Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

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Atropos
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von Atropos »

BWL mit Steuern hat geschrieben: Übersetzungen werden von der EU an freie Übersetzer vergeben. Allerdings sind die Voraussetzungen so gestaltet, dass man als Berufsanfänger gar keine Chance hat. Und selbst wenn man einen Rahmenvertrag mit der EU abschließt, gibt es eine zeitliche Begrenzung auf ein paar Jahre. Danach darf man nicht mehr beauftragt werden. Von daher ist auch das Angebot meiner Meinung nach nicht wirklich interessant, da keine langfristige Perspektive.
Das Problem ist glaube ich, dass sich auf die Aufträge auch Übersetzungsagenturen bewerben können. Die reichen dann häufig für das Auswahlverfahren die Lebensläufe von Supermegaexperte X,Y,Z ein, die Arbeit wird dann aber in Wirklichkeit vom 0815-Mitarbeiter gemacht. Damit ohne Berufserfahrung zu konkurrieren ist glaube ich sehr schwierig.
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Urs Blank
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von Urs Blank »

Alles sehr interessant, nur zeigt ein kurzer Blick in das Curriculum, dass die "Europäische Rechtslinguistik" weder in ihrer Bachelor- noch in ihrer Master-Version für eine Tätigkeit als Übersetzer qualifiziert. Wozu auch - an Ausbildungsmöglichkeiten für Übersetzer mangelt es ja nicht gerade.

Selbstverständlich zielen viele Studiengänge nicht auf ein konkretes Berufsbild. Man kann sich aber trotzdem fragen, welchen Gewinn ein kupiertes Jurastudium in Verbindung mit eher theoretisch orientierten sprachwissenschaftlichen Veranstaltungen bringen soll...
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Parabellum
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von Parabellum »

http://www.kk-studienberatung.de/blog/rechtslinguistik-universitaet-zu-koeln.html hat geschrieben:Bachelor-Absolventen können an der Universität zu Köln direkt einen Master in „Europäischer Rechtslinguistik“ anschließen. „Dies ist aber nur einer der möglichen Wege“, erklärt Prof. Burr. „Eine sehr interessante Alternative wäre z.B., nach dem Bachelor ein Jurastudium aufzunehmen. Dieses lässt sich dann recht zügig absolvieren, da man die bereits erbrachten Studienleistungen einbringen kann. Als Volljurist mit rechtslinguistischer Qualifikation eröffnen sich einem sehr interessante Positionen, z.B. am Europäischen Gerichtshof.“
](*,)
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Tibor
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von Tibor »

Kann es sein, dass dieser Master nicht akkreditiert ist?
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labradoodle
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von labradoodle »

margaritha hat geschrieben:Ich habe große Zweifel, ob ich überhaupt ins Ref gehen soll. Die letzten Jahre (Examenvorbereitung) haben mir nervlich ziemlich zugesetzt und mein jetziger Job in der Großkanzlei gefällt mir nicht. Ich habe das Gefühl, die klassischen Jura-Jobs sind nicht so recht das, was mich "glücklich machen" würde.Würdet ihr empfehlen, sich auf jeden Fall irgendwie durchs Ref zu beißen, damit man auch das 2.StEX in der Tasche hat?
Wäre nur das 1. und obiger Master viel nachteiliger?

Danke schonmal für Ratschläge. Wie gesagt, ich bin gerade sehr am zweifeln und offen für jegliche Anregungen :)
Ich habe mich durch das Jura-Studium auch eher durchgequält und es eher aus Vernunftgründen durchgezogen, weil ich mir dachte, dass einige der Berufe, die ich nachher damit machen kann (abseits der Klassiker Anwalt, StA, Gericht), durchaus etwas für mich sein könnten. Mir hat es sehr geholfen, nach dem 1. Examen erst einmal einen Master zu machen, bei dem ich wirklich gezielt Kurse in den Fächern belegen konnte, die mir gefallen und die im Studium leider nie vorkamen, außerdem hat mir zB das englische System anscheinend deutlich mehr gelegen, da ich auf einmal sehr gute Noten hatte, was vorher nie der Fall war. Dieses Jahr hat mich wirklich sehr mit Jura versöhnt - so sehr, dass ich dann sogar noch eine Diss dran gehängt habe.

Wenn Du Dir auch nur ansatzweise vorstellen kannst, in einem Beruf zu arbeiten, der was mit Jura zu tun hat, dann würde ich das Ref aber schon noch machen, evtl dann wie ich erst nach ein paar Jahren Pause. Wie gesagt suche ich nicht in den klassischen Jura-Berufen, sondern ähnlich wie Du auch eher in Bereichen, in denen zB Sprachen eine Rolle spielen. Aber dennoch: Es wird einfach immer nach Volljuristen gesucht. Es gibt einfach so viele Volljuristen, warum sollte sich ein Arbeitgeber mit weniger begnügen?!

Entgegen meinen Befürchtungen war das Ref an sich auch sogar interessant, ich habe mir gezielt ein Bundesland ausgesucht, in dem man recht viel Freiheit hat bei der Wahl der Stationen, damit ich auch tatsächlich meinen Interessen nachgehen kann. Ich möchte nicht verschweigen, dass das 2. Examen zum Kotzen ist. Man muss sich also wirklich nochmal durchbeißen. Meine Note ist nicht toll, aber zumindest kann ich mich dadurch auf viele Stellen bewerben, das könnte ich ohne das 2. Examen nicht, auch wenn ich noch so viele Zusatzqualifikationen hätte.
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von BWL mit Steuern »

Nun gut, der Studiengang enthält kein Modul "Übersetzungstechnik". Allerdings einige Module Sprachpraxis und einige Module im "Sachfach Recht". Alles recht typisch für einen Übersetzerstudiengang. Wozu soll der Studiengang denn sonst qualifizieren, wenn nicht für das Übersetzen oder eine Stelle bei einem Wörterbuchverlag?

Einem User hat der Master zur Orientierung geholfen. Wahrscheinlich hätte aber auch ein Praktikum im Ausland oder ein freiwilliges soziales Jahr etc. auch geholfen. Oder man hätte nach dem 1. Staatsexamen einfach mal arbeiten gehen können. Der springende Punkt ist, dass es mittlerweile viele Studiengänge gibt, die vor allem den Interessen der Studierenden entsprechen, für die es aber so gut wie keine Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gibt. Wer so etwas studiert, muss sich klar sein, dass er damit praktisch sein Lebenseinkommen freiwillig minimiert.
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von Survivor »

BWL mit Steuern hat geschrieben: Der springende Punkt ist, dass es mittlerweile viele Studiengänge gibt, die vor allem den Interessen der Studierenden entsprechen, für die es aber so gut wie keine Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gibt. Wer so etwas studiert, muss sich klar sein, dass er damit praktisch sein Lebenseinkommen freiwillig minimiert.
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von thh »

BWL mit Steuern hat geschrieben:Nun gut, der Studiengang enthält kein Modul "Übersetzungstechnik". Allerdings einige Module Sprachpraxis und einige Module im "Sachfach Recht". Alles recht typisch für einen Übersetzerstudiengang. Wozu soll der Studiengang denn sonst qualifizieren, wenn nicht für das Übersetzen oder eine Stelle bei einem Wörterbuchverlag?
Vielleicht dient er ja auch nicht der Qualifikation, sondern dem hehren Wissenserwerb.
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von BWL mit Steuern »

Mag sein. Wenn ich margaritha aber richtig verstanden habe, möchte sie ihrem 1. Staatsexamen mit diesem Master eine neue Richtung geben und erhofft sich sehr wohl, am Ende besser qualifiziert zu sein als ohne. Sie sieht den Studiengang quasi als Alternative zum 2. Staatsexamen. Und hier muss man eben warnen, dass es für diesen Abschluss keine nennenswerte Zielgruppe gibt.
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von margaritha »

Hm ja, also die allgemeine Meinung zum ERL-Master ist ja ziemlich eindeutig hier :D
Wobei ich nicht glaube, dass der Master lediglich zum Übersetzen qualifiziert. Laut Internetseite: "Tätigkeit in EU-Institutionen, in internationalen Organisationen, in internationalen Anwaltskanzleien, im Kultur- und Wissenschaftsmanagement, im Verlags- und Bibliothekswesen, in Verwaltung und Politik". Was auch immer Tätigkeit bedeutet.. Morgen hab ich ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Lehrstuhls von Köln, dann werd ich hoffentlich mehr wissen.

Aber ja, ich bin mittlerweile auch nicht mehr so begeistert von dem Master...
Es spricht eben doch ziemlich viel dafür, das 2. StEx noch zu machen.

Es ist nur so, dass ich auf der Suche nach Alternativen bin, weil es mir in den letzten ca. 1,5 Jahren nicht gut ging wegen des Jura-Studiums und ich die Befürchtung habe, dass es im Ref noch schlimmer wird.

Es ist ein Ansatz, aus Vernunfts-Gründen die AUsbildung mit den meisten Perspektiven, der höchsten Bezahlung etc zu wählen...
Ein anderer ist es, dass zu machen, dass einen begeistert, Spaß macht. (bei mir zB Fremdsprachen)

Ich habe das Gefühl, bisher v.a. nach dem ersten Ansatz gehandelt zu haben.
Und das hat mich nicht wirklich glücklich gemacht, eher im Gegenteil.
Deswegen die ganzen Überlegungen..

Aber ja, vielleicht fehlen mir einfach EInblicke in andere juristische Tätigkeiten, die mir eher liegen würden als die (Groß-)Kanzleitätigkeit. Nur die jetzt noch zu sammeln (kein Student mehr, noch nicht im Ref) wird wohl auch schwierig.
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von BWL mit Steuern »

Hast du denn sehr gute Fremdsprachenkenntnisse? Es ist doch so, dass du mit dem Master in den vier Semestern deine Fremdsprachenkenntnisse auch nicht mehr so toll steigern wird. Im Master lernst du vor allem Linguistik. Da geht es darum, sprachliche Phänomene zu erforschen. Das ist ein bisschen wie Grammatik, aber auf einem höheren Level. Das brauchst du eigentlich nur, wenn du ins Qualitätsmanagement einer Übersetzungsabteilung willst. Für einen normalen Übersetzer ist das eigentlich auch schon wieder viel zu theoretisch. Letzterer soll ja vor allem schnell übersetzen und die gängigen Formulierungen beherrschen und nicht lange herumdiskutieren ;)

Ich glaube einfach, dass du mit 1. Staatsexamen + sehr guten Fremdsprachenkenntnissen genauso gute Chancen bei internationalen Institutionen hast. Dieser Master wird meiner Meinung nach deine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht signifikant verbessern.
Atropos
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Re: Europäische Rechtslinguistik nach dem 1. StEx??

Beitrag von Atropos »

margaritha hat geschrieben:Hm ja, also die allgemeine Meinung zum ERL-Master ist ja ziemlich eindeutig hier :D
Wobei ich nicht glaube, dass der Master lediglich zum Übersetzen qualifiziert. Laut Internetseite: "Tätigkeit in EU-Institutionen, in internationalen Organisationen, in internationalen Anwaltskanzleien, im Kultur- und Wissenschaftsmanagement, im Verlags- und Bibliothekswesen, in Verwaltung und Politik"
Du könntest auch über die juristische Ausbildung schreiben "Mögliche Tätigkeiten: Bundesministerien, Auswärtiges Amt, Internationalen Institutionen, DAX-Vorstand, Politik, Journalismus". Betrifft im Zweifel aber nur wenige Leute und ob dann die juristische Ausbildung der prägende Baustein war, ist dann doch zweifelhaft.

Man darf sich da keinen Sand in die Augen streuen lassen. Hier (Verwaister Link http://blogs.ec.europa.eu/eu-careers.info/ automatisch entfernt) findest du die Übersicht zu allen EU-Auswahlverfahren der letzten 5 Jahre und ihre Anforderungen. Neben Übersetzen und General Administration ist da mit Rechtslinguistik nichts zu holen. Und Generalists AD ist hart - dieses Jahr 31.500 Bewerber auf 149 Plätze.
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