Kartellrechtliche Dissertation.
Moderator: Verwaltung
- Einwendungsduschgriff
- Fossil
- Beiträge: 14744
- Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
- Ausbildungslevel: Doktorand
Kartellrechtliche Dissertation.
Eine zugegeben vielleicht etwas seltsame Frage:
Ich habe eine Möglichkeit für eine Promotion über ein Thema aus dem Kartellrecht eine sehr gute Unterstützung zu erhalten. Zwar ist das Kartellrecht durchaus Öffentliches Recht, wird aber meines Wissens tendenziell eher durch zivilrechtliche Lehrstuhlinhaber (in Verbindung mit dem Lauterkeitsrecht) als Forschungsgebiet bedient.
Ich hatte ursprünglich vor, im klassischen Öffentlichen Recht (Staatsrecht/Verwaltungsrecht) zu promovieren, da ich mich dort "fachlich einfach am wohlsten fühle" und auch damit liebäugele, nach dem Referendariat nochmal an die Uni auf die andere Seite der Veranstaltung gehen zu wollen.
Hab nur jetzt etwas Bedenken, daß man sich mit einer kartellrechtlichen Dissertation für einen öffentlich-rechtlichen Lehrstuhl nicht gerade aufdrängt.
Wie sind Eure Erfahrungen? Mach ich mir da unnötig einen Kopf drüber? Oder "schießt man sich raus"?
Ich habe eine Möglichkeit für eine Promotion über ein Thema aus dem Kartellrecht eine sehr gute Unterstützung zu erhalten. Zwar ist das Kartellrecht durchaus Öffentliches Recht, wird aber meines Wissens tendenziell eher durch zivilrechtliche Lehrstuhlinhaber (in Verbindung mit dem Lauterkeitsrecht) als Forschungsgebiet bedient.
Ich hatte ursprünglich vor, im klassischen Öffentlichen Recht (Staatsrecht/Verwaltungsrecht) zu promovieren, da ich mich dort "fachlich einfach am wohlsten fühle" und auch damit liebäugele, nach dem Referendariat nochmal an die Uni auf die andere Seite der Veranstaltung gehen zu wollen.
Hab nur jetzt etwas Bedenken, daß man sich mit einer kartellrechtlichen Dissertation für einen öffentlich-rechtlichen Lehrstuhl nicht gerade aufdrängt.
Wie sind Eure Erfahrungen? Mach ich mir da unnötig einen Kopf drüber? Oder "schießt man sich raus"?
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
- Kiesela
- Urgestein
- Beiträge: 7462
- Registriert: Mittwoch 12. Januar 2005, 14:55
-
- Super Mega Power User
- Beiträge: 3751
- Registriert: Sonntag 10. Dezember 2006, 11:18
- Ausbildungslevel: RA
Also bei der Auswahl von Professoren werden eigentlich sowohl Diss als auch Habil-Schrift daraufhin untersucht, ob sie mit der Lehrstuhlbezeichnung übereinstimmen, weil die Lehrbefugnis ja auch danach richtet. Ein Ö-Rechtler mit einer Kartellrechts-Diss wird da wohl eher selten sein. Letztendlich würde ich aber das Diss-Thema nicht unbedingt im Hinblick auf einer spätere Uni-Karriere auswählen. Wenn dir Kartellrecht Spaß macht, dann kann dich ja auch dein weiterer akademischer Lebensweg dorthin führen.
Ansonsten gilt, dass zwischen den Rechtsgebieten ja auch keine Geschlechtertrennung gilt. Vielleicht kannst du deine kartellrechtliche Diss mit weiten Bezügen zum öffentlichen Recht schreiben, wie man so schön sagt.
Ansonsten gilt, dass zwischen den Rechtsgebieten ja auch keine Geschlechtertrennung gilt. Vielleicht kannst du deine kartellrechtliche Diss mit weiten Bezügen zum öffentlichen Recht schreiben, wie man so schön sagt.
- Jussi Cogens
- Super Power User
- Beiträge: 1174
- Registriert: Montag 22. November 2004, 17:59
KartellR ist ja mittlerweile materiell betrachtet mehr oder weniger EuropaR ("klassische" deutsche Kartellrechtler mögen mir diese Generalisierung verzeihen) und läuft auch in den einschlägigen deutschen Gesetzen wie dem GWB mehr oder weniger parallel zum EGV plus VOs.
Wenn Du also in der kartellrechtlichen Diss zumindest auch die europarechtliche Dimension im Schwerpunkt behandelst, ist das mE für eine evtl. spätere Karriere im öffentlichen Recht überhaupt nicht schädlich - es dürfte im Gegenteil wegen der allgemeinen Entwicklung für potentielle ÖffR-Profs ohne EuropaR in der venia immer schwieriger werden, einen Lehrstuhl zu bekommen, da immer mehr Bereiche des öffentlichen Rechts europarechtlich determiniert oder jedenfalls beeinflusst sind (*Tusch* für diese Binsenwahrheit). Deshalb hauen ja viele ÖffR Habilitanten, die vorher immer nur über Grundrechte und Polizeirecht geschrieben haben, im letzten Moment noch wie gestört europarechtliche Aufsätze raus, um diese Flanke abzudecken. Solltest Du also wirklich nach der Diss immer noch Lust auf das Projekt Habil und eine wissenschaftliche Karriere im ÖffR haben, nur zu. Dann folgt nach der Diss halt eine Habil im Besonderen VerwaltungsR oder so *schauder*.
Wenn Du also in der kartellrechtlichen Diss zumindest auch die europarechtliche Dimension im Schwerpunkt behandelst, ist das mE für eine evtl. spätere Karriere im öffentlichen Recht überhaupt nicht schädlich - es dürfte im Gegenteil wegen der allgemeinen Entwicklung für potentielle ÖffR-Profs ohne EuropaR in der venia immer schwieriger werden, einen Lehrstuhl zu bekommen, da immer mehr Bereiche des öffentlichen Rechts europarechtlich determiniert oder jedenfalls beeinflusst sind (*Tusch* für diese Binsenwahrheit). Deshalb hauen ja viele ÖffR Habilitanten, die vorher immer nur über Grundrechte und Polizeirecht geschrieben haben, im letzten Moment noch wie gestört europarechtliche Aufsätze raus, um diese Flanke abzudecken. Solltest Du also wirklich nach der Diss immer noch Lust auf das Projekt Habil und eine wissenschaftliche Karriere im ÖffR haben, nur zu. Dann folgt nach der Diss halt eine Habil im Besonderen VerwaltungsR oder so *schauder*.
"Three thousand years of beautiful tradition, from Moses to Sandy Koufax."
-
- Power User
- Beiträge: 350
- Registriert: Donnerstag 20. Januar 2005, 23:39
Ich schliess ich mich meinen Vorrednern an, dass in den Kommissionen schon sehr genau auf die Diss. geschaut wird. Wenn kein KartellR beim Lehrstuhl dabei ist, und ich kenne in Norddeutschland keinen derartigen (immer mit ZivR/GesR zusammen), würd ich also ein klassischeres, dem wahren ÖR entspringendes Thema empfehlen.
Meine persönl. Einschätzung: Das KartellR ist sehr schwer zu greifen. Du wirst dich in hunderten Caselaw europarechtlichen Entscheidungen wiederfinden. M. E. eher nich so der Bringer für ne Diss. Aber nur meine persönliche Meinung. Hab ähnliche Erfahrungen mit dem amerik. case law gemacht und hab mir in mancher Stunde doch etwas geordneteres gewünscht...., da jeder, der ne Diss. macht, mal solche Momente hat, man muss sie sich also nich schlimmer als nötig machen.
Meine persönl. Einschätzung: Das KartellR ist sehr schwer zu greifen. Du wirst dich in hunderten Caselaw europarechtlichen Entscheidungen wiederfinden. M. E. eher nich so der Bringer für ne Diss. Aber nur meine persönliche Meinung. Hab ähnliche Erfahrungen mit dem amerik. case law gemacht und hab mir in mancher Stunde doch etwas geordneteres gewünscht...., da jeder, der ne Diss. macht, mal solche Momente hat, man muss sie sich also nich schlimmer als nötig machen.
- Einwendungsduschgriff
- Fossil
- Beiträge: 14744
- Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
- Ausbildungslevel: Doktorand
Jussi Cogens hat geschrieben:Dann folgt nach der Diss halt eine Habil im Besonderen VerwaltungsR oder so *schauder*.
Danke für die bisherigen Antworten. Ob ich auf die "richtige Uni-Karriere" Lust habe kann ich jetzt noch nicht absehen, geschweige denn richtig planen. Referendariat will ich ja auf jeden Fall vorher auch noch machen.
Vielleicht sollte ich zunächst versuchen, mich mal in Teilen dem Kartellrecht zu widmen. Bisher hatte ich das nämlich mehr oder weniger nur mit der juristischen Kneifzange angefasst. Auf der anderen Seite find ich Regulierungsverwaltungsrecht sehr spannend.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
-
- Häufiger hier
- Beiträge: 105
- Registriert: Sonntag 23. Juli 2006, 16:03
Mir fielen als Bezüge des Kartell- zum Ö-Recht spontan zwei Dinge ein:
-Bindung der öffentlichen Hand an die §§ 97 ff. GWB bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
- Bindung der öffentlichen Hand an die Kartellvorschriften, wenn sie wirtschaftlich als Anbieter tätig wird.
Zu diesen Themen wird auch einiges von Ö-Rechtlern publiziert.
-Bindung der öffentlichen Hand an die §§ 97 ff. GWB bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
- Bindung der öffentlichen Hand an die Kartellvorschriften, wenn sie wirtschaftlich als Anbieter tätig wird.
Zu diesen Themen wird auch einiges von Ö-Rechtlern publiziert.
-
- Power User
- Beiträge: 625
- Registriert: Freitag 26. November 2004, 14:11
- Ausbildungslevel: Interessierter Laie
Das KartellR wird durchaus auch von ör Seite beackert. Zum einen, wie du schon erwähnst, in seinen Bezügen zum Regulierungsverwaltungsrecht - die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Integration des Regulierungsrechts in das allgemeine Kartellrecht bleibt heiß. Hierzu hat zB Jürgen Kühling seine Habil geschrieben, der derzeit als kommender Star gehandelt wird und gerade seinen zweiten Lehrstuhl übernimmt. Zum anderen ist auch unabhängig vom Regulierungsrecht das Thema Wirtschaftsaufsicht ein ör Dauerbrenner. Die demnächst erscheinende Habil von Jan Hecker beschäftigt sich zB mit "marktoptimierender Wirtschaftsaufsicht" und setzt einen kartellrechtlichen Schwerpunkt. Andere kartellrechtliche Fragestellungen gehören dagegen durchaus ins Zivilrecht. Insofern kommt es auf das konkrete Thema an.
Das hier im Thread auch genannte Vergaberecht steht zwar im GWB, ist dort aber mE eher ein Fremdkörper. Es wird zumeist auch selbstständig bearbeitet. In diesem Bereich kann man sowohl als ZRler als auch als ÖRler arbeiten. Nach den jüngsten Entwicklungen in der Rspr sowohl des EuGH (zB zu Grundfreiheiten im Bereich der Dienstleistungskonzessionen) als auch des BVerfG (insb Schwellenwert- und Tariftreue-Beschlüsse) bleibt dieses Gebiet auch sicher auf absehbare Zeit heiß. Außerdem kann man damit jede Menge Geld verdienen, wenn das mit der Uni doch nichts wird. Das gilt freilich auch für das Kartellrecht ieS.
In diesem Sinne Zuspruch. Entscheidend bleibt natürlich die konkrete Themenwahl.
Das hier im Thread auch genannte Vergaberecht steht zwar im GWB, ist dort aber mE eher ein Fremdkörper. Es wird zumeist auch selbstständig bearbeitet. In diesem Bereich kann man sowohl als ZRler als auch als ÖRler arbeiten. Nach den jüngsten Entwicklungen in der Rspr sowohl des EuGH (zB zu Grundfreiheiten im Bereich der Dienstleistungskonzessionen) als auch des BVerfG (insb Schwellenwert- und Tariftreue-Beschlüsse) bleibt dieses Gebiet auch sicher auf absehbare Zeit heiß. Außerdem kann man damit jede Menge Geld verdienen, wenn das mit der Uni doch nichts wird. Das gilt freilich auch für das Kartellrecht ieS.
In diesem Sinne Zuspruch. Entscheidend bleibt natürlich die konkrete Themenwahl.
- Kritschgau
- Super Mega Power User
- Beiträge: 5092
- Registriert: Montag 24. November 2003, 21:42
- Ausbildungslevel: Interessierter Laie
- Einwendungsduschgriff
- Fossil
- Beiträge: 14744
- Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
- Ausbildungslevel: Doktorand
Nochmal vielen Dank, vor allem an den ausführlichen Beitrag von Flanke.
Schade, dann dürfen wir Kühling hier wohl nicht mehr als Gast für das Informationsrecht hören. Und für Regulierungsverwaltungsrecht bekommen wir ja jetzt einen guten an die Uni. Hab ihn auf dem DJT bereits über das Thema hören dürfen. Vielleicht sollte ich da mal nachhaken gehen.
Jetzt muß ich mich eh erst nochmal kräftig ranhalten für den Verbesserungsversuch (meinen "richtigen Versuch") im September, damit auch die Note endgültig mitspielt.
Schade, dann dürfen wir Kühling hier wohl nicht mehr als Gast für das Informationsrecht hören. Und für Regulierungsverwaltungsrecht bekommen wir ja jetzt einen guten an die Uni. Hab ihn auf dem DJT bereits über das Thema hören dürfen. Vielleicht sollte ich da mal nachhaken gehen.
Jetzt muß ich mich eh erst nochmal kräftig ranhalten für den Verbesserungsversuch (meinen "richtigen Versuch") im September, damit auch die Note endgültig mitspielt.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Ich kann nur sagen, dass ich bei einem Ö-Rechtler promoviert habe im Kartellrecht. Allerdings ist es ein europarechtliches Thema (Freistellungsverordnung). Als aktuelle Erfahrung kann ich Dir noch sagen, dass man im Rahmen von Bewerbungen aber eher in die wirtschaftsrechtliche Ecke gesteckt wird. Ist mir jetzt bei zwei Kanzleien so gegangen. Da sass ich dann einmal im Insolvenz- und Steuerrecht und einmal im Kartellrecht direkt... Also: Wenn Du unbedingt "reines" Ö-Recht machen willst, ist schon ein bißchen Vorsicht geboten!
Viele Grüße aus aus dem Ländle
Viele Grüße aus aus dem Ländle
-
- Power User
- Beiträge: 698
- Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 11:40
- Ausbildungslevel: Interessierter Laie
- Kiesela
- Urgestein
- Beiträge: 7462
- Registriert: Mittwoch 12. Januar 2005, 14:55
Re: Kartellrechtliche Dissertation.
@Einwendungsduschgriff
Genau diese Frage hat sich ein guter Freund von mir auch gestellt, allerdings nicht in Bezug auf eine spätere Professorenstelle, sondern im Hinblick auf eine Richtertätigkeit an einem VG.
Schlussendlich hat er im neuen EU-Kartellverfahrensrecht promoviert, quasi ein "Kompromiss" zwischen dem Prof und ihm
Genau diese Frage hat sich ein guter Freund von mir auch gestellt, allerdings nicht in Bezug auf eine spätere Professorenstelle, sondern im Hinblick auf eine Richtertätigkeit an einem VG.
Schlussendlich hat er im neuen EU-Kartellverfahrensrecht promoviert, quasi ein "Kompromiss" zwischen dem Prof und ihm
- Einwendungsduschgriff
- Fossil
- Beiträge: 14744
- Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
- Ausbildungslevel: Doktorand