Berufsbild: Strafverteidiger

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Don2005
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Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von Don2005 »

Hi,

ich stehe kurz vor dem Referendariat und möchte dies vorab ein wenig planen bzw. mich fachlich (vielleicht) etwas neu orientieren.

Mich hat schon immer die Arbeit eines Strafverteidigers interessiert und neugierig gemacht.

Hätte vielleicht jemand einen Literaturhinweis für mich, bei dem das Berufsbild des Strafverteidigers dargestellt wird. Würde halt gerne vorab wissen, ob dieser Beruf grundsätzlich für mich in Betracht käme. Vor allem in Bezug auf Anforderungen etc.

In dem Buch "Perspektiven für Juristen 2016" habe ich schon nachgeschaut, aber leider stand dort nichts über Strafverteidiger. Ansonsten hatte ich mal in das "Handbuch für Strafverteidiger" von Dahs reingeschaut, aber dies war dann doch sehr umfangreich und bietet sich mE eher als Nachschlagewerk.

Ich wäre Euch daher sehr dankbar für Hinweise oder Tipps.



Gruß
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Tibor
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von Tibor »

Geh doch ins lokale AG/LG und schaue dir ein paar Strafprozesse an, da kannst du einen Einblick in einen Großteil der Arbeit nehmen. Ggf ergibt sich dadurch auch die Möglichkeit einer Mitarbeit bei einem Strafverteidiger?!
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Don2005
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von Don2005 »

Danke für den Tipp.

Ich saß mal bei einem etwas größeren Strafprozess als Zuschauer dabei. Aber das hatte eher etwas von einer Momentaufnahme.

Als WissMit hatte ich mich schon vergeblich versucht zu bewerben. Würde auch ein (unbezahltes) Praktikum in Kauf nehmen, aber das Problem ist, dass ich bereits in einer Kanzlei arbeite und ich dies nicht parallel machen kann.

Aber danke nochmals.
EinHeinz
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von EinHeinz »

Ich glaub wichtig ist, dass man hinsichtlich der Mandantschaft keine rosarote Brille auf hat. Es kommt eben nicht jeden Tag ein Kachelmann in die Kanzlei, sondern tendenziell ein anderes Klientel.

Du bekommst ja im Ref bei der StA im Grunde einen Gewissen Einblick, auch was die andere Seite so treibt. Wenn das gefällt, kannst du ja Anwaltsstation bei einem Strafverteidiger machen.
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famulus
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von famulus »

Ich fand die "Einführung in die Praxis der Strafverteidigung" von (Wohlleben-Verteidiger) Olaf Klemke sehr gut. Das gab's als Kindle-Download mal für 0,79 € oder so, wahrscheinlich ein Versehen.

OT @EinHeinz: die Klientel
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von Koala_Desperado »

Wenn man durch Hauptverhandlungen einen Einblick in die Strafrechtspraxis bekommen möchte, bieten sich größere Strafverfahren am LG eher weniger an - insbesondere, wenn diese mehrere Termine haben. Da bekommt man ja nur einen Teil des Falles mit; wenn man Pech hat, hört man sich ein zweistündiges Sachverständigengutachten über Faserspuren an.

Den besseren Eindruck bekommt man meines Erachtens am AG, weil man den "Fall" von der Anklageverlesung bis zur Urteilsverkündung mitbekommt. Außerdem sind die Fälle am AG das wirkliche täglich Brot des Strafverteidigers. Man kann dort auch gut sehen, dass der Strafverteidiger oft nicht nur juristische Unterstützung, sondern auch Lebensberater und Sozialarbeiter ist.

Ansonsten wird sich ja die Anwaltsstation im Ref anbieten, um Einblicke in das Kanzleileben zu erhalten.

Viele Grüße

Koala Desperado
in dubio
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von in dubio »

Koala_Desperado hat geschrieben:Außerdem sind die Fälle am AG das wirkliche täglich Brot des Strafverteidigers.
Das Spektrum der Strafverteidigung ist für eine solche Aussage doch viel zu heterogen. Und auch wenn man "Konfliktverteidigung" in der Praxis erleben will, braucht man sich keine AG-Verhandlungen anzuschauen. Warum soll ich was beanstanden, wenn es ohnehin eine 2. Tatsacheninstanz gibt?

Den Fokus auf die Hauptverhandlung zu legen halte ich auch für falsch. Gute Strafverteidigung setzt im Ermittlungsverfahren an. Wenn ein Fall erst mal bei Gericht ist, geht es oft nur noch um Schadensbegrenzung. Und selbst in AG-Hauptverhandlungen kann es sein, dass die Hauptarbeit schon längst vorher passiert ist.

Bei der StA bekommt man keinen vernünftigen Einblick davon, was Verteidigung ausmacht. Da kriegt man doch nur das Ergebnis serviert. Man kann 100x in einem Restaurant essen und weiß trotzdem nicht, was in der Küche vor sich geht.
Als wirklichen Tipp, wenn ein Praktikum beim Verteidiger zeitlich nicht geht, habe ich auch nur den Hinweis auf die Anwaltsstation im Ref anzubieten.

Mein Literaturtipp wäre Sommer, Effektive Strafverteidigung. Ist jetzt aber auch nicht gerade wenig Text, dafür aber von einem Vollblutverteidiger geschrieben (sehens-/hörenswerter Beitrag: https://www.youtube.com/watch?v=NK-T1ygfNNM).
julée
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von julée »

Gleichwohl: man kann sowohl durch den Verhandlungsbesuch am Amtsgericht als auch während der StA-Station herausfinden, ob einen eine Tätigkeit im Strafrecht tatsächlich näher interessiert. Ggf. lohnt sich auch ein Blick in die diversen Blogs, die es so von Strafverteidigern gibt. Für eine endgültige Entscheidungsfindung dürfte jedoch kein Weg an einem Praktikum bzw. an einer Station beim Strafverteidiger vorbeiführen.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Don2005
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von Don2005 »

An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank für die Tipps und Hinweise :thumbleft:
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[enigma]
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Re: Berufsbild: Strafverteidiger

Beitrag von [enigma] »

Von Gubitz gibts ne recht gute Aufsatzserie über die praktische Arbeit des Strafverteidigers. Erster Teil: JA 2007, S. 210 ff.

Jobs in Strafrechtskanzleien sind im Vergleich zu anderen "gefragten" Rechtsgebieten eher rar gesät. Die meisten Strafverteidiger sind halt Einzelkämpfer. Die größeren Kanzleien haben dann oft den Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht, was mit dem Strafrecht, wie man sich das so vorstellt, eher wenig zu tun hat.

Als Einzelkämpfer wird man am Anfang stark auf Pflichtverteidigungen angewiesen sein um halbwegs über die Runden zu kommen und sich "einen Namen" zu machen. Je nach Gerichtsbezirk und Beiordnungspraxis der entsprechenden Richter dürfte es für einen engagierten aber unerfahren Berufsanfänger recht leicht bis sehr schwer sein, auf dem "Markt" Fuß zu fassen. Einige Richter wählen die Pflichtverteidiger eben in einem transparenten Verfahren aus, andere nehmen nur die "bequemen" Verteidiger.

Habe jetzt auch schon öfter Beschwerden von Verteidigern gehört, dass ihnen häufig Mandanten in der JVA von Kollegen abgeworben werden, die ihnen unrealistische Versprechen machen. Aber unseriöse Kollegen hat man wohl in jedem Rechtsgebiet.

Das sind halt so die Besonderheiten, mit denen man sich dann in der Praxis rumschlagen muss. Ob dir das liegt, würde ich an deiner Stelle in der Anwalts- oder Wahlstation mal testen, mache ich auch so.
famulus hat geschrieben:Ich fand die "Einführung in die Praxis der Strafverteidigung" von (Wohlleben-Verteidiger) Olaf Klemke sehr gut. Das gab's als Kindle-Download mal für 0,79 € oder so, wahrscheinlich ein Versehen.
Da habe ich auch zugeschlagen :D Gutes Buch.

EDIT: Hier gibts ne PP-Präsentation zum Thema Praxis der Strafverteidigung. Vermittelt zumindest einen ersten Überblick. http://www.kanzlei-petzold.de/cms/upload/bilder/Praxis_der_Strafverteidigung.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
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