Gehaltsvorstellung Großkanzlei

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Kasimir
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Kasimir »

Liz hat geschrieben:@all: Mir stieß vornehmlich die Formulierung von Markus auf, man tue in der GK mehr für den Weltfrieden. Man mag vieles als für sich sinnvoll erachten, aber für mich wäre es kein Antrieb im vorgegebenen Mandanteninteresse nach haftungsrechtlich noch vertretbaren Lösungen zu suchen, wenn ich selbst rechtlich zu der Auffassung gelangt bin, dass es aus guten Gründen völlig zu Recht verboten ist. In diese Konfliktsituation komme ich in der Justiz deutlich seltener, weil ich den Streit "richtig" entscheiden kann und nicht zufällig auf einer Seite stehe und dann dementsprechend argumentieren muss.
Für den Weltfrieden tut man leider auch in der GK in der Regel wenig.

Ich weiß nicht, ob du mal Anwältin warst, aber deine Vorstellung vom Anwaltsberuf finde ich etwas zu einseitig. Ich versuche als Anwalt nicht etwas so hinzubiegen, damit es für meinen Mandanten besonders gut ist, sondern ich empfehle meinem Mandanten die Lösung, welche rechtssicher ist. Dies orientiert sich natürlich an der Rechtsprechung (wenn es diese bereits gibt). D.h. ich nehme auch für mich in Anspruch, den Fall "richtig" zu entscheiden. Es ist ja nicht so, dass nur der Richter "richtig" entscheidet. Es gibt schließlich auch oft die Situation, dass das Landgericht einen Rechtsstreit anders beurteilt als später OLG und BGH. Welcher Richter hat nun "richtig" entschieden? Und was ist mit den Anwälten? Hat der Anwalt, der der vor dem LG unterlegenen Partei in der nächsten Instanz zu Recht verholfen hat, nicht ggf. mehr "richtig" gemacht als der Richter in der ersten Instanz?

Zum anderen gehört Interessenvertretung zum Rechtsstreit hinzu. Gerade weil es im Zivilprozess keinen Amtsermittlungsgrundsatz gibt, können Rechtstreitigkeiten nur dann "richtig" (im Sinne von moralisch richtig) entschieden werden, wenn beide Parteien durch Anwälte vertreten sind. Ein Richter muss z.B. auch damit Klarkommen, eine Entscheidung aus formalen Gründen (VU, Frist versäumt, falscher Beweisantritt) zu treffen und damit im Endeffekt "dem Bösewicht" zu Recht verhelfen.
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sai
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von sai »

Kasimir hat geschrieben:
Ich weiß nicht, ob du mal Anwältin warst, aber deine Vorstellung vom Anwaltsberuf finde ich etwas zu einseitig. Ich versuche als Anwalt nicht etwas so hinzubiegen, damit es für meinen Mandanten besonders gut ist, sondern ich empfehle meinem Mandanten die Lösung, welche rechtssicher ist. Dies orientiert sich natürlich an der Rechtsprechung (wenn es diese bereits gibt). D.h. ich nehme auch für mich in Anspruch, den Fall "richtig" zu entscheiden. Es ist ja nicht so, dass nur der Richter "richtig" entscheidet. Es gibt schließlich auch oft die Situation, dass das Landgericht einen Rechtsstreit anders beurteilt als später OLG und BGH. Welcher Richter hat nun "richtig" entschieden? Und was ist mit den Anwälten? Hat der Anwalt, der der vor dem LG unterlegenen Partei in der nächsten Instanz zu Recht verholfen hat, nicht ggf. mehr "richtig" gemacht als der Richter in der ersten Instanz?
Ich sehe das so wie du. In der Anwaltsstation war ich allerdings bei einer GK, bei der ständig danach gefragt wurde, ob man nicht "mehr für den Mandanten" schreiben könne. Gemeint war, irgendein auch völlig an den Haaren herbei gezogenes Argument zu finden, was die Sache des Mandaten gestützt hätte. Das fand ich damals ziemlich abschreckend und auch in Fragen der Haftung nicht unbedenklich.
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jurabilis
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von jurabilis »

Kasimir hat geschrieben:Was ich sagen will: Man tut gut daran, weder den einen noch den anderen Beruf moralisch zu überhöhen.
=D>

(Schlimm genug, dass man sowas schreiben muss.)
gez. ...j! {Treffpunkt-Captain}

Ortsbekannte Klugscheißer werden gebeten, diesen Post zu ignorieren.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Liz »

@Kasimir: Ich denke nicht, dass mein Bild vom Anwaltsberuf einseitig ist; das mag Dir so vorkommen, weil ich die Aspekte benannt habe, die mich vom Anwaltsberuf abgehalten haben. Und "richtig" oder "unrichtig" sind ja auch relative Kategorien. Aber ich hatte - ähnlich wie sai - doch das ein oder andere Schlüsselerlebnis, wo ich für mich persönlich gemerkt habe, dass es mir nicht immer egal ist, ob ich Seite A oder Seite B vertrete und dementsprechend deren Interessen bestmöglichst wahren muss (wobei ich jetzt kein generelles Problem mit Unternehmen habe). Und dazu gehört es ja auch ggf, nachdem man dem Mandanten genau gesagt hat, warum er wahrscheinlich verlieren wird oder das, was er möchte, nicht funktionieren wird, trotzdem nach Argumenten für seine Sache zu suchen, selbst wenn man selbst der Ansicht ist, dass das gefundene Ergebnis vollkommen richtig ist (was sicherlich nicht immer der Fall ist, aber doch gelegentlich).

Natürlich ist auch als Richter das nach rechtlicher Prüfung "richtige" Ergebnis nicht immer sofort intuitiv einleuchtend, aber es gibt ja in aller Regel doch beachtliche Argumente dafür, es genau so zu machen. Denen nachzuforschen und beide Seiten zu sehen, halte ich dann sogar für sehr reizvoll. Und mit "die Partei war nicht in der Lage, ihre Ansprüche prozessual richtig geltend zu machen" habe ich wenig Probleme.
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Ara
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Ara »

Dr. Oberheim hat dazu mal eine lehrreiche Anekdote erzählt, woran man einen guten Anwalt erkennt. Die hatten irgendeine Streitfrage die man zu Gunsten des Versicherers oder des Versicherungsnehmer entscheiden könnte. Der gleiche Anwalt hat im ersten Termin am Morgen zu Gunsten seiner Mandantin, die ein Versicherer war, breit vorgetragen, warum die Streitfrage zu Gunsten des Versicherers zu entscheiden wäre. Mit der gleichen Inbrunst hat er in einem späteren Termin am gleichen Tage vorgetragen, warum der Streit zu Gunsten seines Mandante, der Versicherungsnehmer war, zu entscheiden sei.

Und das ist auch richtig so. Weil es ist völlig egal, ob der Anwalt persönlich den Streit zu Gunsten von X oder Y entscheiden würde. Wichtig ist nur, dass der Streit in beide Richtungen vertretbar zu entscheiden ist und er lediglich als Filter und Sprachrohr seines Mandanten, die Sachen und Argumente vorbringt, die sein Mandant für sich in Anspruch nimmt.

Damit muss man halt Leben können, dass die eigene Ansicht egal ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Samson
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Samson »

Klar. Aber faktisch ist die eigene Ansicht doch auch als Richter egal; wenn man die OLG-Hörigkeit der typischen Zivilkammern bedenkt.
Kasimir
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Kasimir »

Liz hat geschrieben:Und mit "die Partei war nicht in der Lage, ihre Ansprüche prozessual richtig geltend zu machen" habe ich wenig Probleme.
Damit könnte ich z.B. als Richter nicht leben. Aber Persönlichkeitsstrukturen sind ja anders und deshalb möchte ich auch nicht den einen oder anderen Berufszweig verdammen oder in den Himmel loben. Es ist gut, dass es Richterpersönlichkeiten und es ist gut, dass es Anwaltspersönlichkeiten gibt.
Ara hat geschrieben:Dr. Oberheim hat dazu mal eine lehrreiche Anekdote erzählt, woran man einen guten Anwalt erkennt. Die hatten irgendeine Streitfrage die man zu Gunsten des Versicherers oder des Versicherungsnehmer entscheiden könnte. Der gleiche Anwalt hat im ersten Termin am Morgen zu Gunsten seiner Mandantin, die ein Versicherer war, breit vorgetragen, warum die Streitfrage zu Gunsten des Versicherers zu entscheiden wäre. Mit der gleichen Inbrunst hat er in einem späteren Termin am gleichen Tage vorgetragen, warum der Streit zu Gunsten seines Mandante, der Versicherungsnehmer war, zu entscheiden sei.
Das halte ich für eine Urban Legend. Und wenn es sich so ereignet hat, dann war es ein schlechter Anwalt. Keine Versicherung würde einen Anwalt mandatieren, der für Versicherungsnehmer tätig ist.

Und selbst wenn es nicht berufsrechtlich "dieselbe Rechtssache" war, würde ein derartiges Verhalten hart an der Grenze zu berufsrechtlichen und strafrechtlichen Verboten segeln. Kein vernünftiger Anwalt würde in einer derartigen Sache sich dem Risiko eines Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bzw. dem Parteiverrat aussetzen.
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Gelöschter Nutzer

Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Keine Versicherung würde einen Anwalt mandatieren, der für Versicherungsnehmer tätig ist.
Woher kann die Versicherung wissen, welche Mandanten ein Anwalt so hat? Nicht jeder Anwalt / jede Kanzlei hat ein von außen erkennbares Mandantenportfolio.
Und selbst wenn es nicht berufsrechtlich "dieselbe Rechtssache" war, würde ein derartiges Verhalten hart an der Grenze zu berufsrechtlichen und strafrechtlichen Verboten segeln. Kein vernünftiger Anwalt würde in einer derartigen Sache sich dem Risiko eines Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bzw. dem Parteiverrat aussetzen.
Wenn es in beiden Verfahren einfach nur um die gleiche offene Rechtsfrage geht, im Übrigen aber keine weiteren Zusammenhänge bestehen, dann hätte ich weder berufsrechtlich noch strafrechtlich Bedenken.
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scndbesthand
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von scndbesthand »

Kasimir hat geschrieben: Keine Versicherung würde einen Anwalt mandatieren, der für Versicherungsnehmer tätig ist.

Und selbst wenn es nicht berufsrechtlich "dieselbe Rechtssache" war, würde ein derartiges Verhalten hart an der Grenze zu berufsrechtlichen und strafrechtlichen Verboten segeln. Kein vernünftiger Anwalt würde in einer derartigen Sache sich dem Risiko eines Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bzw. dem Parteiverrat aussetzen.
Das kann man so absolut nun nicht sagen. Van Bühren ist bei Versicherern sehr angesehen, die Kanzlei vertritt aber auch VN. Letztens noch GvW auf VN-Seite gesehen.
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Solar
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Solar »

Ich bin da durchaus bei Liz: Die Aussage, in der GK tue man mehr für "das Gute" als am Gericht, ist schlicht Mumpitz. Damit sage ich nicht, dass der GK-Anwalt "Böses" tut. Aber 99% der Associates arbeiten in riesigen Mandaten irgendwem zu, der wiederum einem gesichtslosen Konzern zuarbeitet (dort der Rechtsabteillung) usw. Ich sage nicht, dass das Ergebnis hieraus nicht auch eine "gute Sache" sein kann (übrigens auch für einen stinknormalen Konzern, nicht nur für Pensions-Fonds...). Gewinnmaximierung kommt der Gesamtvolkswirtschaft zugute.

Allerdings wird man dies als GK-Anwalt nicht spüren und - mit Verlaub - das interessiert 99% der GK-Anwälte auch nicht die Bohne. Diesen Job macht man langfristig (Partner-Track) nur aufgrund des Ehrgeizes, immer wieder gewinnen zu wollen. Damit meine ich nicht nur den Sieg im Mandat, sondern vor allem auch: Bin ich besser (=mehr Umsatz, mehr Associates, mehr dicke Fische an der Angel, die wichtigsten Fälle am Block etc.) als meine Peers in der Kanzlei? Bin ich besser als die Konkurrenz aus anderen Kanzleien? Wieviel Kohle habe ich dieses Jahr gescheffelt (für mich, die Kanzlei oder den Mandanten)? Ich will diese Einstellung gar nicht verdammen und ich habe gute Freunde, die dabei geblieben sind, aber erzähle mir doch bitte niemand, er gehe in die GK (und bleibe dort), um etwas "Gutes" zu tun. [-X

Ich kenne ja nun zahlreiche juristische Berufe ganz gut aus eigener Erfahrung und ich kann mit Nachdruck behaupten, dass der Idealismus für mich und m.E. auch objektiv am Gericht eine deutlich größere Rolle spielt als in der GK. Man kann in der Justiz durchaus für die "gute" Sache kämpfen, für Gerechtigkeit sorgen und sehr häufig sind (beide!) Parteien auch richtig dankbar für den Einsatz. Es ist immer wieder verblüffend, wie viel Rechtsfrieden man allein dadurch stiften kann, dass man die Parteien ernst und sich Zeit für ihr Anliegen nimmt. Idealerweise gehen am Ende des Tages alle etwas besänftigt und nachsichtig aus dem Saal. Klappt nicht immer aber häufiger als man erwarten würde.

Man kann auch als Anwalt Gutes tun, keine Frage. Insbesondere in Feld-/Wald-/Wiesen-Kanzleien oder kleineren Einheiten besteht hierzu viel Möglichkeit. Zu denken wäre auch an NGOs. In die GK geht aber, wie gesagt, niemand aus Idealismus. :crazy:

Im Übrigen sagt mir auch meine Anwaltserfahrung: Man steht häufig argumentativ auf der Verliererseite (das meine ich nicht ethisch, sondern juristisch) und kann es sich wirtschaftlich nicht immer (=nahezu nie) erlauben, dann den Griffel fallen zu lassen und zu sagen: "Das hat wenig Erfolgsaussicht, hier werde ich Sie nicht vertreten, suchen Sie sich wen anderen!". Und das gilt für alle Anwälte, egal ob in GK, FWW oder beim BGH. Selbstverständlich muss man sich deshalb hin und wieder auch etwas verbiegen.

Der Anwaltsberuf ist deshalb sicher nicht "weniger wichtig" oder "schlechter" als der Richterberuf. Er spricht nur einen ganz andere Typus Mensch an. Euch macht es weniger aus, vielleicht hier und da einmal über seinen Schatten zu springen und eine Sache zu vertreten, hinter der man nicht steht. Ihr leidet auch nicht so sehr unter der Fremdbestimmtheit (sowohl durch Mandanten als auch Gerichte oder gar Vorgesetzte). Ihr genießt es hingegen, nicht die alleinige Entscheidungsverantwortung zu tragen. Es fällt euch leichter, nach einem vordefinierten Ziel zu argumentieren, statt sich durch die Argumentation das Ergebnis zu erarbeiten. Ein glücklicherr Richter will genau das Gegenteil. Für mich waren daher ebenfalls Idealismus und Entscheidungsfreiheit sowie Eigenverantwortung extrem wichtig. All das fand ich nicht in den verschiedenen Anwaltsberufen und auch nicht im Unternehmen. Jetzt schon.
Kasimir
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Kasimir »

Solar hat geschrieben:Ich bin da durchaus bei Liz: Die Aussage, in der GK tue man mehr für "das Gute" als am Gericht, ist schlicht Mumpitz. Damit sage ich nicht, dass der GK-Anwalt "Böses" tut. Aber 99% der Associates arbeiten in riesigen Mandaten irgendwem zu, der wiederum einem gesichtslosen Konzern zuarbeitet (dort der Rechtsabteillung) usw. Ich sage nicht, dass das Ergebnis hieraus nicht auch eine "gute Sache" sein kann (übrigens auch für einen stinknormalen Konzern, nicht nur für Pensions-Fonds...). Gewinnmaximierung kommt der Gesamtvolkswirtschaft zugute.

Allerdings wird man dies als GK-Anwalt nicht spüren und - mit Verlaub - das interessiert 99% der GK-Anwälte auch nicht die Bohne. Diesen Job macht man langfristig (Partner-Track) nur aufgrund des Ehrgeizes, immer wieder gewinnen zu wollen. Damit meine ich nicht nur den Sieg im Mandat, sondern vor allem auch: Bin ich besser (=mehr Umsatz, mehr Associates, mehr dicke Fische an der Angel, die wichtigsten Fälle am Block etc.) als meine Peers in der Kanzlei? Bin ich besser als die Konkurrenz aus anderen Kanzleien? Wieviel Kohle habe ich dieses Jahr gescheffelt (für mich, die Kanzlei oder den Mandanten)? Ich will diese Einstellung gar nicht verdammen und ich habe gute Freunde, die dabei geblieben sind, aber erzähle mir doch bitte niemand, er gehe in die GK (und bleibe dort), um etwas "Gutes" zu tun. [-X

Ich kenne ja nun zahlreiche juristische Berufe ganz gut aus eigener Erfahrung und ich kann mit Nachdruck behaupten, dass der Idealismus für mich und m.E. auch objektiv am Gericht eine deutlich größere Rolle spielt als in der GK. Man kann in der Justiz durchaus für die "gute" Sache kämpfen, für Gerechtigkeit sorgen und sehr häufig sind (beide!) Parteien auch richtig dankbar für den Einsatz. Es ist immer wieder verblüffend, wie viel Rechtsfrieden man allein dadurch stiften kann, dass man die Parteien ernst und sich Zeit für ihr Anliegen nimmt. Idealerweise gehen am Ende des Tages alle etwas besänftigt und nachsichtig aus dem Saal. Klappt nicht immer aber häufiger als man erwarten würde.

Man kann auch als Anwalt Gutes tun, keine Frage. Insbesondere in Feld-/Wald-/Wiesen-Kanzleien oder kleineren Einheiten besteht hierzu viel Möglichkeit. Zu denken wäre auch an NGOs. In die GK geht aber, wie gesagt, niemand aus Idealismus. :crazy:

Im Übrigen sagt mir auch meine Anwaltserfahrung: Man steht häufig argumentativ auf der Verliererseite (das meine ich nicht ethisch, sondern juristisch) und kann es sich wirtschaftlich nicht immer (=nahezu nie) erlauben, dann den Griffel fallen zu lassen und zu sagen: "Das hat wenig Erfolgsaussicht, hier werde ich Sie nicht vertreten, suchen Sie sich wen anderen!". Und das gilt für alle Anwälte, egal ob in GK, FWW oder beim BGH. Selbstverständlich muss man sich deshalb hin und wieder auch etwas verbiegen.

Der Anwaltsberuf ist deshalb sicher nicht "weniger wichtig" oder "schlechter" als der Richterberuf. Er spricht nur einen ganz andere Typus Mensch an. Euch macht es weniger aus, vielleicht hier und da einmal über seinen Schatten zu springen und eine Sache zu vertreten, hinter der man nicht steht. Ihr leidet auch nicht so sehr unter der Fremdbestimmtheit (sowohl durch Mandanten als auch Gerichte oder gar Vorgesetzte). Ihr genießt es hingegen, nicht die alleinige Entscheidungsverantwortung zu tragen. Es fällt euch leichter, nach einem vordefinierten Ziel zu argumentieren, statt sich durch die Argumentation das Ergebnis zu erarbeiten. Ein glücklicherr Richter will genau das Gegenteil. Für mich waren daher ebenfalls Idealismus und Entscheidungsfreiheit sowie Eigenverantwortung extrem wichtig. All das fand ich nicht in den verschiedenen Anwaltsberufen und auch nicht im Unternehmen. Jetzt schon.
Wow. Wenn du so als Anwalt gehandelt hast, dann verdeutlicht dies, warum du als Anwalt nicht glücklich geworden bist. Und nach meinem Verständnis (und dem Gesetz) ist auch ein Richter nicht an seinen eigenen moralischen Kodex, gebunden, sondern dem, was das Gesetz vorgibt. Entgegen der oftmals landläufigen Meinung entscheiden Richter ja gerade nicht danach, was sie für richtig halten, sondern müssen die legislativen Vorgaben unter Anwendung der Auslegungsmethoden umsetzen.

Du sitzt auf einem hohen moralischen Ross. Pass auf, von hohen Pferden fällt man tief.
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Schnitte »

Kasimir hat geschrieben:Entgegen der oftmals landläufigen Meinung entscheiden Richter ja gerade nicht danach, was sie für richtig halten, sondern müssen die legislativen Vorgaben unter Anwendung der Auslegungsmethoden umsetzen.
Anders, dem Vernehmen nach, in Fällen, in denen keine Rechtsmittel mehr eröffnet sind. Da soll es schon mal vorkommen, dass der erst- und letztinstanzliche Richter nach Passauer Landrecht entscheidet, was der positiven Gesetzeslage und ihrer Auslegung durch höhere Instanzen gelegentlich nur in groben Zügen ähnelt.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Spencer »

Kasimir hat geschrieben: Wow. Wenn du so als Anwalt gehandelt hast, dann verdeutlicht dies, warum du als Anwalt nicht glücklich geworden bist. Und nach meinem Verständnis (und dem Gesetz) ist auch ein Richter nicht an seinen eigenen moralischen Kodex, gebunden, sondern dem, was das Gesetz vorgibt. Entgegen der oftmals landläufigen Meinung entscheiden Richter ja gerade nicht danach, was sie für richtig halten, sondern müssen die legislativen Vorgaben unter Anwendung der Auslegungsmethoden umsetzen.

Du sitzt auf einem hohen moralischen Ross. Pass auf, von hohen Pferden fällt man tief.
Ich würde es nicht unbedingt "hohes moralisches Ross" nennen, aber ich weiß, was du meinst. Eine gewisse Ernüchterung wird sich wohl bei jedem Richter (wie bei jedem Berufsanfänger) irgendwann einstellen. Gerade im Asylrecht fragt man sich schon manchmal, warum man sich die ganze Arbeit macht, wenn das eigene Urteil dann doch allzu häufig folgenlos bleibt.

Andererseits finde ich es sogar mitunter beruhigend, festzustellen, dass man da oben (nicht auf dem hohen Ross, sondern auf der Richterbank) nicht freischöpferisch die eigene Moral zum Maßstab seiner Entscheidung macht, sondern klare Vorgaben des Gesetzgebers und (de facto) der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beachten hat. Dann bleibt zumindest im Asylrecht häufig "nur" die Frage, ob man dem Gegenüber seine Geschichte glaubt. Und das ist mitunter schon schwierig genug. Gleichzeitig ist es aber genau das, was den Richterberuf ausmacht, nämlich die ebenso unabhängige wie verantwortungsvolle Entscheidung. Wobei dabei wiederum die Gewissheit tröstet, dass selbst im Falle eines Irttums derjenige meist eh nicht abgeschoben wird.

Mir hilft es deshalb (auch) bei meiner Arbeit immer ganz gut, wenn ich mich an folgendes Zitat erinnere:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Gelöschter Nutzer

Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Bezüglich des Entscheidungsspielraumes eines Richters: Man darf nicht vergessen, dass es immer noch die Methode der verfassungskonformen Auslegung gibt, ferner das Instrument des Vorlagebeschlusses. Das soll jetzt nicht heißen, dass Richter nach ihren moralischen Vorstellungen urteilen können - aber zumindest zeigen, dass Richter auch nicht unbedingt oft in die Situation kommen müssen, dass sie eine Entscheidung treffen müssen, die ihnen völlig zuwider ist.
sai
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Re: Gehaltsvorstellung Großkanzlei

Beitrag von sai »

Quantensprung hat geschrieben:Bezüglich des Entscheidungsspielraumes eines Richters: Man darf nicht vergessen, dass es immer noch die Methode der verfassungskonformen Auslegung gibt, ferner das Instrument des Vorlagebeschlusses. Das soll jetzt nicht heißen, dass Richter nach ihren moralischen Vorstellungen urteilen können - aber zumindest zeigen, dass Richter auch nicht unbedingt oft in die Situation kommen müssen, dass sie eine Entscheidung treffen müssen, die ihnen völlig zuwider ist.
Hilft dir beides nichts, wenn das rechtliche Ergebnis eindeutig - und zwar insbesondere nicht in deinem wie auch immer verstandenen Sinne - ist. Weder die (verfassungskonforme) Auslegung noch der Vorlagebeschluss sind Mittel, um die persönlichen rechtliche Vorlieben und Wünsche des Richters durchzusetzen.
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