätzlich
Brainiac
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Re: Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Brainiac »

Einen Obersatz zum objektiven und subjektiven Tatbestand würde ich nur dann gesondert bilden, wenn unter beide mehrere Merkmale fallen. So typischerweise beim obj. TB, aber nicht beim subjektiven. Da ist es doch meist bloß Vorsatz (i.Ü.: §§ nie vergessen - auch nicht im Obersatz). Die Begrifflichkeit "subjektiver Tatbestand" ist eine reine Ordnungshilfe und ergibt sich nicht aus dem Gesetz, das schließlich nur Vorsatz/FLK/bes. subj. Merkmale fordert.

Ansonsten: Problematisches (in den ersten Semestern im weiteren Sinne, später abnehmend) im sauberen Gutachtenstil. Recht Unkompliziertes, im Sachverhalt aber Angelegtes im verkürzten Gutachtenstil. Rest feststellend.
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
Liz
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Re: Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Liz »

@juraidiot: Ich halte es für sinnvoll, sich das Regel-Ausnahmeverhältnis klar zu machen und das lautet gerade in den Anfangssemestern: Gutachtenstil heißt Gutachtenstil und nicht irgendwas anderes oder gar Freestylemäßiges (der TE will ja offensichtlich (Zwischen)Obersätze durch Überschriften ersetzen und die (Zwischen)Schlusssätze irgendwie ganz weglassen). Erst wenn man das verinnerlicht hat, kann man über die wohldosierten Ausnahmen nachdenken. Mit allem anderen überfordert man meiner Erfahrung nach Anfänger, bei denen dann irgendwie nur hängen bleibt „also eigentlich braucht man das nicht so oft“ - und in der Konsequenz sieht man dann später Arbeiten, deren Verfasser offenbar den Gutachtenstil nicht beherrschen und allenfalls eine vage Vorstellung davon zu haben scheinen. Und vor dem Hintergrund halte ich es auch für sinnvoll bei den üblichen Begrifflichkeiten zu bleiben - unter „Definition“ kann ich mir unmittelbar was vorstellen, unter „Obersatz 2“ weniger.

P. S.: ich bin ja sehr begeistert, dass Du mir bescheinigst, dass ich in der Lage bin, ein Beispiel zum Gutachtenstil zu bilden ;)
Gelöschter Nutzer

Re: Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

P. S.: ich bin ja sehr begeistert, dass Du mir bescheinigst, dass ich in der Lage bin, ein Beispiel zum Gutachtenstil zu bilden ;)
Nicht falsch verstehen bitte; ich habe dich nur so verstanden, dass du ein Beispiel für einen unvollständigen Gutachtenstil gibst, ich darin aber einen vollständig angewandten Gutachtstil sehe.


Was das Regel-Ausnahme-Verhältnis angeht, so gebe ich dir grundsätzlich Recht, nur dass der Ausnahmeteil schon in den ersten Semestern größer ist, als die Einschwörung auf den Gutachtenstil vermuten lässt; Bspw. muss auch ersten Semester kein objektives Tatbestandsmerkmal des § 212 im Gutachtenstil geprüft werden, außer evtl. der objektiven Zurechnung.
Liz
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Re: Stilfragen zum Gutachten

Beitrag von Liz »

@juraidiot: unvollständig, weil in der 2. Version jegliche Ausführungen zum subjektiven Tatbestand fehlen.
Zum Regel-Ausnahme-Verhältnis: gewiss, aber man muss immer aufpassen, was bei den Studenten hängen bleibt und das ist häufig genug nur die Ausnahme oder es tritt schlichtweg große Verwirrung ein, was denn nun richtig ist. Insofern ist es pädagogisch nur so mittelmäßig sinnvoll, den Studenten den Eindruck zu vermitteln, sie dürften es sich aussuchen - was nicht heißen soll, dass man Anfängern nicht beibringen sollte, an welchen Stellen Gutachtenstil nun wirklich überflüssig wäre, aber das sollte eben anhand konkreter Beispiele erfolgen und nicht irgendwie pauschal.
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