Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

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Gelöschter Nutzer

Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Tausche guten Job als Wirtschaftsanwalt gegen guten Job als Staatsanwalt?

Hatte mich gleich nach dem Examen bei der StA beworben, doch sehr sehr lange nichts von denen gehört. Bis ich gerade mal 2 Wochen im neuen und jetzigen Job war.

Der StA sagte, er würde mich nach 10 Monaten noch mal anrufen. Ich solle dann sagen, ob ich noch zur StA wolle. Und ratet mal, die 10 Monate sind bald um und was ich sagen werde weiß ich nicht. Die Entscheidung werde ich schon selbst treffen. Was ich mir vom Forum wünsche, sind ein paar Entscheidungshilfen von Praktikern.

Mein jetziger Job ist super. Vielleicht ist der Job bei der StA auch super. Ohne es auszuprobieren werde ich es nie wissen. Aber etwas Gutes aufgeben für etwas Ungewisses aber vielleicht auch Gutes? 10 Monate Wirtschaftsanwalt gegen 3 Monate Referendarsstation bei der StA. Freie Wirtschaft gegen Beamtentum? Was wäge ich da eigentlich gegeneinander ab? Ich glaube kaum, dass man als das eine oder das andere berufen ist. Letztlich ist man als Jurist doch in allem gut. Also wonach soll ich gehen?

Wie ist es als Berufsanfänger StA? Habe hier schon so manchen Forumsbeitrag gelesen, aber es bleibt alles sehr an der Oberfläche. Geld und Arbeitszeit werden diskutiert. Was gibt es noch? Bitte plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen! Bin für jeden Denkanstoß dankbar!
Gelöschter Nutzer

Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

an deiner stelle würde ich nicht wechseln, da du deinen jetzigen job "super" findest. wo ist also das problem?
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Volki
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Volki »

Staatsanwalt ist der beste Beruf neben Papst. Man arbeitet weitestgehend unabhängig und immer objektiv, darf Strafrecht machen und bekommt auch noch Geld dafür, ist Teil einer Behörde mit entsprechendem sozialen Netz und kollegialem Umgang, wird gut vertreten, wenn man Urlaub hat, bekommt überhaupt ausreichend Urlaub, wird (auf Lebenszeit gerechnet, angesichts Beihilfe und Pensionsanspruch) gut bezahlt und sieht Frau und Kinder nicht nur nach 20.00 Uhr. Die Ausstattung der Behörden mit modernen Kommunikationsmitteln ist inzwischen zeitgemäß, die Fortbildungsmöglichkeiten in Ordnung und die Aufstiegschancen, wenn man denn darauf aus und örtlich ungebunden ist, nach einigen Jahren eigentlich ganz ausgezeichnet. Man liest in der Zeitung über sich. Nachbarn und Freunde können sich unter dem Job was vorstellen. Strafverteidiger hofieren einen. Und, nicht zu unterschätzen, man vergießt keine Magensäure in schlaflosen Nächten im Hinblick auf mögliche einen selbst betreffende betriebsbedingte Kündigungen, Unternehmesinsolvenzen, Umsatzprognosen, Partnerchancen, Up-or-out-Regeln und anderen Killefick. Kurz: Staatsanwalt macht glücklich.
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schneehase
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von schneehase »

Volki hat geschrieben:Staatsanwalt ist der beste Beruf neben Papst.
:D

Seh ich auch so! (Hoffe das war ernst gemeint, aber da es ja stimmt...)
Ich kann nur aus "meinem" Laden berichten, aber denke das gilt auch für den Rest der Nation:
Kollegialität wird ganz groß geschrieben, Unterstützung und Hilfe gibt es immer und zu (fast) jeder Zeit, vor allem für Berufsanfänger. Man darf nicht vergessen: Am Anfang kann man so gut wie gar nichts. Die ersten Monate sind sehr hart, kein Unterschied zur Großkanzlei aus meiner Sicht. Aber im weiteren Verlauf wird es immer besser.
Man übernimmt eine Menge Verantwortung, vor allem aus moralischer Sicht mehr als in vielen anderen juristischen Berufen und tut tagtäglich etwas, dessen Bedeutung und Notwendigkeit man überhaupt nicht in Frage stellen kann.
Ohne hier jemandem auf die Füße treten zu wollen: In meinem vorherigen Job als Anwältin hab ich mich oft nach dem Sinn und Zweck meiner Arbeit und meiner Mühen gefragt...
Ich habe allerdings nur wenige Monate als Anwältin gearbeitet, daher kann ich mir kein abschließendes Urteil bilden.

Fazit aus meiner Sicht:
Die Entscheidung zur StA zu gehen hat schon etwas mit "Berufung" zu tun. Wenn Du Dich nur dafür entscheidest, weil Du den Job als angenehmer bzgl. Arbeitszeiten, Absicherung im Ruhestand etc. empfindest, nimmst Du jemandem, der ihn wirklich will die Stelle weg.
"Ab einem wasserstand von 1.20 m beginnt der soldat selbständig mit schwimmbewegungen. Die grußpflicht entfällt hierbei."
Swann
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Swann »

Wirkt es nicht ab einer gewissen Zeit charakterlich deformierend, immer den Ankläger zu spielen?
U-Turn
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von U-Turn »

Mal nebenbei: Stimmt das Gerücht eigentlich das die Einstellungskriterien zur Staatsanwaltschaft generell etwas weniger hoch sind im Vergleich zum Richter? Mir ist zu Ohren gekommen (von einem sehr jungen Richter) das jedenfalls in HH für den Richterjob zwei zweistellinge VB Voraussetzung seien, während man bei der Sta auch mit einstelligen VB Chancen hätte.
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Volki
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Volki »

Kommt darauf an. Da in vielen Bundeländern nicht nach Laufbahnen unterschieden wird, man also in der Probezeit sowohl als Richter als auch als StA arbeitet, sich erst bei der Verplanung entscheidet und auch anschließend noch hin und her wechseln kann, gibt es dort keine unterschiedlichen Anforderungen. In den Ländern, in denen das anders gehandhabt wird, man sich also entweder hier oder dort bewirbt, können die Anforderungen natürlich je nach Bewerbermarkt unterschiedlich sein.
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Volki
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Volki »

Swann hat geschrieben:Wirkt es nicht ab einer gewissen Zeit charakterlich deformierend, immer den Ankläger zu spielen?
Für Leute, die nur "spielen" möglicherweise. Die meisten anderen können zwischen Beruf und Leben unterscheiden. Professionalism, baby.
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Swann
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Swann »

Die Frage war ernster gemeint als es vielleicht den Anschein hatte. Verändert sich nicht die Herangehensweise an eine Akte mit der Zeit? Stumpft man nicht ab?
Im übrigen weiß ich nicht, ob Professionalität einen wirklich gänzlich davor bewahrt, dass der Beruf auf das Leben abfärbt. Professionalität ist da sicher ein Bollwerk, aber ob auch das nicht irgendwann von der Zeit geschleift wird?
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Djampapua »

Denke das wird nicht anders sein, als bei einem Strafverteidiger, einem FA für Familienrecht, dem Chirugen oder nem Gerichtsvollzieher.
Am Band bei Ford oder Daimler stumpft man auch ab. Im Marketing gibt es auch die Gefahr, ins Oberflächliche abzurutschen.
Jeder Beruf färbt über kurz oder lang auf den Charakter ab.

Bei Juristen beginnt das meist nur schon im Studium ... spätestens in der Examensvorbereitung.
Learned Hand
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Learned Hand »

U-Turn hat geschrieben:Mal nebenbei: Stimmt das Gerücht eigentlich das die Einstellungskriterien zur Staatsanwaltschaft generell etwas weniger hoch sind im Vergleich zum Richter? Mir ist zu Ohren gekommen (von einem sehr jungen Richter) das jedenfalls in HH für den Richterjob zwei zweistellinge VB Voraussetzung seien, während man bei der Sta auch mit einstelligen VB Chancen hätte.
Ist eine Frage des Marktes, wie Volki schon geschrieben hat. Vermutlich ist die Zahl der Bewerber fürs Richteramt in Hamburg einfach höher (mit gutem Grund, der Job ist sogar noch besser als Pabst ;-); gleichzeitig erscheint es mir ungemein sinnvoller, Leute direkt bei der StA einzustellen, die da auch wirklich hinwollen. Der alte Spruch, die StA sei die Kavallerie der Justiz, ist auf jeden Fall schon lange überholt.
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textmarker
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von textmarker »

Bekannte schafft bei der StA, 7 Tage Woche für R1. Scheint mir nicht erstrebenswert. Arbeite selbst als "Wirtschaftsanwalt" (was immer nach Kneipe klingt) weniger und bin besser bezahlt.

Zusätzlich stellt sich ja auch noch die Frage, wie man inhaltlich arbeiten möchte und in welchem Umfeld man das tun möchte. Beides sollte man für sich selbst auswürfeln.
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Gelöschter Nutzer

Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@textmarker:

Schlecht für sie, schön für Dich. Das ist ernst und nicht sarkastisch gemeint. Allgemein wird eher - so in meinem Bekanntenkreis - umgekehrt ein Schuh draus.

Ansonsten unterschreibe ich Volkis Stellungnahme \:D/
Gelöschter Nutzer

Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@swann:

Gegenfrage: Wird es nicht charakterlich deformierend, immer das gleiche Vertragsgrundmuster auf den aktuellen Deal umzuschreiben, und immer die selben Fragen auf der dd zu prüfen?

Die Tätigkeit bei der StA hat einen großen Vorteil: Man erlebt relativ schnell den eigenen Erfolg oder Mißerfolg.
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Baron
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Re: Wirtschaftsanwalt contra Staatsanwalt

Beitrag von Baron »

textmarker hat geschrieben:Bekannte schafft bei der StA, 7 Tage Woche für R1. Scheint mir nicht erstrebenswert. Arbeite selbst als "Wirtschaftsanwalt" (was immer nach Kneipe klingt) weniger und bin besser bezahlt.
.
ich kenn es, ehrlich gesagt, auch nur so. zumindest bei den berufsanfängern.
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