"Liebe" oder "Sehr geehrte"
Moderator: Verwaltung
- Einwendungsduschgriff
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Ihr interpretiert in dieser "Liebe/r" einfach sehr viel rein. Schaut man sich einmal "Sehr geehrte/r" an, so entwickelt sich daraus bei bloßer sprachlicher Auseinandersetzung eine äußerst zynische Anrede. Sie ist aber wegen Ihrer gewordenen Üblichkeit von dieser Betrachtung frei geworden und so ist es eben auch bei "Liebe/r" regelmäßig.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
- Ara
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
"Sehr geehrte Damen und Herren, liebes Gericht..."
Ich finde "Lieber" nicht zwangsweise zynisch, aber ich finde es schon sehr eigenartig, dass mir jemand einfach so seine Liebe in der Anrede erklärt. Der Schritt zum Duzen ist dann auch nicht mehr weit.
Aber vielleicht trifft bei dem Thema wirklich das kühle Nordlicht auf den Busserl-Bayern.
Meine Stromrechnung beginnt übrigens mit "Moin, Herr ..." Da will jemand ganz regional sein!
Ich finde "Lieber" nicht zwangsweise zynisch, aber ich finde es schon sehr eigenartig, dass mir jemand einfach so seine Liebe in der Anrede erklärt. Der Schritt zum Duzen ist dann auch nicht mehr weit.
Aber vielleicht trifft bei dem Thema wirklich das kühle Nordlicht auf den Busserl-Bayern.
Meine Stromrechnung beginnt übrigens mit "Moin, Herr ..." Da will jemand ganz regional sein!
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Also "liebes Gericht" ginge aus meiner Sicht gar nicht. Übrigens genausowenig wie die Anrede Deines Stromerzeugers; allerdings gehe ich als Südländerin davon aus, es heißt sowas wie "morgen", also noch informaler als "Guten Morgen/Guten Tag".
Und Einwendungsduschgriff hat recht, lieber Ara, das ist bei uns eine normale formale Anrede. Allerdings kenne ich es auch nur in Bezug auf eine bestimmte Person, "liebe Damen und Herren" ist mir verschriftlicht eher nicht bekannt.
Ah: Ausnahme: Bei der Anrede einer homogenen Gruppe, hier im Kindergartenbrief: "Liebe Eltern...".
Übrigens ein Ort, in dem mich eine formale Anrede mit "Dr." massivst irritiert hatte, vor allem in der Kombi mit "ihre Tochter [[Schnuckiputzischneuzihässchen]] hat es nicht bis zur Toilette geschafft". Und Swann, im akademischen Umfeld würde ich auch nur diejenigen ohne Titel anreden, die entweder den gleichen Titel wie ich haben oder mir formal gleich gestellt sind. Wie ist es eigentlich im Verhältnis Anwalt (promoviert, ggf. auch habilitiert) zu Nicht-Anwälten in einer Kanzlei?
Und Einwendungsduschgriff hat recht, lieber Ara, das ist bei uns eine normale formale Anrede. Allerdings kenne ich es auch nur in Bezug auf eine bestimmte Person, "liebe Damen und Herren" ist mir verschriftlicht eher nicht bekannt.
Ah: Ausnahme: Bei der Anrede einer homogenen Gruppe, hier im Kindergartenbrief: "Liebe Eltern...".
Übrigens ein Ort, in dem mich eine formale Anrede mit "Dr." massivst irritiert hatte, vor allem in der Kombi mit "ihre Tochter [[Schnuckiputzischneuzihässchen]] hat es nicht bis zur Toilette geschafft". Und Swann, im akademischen Umfeld würde ich auch nur diejenigen ohne Titel anreden, die entweder den gleichen Titel wie ich haben oder mir formal gleich gestellt sind. Wie ist es eigentlich im Verhältnis Anwalt (promoviert, ggf. auch habilitiert) zu Nicht-Anwälten in einer Kanzlei?
Ara: "Naja an TF sieht man halt, was passiert wenn man Franz Josef Wagner ein Gehirn geben würde.."
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Nach meinem Eindruck trifft Swanns Aussage für das akademische Umfeld absolut zu. Wenn man nicht gerade von sich aus einer "ranghöheren" Person schreibt, mit der man noch nie Kontakt hatte, ist die bevorzugte Anrede in aller Regel "Liebe/r", und es werden keine Titel genannt. Würde man andernfalls Titel nennen, würde das wohl - je nachdem, welche Position man selber hat - sogar mit Befremden registriert.Franzie hat geschrieben:Und Swann, im akademischen Umfeld würde ich auch nur diejenigen ohne Titel anreden, die entweder den gleichen Titel wie ich haben oder mir formal gleich gestellt sind.
Insofern denke ich übrigens auch nicht, dass es hier um eine Nord-Süd-Differenz geht. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass die Ablehnung gegenüber der Anrede "Liebe/r" hier zunimmt, je weniger Bezug man selbst (noch) zum akademischen Umfeld hat.
"Honey, I forgot to duck."
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Interessant. Hallo und Guten Tag empfinde ich als völlig normale Anreden in einer Mail, außer vielleicht zur ersten Kontaktaufnahme. Ich verstehe auch nicht, wie man sich über eine im mündlichen Umgang geradezu selbstverständliche Anrede echauffieren kann, wenn diese in Textform geäußert wird. "Lieber" finde ich hingegen oft etwas zu persönlich. Beste Grüße empfinde ich formeller als das doch sehr private Viele Grüße. Seltsam finde ich dann die Nennung des eigenen Titels.
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Leider gibt es auch im "akademischen Umfeld" keine einzig richtige Lösung. Zeigt sich beispielhaft an diesem Text:
http://www.zaar.uni-muenchen.de/studium ... index.html
Alle dürfen jetzt einmal darüber nachdenken, ob sie sich daran halten wollen.
http://www.zaar.uni-muenchen.de/studium ... index.html
Alle dürfen jetzt einmal darüber nachdenken, ob sie sich daran halten wollen.
- Pillendreher
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Die Arbeitsrechtler bei uns haben wohl zu viel Zeit.
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- Zippocat
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Nein, das kann jedenfalls nördlich von Hannover völlig tageszeitenunabhängig als Hallo-Synonym gebraucht werden.Franzie hat geschrieben:Also "liebes Gericht" ginge aus meiner Sicht gar nicht. Übrigens genausowenig wie die Anrede Deines Stromerzeugers; allerdings gehe ich als Südländerin davon aus, es heißt sowas wie "morgen", also noch informaler als "Guten Morgen/Guten Tag".
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Ja habt Ihr denn noch nie einen Liebesbrief geschrieben? Wer "Liebe X" als adäquate Anrede in einem Liebesbrief empfindet, unterschreibt ihn wahrscheinlich auch "mit freundlichen Grüßen".
Aber wenn ich mir die Verunsicherung hier anschaue, wundere ich mich über Mandanten, die mich mit "Grüße Sie, Herr X" anschreiben nicht mehr.
"Sehr geehrte/r Frau/Herr" ist die neutrale Anrede. "Liebe/r Frau/Herr" etwas vertrauter. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Aber wenn ich mir die Verunsicherung hier anschaue, wundere ich mich über Mandanten, die mich mit "Grüße Sie, Herr X" anschreiben nicht mehr.
"Sehr geehrte/r Frau/Herr" ist die neutrale Anrede. "Liebe/r Frau/Herr" etwas vertrauter. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
- Tikka
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Jo.Zippocat hat geschrieben:Nein, das kann jedenfalls nördlich von Hannover völlig tageszeitenunabhängig als Hallo-Synonym gebraucht werden.Franzie hat geschrieben:Also "liebes Gericht" ginge aus meiner Sicht gar nicht. Übrigens genausowenig wie die Anrede Deines Stromerzeugers; allerdings gehe ich als Südländerin davon aus, es heißt sowas wie "morgen", also noch informaler als "Guten Morgen/Guten Tag".
(Soll heissen, je näher man an der Küste ist, ersetzt ein Moin: "Hallo; Guten Morgen/Tag/Abend; Sehr geehrte Kollegen der Interessengemeinschaft historischer Traktoren Nordkehdingen; Liebe Skatbrüder, etc. p.p.)
Ein "Moin, Moin" ist aber eher verräterisch.
Davon ab: Selbst als regionaler Stromversorger darf es ruhig etwas förmlicher sein. Insbesondere wenns um Hamburg geht, wo etwa genau soviele Norddeutsche beheimatet sind wie in Berlin-Mitte gebürtige Berliner.
@ Pillendreher: Nicht umbedingt. Der Autor hat, was man auch an den sonstigen "pointierten" Veröffentlichungen merkt, ein enormes Sendungsbewusstsein.
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
- Ara
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Die Kündigungsbestätigung ist übrigens mit "Tschüß*" abgeschlossen, wobei das * zu einem PS (ja zu einem PS! in einem geschriebenen Brief!) führt mit dem Inhalt: "In Hamburg sagt man Tschüss - das heißt "Auf Wiedersehen". Bis bald!"Tikka hat geschrieben: Davon ab: Selbst als regionaler Stromversorger darf es ruhig etwas förmlicher sein. Insbesondere wenns um Hamburg geht, wo etwa genau soviele Norddeutsche beheimatet sind wie in Berlin-Mitte gebürtige Berliner.
Man hält seine überregionalen Kunden anscheinend auch noch für etwas blöd.
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Ehemalige überregionale Kunden.Ara hat geschrieben: Die Kündigungsbestätigung [..]
Man hält seine überregionalen Kunden anscheinend auch noch für etwas blöd.
Ara: "Naja an TF sieht man halt, was passiert wenn man Franz Josef Wagner ein Gehirn geben würde.."
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Nach meinem Eindruck trifft Swanns Aussage für das akademische Umfeld absolut zu. Wenn man nicht gerade von sich aus einer "ranghöheren" Person schreibt, mit der man noch nie Kontakt hatte, ist die bevorzugte Anrede in aller Regel "Liebe/r", und es werden keine Titel genannt. Würde man andernfalls Titel nennen, würde das wohl - je nachdem, welche Position man selber hat - sogar mit Befremden registriert.Franzie hat geschrieben:Und Swann, im akademischen Umfeld würde ich auch nur diejenigen ohne Titel anreden, die entweder den gleichen Titel wie ich haben oder mir formal gleich gestellt sind.
Insofern denke ich übrigens auch nicht, dass es hier um eine Nord-Süd-Differenz geht. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass die Ablehnung gegenüber der Anrede "Liebe/r" hier zunimmt, je weniger Bezug man selbst (noch) zum akademischen Umfeld hat.
Hm. Vielleicht wird da jetzt auch was vermischt: Ich glaube jedenfalls Einwendungsduschgriff würde ich dem "akademischen Umfeld" zuordnen (zugegeben, mich bestenfalls nur noch vielleicht zur Hälfte; aber jedenfalls in meinem akademischen Umfeld, war "lieber" in Kombination mit Titel als Anrede jedenfalls nicht vollständig verpönt, sondern lediglich eine Stufe informeller als "Sehr geehrte"; es würde aber jedenfalls keine vollständige Irritation auslösen). Und wir sind beide "aus dem Süden".
Ich stimme dir zu (so verstehe ich dich jedenfalls?), dass ich auch bei der ersten formalen E-Mail an einen (fremden) Professor "Sehr geehrter" schreiben würde - und dann auch mit Professor. In weiteren Anreden würdest Du dann "lieber Herr..." schreiben? Den Dr.-Titel (bei E-Mails, im Gespräch wäre die Titelfrage für mich ganz anders) ganz weglassen würde ich, jedenfalls wenn ich die Person sieze, wohl eher nie, aus reiner Höflichkeit und weil es sich um einen Namensbestandteil handelt (jedenfalls oft). Den umgekehrten Fall: Prof. schreibt an promovierten Nicht-Mitarbeiter von ihm, kann ich mangels Kenntnis nicht beurteilen.
Im übrigen, Nachricht aus der Praxis (Lehrstuhl)
"Hallo Herr [Nachname]. [Anliegen] Würde mich freuen, wenn das möglich wäre. Mit freundlichem Gruß"
hat eine leicht irritierte Antwort mit "sehr geehrter..." und höchster Formalisierung ausgelöst.
Ara: "Naja an TF sieht man halt, was passiert wenn man Franz Josef Wagner ein Gehirn geben würde.."
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Bislang in diesem Thread noch völlig unterbelichtet: Sehr verehrter, lieber Herr xy
Die Beurteilung, ein Antrag im Sinne des § 24 Satz 1 BVerfGG sei offensichtlich unbegründet, setzt nicht voraus, daß seine Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein. (BVerfGE 82, 316)
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Re: "Liebe" oder "Sehr geehrte"
Textverständnis: Ich habe eben beim nochmaligen Lesen verstanden, dass Deine These "je uniferner, desto irritierend sei "lieber" ist. Dem kann ich nichts entgegen halten (und ad personam argumentiere ja in der Sache schon für dich) und revidiere insofern oben ausdrücklich.
Ara: "Naja an TF sieht man halt, was passiert wenn man Franz Josef Wagner ein Gehirn geben würde.."