Disserationsthread

Alles rund um die Promotion zum Dr. iur. und den LL.M.

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jurapeasant
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Disserationsthread

Beitrag von jurapeasant »

Hallo liebes Forum.

Das zweite Examen ist geschafft und wie man der Gruppe in der ich diesen Text poste entnehmen kann, habe ich mich entschlossen zu promovieren (bzw. promoviert zu werden ;). Die externe Stelle und mein Thema im Kapitalmarktrecht habe ich bereits. Die Zusage einer Stelle hat mich (nach dem Examensstress) erst einmal durchatmen lassen. Somit habe ich mir erst einmal Zeit für einen philosophischen Rundumschlag zur Frage, was überhaupt "Erkenntnis" ist genommen. Letztendlich ist dies ja das Ziel einer jeden Doktorarbeit. Der Ausflug in Ontologie sowie Wissenschafts- und Erkenntnistheorie war schön. So langsam wurde es aber Zeit, meinen Ausflug in konkretere rechtswissenschaftliche Bahnen zu lenken.

Angenommen bin ich bei der für mich höchst relevanten Frage, auf welchem konkret Weg, also mit welcher konkreten Methode, ich verifizierbare rechtswissenschaftliche Erkenntnisse erarbeiten kann.

Da ich davon ausgehe, dass dies eine sehr typische Frage eines jeden Promovenden ist, komme ich zur folgenden Überlegung und einer bestimmten Literatursuche:

Sicherlich wird sich doch ein kluger Autor bereits mit den möglichen Erkenntnismethoden der Rechtswissenschaft auseinandergesetzt haben. Ich vermute, dass die "Auslegung" nicht die einzige Methode sein kann "Erkenntnis" zu schaffen. Helfen würde mir ein Buch, dass überhaupt erst einmal für mich bestätigt, was in der heutigen Rechtswissenschaft als Erkenntnis gilt. Und sodann, welche konkreten Methoden ich verfolgen kann. Ich gehe davon aus, dass die "Methoden" selbst bereits abschließend festgestellt wurden und ich nicht ein solches Genie bin, eine neue Methode zu erarbeiten. Ich gehe auch davon aus, dass ich eine Methode erst 100% verstanden haben und angewandt haben muss, da ansonsten mein Ergebnis "unwissenschaftlich", da nicht auf der korrekten Anwendung einer wissenschaftlich anerkannten Methode beruht. Angelesen habe ich Larenz - Methodenlehre, sowie von Joseph Essner - Grundsatz und Norm / Wege der Rechtsgewinnung. Ohne Frage sind die Bücher gut und ich werde sie weiter durchgehen. Dennoch sind sie mir in der Übersicht über die Methoden nicht "konkret" genug.

Sry wenn die Frage viel zu einfach ist. Aber mir fehlt im tatsächlichen Leben die Anbindung an Juristen, die sich bereits die gleiche Frage gestellt haben (müssen) und mich beraten könnten.

Über Literaturvorschläge oder Anregungen aller Art bin ich sehr dankebar. Ich vermute, im Laufe der Zeit noch mehrere Frage zu haben und werde diese dann - zur ÜBersichtlichkeit und vielleicht sogar zur Anregung an spätere Promovenden - einfach in diesem Thread hinzufügen.

Viele Grüße :)
Gelöschter Nutzer

Re: Disserationsthread

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich verstehe die Frage nicht. Jura ist eine Wertungswissenschaft. Die „richtige“ Methode richtet sich nach dem angestrebten Ergebnis:

Willst du die inhaltliche Bedeutung einer Norm in Erfahrung bringen? -> Auslegung. Willst du ihre praktische Relevanz erörtern? -> Urteile/Statistiken.

Am Ende wird es aber kein „verifizierbares“ Ergebnis geben. Überall gibt es unzählige Stellschrauben und unterschiedliche Wertungsmöglichkeiten, sodass es auch verschiedene denkbare Ergebnisse gibt. Bsp: selbst der Wortsinn lässt sich manchmal nicht allgemeingültig bestimmen, ganz zu schweigen vom Telos.
jurapeasant
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Re: Disserationsthread

Beitrag von jurapeasant »

Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 13:08 Die „richtige“ Methode richtet sich nach dem angestrebten Ergebnis
Richtig. Dennoch wird es doch sicher ein Werk geben, dass die Möglichkeiten der Ergebnisse (Inhaltliche Bestimmung, Praktische Relevanz) aufzählt und denen die anzuwendende Methode zuteilt?

Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 13:08 Willst du die inhaltliche Bedeutung einer Norm in Erfahrung bringen? -> Auslegung. Willst du ihre praktische Relevanz erörtern? -> Urteile/Statistiken.
Du beschreibst doch gerade Methoden des Erkenntnisgewinns abhängig von der beabsichtigten Erkenntnis? Du nennst zwei. Aber das sind doch nicht die einzigen?

Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 13:08 Am Ende wird es aber kein „verifizierbares“ Ergebnis geben.
Das Ergebnis nicht. Aber der Weg / die Methode zum Ergebnis? Wenn es keine überprüfbaren Methoden gäbe, könnte ich ja einfach (im Rahmen der Logik) draufloschreiben.
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Re: Disserationsthread

Beitrag von jurapeasant »

Habe gerade noch einmal mit einem Kollegen gesprochen. Er meint, es gäbe tatsächlich kein (ihm bekanntes) Werk, das einen solchen von mir vorgestellten "Methoden-Katalog" aufstellt...
Gelöschter Nutzer

Re: Disserationsthread

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wenn es keine überprüfbaren Methoden gäbe, könnte ich ja einfach (im Rahmen der Logik) draufloschreiben.
Exakt das.
Brainiac
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Re: Disserationsthread

Beitrag von Brainiac »

In der dogmatischen Rechts(")wissenschaft(") gilt verifizierbar = vertretbar. Ziel ist dabei nicht das Finden irgendeiner vertretbaren Antwort auf deine Forschungsfrage, sondern der am besten vertretbaren.
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Tante Dagobert
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Re: Disserationsthread

Beitrag von Tante Dagobert »

M.E. kann man schon einige Methoden bzw. Ansätze ausfindig machen:
Zunächst klar die klassischen Auslegungsmethoden, wobei man dort Farbe bekennen muss, ob man sich eher den Subjektivisten (Rüthers et. al.) zugehörig fühlt, oder der Text eben doch schlauer sein kann, als sein Verfasser (objektiv-teleologische Auslegung, insb. Larenz/Canaris).
Ferner kann man für bestimmte Teilrechtsgebiete versuchen, im Sinne von Heck, Bydlinki, Larenz/Canaris ein äußeres und inneres System sichtbar zu machen und die wesentlichen verschiedenen Prinzipien und Wertungsmodelle hervortreten lassen.
Auch kann man - abhängig insb. vom betrachteten Gegenstand - ökonomische Erwägungen (Stichwort: Effizienz) in den Telos einfließen lassen. Da gibt es einen guten Aufsatz von Grundmann in RabelZ 1998 oder so.
Ferner kann man natürlich auch empirisch bzw. rechtssoziologisch arbeiten(das gibt es eine gewisse Renaissance, vgl. etwa für Deutschland jüngst zusammenfassend Hamann in AcP 2017 oder so).
Dann gibt es noch einen rechtsvergleichenden Ansatz...

Und natürlich ist es auch möglich, alles oder Teile zu kombinieren...

Es gibt also schon eine Vielzahl an Methoden, um einen Erkenntnisgewinn herbeizuführen, wobei die Wahl der richtigen abstrakt und losgelöst vom Betrachtungsgenstand wohl kaum identiziert werden kann. Vielmehr sollte man sich doch Fragen, was man erforschen will und welcher Weg der beste dazu ist. Auch ist es m.E. nicht empfehlenswert, bei Betrachtung eines bestimmten Gegenstands bzw. Rechtsbereichs, der Darstellung der Methode zuviel Platz einzuräumen...
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Re: Disserationsthread

Beitrag von jurapeasant »

Brainiac hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 15:30 In der dogmatischen Rechts(")wissenschaft(") gilt verifizierbar = vertretbar. Ziel ist dabei nicht das Finden irgendeiner vertretbaren Antwort auf deine Forschungsfrage, sondern der am besten vertretbaren.
Das sollte klar sein.

//offtopic, weil abgespacet: Mann kann den Gedanken auch weiterspinnen. Denn immer wenn man eine (gute) vertretbare Meinung gefunden hat, müsste es eine noch bessere geben. Wiederholt man diesen Prozess Richtung unendlich - man setzt auf die bessere Antwort die noch bessere drauf - nähert man sich zwangsläufig einem bestimmten, nicht tangierbaren Punkt an, den man die beste bzw. die wahre Antwort bezeichnen könnte. "Vertretbar" ist dabei der Spielraum den man sich offen lässt, weil eine Unterscheidung der Ansichten ab einem Punkt keine Relevanz mehr hat oder das menschliche Erfassungsvermögen übersteigt. In mathematischen Worten: Wenn 1 = die "beste Antwort" ist, die es zu finden gilt. Und alle Argumentationen sich im Bereich 0 --> 1 bewegen, dann könnte man den Spielraum vertrebarer Ideen zB ab 0.9 festlegen. Es gibt zwar unendlich mehr bessere Antworten als 0.95 (0.951, 0.9519, usw.), alle wären aber vertretbar. Dennoch gibt es die 1 als die wahre Antwort. :-k :turn-l:
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Tibor
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Re: Disserationsthread

Beitrag von Tibor »

Nein, weil es keinen objektiven Beurteiler gibt, der der Auffassung a) den Wert 0,95 und Auffassung b) den Wert 0,96 zuweisen kann. Es gibt nur > 0,9 oder < 0,9 (um bei denen Zahlen zu bleiben).
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Re: Disserationsthread

Beitrag von jurapeasant »

Tante Dagobert hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 15:48 ...
Danke! Das hilft mir schon einmal weiter :)

Tibor hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 16:10 Nein, weil es keinen objektiven Beurteiler gibt, der der Auffassung a) den Wert 0,95 und Auffassung b) den Wert 0,96 zuweisen kann. Es gibt nur > 0,9 oder < 0,9 (um bei denen Zahlen zu bleiben).
In dem Sinne richtig, dass ein Mensch eine konkrete Zuweisung nicht vornehmen kann, als dass er dafür 1 kennen müsste, um die Abweichung von der "wahren" Antwort zu bestimmen. Aber als Mensch kann man zu einem gewissen Punkt sagen a) ist besser als b). Und irgendwann ist der Unterschied zwischen a) und b) so groß, dass man sagen kann, a) ist vertretbar, b) aber nicht mehr.


Wenn du meinst es gebe dann eben nur > 0,9 (vertrebar) oder < 0,9 (nicht vertretbar), dann setzt dies aber bereits die Feststellung des Abgrenzungskriterium 0,9 voraus. Dieses ist aber nach deiner eigenen Aussage objektiv "nicht zuweisbar". Demnach wäre die Abgrenzung von vertrebar und unvertretbar nicht möglich. Aber kann natürlich sein, dass der Fehler in meiner niederen Vergleichsanalogie zur Mathematik steckt. Nichts für ungut.
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Re: Disserationsthread

Beitrag von Tibor »

Ja, ich denke die Krux liegt in der Verzifferung der Frage. Auch für die Frage vertretbar ja/nein wirst du natürlich keine einzig richtige Antwort erhalten.
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Re: Disserationsthread

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Auch die Vertretbarkeit lässt sich nicht zweifelsfrei „objektiv“ bestimmen.

Aber ich verstehe dein Anliegen noch immer nicht wirklich. Jura ist keine Naturwissenschaft.

Was spricht dagegen, sich schlicht ein Thema (also eine Frage) zu suchen und diese dann zu beantworten versuchen, wobei man sich je nach Fragestellung (ist diese empirischer, rechtspolitischer oder dogmatischer Natur) eine Vorgehensweise überlegt, die in sich stimmig und nachvollziehbar erscheint und diese dann konsequent durchzieht unter Anstrengung des eigenen Verstandes und Judiz?
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Re: Disserationsthread

Beitrag von OJ1988 »

Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 17:46 Was spricht dagegen, sich schlicht ein Thema (also eine Frage) zu suchen und diese dann zu beantworten versuchen, wobei man sich je nach Fragestellung (ist diese empirischer, rechtspolitischer oder dogmatischer Natur) eine Vorgehensweise überlegt, die in sich stimmig und nachvollziehbar erscheint und diese dann konsequent durchzieht unter Anstrengung des eigenen Verstandes und Judiz?
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jurapeasant
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Re: Disserationsthread

Beitrag von jurapeasant »

OJ1988 hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 17:59
Suchender_ hat geschrieben: Mittwoch 5. Dezember 2018, 17:46 Was spricht dagegen, sich schlicht ein Thema (also eine Frage) zu suchen und diese dann zu beantworten versuchen, wobei man sich je nach Fragestellung (ist diese empirischer, rechtspolitischer oder dogmatischer Natur) eine Vorgehensweise überlegt, die in sich stimmig und nachvollziehbar erscheint und diese dann konsequent durchzieht unter Anstrengung des eigenen Verstandes und Judiz?
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Gar nichts. Aber das beantwortet nicht meine Frage. Was sollte dagegen sprechen, sich erst einmal einen Überblick über die angewendeten Methoden zu verschaffen? Letzteres erweist sich als schwieriger als gedacht. Woher soll ich das wissen, bevor ich nicht die Frage dazu gestellt habe.
Gelöschter Nutzer

Re: Disserationsthread

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Aber du hast doch Jura studiert? Die meisten methodischen Vorgehensweisen liegen auf der Hand und ergeben sich aus der konkreten Fragestellung und der Natur der Sache.

Natürlich kann man alles verkomplizieren und tolle Namen dafür (er)finden, aber faktisch geht es bei Jura um reale Regeln für echte Menschen in der wirklichen Welt.

Da kann man sich nun z.B. überlegen, wie die Regeln inhaltlich funktionieren (Auslegung), wie die Regeln faktisch angewendet werden (Empirie), wie die Regeln in anderen Rechtsordnungen wirken (Rechtsvergleichung mit Auslegung und/oder Empirie), ob die Regeln eine moralische Rechtfertigung haben (Rechtsphilosophie) oder ob die Regeln durch neue Normen ersetzt oder ergänzt werden sollen (Rechtspolitik).

Aber das ist letztlich banal. Entscheidend ist allein die Fragestellung. Sie gibt bei Anstrengung des Verstandes sinnvolle Methoden vor, aus denen der "Rechtswissenschaftler" sich dann je nach Geschmack (!) die eine oder andere auswählt.
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