Der Niedergang des Dr. iur.

Alles rund um die Promotion zum Dr. iur. und den LL.M.

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Kasimir
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Kasimir »

Freedom hat geschrieben:Einfach im Fachgebiet des späteren Berufseinstiegs die Diss auf Englisch schreiben. Bin mir diesbezüglich zwar noch nicht sicher, aber die Literatur die ich auszuwerten habe ist ohnehin größtenteils auf Englisch. Wenn das der spätere Arbeitgeber nicht als gleichwertig anerkennt, empfinde ich das jedenfalls als fragwürdig.

„Wenn sich jemand für Luft- und Raumfahrtrecht interessiert und daraus ein LL.M.-Projekt in den USA macht, warum nicht“,
Und das soll dann vom Arbeitgeber mehr wertgeschätzt werden, als ein Kandidat, der sich bereits frühzeitig auf ein Fachgebiet festgelegt, in diesem Fachwissen aufgebaut und sich damit intensiv in der englischen Sprache befasst hat? Das sehe ich äußerst kritisch.

Auch allgemein kann ich nicht nachvollziehen, wieso einem ständig von irgendwelchen Anwälten gesagt wird, man könne in jedem Fachgebiet promovieren, worauf man Lust hat - mag ja sein dass man auch damit das juristische wissenschaftliche Arbeiten erlernt, aber wieso nicht 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen?
Es geht beim LL.M. ja nicht nur darum, Englisch zu lernen, sondern auch darum, eine andere Kultur bzw. über den eigenen Tellerrand zu schauen. Die Diss "einfach" auf Englisch zu verfassen ist daher kein Ersatz für den LL.M.
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Freedom
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Freedom »

Kasimir hat geschrieben:
Es geht beim LL.M. ja nicht nur darum, Englisch zu lernen, sondern auch darum, eine andere Kultur bzw. über den eigenen Tellerrand zu schauen. Die Diss "einfach" auf Englisch zu verfassen ist daher kein Ersatz für den LL.M.
Tut man das nicht auch im Rahmen eines Austauschjahres in der Schule oder bei Erasmus? Was ist denn mit Menschen, die in einem anderen Land aufgewachsen sind, in einem englischsprachigen Land ihr Studium begonnen haben oder bei ihrer Diss Forschungsaufenthalte in den USA oder Großbritannien absolvieren? Dieses Argument mit dem "Über den eigenen Tellerrand schauen" habe ich schon öfters gelesen, überzeugen tut es es in dieser Pauschalität aber nicht. Zumal es sich dabei um einen höchstpersönlichen Aspekt handelt, den ich nur schwerlich finanziell honorieren kann, denn inwieweit man dann wirklich andere Kulturen kennenlernt hängt individuell von der jeweiligen Person ab.

Letztlich spielen da eine Menge Faktoren rein - "Schmalspurdiss" in einem Randgebiet, die nach kürzester Zeit durchgewunken wird, qualitativ hochwertige Diss, mit der zusätzlich Sprach- und Fachkenntnisse aufgebaut werden. Natürlich ist Zeit nicht gleichzusetzen mit Qualität, dennoch dürfte es erhebliche Unterschiede im aus der Diss gezogenen Mehrwert für eine Kanzlei geben. Ebenso wird ein LLM in Harvard oder Yale kaum mit einem Party-LL.M. vergleichbar sein.

Legitime Argumente sind dagegen natürlich wirtschaftliche Faktoren, d.h. keine umständliche Einzelfallabwägung vornehmen zu müssen und die Gleichheit nach Innen, um Konflikten vorzubeugen.
Dennoch wäre auch hier eine Lösung, die LL.M. und Dr. jeweils in gleichen Teilen berücksichtigt, überzeugender.

Ich denke das zentrale Argument für den LL.M. dürfte sein, dass solche Personen in aller Regel bessere Englischkenntnisse mitbringen und sich damit im internationalen Geschäft in aller Regel schneller einfinden. Wenn das nicht gegeben ist - als Extrembeispiel mag hier der zweisprachig aufgewachsene Absolvent dienen - überzeugt mich die höhere Wertigkeit des LL.M. nicht.

Dass die Gehälter insgesamt wahnsinnig hoch sind steht auf einem anderen Blatt.
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Pippen
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Pippen »

Für mich sind Dr. oder LLM nur schlichte Mittel, von Vornherein die Danni Lowinskis dieser Welt auszusortieren, weil man sich o.g. Titel nur leisten kann, wenn man moralisch und vermögend in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Mehr ist das nicht. Weder wissenschaftlich noch kompetitiv haben diese Titel irgendwas zu sagen, so wie im Fußball die Cups vor Saisonstart, wo SPORT1 auch mal ran darf, weils niemanden interessiert.
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JulezLaw
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von JulezLaw »

Steile These. Dazu zwei Fragen: Bist du promoviert, und inwiefern muss man für eine Diss "moralisch und vermögend in der Mitte der Gesellschaft angekommen" sein? (Den LLM zumindest hinsichtlich des Vermögens mal außen vor gelassen, wenngleich ich angesichts der Preise für solche Programme das bei Selbstzahlung jedenfalls für die Mitte der Gesellschaft für zweifelhaft halte)

Edit: Und muss man wissen, wer Danni Lowinski ist oder habe ich da eine verzeihliche Wissenslücke? :-k
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Tibor
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Tibor »

Pippen hat geschrieben:Für mich sind Dr. oder LLM nur schlichte Mittel, von Vornherein die Danni Lowinskis dieser Welt auszusortieren, weil man sich o.g. Titel nur leisten kann, wenn man moralisch und vermögend in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Mehr ist das nicht. Weder wissenschaftlich noch kompetitiv haben diese Titel irgendwas zu sagen, so wie im Fußball die Cups vor Saisonstart, wo SPORT1 auch mal ran darf, weils niemanden interessiert.
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von JulezLaw »

I see.
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Pippen »

JulezLaw hat geschrieben: Samstag 16. Juni 2018, 09:40 Edit: Und muss man wissen, wer Danni Lowinski ist oder habe ich da eine verzeihliche Wissenslücke? :-k
Danni Lowinski ist eine Serienanwältin, ehemals eine Friseuse, die studiert hat und aus dem "unteren Mileu" kommt; sie macht ihre Kanzlei im Durchgang eines Kaufhauses auf und erlebt so allerhand. Genau solche oder ähnliche Leute wollen renommierte Kanzleien nicht und Titel selektieren da extrem gut und verschleiernd vor. So zumindest mein Eindruck.

Ähnlich ist es auch mit den Examensnoten, wenn Kanzleien nur Leute mit VB suchen. Das dient als bragging vor Mandanten oder anderen Kanzleien bzw. als Autoritätsersatz (auch bei Vater Staat, zB "Unsere Richter sind nur Leute mit ganz tollen Noten, bitte also Urteil möglichst hinnehmen"). Denn natürlich ist es völlig irrelevant, ob jmd. 15 oder 5 Punkte hat, wenn er sich ein paar Monate in einem Referat einarbeitet. Der Unterschied zwischen einem 15er und einem 5er Juristen ist ja gerade "nur", dass Ersterer ein besseres Gedächtnis und höhere Intelligenz besitzt, aber genau das spielt in der Alltagsroutine keine Rolle mehr, weil diese "konvergiert", d.h. unser 5er-Jurist weiß zB nach dem 5. Abmahnungsfall 95% über Abmahnungen, nach dem 10. Fall 99%, nach dem 20. Fall 99,9%, während der 15er-Jurist schon beim ersten Abmahnungsfall 95% weiß, nach dem 5. Fall dann 99,9%, aber man sieht, dass es nach dem 10. Fall keine meßbare Rolle mehr spielt, wer 15 und wer 5 Punkte hatte.
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von JulezLaw »

Nun, zumindest eine Frage hast du beantwortet. Wenngleich diejenige, auf die ich am wenigsten spannend auf die Antwort war.
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Tibor
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Tibor »

Ein 15 Punkte Kandidat wird aber nicht als Einzelanwalt Miet- und Arbeitsrecht von der Stange abarbeiten.
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Pippen »

Tibor hat geschrieben: Samstag 16. Juni 2018, 10:12 Der Pippen und der Doktor
Ja, Äsops Fabel, die Rettung aller Scharlatane. Wenn die Onkels von den Naturwissenschaften den Astrologen mal wieder die Leviten lesen, dann sind die halt nur neidisch, weil sie keinen Zugang zum höheren Weltbewußtsein haben, das Pack. :)
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Pippen »

Tibor hat geschrieben: Samstag 16. Juni 2018, 10:58 Ein 15 Punkte Kandidat wird aber nicht als Einzelanwalt Miet- und Arbeitsrecht von der Stange abarbeiten.
Er wird halt was anderes "abarbeiten" und sobald er das tut, tritt das Gesetz der Konvergenz in Kraft, jedenfalls meiner Erfahrung nach, zugegeben keine GK, nur Boutiquen und drunter. Juristerei ist per se Mittelmäßigkeit - man muss ja letztlich immer normale Leute überzeugen - da bringt es nix, besonders gut zu sein, jedenfalls mittelfristig, kurzfristig natürlich.
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von JulezLaw »

Du hast immer noch keine Frage beantwortet.
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Ara »

Pippen hat geschrieben: Samstag 16. Juni 2018, 10:28 Der Unterschied zwischen einem 15er und einem 5er Juristen ist ja gerade "nur", dass Ersterer ein besseres Gedächtnis und höhere Intelligenz besitzt, aber genau das spielt in der Alltagsroutine keine Rolle mehr, weil diese "konvergiert", d.h. unser 5er-Jurist weiß zB nach dem 5. Abmahnungsfall 95% über Abmahnungen, nach dem 10. Fall 99%, nach dem 20. Fall 99,9%, während der 15er-Jurist schon beim ersten Abmahnungsfall 95% weiß, nach dem 5. Fall dann 99,9%, aber man sieht, dass es nach dem 10. Fall keine meßbare Rolle mehr spielt, wer 15 und wer 5 Punkte hatte.
Es gibt Juristen die es nicht mal schaffen die eigene Argumentation stringent in nen Schriftsatz zu bekommen. Da helfen auch keine 100 Fälle die er bearbeitet hat. Ich habe aktuell ne Berufungsbegründung von der Gegenseite, die wie Kraut und Rüben alles durcheinander wirft ... Anscheinend weiß der Anwalt auch nicht, dass er Berufungsgründe braucht und nicht einfach seine Rechtsansicht nochmal vorbringen darf.

Hast du dagegen von den Großkanzleien Schriftsätze auf der Gegenseite, dann hat das ganze regelmäßig zumindest ne gewisse Ordnung und man kann zumindest logisch nachvollziehen, was wohl ihre Ansicht ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von Tobias__21 »

Ara hat geschrieben: Samstag 16. Juni 2018, 12:21
Pippen hat geschrieben: Samstag 16. Juni 2018, 10:28 Der Unterschied zwischen einem 15er und einem 5er Juristen ist ja gerade "nur", dass Ersterer ein besseres Gedächtnis und höhere Intelligenz besitzt, aber genau das spielt in der Alltagsroutine keine Rolle mehr, weil diese "konvergiert", d.h. unser 5er-Jurist weiß zB nach dem 5. Abmahnungsfall 95% über Abmahnungen, nach dem 10. Fall 99%, nach dem 20. Fall 99,9%, während der 15er-Jurist schon beim ersten Abmahnungsfall 95% weiß, nach dem 5. Fall dann 99,9%, aber man sieht, dass es nach dem 10. Fall keine meßbare Rolle mehr spielt, wer 15 und wer 5 Punkte hatte.
Es gibt Juristen die es nicht mal schaffen die eigene Argumentation stringent in nen Schriftsatz zu bekommen. Da helfen auch keine 100 Fälle die er bearbeitet hat. Ich habe aktuell ne Berufungsbegründung von der Gegenseite, die wie Kraut und Rüben alles durcheinander wirft ... Anscheinend weiß der Anwalt auch nicht, dass er Berufungsgründe braucht und nicht einfach seine Rechtsansicht nochmal vorbringen darf.

Hast du dagegen von den Großkanzleien Schriftsätze auf der Gegenseite, dann hat das ganze regelmäßig zumindest ne gewisse Ordnung und man kann zumindest logisch nachvollziehen, was wohl ihre Ansicht ist.
So ist es. Als ich in der Berufungskammer beim LG war, bin ich stellenweise vom Glauben abgefallen. Das war unfassbar, was man da teilweise lesen musste. Hatte auch mal einen Schriftsatz von ner GK, den hättest grad 1:1 als Urteil abschreiben können. War schon gut :)
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Re: Der Niedergang des Dr. iur.

Beitrag von thh »


Pippen hat geschrieben: Der Unterschied zwischen einem 15er und einem 5er Juristen ist ja gerade "nur", dass Ersterer ein besseres Gedächtnis und höhere Intelligenz besitzt, aber genau das spielt in der Alltagsroutine keine Rolle mehr, weil diese "konvergiert", d.h. unser 5er-Jurist weiß zB nach dem 5. Abmahnungsfall 95% über Abmahnungen, nach dem 10. Fall 99%, nach dem 20. Fall 99,9%, während der 15er-Jurist schon beim ersten Abmahnungsfall 95% weiß, nach dem 5. Fall dann 99,9%, aber man sieht, dass es nach dem 10. Fall keine meßbare Rolle mehr spielt, wer 15 und wer 5 Punkte hatte.
Denkt sich zumindest der "5er Jurist".
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