Strukturiertes Arbeiten

Alles rund um die Promotion zum Dr. iur. und den LL.M.

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Autumlove
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Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Autumlove »

Hallo,

Ich habe vor einigen Monaten meine Stelle als Doktorandin angenommen und mein Thema gefunden. Literatur habe ich zu den spezielleren Sachen soweit gefunden und gesammelt. Nun heißt es eben Literatur sichten und einarbeiten. Dazu bin ich momentan dabei irgendwie eine Struktur zu finden, allerdings fällt es mir sehr schwer, bei einem Thema zu bleiben. Ich lese etwas und habe dort etlich viele Nachweise (so wird es ja wohl allen Doktoranden gehen) und weiß nicht genau, wie ich damit umgehen soll. ](*,)

Wie stellt sich denn die Lage bei anderen Doktoranden und Doktorandinnen? Wie geht ihr mit dem Thema strukturiertes Durcharbeiten um? Würde mich über ein paar Vorgehensweisen sehr freuen

Liebe Grüße
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Tibor
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Tibor »

Eine Struktur in die tägliche Arbeit bekommt man nur rein, wenn man auch die Struktur (roter Faden) der noch im Entstehen befindlichen Dissertation berücksichtigt. Im Optimalfall hast du nicht nur ein Thema, sondern auch eine ungefähre Idee, wie du die Arbeit aufbaust (und wenn es erstmal wie bei der Falllösung nur ein paar Punkte sind: Anwendungsbereich, Tatbestand, Rechtsfolge, Würdigung). Umso mehr du im Thema steckst, umso mehr musst du dich jedesmal fragen, wo und wie du den Gedanken des eben gelesenen Aufsatzes o.ä. für deine Diss fruchtbar machen kannst. Dazu musst du ständig die Gliederung im Blick haben und aus- oder umbauen. Letztlich wirst du nicht umhin kommen ein paar Wochen oder gar Monate wild zu lesen und Kopien/Scans abzuheften, mit Klebezetteln zu versehen oder sonst zu ordnen. Du musst dir aber eine eigene Frist setzen, zu der du anfangen willst, zu einem Punkt was schreiben zu wollen. Ich habe ca. 4-5 Monate (Teilzeit) damit verbracht das Thema einzugrenzen und mir einen Überblick zu verschaffen. Danach hatte ich eine ungefähre Idee, was ich mir anschauen und wie ich das schriftlich aufbauen will. Danach habe ich Punkt für Punkt abgearbeitet und nebenbei aufgefischte Fundstücke notiert und versucht zu sortieren (könnte für Punkt x relevant werden). Umso tiefer man einsteigt, umso mehr schreibt man dann aber auch wieder um, weil man die Gliederung wieder anpasst. Das ist dann ganz normal. Wichtig war für mich eine klare und einheitliche Ablageform: Ich hatte damals alles in Papierform und selbst wenn ich ganze Bücher ausgliehen hatte (insb. Fernleihen), habe ich die relevanten Seiten nebst Inhaltsverzeichnis kopiert. Die Unterlagen habe ich dann in verschiedenen Leitz-Ordnern gesammelt. Dazu gab es immer einen "Ablage-Wergwerfhaufen", in den ich - aus aktueller Sicht - unnütze Dokumente gelegt habe, die ich allerdings nicht in die Papiertonne getan habe, sondern nach dem Motto "aus dem Auge, aus dem Sinn" behandelt habe.

Viel Erfolg.
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Autumlove »

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Eine Gliederung habe ich und ich weiß mittlerweile auch, wie ich das Ganze ungefähr aufbauen möchte. Dass es nicht so fix bleibt, ist mir bewusst. Mein Problem ist momentan nur, dass ich mit Lehrbüchern und Kommentaren arbeite und im Bereich des Strafrechts zur Schuld momentan was schreibe, da meine Diss sich im Bereich des Verkehrsstrafrechts liegt. Ich lese etwas zur allgemeinen Schuldfähigkeit, schreibe dies runter, lese im nächsten Satz was zur verminderten Schuldfähigkeit und komme sodann vom eigentlichen Anfangsthema "allgemeine Schuldfähigkeit" erstmal ab. Und ich habe das Gefühl, dass dieses "abdriften" mit jeder weiteren Fundstelle in einer Fußnote schlimmer wird. :alright
TobiasG
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von TobiasG »

Dein Problem ist einerseits ein Stück weit normal, andererseits eine Frage der Selbstdisziplin. Manchmal „genieße“ ich es, zu eher abwegigen Sachen lesen zu können, wofür ich im beruflichen Alltag nie die Zeit hätte, und dann stößt man durch das Schmöckern hin und wieder sogar auf eine interessante Fragestellung. Es soll ja bei einer Promotion auch nicht nur darum gehen, mit Scheuklappen ein Thema runterzuschreiben, sondern mitunter auch seine allgemeinen Kenntnisse in einem Rechtsgebiet zu vertiefen. Allerdings können solche Eskapaden auch nerven, wenn sie überhand nehmen und man nichts aufs Papier bringt. Was dabei manchmal hilft, sind Mindmaps, in die man dann auch entferntere Sachen eintragen kann und dann schnell(er) merkt, ob und wie das Gelesene vielleicht mit der Hauptthematik zu tun hat. Hast Du außerdem einen Neben-/Hauptjob? Limitierte Zeit zwingt einen oft eher zur Konzentration, als wenn man diese beinah unbegrenzt hat. Zudem färbt das zielorientierte Arbeiten im Job eher auf die Diss. ab.
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Praxiskommentar »

Ich persönlich bin ein Fan langer Einlesephasen und am Ende schreibe ich dann meine Erkenntnisse auf einmal herunter. Das hat auch den Vorteil, dass du das sehr wahrscheinlich in deinen eigenen Worten machen wirst und nicht unterbewusst dir Formulierungen anderer Autoren aneignest. Der Nachteil ist natürlich, dass man damit zurecht kommen muss, dass Wochen und Monate vergehen und man uU nichts zu Papier gebracht hat.
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Autumlove »

Also ich habe an sich kein Problem damit, dass ich beim Einlesen nichts zu Papier bringe. Habe zwar meine Gliederung soweit mal erarbeitet und weiß ungefähr, was ich schreiben möchte und werde das diese Woche mit meinem DV besprechen. Ich habe auch ein paar Sachen bereits runter geschrieben, um mich in die Formalia einzuarbeiten, sodass die von Anfang an stimmen und ich nicht nach dem vielen Lesen damit erstmal anfange muss.

Mein Problem ist eher, wie ich mit den etlichen Fußnoten umgehe in einem einzigen Beitrag. Ich bin irgendwie immer dazu geneigt direkt die Fußnote nachzulesen und verliere mich dann in dem zweiten Beitrag bzw. suche den direkt. Allerdings wenn ich es anders mache, indem ich erst den Beitrage lese und dann sämtliche Fußnoten mir als Literaturquelle suche, bin ich extrem schnell schlecht gelaunt. Mich interessiert einfach nur, wie andere mit dem "Problem" umgegangen sind und wie Andere das Ganze bewältigt haben.

Liebe Grüße und Danke
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von TobiasG »

Na ja, das ist freilich auch eine Frage der Selbstdisziplin und der persönlichen Herangehensweise. Wenn Du wegen einer Vorgehensweise "schlecht gelaunt" bist, funktioniert das offensichtlich bei Dir nicht. Jedenfalls ein Stück weit dürfte sich das Problem aber irgendwann legen, denn wenn man in einem Thema richtig drin ist, kennt man meist die wesentlichen Quellen irgendwann, und dann muss man auch nicht mehr jede Fußnote nachlesen. Überhaupt kann ich mir aber nicht ganz vorstellen, dass man wirklich jede Fußnote nachlesen muss. Ich handhabe das unterschiedlich: Teilweise (v.a. wenn es sich nur um Urteile bzw. die entsprecheden Leitsätze handelt) lese ich die Quellen auch gleich nach, teilweise - wenn es sich um wahrscheinlich Interessantes handelt - sehe ich nur kurz nach, ob die Quelle greifbar (beck/Präsenzbestand) ist, und speichere/hole sie dann nach dem Lesen des Beitrags. Wenn sie nicht greifbar ist, unterstreiche ich die Fußnote lediglich oder notiere mir die Fundstelle und bestelle sie dann. Irgendwann kann man dann ohnehin eher zum Sortieren/Verwalten der Quellen übergehen und bei Bedarf/Gliederungspunkt auf das entsprechende Fundstück zurückgreifen.
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Autumlove »

Alles nachlesen muss man denke ich nicht, wenn es nicht zum Thema passt. Allerdings muss man ja immer die Primärquelle erwähnen und ich habe manchmal das Gefühl bzw. auch einfach erlebt, dass viele in Zeitschriftenbeiträgen nicht die Primärquelle erwähnen. Da wird bei Sätzen wie "In der Praxis wird der § 21 StGB sehr häufig verwendet" andere Literaturquellen benutzt, obwohl es ein Verweis auf die Praxis ist.
Ich habe momentan ein wenig die Angst, den Überblick zu verlieren, wenn ich manches hinten anstelle, weil es nicht direkt greifbar ist und z.B. wenn es nur in einer Bibliothek einsehbar ist, ich es dann sammel und nur für mehrere Werke zusammen dann hingehe, am Ende nicht mehr weiß, wofür das ist.

Ich tausche mich immer gerne mit anderen aus, allerdings haben meine Freunde und Kommilitonen entweder das Examen noch nicht bestanden oder sind den Weg ins Ref direkt gegangen, weshalb ich mit denen darüber nicht wirklich reden kann. Deshalb wollte ich mir einfach die Praxis anderer Doktoranden anhören, wie die mit dem Problem umgehen :)

Ich möchte keine Lösung für mein Problem von jemandem hören, geht auch gar nicht. Da muss ich alleine mit fertig werden. Aber es ist immer schön mal zu hören bzw. zu lesen, wie andere so an ihre Diss und die Literaturfülle heran gehen und welche "Überlebensstrategien" andere so entwickelt haben :)
Praxiskommentar
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Praxiskommentar »

Man muss lernen zu filtern und das ist ein ganz natürlicher Prozess des Promovierens. Dazu gehört auch Selbstdisziplin, an einem Thema dran zu bleiben und sich nicht ablenken zu lassen sowie ein gutes System aus Wiedervorlage bzw. Systematisierung der Literatur.
Am Ende hat mir aber zum Durchbruch verholfen, dass ich nicht immer alles sofort nachlesen wollte, sondern angefangen habe, Themenkomplexe konzentriert zu erforschen.
Autumlove
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Re: Strukturiertes Arbeiten

Beitrag von Autumlove »

Praxiskommentar hat geschrieben:Man muss lernen zu filtern und das ist ein ganz natürlicher Prozess des Promovierens. Dazu gehört auch Selbstdisziplin, an einem Thema dran zu bleiben und sich nicht ablenken zu lassen sowie ein gutes System aus Wiedervorlage bzw. Systematisierung der Literatur.
Am Ende hat mir aber zum Durchbruch verholfen, dass ich nicht immer alles sofort nachlesen wollte, sondern angefangen habe, Themenkomplexe konzentriert zu erforschen.
Danke, dass hört man gerne, dass sich das Schema bezahlt gemacht hat :)
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