Bayern plant 50 neue Richterstellen

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Tante Dagobert
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Tante Dagobert »

Samson hat geschrieben:
julée hat geschrieben:Natürlich sollte die Wahl eines bestimmten Berufes im Vordergrund stehen, aber die Zufriedenheit lebt eben auch vom Vergleich - und da sind für den Berufseinsteiger mit mind. 1 x VB die 100k ja nicht völlig utopisch, sondern vergleichsweise leicht zu realisieren. In der Gerichtskantine wird man hingegen vermutlich eher selten den Koch antreffen, der auch Papas Sternerestaurant hätte übernehmen können.
Der Koch meiner Llieblingskantine kann Supererbsensuppe und ist hammerfreundlich.
Was doch beides die These von julée bestätigt. ;)
julée
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von julée »

Und? Hast Du ihn schon mal gefragt, warum er mit diesen Qualitäten lieber Dir Erbsensuppe kocht als irgendwoanders haute cuisine?

Der Punkt ist m. E., dass es eine zentrale Weichenstellung zum Berufseinstieg gibt, an der von den "High Potentials" eine Entscheidung verlangt wird - einigen mag sie sehr leicht fallen, andere lassen sich von diesen oder jenen Erwägungen beeinflussen und können sich vieles vorstellen. Und da dürfte die Entscheidung für das gemischte Dezernat am AG Leer (wo man sicherlich glücklich werden kann) nicht leicht fallen, wenn auch die Aussicht besteht, in einer GK für deutlich mehr Geld superinternationale und superspannende Mandate bearbeiten zu können oder irgendwoanders was ganz wahnsinnig Spannendes und Interessantes zu machen.
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davwm
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von davwm »

Also ich persönlich glaube auch, dass das Finanzielle für die Attraktivität des Richterberufes (bzw. für den Rückgang der Bewerberzahlen in Bawü) nicht übermäßig bedeutsam sein kann. Viele derjenigen, die sich wirklich Richter oder Großkanzlei vorstellen können, dürften doch wohl regelmäßig Letzteres erst einmal ausprobieren? In fast allen Bundesländern (außer Bayern mit 3-Jahres-Frist nach Examen) wird ja anwaltliche Berufserfahrung eher gern gesehen, die Richterstelle läuft also nicht weg.

Zudem machen z.B. Bundesministerien die ersten zwei Jahre regelmäßig nach TVÖD-13, während Landesministerien teilweise gleich auf Verbeamtung/A13 Schiene gehen, aber da wäre es mir auch nicht bekannt, dass Bundesministerien über Mangel an Bewerbungen klagen. (Natürlich kann man es auch anders herum drehen und sagen, gerade wegen der fachlichen Attraktivität/Bewerberlage können Bundesministerien sich das leisten).

Und dieser Vergleich der Gehälter ist finde ich gar nicht so einfach, nur weil die Einstiegsvoraussetzungen ähnlich sind, einfach weil die Tätigkeiten völlig anders sind. Extremes Beispiel: Bezüglich LLM/Promotion rechnen ja auch die wenigsten so streng ökonomisch zu sagen: In dem Zeitraum könnte ich 100.000€/Jahr bei Großkanzlei verdienen, diesen Verdienstausfall kann ich mir nicht leisten! Hier ist jedem intuitiv klar, dass es eben etwas anderes ist, ob man eine relativ nette Zeit an der Uni verbringt oder in der GK hängt. Klar ist Richter und Großkanzlei beides ein Arbeitsplatz, aber die Tätigkeiten und Anforderungen sind einfach kaum vergleichbar.
julée
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von julée »

Die Entscheidung für einen LL.M. bzw. eine Diss ist anders gelagert, da es ja nur um eine kurzzeitige finanzielle "Einbuße" geht. Aber die Entscheidung Justiz, GK oder doch was anderes hat ja doch längerfristige Auswirkungen. Und natürlich ist die Entscheidung mehrdimensional angelegt und die Frage der Vergütung nur einer von vielen Faktoren - aber wenn es in der Justiz z. B. zu Beginn 60k gäbe, dürfte es vermutlich doch den ein oder anderen geben, dem die Entscheidung für die Justiz leichter fiele. Und auch wenn die Leute nach 2-3 Jahren in der GK in die Justiz gehen, ist das für die Justiz ein Problem: Denn jedenfalls in dieser Zeit stehen ihr die Leute nicht zur Verfügung und arbeiten entsprechend kürzer bei ihr - und ggf. verschwinden sie dann als erstes in Elternzeit o. ä. Mit Geld allein wird man das Problem indes nicht lösen können - und m. E. wäre es auch nicht erstrebenswert Leute in der Justiz einzustellen, die sich hiervon nur durch genügend Geld überzeugen lassen.
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Spencer
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Spencer »

Richtig. Wie du schon sagtest, die Entscheidung für oder gegen die Justiz ist mehrdimensional bzw. multikausal. Die Tätigkeit sollte bei den meisten Bewerbern schon im Vordergrund stehen. Aber wenn ich z. B. mittlerweile auch in der Justiz oft mit einer 50h-Woche rechnen muss, dann verliert das Argument "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" an Zugkraft. Am Ende habe ich dann in der Justiz v.a. Teilzeit-Richterinnen, während die Männer lieber den einen oder anderen Tausender in der freien Wirtschaft mehr verdienen und trotzdem nicht mehr arbeiten müssen als ein Richter. Das Gesamtpaket muss einfach stimmen.
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Niederegger »

Bei entsprechender psychischer Disposition des/der frischgebackenen Juristin/en kann ein Argument von einigem Gewicht für die Justiz noch die neutrale Stellung des Entscheidenden, seine Unabhängigkeit von den Parteien sein - im Gegensatz zur einseitigen Parteivertretung. Auch dazu gab es ja schon öfters hier Wortmeldungen.
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Samson
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Samson »

Niederegger hat geschrieben:Bei entsprechender psychischer Disposition des/der frischgebackenen Juristin/en kann ein Argument von einigem Gewicht für die Justiz noch die neutrale Stellung des Entscheidenden, seine Unabhängigkeit von den Parteien sein - im Gegensatz zur einseitigen Parteivertretung. Auch dazu gab es ja schon öfters hier Wortmeldungen.
Das halte ich sogar für das wesentliche Argument. Man stellt dar, was objektiv richtig ist, nicht nur was einem subjektiven Interesse dient. Man stellt - mit zarter Ankuschelung an die Rspr. der höheren Instanzen- die objektive Rechtslage, nicht einen subjektiven Interessen dienenden Rechtsstandpunkt dar.
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Spencer »

Samson hat geschrieben:
Niederegger hat geschrieben:Bei entsprechender psychischer Disposition des/der frischgebackenen Juristin/en kann ein Argument von einigem Gewicht für die Justiz noch die neutrale Stellung des Entscheidenden, seine Unabhängigkeit von den Parteien sein - im Gegensatz zur einseitigen Parteivertretung. Auch dazu gab es ja schon öfters hier Wortmeldungen.
Das halte ich sogar für das wesentliche Argument. Man stellt dar, was objektiv richtig ist, nicht nur was einem subjektiven Interesse dient. Man stellt - mit zarter Ankuschelung an die Rspr. der höheren Instanzen- die objektive Rechtslage, nicht einen subjektiven Interessen dienenden Rechtsstandpunkt dar.
Und da endet de facto die schöne Unabhängigkeit auch schon - oder besser gesagt, sie bleibt wegen Aufhebung durch die nächste Instanz folgenlos... :-({|=
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Tibor
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Tibor »

Mit ein paar schönen Entscheidungen kann man aber eher das Recht (inter omnes) beeinflussen, als mit einem Aufsatz. Freilich erst später in der Karriere, wenn man am OLG/OVG ist bzw Kammervorsitzender eines LG ;-)
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von in dubio »

Ich glaibe nicht, dass das Gehalt das Hauptptoblem des öD ist. Wenn ich mich mit Juristen kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand unterhalte, ist die Frustquote im öD recht hoch. Die Gehaltshöhe spielt als Frustquelle eine sehr untergeordnete Rolle. Größere Frustfaktoren scheinen mir zu sein: unfähige/unwillige Geschäftsstellenmitarbeiter, schlechte personelle Ausstattung der Geschäftsstellen, seltsame Versetzungspolitik, deutlicher Renovierungsstau beim Arbeitsplatz, schlechte technische Ausstattung. Die Reihe lässt sich fortsetzen. ;)

Man darf auch nicht übersehen, dass das Gehalt außerhalb von Ballungsräumen im Vergleich zur durchschnittlichen Bevölkerung sehr ordentlich ist. Nach allem, was so berichtet wird, sind Stellen in Ballungsräumen - trotz niedrigeren relativen Gehalts - beliebter. Das Gehalt kann also nicht die entscheidende Rolle spielen.

Wie Spencer schreibt: Das Gesamtpaket muss stimmen. Da ist das Gehalt nur einer von vielen Faktoren. Wie auch die Bewerbersituation bei Großkanzleien zeigt, verliert der Faktor Gehalt an Bedeutung.
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Spencer »

in dubio hat geschrieben:Ich glaibe nicht, dass das Gehalt das Hauptptoblem des öD ist. Wenn ich mich mit Juristen kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand unterhalte, ist die Frustquote im öD recht hoch. Die Gehaltshöhe spielt als Frustquelle eine sehr untergeordnete Rolle. Größere Frustfaktoren scheinen mir zu sein: unfähige/unwillige Geschäftsstellenmitarbeiter, schlechte personelle Ausstattung der Geschäftsstellen, seltsame Versetzungspolitik, deutlicher Renovierungsstau beim Arbeitsplatz, schlechte technische Ausstattung. Die Reihe lässt sich fortsetzen. ;)
Die Reihe könnte man überschreiben mit "Mangelnde Wertschätzung durch den Dienstherrn". Die (sparsame) Besoldung ist nur eine Erscheinungsform dessen.
in dubio hat geschrieben: Man darf auch nicht übersehen, dass das Gehalt außerhalb von Ballungsräumen im Vergleich zur durchschnittlichen Bevölkerung sehr ordentlich ist. Nach allem, was so berichtet wird, sind Stellen in Ballungsräumen - trotz niedrigeren relativen Gehalts - beliebter.
Genau. In den (attraktiven) Ballungsräumen gibt es auch keinen Mangel an hochqualifizierten Bewerbern. Der betrifft in erster Linie die "Provinz", um mal einen unbestimmten Rechtsbegriff in die Debatte einzuführen :D
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Tikka
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Tikka »

Wiedereinführung der Buschzulage für Rheinland Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern? :D
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
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Tibor
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Tibor »

Erstmal müsste man die jeweilige Besoldungstabelle um Kaufkraftunterschiede neutralisieren. Nur wenn dann eine Lücke bleibt, könnte man eine Anpassung vornehmen.
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Einwendungsduschgriff
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Und da ist das baden-württembergische Problem wieder: teure Städte - insbesondere Stuttgart, Freiburg und Heidelberg -, daneben teure Ballungsräume - Rhein-Neckar z. B. - und dazu viele andere beliebte Regionen (z. B. Südbaden, Bodensee, Allgäu). Insgesamt sehr hohe Lebenshaltungskosten, die auch in den vermeintlich unbeliebteren Regionen kaum abflachen, weil hier häufig genug der industrielle Mittelstand für gute Verdienste sorgt. Es gibt also kaum ländliche Regionen, in denen man recht günstig wohnen und leben kann. Viele andere Flächenbundesländer sind da deutlich günstiger zu haben.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
julée
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Re: Bayern plant 50 neue Richterstellen

Beitrag von julée »

Umgekehrt gibt es in anderen Flächenstaaten wesentlich mehr Gegenden, die sehr einsam sind und die man sich auch nicht wirklich mit besonderen landschaftlichen Reizen schönreden kann. Und dann verzichtet man schon auf Einiges - selbst wenn man sich das Haus mit 200 qm und Pool leisten kann, ohne sich bis ins Pensionsalter zu verschulden.
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