Philtan hat geschrieben:Oben hat jmd. geschrieben "Und ich hoffe, dass dieser Thread jetzt nicht wieder zu der albernen Frage abgleitet, warum Kanzleien nicht anstelle des fulltime-Anwalts zwei Halbtagskräfte beschäftigen".
Weil die Gleichung 2 x 4 h = 8 h zwar mathematisch, aber nicht arbeitstechnisch aufgeht.
Hypothetische Ausgangslage: Die angestellten Anwältinnen A, B und C sind alle hoch und gleich qualifiziert. Sie arbeiten bei derselben Kanzlei. A arbeitet fulltime, B und C halbtags (B vormittags und C nachmittags).
1.
Das Szenario ist bereits deshalb unrealistisch, weil in der Praxis jeder nur vormittags halbtags arbeiten will. Ähnliches gilt für freie Tage, famulus: jeder will den freien Tag zur Verlängerung des Wochenende am Freitag oder Montag.
2.
Unabhängig davon: Am Morgen stellt der Mandant eine Frage, die er so rasch wie möglich beantwortet haben will. Aufwand zur Beantwortung: 8h. Das bedeutet, dass A die Frage noch am selben Tag beantworten kann, B und C jeweils erst am nächsten Tag.
Auch wenn B und C sich die Arbeit teilen, wird die Frage erst am nächsten Tag beantwortet, weil C nicht nahtlos an die Vorarbeit von B anschliessen kann, sondern sich erst in Unterlagen einlesen und in die Gedanken von B einfinden muss. Der Gesamtaufwand wird deshalb eher bei 10 h liegen, wenn B und C sich die Frage teilen.
3.
Das führt nicht nur dazu, dass dem Mandanten die Frage einen Tag später beantwortet wird, sondern auch zu einem Mehraufwand von 2 h ( in großen Projekten dann eben Mehraufwand von z.B. 200 h). Der Mandant wird diesen Mehraufwand, der nur durch die Bearbeitung durch B und C anstelle von A entsteht, nicht bezahlen. Also wird die Kanzlei weniger verdienen.
4.
Der Mandant setzt Besprechungen und Telefonkonferenzen einmal vormittags und einmal nachmittags an. B und C können deshalb deshalb das Mandat nicht einzeln bearbeiten, sondern wieder nur zusammen. Folge ist wiederum weniger Verdienst für die Kanzlei.
5.
Nach zwei Jahren steht eine Beförderung an. A hat nicht nur doppelt so viel Berufserfahrung wie B oder C. A ist auch anders als B und C in allen Mandaten, in denen es um eine schnelle Bearbeitung geht, einsetzbar und bringt der Kanzlei wegen des Wegfalls des Aufwands für die doppelte Einarbeitung mehr als B und C ein. Wer wird befördert werden?
Fazit: Natürlich ist Teilzeit eine Karrierebremse. Natürlich ist der Kanzlei die fulltime-Kraft deutlich lieber als mehrere Teilzeitkräfte. Wenn aber der Kanzlei nicht genügend qualifizierte Kräfte wie A zur Verfügung stehen, sie deshalb auf die -für sie - "Notlösung" B und C ausweicht und solche Arbeitsplätze anbietet, spricht nichts dagegen, solche Angebote auch guten Gewissens anzunehmen.