Gehaltsvorstellung Großkanzlei

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Gelöschter Nutzer

Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Passiert es wirklich so häufig, dass ein immerhin dringender Tatverdacht vorlag und die betreffende Person sich im Nachhinein als völlig unschuldig herausstellt?
Am laufenden Band, ist absoluter Alltag, ja.
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Tibor
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Tibor »

Und es ordnen ja auch alle Richter der Republik ständig Untersuchungshaft an ... mal ehrlich, du hast ein Zerrbild.
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sai
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von sai »

Ara hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Ich empfehle eine etwas ausgewogenere Darstellung. Freilich kann sich diese nicht einstellen, wenn man nicht "beide Seiten" kennt. Aber lieber Ara, du hast vielleicht rudimentäre Berufserfahrung im Strafrecht und bist an 2-3 Gerichten aktiv gewesen; sonst viel Hörensagen. Es ist wohl eher die Ausnahme, dass ein Richter "das Leben eines Unschuldigen völlig zerstört". Es mag krasse Fehlurteile geben, aber diese dürften - statistisch betrachtet - nicht der Rede wert sein. Last but not least will man lieber nicht wissen, wie oft Anwälte falsch beraten oder schlecht vor Gericht vertreten und dadurch genauso Unternehmen, Familien, Gesellschaften, Nachbarschaftsverhältnisse etc pp "völlig zerstört" werden. Es ist schon bemerkenswert, dass du auch lieber den Arzt als Beispiel heranziehst und dich dann noch zu der Einwendung hinreissen lässt, dass man "in der Anwaltschaft (insbesondere in der GK ... schlicht bessere Arbeit ableisten kann".
Naja, das kann man natürlich so zurückgeben, mit dem "beide Seiten" kennen... Die Einschätzung, dass es wohl "eher die Ausnahme" ist, ist eher das richterliche Selbstbild als "Schutzschild". Mit der Realität hat es glaube ich nicht viel zu tun.

Man braucht übrigens kein "krasses Fehlurteil", um eine bürgerliche Existenz zu zerstören. Es reicht häufig eine rechtlich fehlerfreie Untersuchungshaft, um einem Bürger Familie, Wohnung und Job zu nehmen. Die wenigsten Richter lassen sich dann übrigens zu einer Entschuldigung hinreißen, die meisten tun so, als als sei es nun einmal gottgegebenes Schicksal. Insbesondere, wenn die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft gegeben waren, fehlt häufig jegliche Selbstreflektion, dass man als Richter derjenige war, der dem Menschen das (sei es auch unverschuldet) angetan hat. Der Richter bekommt ja auch nicht mit, was für Auswirkungen es am Ende tatsächlich hat. Da wird der Haftbefehl aufgehoben und dann ist der Fall weg vom Tisch.


Aber wie gesagt, ich kann jeden Richter verstehen, der diese Umstände verdrängt. Aber diese Fähigkeit muss man nun einmal haben. Wer jeden Tag Angst davor hat solche Entscheidungen zu treffen, der wird als Richter halt nicht glücklich. Von daher war es auch keine "Richterschelte", es war war schlicht ein mE wichtiger Hinweis, der bei der Berufswahl häufig unterschätzt wird. Es gehört nun einmal zu einem Beruf mit viel Verantwortung und Entscheidungspflicht dazu, dass man falsche Entscheidungen trifft. Der Anwalt kann natürlich auch viel verbocken, aber er in den meisten Rechtsgebiete dann doch weniger Entscheidungshoheit.
Warum sollte man sich auch dafür entschuldigen, wenn man eine rechtlich fehlerfreie Entscheidung getroffen hat?
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Ara
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Ara »

Suchender_ hat geschrieben: War das ein Tippfehler?

Passiert es wirklich so häufig, dass ein immerhin dringender Tatverdacht vorlag und die betreffende Person sich im Nachhinein als völlig unschuldig herausstellt? Natürlich mag es in Einzelfällen formale Hürden geben, die einer Verurteilung letztendlich entgegenstehen (Verjährung, Zeuge erinnert sich später nicht mehr richtig, ZVR nach §§ 52, 252 StPO...), aber abgesehen davon?
War schon so gemeint. Es kommt schon häufiger vor, dass eine Untersuchungshaft rückblickend "zu Unrecht" verhängt wird. Dies zeigt alleine der Blick in die StrEG-Statistiken der Länder. Niedersachsen hat z.B. im Jahr 50-80 Personen für U-Haft zu Entschädigen, Bayern etwa 130-150 Personen. Und das sind nur die, die tatsächlich das StrEG-Verfahren durchlaufen, das machen die Wenigsten. Hinzu kommen alle Fälle, in denen jemand in Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts für Tat X sitzt und dann aber am Ende für Tat Y verurteilt wird, für die er gar nicht in U-haft gekommen wäre. Der Spruch "U-Haft schafft Rechtskraft" kommt auch nicht von ungefähr.
Tibor hat geschrieben:Und es ordnen ja auch alle Richter der Republik ständig Untersuchungshaft an ... mal ehrlich, du hast ein Zerrbild.
Man kann sich als Proberichter nicht dagegen wehren. Es wird in allen Bundesländern wohl so sein, dass alle Proberichter mindestens einmal in das Strafrecht gezwungen werden und dann sogar meist in die große Strafkammer. Die Anzahl an Richter die in ihrer Karriere nie eine Untersuchungshaft anordnen oder aufrechterhalten mussten, wird tatsächlich relativ gering sein. Darum geht es letztendlich ja auch nicht... Auch der Zivilrichter trifft natürlich zum Teil existenzvernichtende Urteile. Man denke nur an das Familiengericht, deren Auswirkung vielleicht noch gravierender sind als die des Strafgerichts.

Man mag nur den Wormser Missbrauchsprozess (selbstverständlich als trauriger Extremfall) sich immer wieder vor Augen führen, was für Auswirkungen die tägliche Arbeit haben kann (Für die Richter, sowohl Straf- als auch Familienrichter, war es zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung auch ein "normaler" Fall). Ich zitiere hier einfach mal Wikipedia:
"Die Prozesse hatten verheerende Wirkung auf Kinder und Angeklagte: Eine Angeklagte, die siebzigjährige Großmutter, starb in Untersuchungshaft, andere verbrachten bis zu 21 Monate in Haft. Mehrere Ehen zerbrachen, die Existenz einiger Angeklagter und Familien wurde zum Teil auch durch die hohen Anwaltskosten völlig zerstört. Die Kinder wuchsen derweil größtenteils in Heimen auf und kehrten erst nach und nach zu ihren Eltern zurück. Ein Junge, der an Diabetes erkrankt war, starb wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem Heim.

Sechs Kinder – jene, die im Kinderheim Spatzennest untergebracht waren, darunter die aus dem Scheidungskonflikt, der die Verfahren ausgelöst hatte – kehrten überhaupt nicht zurück, da sie völlig von ihren Eltern entfremdet waren. Dem Heimleiter wurde seinerzeit vorgeworfen, die Kinder bewusst gegen die Eltern aufgestachelt zu haben. Die meisten dieser Kinder glauben bis zum heutigen Tag, dass ihre Eltern sie sexuell missbraucht hätten"
Übrigens ist das eines der wenigen Verfahren, wo sich der Vorsitzende am Ende aufrichtig bei den Angeklagten entschuldigt hat.

Wie gesagt: Keiner sagt, dass das täglich passiert. Wenn man sich für das Amt des Richters entscheidet, muss man aber damit Leben, dass man solche Entscheidungen treffen muss und diese nun einmal weitreichende Konsequenzen haben. Mehr wollte ich damit gar nicht sagen. Weder, dass es aus Bösartigkeit passiert, noch dass es täglich der Fall ist.
sai hat geschrieben: Warum sollte man sich auch dafür entschuldigen, wenn man eine rechtlich fehlerfreie Entscheidung getroffen hat?
Ja. Die Einstellung muss man an den Tag legen. Das kann aber nicht jeder. Es gibt ja auch Zugführer oder Autofahrer, die schwer darunter leiden, dass sie völlig unverschuldet Menschen getötet haben. Ist halt eine Mentalitätsfrage, ob man sich nur für ein schuldhaftes Handeln verantwortlich fühlt oder auch für sein unverschuldetes Handeln.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Tibor
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Tibor »

Ara hat geschrieben: Man kann sich als Proberichter nicht dagegen wehren. Es wird in allen Bundesländern wohl so sein, dass alle Proberichter mindestens einmal in das Strafrecht gezwungen werden und dann sogar meist in die große Strafkammer. Die Anzahl an Richter die in ihrer Karriere nie eine Untersuchungshaft anordnen oder aufrechterhalten mussten, wird tatsächlich relativ gering sein. Darum geht es letztendlich ja auch nicht...
Es gibt noch andere Gerichtsbarkeiten als die ordentliche Gerichtsbarkeit, gel?
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Ara »

Auch der Richter am Finanzgericht oder Richter am Patentgericht trifft aber mal Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf das Leben von fremden Menschen haben.

Auf das Strafrecht hast du dich fixiert. Ich denke, dass in nahezu allen Rechtsgebieten es Fälle gibt, die weitreichende Folgen haben können. In den einen mehr in den anderen weniger.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Tibor
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Tibor »

Klar, aber - ich selbst war fast 3 Jahre Anwalt - sage dir auch, dass mindestens genauso gravierende Fehler durch Anwälte aller „Fachrichtungen“ und Kanzleigrößen gemacht werden. Nur darauf will ich hinaus. Es ist nun eben so, dass im Beruf auch mal Fehler gemacht werden. Nun kann man diskutieren ob eine familienrechtliche Entscheidung (du siehst das Kind nicht) schwerer wiegt, als eine verlorene LG Klage um 20.000€ oder eine rechtswidrige Abrissverfügung oder einen Bußgeldbescheid mit 3 Punkten, denn hier und dort können und werden sich immer Folgen einstellen, die mehr oder weniger belastend sind/empfunden werden. Nicht anders ist es beim Arzt, Handwerker (der mal eben ein Stromkabel zerbohrt), Grundschullehrer (der den Gymnasialübertritt verneint), der Pflegefachkraft (die zu spät kommt) oder beim Polizeibeamten (der daneben schießt). Die Kette lässt sich beliebig fortsetzen. Insoweit sollte man nicht so tun, als ob eine Berufsgruppe ganz überwiegend schwere Fehler begeht, ohne auch Fehlverhalten anderer (naheliegender) Berufsgruppen zu reflektieren.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Tobias__21 »

Tibor hat geschrieben:Klar, aber - ich selbst war fast 3 Jahre Anwalt - sage dir auch, dass mindestens genauso gravierende Fehler durch Anwälte aller „Fachrichtungen“ und Kanzleigrößen gemacht werden. Nur darauf will ich hinaus. Es ist nun eben so, dass im Beruf auch mal Fehler gemacht werden. Nun kann man diskutieren ob eine familienrechtliche Entscheidung (du siehst das Kind nicht) schwerer wiegt, als eine verlorene LG Klage um 20.000€ oder eine rechtswidrige Abrissverfügung oder einen Bußgeldbescheid mit 3 Punkten, denn hier und dort können und werden sich immer Folgen einstellen, die mehr oder weniger belastend sind/empfunden werden. Nicht anders ist es beim Arzt, Handwerker (der mal eben ein Stromkabel zerbohrt), Grundschullehrer (der den Gymnasialübertritt verneint), der Pflegefachkraft (die zu spät kommt) oder beim Polizeibeamten (der daneben schießt). Die Kette lässt sich beliebig fortsetzen. Insoweit sollte man nicht so tun, als ob eine Berufsgruppe ganz überwiegend schwere Fehler begeht, ohne auch Fehlverhalten anderer (naheliegender) Berufsgruppen zu reflektieren.
So isses! :) Menschen machen eben Fehler.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von markus87 »

Ich denke das mit dem Fehler machen ist ein weniger wichtiges Problem. Was man sich gerade, wenn einen Idealismus antreibt, aber vor Augen führen sollte, ist das man in der Justiz natürlich wie im Studium fast ausschließlich mit Fällen zu tun bekommt, in denen das Kind in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist. Das ist wenig befriedigend und man bekommt wenig Anerkennung. Einem Idealisten sollte es eigentlich viel näher liegen, Rechtsbeziehungen positiv und streitvermeidend zu gestalten. Da ist man in der GK halt besser aufgehoben und liefert einen deutlich größeren Beitrag zum "Weltfrieden" denn als Richter.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Liz »

markus87 hat geschrieben:Ich denke das mit dem Fehler machen ist ein weniger wichtiges Problem. Was man sich gerade, wenn einen Idealismus antreibt, aber vor Augen führen sollte, ist das man in der Justiz natürlich wie im Studium fast ausschließlich mit Fällen zu tun bekommt, in denen das Kind in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist. Das ist wenig befriedigend und man bekommt wenig Anerkennung. Einem Idealisten sollte es eigentlich viel näher liegen, Rechtsbeziehungen positiv und streitvermeidend zu gestalten. Da ist man in der GK halt besser aufgehoben und liefert einen deutlich größeren Beitrag zum "Weltfrieden" denn als Richter.
Sicherlich, das Kind ist im durchschnittlichen Justizfall bereits in den Brunnen gefallen. Aber ob man jetzt gerade in einer Großkanzlei mehr für den "Weltfrieden" tun kann, wage ich zu bezweifeln. Mich persönlich reizt es jedenfalls null, den Gewinn irgendwelcher Unternehmen zu optimieren. Dann doch lieber einen handfesten Streit schlichten oder schauen, wie man das Kind wieder aus dem Brunnen bekommt. Der große Vorteil in der Justiz jedenfalls: man muss sich nicht "verbiegen", sondern kann in aller Regel das tun, was man für richtig hält.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Kasimir »

Liz hat geschrieben:
markus87 hat geschrieben:Ich denke das mit dem Fehler machen ist ein weniger wichtiges Problem. Was man sich gerade, wenn einen Idealismus antreibt, aber vor Augen führen sollte, ist das man in der Justiz natürlich wie im Studium fast ausschließlich mit Fällen zu tun bekommt, in denen das Kind in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist. Das ist wenig befriedigend und man bekommt wenig Anerkennung. Einem Idealisten sollte es eigentlich viel näher liegen, Rechtsbeziehungen positiv und streitvermeidend zu gestalten. Da ist man in der GK halt besser aufgehoben und liefert einen deutlich größeren Beitrag zum "Weltfrieden" denn als Richter.
Sicherlich, das Kind ist im durchschnittlichen Justizfall bereits in den Brunnen gefallen. Aber ob man jetzt gerade in einer Großkanzlei mehr für den "Weltfrieden" tun kann, wage ich zu bezweifeln. Mich persönlich reizt es jedenfalls null, den Gewinn irgendwelcher Unternehmen zu optimieren. Dann doch lieber einen handfesten Streit schlichten oder schauen, wie man das Kind wieder aus dem Brunnen bekommt. Der große Vorteil in der Justiz jedenfalls: man muss sich nicht "verbiegen", sondern kann in aller Regel das tun, was man für richtig hält.
Nun, eigentlich kann und sollte man in der Justiz auch nur das tun, was der Gesetzgeber für richtig hält; unabhängig davon, ob man damit de lege ferenda übereinstimmt.

Ich verstehe auch nicht die Mär, dass GK-Anwälte angeblich nur die Gewinne von Konzernen optimieren. Dies stimmt schon deshalb nicht, weil man als Anwalt - schon aus Gründen der Haftung - immer so berät, wie später ein Gericht entscheiden würde. Zweitens finde ich es scheinheilig, wenn immer auf die "Gewinne der Konzerne" geschimpft wird. Niemand arbeitet umsonst - auch nicht Richter - und im Zweifel fördern wir mit unserem Konsumverhalten die Gewinne von Konzernen deutlich mehr als irgendein GK-Anwalt. Es ist mir zu simpel, einerseits auf die Konzerne zu schimpfen (Warum eigentlich?) und andererseits bei Amazon zu bestellen und Fleisch im Supermarkt zu kaufen.

Was ich sagen will: Man tut gut daran, weder den einen noch den anderen Beruf moralisch zu überhöhen.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Liz hat geschrieben:
markus87 hat geschrieben:Ich denke das mit dem Fehler machen ist ein weniger wichtiges Problem. Was man sich gerade, wenn einen Idealismus antreibt, aber vor Augen führen sollte, ist das man in der Justiz natürlich wie im Studium fast ausschließlich mit Fällen zu tun bekommt, in denen das Kind in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist. Das ist wenig befriedigend und man bekommt wenig Anerkennung. Einem Idealisten sollte es eigentlich viel näher liegen, Rechtsbeziehungen positiv und streitvermeidend zu gestalten. Da ist man in der GK halt besser aufgehoben und liefert einen deutlich größeren Beitrag zum "Weltfrieden" denn als Richter.
Sicherlich, das Kind ist im durchschnittlichen Justizfall bereits in den Brunnen gefallen. Aber ob man jetzt gerade in einer Großkanzlei mehr für den "Weltfrieden" tun kann, wage ich zu bezweifeln. Mich persönlich reizt es jedenfalls null, den Gewinn irgendwelcher Unternehmen zu optimieren. Dann doch lieber einen handfesten Streit schlichten oder schauen, wie man das Kind wieder aus dem Brunnen bekommt.
Im Idealfall auch den eigenen...
Der große Vorteil in der Justiz jedenfalls: man muss sich nicht "verbiegen", sondern kann in aller Regel das tun, was man für richtig hält.
Das Problem ist, dass ich aufgrund jahrelanger Diskussionen, Meinungsstreite und dem Austausch von Argumenten inzwischen kaum noch eine eigene Meinung in vielen juristischen Fragen habe (was natürlich auch auf meinem Naturell beruhen mag). Dementsprechend finde ich es eigentlich recht angenehm, wenn ein Ergebnis vorgegeben wird, jedenfalls solange es nicht allzu widersprüchlich anmutet.

Begründen kann ich fast jedes vertretbare Ergebnisse mit einer ziemlichen Überzeugungskraft.
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Tibor
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Tibor »

Kasimir hat geschrieben: Ich verstehe auch nicht die Mär, dass GK-Anwälte angeblich nur die Gewinne von Konzernen optimieren. Dies stimmt schon deshalb nicht, weil man als Anwalt - schon aus Gründen der Haftung - immer so berät, wie später ein Gericht entscheiden würde. Zweitens finde ich es scheinheilig, wenn immer auf die "Gewinne der Konzerne" geschimpft wird. Niemand arbeitet umsonst - auch nicht Richter - und im Zweifel fördern wir mit unserem Konsumverhalten die Gewinne von Konzernen deutlich mehr als irgendein GK-Anwalt. Es ist mir zu simpel, einerseits auf die Konzerne zu schimpfen (Warum eigentlich?) und andererseits bei Amazon zu bestellen und Fleisch im Supermarkt zu kaufen.

Was ich sagen will: Man tut gut daran, weder den einen noch den anderen Beruf moralisch zu überhöhen.
+1

Oftmals stehen zudem hinter den Konzernen auch nicht nur großkopferte Magnaten mit Mrd. in der Tasche, sondern Investoren und insb. Pensionsfonds. Ich hatte damals recht viel mit US/Kanada-Pensionsfonds zu tun. Wenn deren Investment in Deutschland gut lief, hatten ehemalige Polizeibeamte, Lehrer oder angestellte des öffentlichen Dienst aus Kentucky, Idaho oder Montreal was davon. "Moralische Bedenken" kann man da zur Akte nehmen. Und wenn es nun doch mal ein Mandat betrifft, an dessen Ende ein Großkopferter steht, der ganz oben auf der Forbes-Liste steht, dann ist der Platz an der Sonne (zumeist*) verdient bzw. ein Versagen des Steuer- und Abgabensystems, wenn man der Meinung ist, trotz wirtschaftlicher Erfolge, dürfte der Platz an der Sonne nicht zu soviel Mrd € geführt haben.

*) moralische Bedenken könnte man nur dann haben, wenn man mittelbar für Ausbeuter, Tyrannen oder Kriegsgewinnler arbeitet.
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Gelöschter Nutzer

Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wenn deren Investment in Deutschland gut lief, hatten ehemalige Polizeibeamte, Lehrer oder angestellte des öffentlichen Dienst aus Kentucky, Idaho oder Montreal was davon. "Moralische Bedenken" kann man da zur Akte nehmen.
Gerade Investmentsfonds und Pensionskassen sind m.E. Bereiche, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten höchst relevant sind. Das Bewusstsein dafür wird in den nächsten Jahren sicherlich wachsen, weil es auf unterschiedlichen Ebenen so viele Initiativen und eingeleitete Prozesse gibt.
Was ich sagen will: Man tut gut daran, weder den einen noch den anderen Beruf moralisch zu überhöhen.
Auf abstrakter Ebene stimme ich dem zu. Wenn man den konkreten Einzelfall betrachtet, kann man aber sehr wohl über moralische Hürden sprechen (nicht im Sinne einer Überhöhung, aber im Sinne einer Problematisierung).
Liz
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Liz »

@all: Mir stieß vornehmlich die Formulierung von Markus auf, man tue in der GK mehr für den Weltfrieden. Man mag vieles als für sich sinnvoll erachten, aber für mich wäre es kein Antrieb im vorgegebenen Mandanteninteresse nach haftungsrechtlich noch vertretbaren Lösungen zu suchen, wenn ich selbst rechtlich zu der Auffassung gelangt bin, dass es aus guten Gründen völlig zu Recht verboten ist. In diese Konfliktsituation komme ich in der Justiz deutlich seltener, weil ich den Streit "richtig" entscheiden kann und nicht zufällig auf einer Seite stehe und dann dementsprechend argumentieren muss.
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