35 Stunden Woche bei McDermott

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Parabellum
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Parabellum »

julée hat geschrieben:
Parabellum hat geschrieben:Wenn viel zu tun ist, kommt die Effizienz ganz automatisch. Wer Zeit für non-billables hat, ist unausgelastet. \:D/
Du gehst also nach genau 8,0 Stunden?
Spätestens dann. Irgendwann muss man sich ja zwischendurch mal was zu Essen holen.
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Ara
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Ara »

Strich hat geschrieben: Mit dem Cannabisverbot ist es übrigens ganz ähnlich. Hier entsteht nur deshlab kein Gewohnheitsreicht, weil noch zahlreiche Anzeigeerstatter konkludent mit der Anzeige zum Ausdruck bringen, dass sie die Durchsetzung des Verbotes befürworten.
Ich überlege schon ein paar Minuten angestrengt, ob ich sowas schonmal gesehen hab... Komme aber zum Ergebnis: Ich habe noch NIE eine BtMG-Akte auf dem Schreibtisch gehabt, die von einem Verfolgungsinteresse eines Bürgers betrieben wurde. Entweder von Amts wegen oder aber durch Mittäter offenbart.

Ich probiers im nächsten Schriftsatz an die StA. "Lieber Herr StA, wann haben sie das letzte mal erlebt, dass ein Bürger die Verfolgung von 20kg Kokain per Strafanzeige gewünscht hat? Sehen Sie, ich auch nicht. Darum entfällt die Strafbarkeit aus Gewohnheitsrecht."
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Strich
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Strich »

Ara hat geschrieben:
Strich hat geschrieben: Mit dem Cannabisverbot ist es übrigens ganz ähnlich. Hier entsteht nur deshlab kein Gewohnheitsreicht, weil noch zahlreiche Anzeigeerstatter konkludent mit der Anzeige zum Ausdruck bringen, dass sie die Durchsetzung des Verbotes befürworten.
Ich überlege schon ein paar Minuten angestrengt, ob ich sowas schonmal gesehen hab... Komme aber zum Ergebnis: Ich habe noch NIE eine BtMG-Akte auf dem Schreibtisch gehabt, die von einem Verfolgungsinteresse eines Bürgers betrieben wurde. Entweder von Amts wegen oder aber durch Mittäter offenbart.

Ich probiers im nächsten Schriftsatz an die StA. "Lieber Herr StA, wann haben sie das letzte mal erlebt, dass ein Bürger die Verfolgung von 20kg Kokain per Strafanzeige gewünscht hat? Sehen Sie, ich auch nicht. Darum entfällt die Strafbarkeit aus Gewohnheitsrecht."
Hmm also in meinen Akten steht ständig: Es wurde von Amts wegen eine Aazeige des Unterzeichners gefertigt.Warum sollte man auch die Polizisten ausnehmen. Hier zeigt sich doch gerade sehr gut die Parallele zum ArbZG. Hier verfolgt die Ordnungsbehörde und fertigt Anzeigen, dort nicht.
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Ara
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Ara »

Strich hat geschrieben: Hmm also in meinen Akten steht ständig: Es wurde von Amts wegen eine Aazeige des Unterzeichners gefertigt.Warum sollte man auch die Polizisten ausnehmen. Hier zeigt sich doch gerade sehr gut die Parallele zum ArbZG. Hier verfolgt die Ordnungsbehörde und fertigt Anzeigen, dort nicht.
Eine Strafanzeige von Amts wegen zeigt nicht ein Strafverfolgungsinteresse, sondern ist Ausfluss des Legalitätsprinzips. Sonst würde nämlich der Polizist einen Strafantrag stellen und nicht lediglich eine Anzeige erstatten. Dies tun Polizisten zum Beispiel auch regelmäßig bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, obwohl es ein Offizialdelikt ist. Bei BtMG-Delikten habe ich aber auch in noch keiner Akte einen Strafantrag (auch nicht als Auslegung einer Strafanzeige) gesehen.
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Voland
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Voland »

Hier mal ein Beispiel aus der Praxis: http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/3/03733.PDF (Verwaister Link automatisch entfernt)

Die Behörden verfolgen das also durchaus. Dass dies nicht flächendeckend geschieht, dürfte seine Ursache vermutlich mehr an einer Unterbesetzung der Behörden und Nichtanzeigen von Verstößen durch GK-Anwälte aus Angst vor den Konsequenzen liegen. Aber selbst wenn ein Teilbereich einer durch Strafgesetz regulierten Gruppe (GK-Anwälte und deren Arbeitgeber) dauerhafte 80h-Wochen total super und das ArbZG total doof fänden, wird hierdurch kein Gewohnheitsrecht entstehen, welches geschriebenes, konkret und eindeutig entgegenstehendes Recht verdrängen würde. Daher auch mein, nicht polemisches, Beispiel mit der Mafia. Innerhalb dieser gesellschaftlichen Teilgruppe sind ja in vielen Fällen vermutlich sogar die Ums-Eck-Gebrachten mit Tötungshandlungen zu bestimmten Zwecken einverstanden. Dennoch wird wohl niemand vertreten, dass die §§ 211, 212 StGB dort durch Gewohnheitsrecht verdrängt werden.
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Tibor
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Tibor »

Intranet-Link?

EDIT: Drs doch gefunden; die bezieht sich aber nur auf Krankenhäuser, in denen nach Tarif bezahlt wird, der sicherlich keine 6-stelligen Eingangsvergütungen vorsieht, oder?
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Voland »

Tibor hat geschrieben:Intranet-Link?

EDIT: Drs doch gefunden; die bezieht sich aber nur auf Krankenhäuser, in denen nach Tarif bezahlt wird, der sicherlich keine 6-stelligen Eingangsvergütungen vorsieht, oder?
Ne, bin kein Hesse ;-).

Das bezieht sich nur auf Krankenhäuser, allerdings auch auf ärztliches Personal und damit möglicherweise auch AT. Aber das ArbZG macht ja auch keine Ausnahme für dickbrieftaschige Anwälte...

Im Übrigen habe ich in meinem Job in einer großen Unternehmensberatung durchaus erlebt, dass die Einhaltung der ArbZG-Bestimmungen genau kontrolliert wurden. Was freilich nicht zu weniger Arbeit führte, sondern eher zu kreativem Buchungsverhalten...
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Eagnai »

Ara hat geschrieben: Ich überlege schon ein paar Minuten angestrengt, ob ich sowas schonmal gesehen hab... Komme aber zum Ergebnis: Ich habe noch NIE eine BtMG-Akte auf dem Schreibtisch gehabt, die von einem Verfolgungsinteresse eines Bürgers betrieben wurde.
Och, hin und wieder kommt das schon vor... gerne von Seiten der Ex-Frau oder Ex-Partnerin, die ihrem ehemaligen Partner gerne noch eins auswischen möchte oder sich Vorteile im Sorgerechtsstreit um die Kinder erhofft.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben:Hmm also in meinen Akten steht ständig: Es wurde von Amts wegen eine Aazeige des Unterzeichners gefertigt.Warum sollte man auch die Polizisten ausnehmen.
Weil sie gesetzlich verpflichtet sind, strafbare Handlungen zu verfolgen, und sich sonst wegen Strafvereitelung durch Unterlassen strafbar machen würden?

Aus dem rechtmäßigen Handeln einer Behörde und der Erfüllung einer strafbewehrten Pflicht zu schließen, dass eine "Durchsetzung des Verbots" befürwortet würde, ist schon ziemlich skurril. Aber so könnte man immerhin in gleicher Weise schließen, dass unser Steuer- und Sozialsystem breit befürwortet wird: immerhin zahlen viele Menschen Steuern, und die Sachbearbeitern in den entsprechenden Ämtern zahlen Sozialleistungen aus.
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Strich
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Strich »

thh hat geschrieben:
Strich hat geschrieben:Hmm also in meinen Akten steht ständig: Es wurde von Amts wegen eine Aazeige des Unterzeichners gefertigt.Warum sollte man auch die Polizisten ausnehmen.
Weil sie gesetzlich verpflichtet sind, strafbare Handlungen zu verfolgen, und sich sonst wegen Strafvereitelung durch Unterlassen strafbar machen würden?
Hmm das ist doch gar nicht der Punkt!
Der Punkt ist, dass die BtM Delikte (meinetwegen) von Amts wegen verfolgt werden. Von Prozessen wegen § 23 ArbZG habe ich noch nie gelesen, noch nie einen Strafbefehl in der Hand gehabt, geschweige denn ein Verfahren erlebt.

Hier kann sich jeder, der Zugriff hat, ja mal den Spaß machen und "§ 23 ArbZG" bei Juris eingeben (ohne ").

Ich stelle hier einfach den Verfolgungswillen in Frage. Wollt ihr mir erzählen, es gäbe keine Verstöße gegen das ArbZG die beharrlich wiederholt werden und damit zur Straftat werden. Wo sind denn die beschworenen Verfahren wegen Strafvereitelung durch Unterlassen im Hinblick auf diese Strafnorm? Der Versuch ist da schon strafbar. Vonn einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für § 23 ArbZG in Frankfurt am Main oder Düsseldorf habe ich aber auch noch nie gelesen. Es gibt dieses Delikt faktisch nicht, weil der Verstoß ab einer gewissen Gehaltsklasse gesamtgesellschaftlicher Common Sense ist.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben:Hmm das ist doch gar nicht der Punkt!
Der Punkt ist, dass die BtM Delikte (meinetwegen) von Amts wegen verfolgt werden. Von Prozessen wegen § 23 ArbZG habe ich noch nie gelesen, noch nie einen Strafbefehl in der Hand gehabt, geschweige denn ein Verfahren erlebt.
Das ist primär eine Frage der (polizeilichen) Schwerpunktsetzung (die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität hat eine hohe Priorität) und des Bekanntheitsgrades und der Verständlichkeit der Strafvorschrift. Wer als Polizist über einen Joint stolpert, weiß, dass dessen Besitz strafbar ist. Dass überlange Arbeitszeiten das möglicherweise auch sind, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht einmal allen - oder auch nur vielen - Juristen bekannt.

Dass die Verfolgungsintensität im Wirtschafts- und Nebenstrafrecht eine andere ist, ist jetzt im Übrigen auch keine neue Erkenntnis, und betrifft nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch das Lebensmittel-, Tierschutz- und sonstige "strafrechtliche Nebengesetze".
Strich hat geschrieben:Hier kann sich jeder, der Zugriff hat, ja mal den Spaß machen und "§ 23 ArbZG" bei Juris eingeben (ohne ").
Juris-Recherchen spiegeln die strafrechtliche Praxis nicht wirklich wieder, weil primär obergerichtliche und anderweitig "bedeutsame" Entscheidungen veröffentlicht werden, nicht aber das Alltagsgeschäft.
Strich hat geschrieben:Ich stelle hier einfach den Verfolgungswillen in Frage.
Dafür sehe ich keinen Anlass. Wenn eine solche Tat bekannt wird, wird sie auch verfolgt werden.

Es erscheint mir allerdings wenig überraschend, dass es öffentlichkeitswirksame Maßnahmen gegen Drogen"konsum", Wohnungseinbruch und meinetwegen Sozialleistungsbetrug und "Schwarzfahren" gibt, aber niemand - bspw. - im Internet gezielt nach Dentalhygienikerinnen sucht, die Bleaching und Zahnreinigung mit dem Pulverstrahlgerät anbieten, obschon das (wohl) eine unerlaubte Ausübung der Zahnheilkunde darstellt. Das muss eben jemand anzeigen; dann wird aber durchaus ermittelt, teilweise sogar mit ganz erheblichem (schon kaum mehr angemessenen) Aufwand. In Juris wird sich das kaum widerspiegeln. Für Verstöße gegen das ArbZG wird das kaum anders aussehen.
Strich hat geschrieben:Wollt ihr mir erzählen, es gäbe keine Verstöße gegen das ArbZG die beharrlich wiederholt werden und damit zur Straftat werden.
Oh, die gibt es sicher. Es gibt - gerade im Nebenstrafrecht - eine Unzahl strafbarer Handlungen, die teilweise in gar nicht so geringer Zahl begangen werden und trotzdem nicht besonders energisch verfolgt werden und es weder in die Presse noch in juris schaffen. Der Apotheker, der eine bestimmte Salbe im Voraus herstellt, weil sie verschreibungsfrei ist und häufig verlangt wird (strafbar, weil die defekturmäßige Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke nicht voraussetzt, dass diese häufig verlangt, sondern häufig verschrieben werden); der Tierarzt, der sich Oxalsäure als chemische Substanz besorgt, um die Varroamilbe bei seinen Bienenstöcken zu bekämpfen, die Substanz aber mit den anderen Mitteln in seiner tierärztlichen Hausapotheke lagert (strafbarer Verstoß gegen § 59a Abs. 2 AMG); der Besitzer eines Rennpferdes, der den Tierarzt kühlende Umschläge mit einem Desinfektionsmittel an den Fesseln des Tieres machen lässt und das alte Pferd später zum Pferdemetzger bringt (Straftat sowohl für den Tierarzt als auch für den Pferdebesitzer, weil Desinfektionsmittel nicht zu dieser Art der Behandlung zugelassen sind und die Anwendung nicht zugelassener Arzneimittel an zur Lebensmittelerzeugung dienenden Tieren strafbar ist und zudem das Tier danach als Lebensmittel nicht mehr verkehrsfähig ist, was auch sein Inverkehrbringen durch Schlachtung strafbar ist), und so weiter, und so fort. All das kommt teilweise in Einzelfällen, aber teilweise auch immer wieder einmal zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden und wird dann verfolgt, ohne dass man dazu etwas publiziert findet; all das wird sich demjenigen, der sich nicht speziell damit beschäftigt, wohl kaum als potentieller Straftat aufdrängen und wird daher nur bei gezielter Anzeigeerstattung unter Darlegung der Rechtslage zur Strafverfolgung führen. All das - naja: die meisten der genannten Beispiele - kommt aber mit Sicherheit deutlich öfter vor.

Der Grund dafür ist aber nicht, dass "die Allgemeinheit" oder "die Strafverfolgungsbehörden" der Auffassung wären, das Verhalten wäre nicht strafbar oder sollte es nicht sein.

Umgekehrt werden regelmäßig in nicht geringer Zahl offenkundig nicht strafbare Sachverhalte angezeigt, ganz vorne dabei (wie in einem anderen Thread erörtert) die Verletzung zivilrechtlicher Zahlungspflichten als Betrug. Ich halte es nicht für fernliegend, dass eine durchaus habhafte Anzahl, vielleicht gar eine Mehrheit das für strafwürdig hält, ohne dass das etwas an der Rechtslage ändert.
Strich hat geschrieben:Wo sind denn die beschworenen Verfahren wegen Strafvereitelung durch Unterlassen im Hinblick auf diese Strafnorm?
Strafverteilung durch Unterlassen würde voraussetzen, dass (a) ein mit Strafverfolgungsaufgaben befasster Bediensteter (b) von diesen Sachverhalten Kenntnis erlangt und (c) deren Strafbarkeit erkennt. Bei Joints ist das einfach; daher sind entsprechende Anzeigenvorlagen an die Staatsanwaltschaft bar jeder Aussage darüber, ob die entsprechende Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft dieses Verhalten für strafwürdig hält oder nicht. Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz sieht das in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht durchaus anders aus.

Ich finde es auch wenig überraschend, dass die Lebensmittelüberwachung weniger auf Sternerestaurants als auf Bratwurst- und Dönerbuden schaut und die Gewerbeaufsicht - wenn sie denn überhaupt schaut - sich mehr für das Baugewerbe und das BAG vielleicht noch für Fernfahrer interessiert als für die Arbeitszeiten von Spitzenverdienern in großen Wirtschaftskanzleien.
Strich hat geschrieben:Von einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für § 23 ArbZG in Frankfurt am Main oder Düsseldorf habe ich aber auch noch nie gelesen.
Es wäre auch ziemlich skurril, für einen Straftatbestand des Nebenstrafrechts (unter unzähligen) mit marginaler Strafdrohung eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu schaffen. Es gibt auch keine Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die unerlaubte Ausübung der Heilkunde durch Schröpfen.
Strich hat geschrieben:Es gibt dieses Delikt faktisch nicht, weil der Verstoß ab einer gewissen Gehaltsklasse gesamtgesellschaftlicher Common Sense ist.
Das ist möglich, aber eben keineswegs ein zwingender oder auch nur naheliegender Schluss aus Deinen Beobachtungen zur forensischen Realität.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Strich »

Du stellst also die Dunkelziffer der Straftaten nach § 23 ArbZG auf eine Stufe mit der Dunkelziffer der von dir beschriebenen Delikte des Nebenstrafrechts?

Im Übrigen drängt sich ein Verstoß gegen § 23 ArbZG bei Großkanzleien förmlich auf, da diese Norm der Tatbestandsmerkmale in der einfachsten Variante genau 2 hat: Verstoß gegen die 8h Arbeitszeit, Beharrlichkeit der Wiederholung. Das sieht ein blinder Staatsanwalt mit Krückstock.
Zur Umgehung irgendwelcher Schwierigkeiten kann man auch einfach zwei Verstöße durch Arbeitszeiten von > 10 Stunden sammeln. Der Ermittlungsaufwand, die rechtliche Bewertung und die zu fertigende Anklage/Strafbefehl dürften dem Aufwand nach nicht einmal 10 % des Aufwandes ausmachen, den eine Betrugsanklage wegen Forderungsbetrügerein benötigt.
Umgekehrt werden regelmäßig in nicht geringer Zahl offenkundig nicht strafbare Sachverhalte angezeigt, ganz vorne dabei (wie in einem anderen Thread erörtert) die Verletzung zivilrechtlicher Zahlungspflichten als Betrug. Ich halte es nicht für fernliegend, dass eine durchaus habhafte Anzahl, vielleicht gar eine Mehrheit das für strafwürdig hält, ohne dass das etwas an der Rechtslage ändert.
Ja wegen Art 103 Abs. 2 GG. Das hatten wir aber schon. Gewohnheitsrecht kann keine Strafnormen schaffen, allenfalls abschaffen.

Juris spiegelt das Alltagsgeschäft insoweit wieder, als dass es die Spitze des Eisberges darstellt, wobei mit Spitze die obergerichtliche Rechtsprechung gemeint ist. In abgelegenen Nebengebieten gibt es mangels ausreichender Fallzahlen eben auch sehr selten obergerichtliche Rechtsprechung.
Das Arbeitszeitgesetz betrifft aber ca. 40 Millionen Menschen, ganz grob über den Daumen gepeilt. Hier können deine knapp 30.000 Tierärzte oder 50.000 Apotheker nicht mithalten, die im Übrigen zum Teil auch unter das ArbZG fallen.
Der Geltungsbereich des § 23 ArbZG übersteig den, der von dir zitierten Fälle bei weitem. Auch sind Arbeitszeiten eine alltägliche Erscheinung. Das zu Salami verarbeitete Pferd, dass mit dem falschen Desinfektionsmittel behandelt wurde, dürfte dagegen nicht mal ein statistisches Zucken verursachen.

Ich bin mir gerade aber gar nicht sicher, ob du mit diesen Beispielen eigentlich conträr zu meiner Auffassung bist. Wenn du sagst, diese Delikte werden nicht engmaschig verfolgt und sich, entsprechend zu den Großkanzleifällen, herausstellen würde, dass diese Delikte tatsächlich agr nicht verfolgt werden, sollte man sich eben auch die Frage stellen, ob das von den beteiligten Kreisen als Überzeugung des Richtigen getragen wird. Auch in diesem Fall kann Gewohnheitsrecht entstehen, warum auch nicht? Die Basis, dass zu ermitteln dürfte jedoch sehr dünn und aufgrund der Komplexität der Rechtsmaterie auch schwer für den juristisch nicht gebildeten Tierarzt nachvollziehbar sein. Das kann man vom Großkanzleianweilt schwerlich behaupten.

Ich frage mich ohnehin was hier alle befürchten? Das Gewohnheitsrecht wird sicherlich kein Chaos und Willkürherrschaft verursachen ^^ Das verhindern seine Voraussetzungen.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben:Du stellst also die Dunkelziffer der Straftaten nach § 23 ArbZG auf eine Stufe mit der Dunkelziffer der von dir beschriebenen Delikte des Nebenstrafrechts?

Im Übrigen drängt sich ein Verstoß gegen § 23 ArbZG bei Großkanzleien förmlich auf, da diese Norm der Tatbestandsmerkmale in der einfachsten Variante genau 2 hat: Verstoß gegen die 8h Arbeitszeit, Beharrlichkeit der Wiederholung. Das sieht ein blinder Staatsanwalt mit Krückstock.
Und, was ist aus den entsprechenden Strafanzeigen bzw. Mitteilungen an die zuständigen Aufsichtsbehörden geworden?

(Der Gedanke, dass bei den Staatsanwaltschaften solche Langeweile herrscht, dass von Amts nach der Zeitungslektüre Verfahren wegen Bagatellstraftaten mit Strafandrohungen von bis zu einem Jahr eingeleitet werden, scheint mir eher skurril.)
Umgekehrt werden regelmäßig in nicht geringer Zahl offenkundig nicht strafbare Sachverhalte angezeigt, ganz vorne dabei (wie in einem anderen Thread erörtert) die Verletzung zivilrechtlicher Zahlungspflichten als Betrug. Ich halte es nicht für fernliegend, dass eine durchaus habhafte Anzahl, vielleicht gar eine Mehrheit das für strafwürdig hält, ohne dass das etwas an der Rechtslage ändert.
Ja wegen Art 103 Abs. 2 GG. Das hatten wir aber schon. Gewohnheitsrecht kann keine Strafnormen schaffen, allenfalls abschaffen.[/quote]

Soso.
Strich hat geschrieben:Juris spiegelt das Alltagsgeschäft insoweit wieder, als dass es die Spitze des Eisberges darstellt, wobei mit Spitze die obergerichtliche Rechtsprechung gemeint ist. In abgelegenen Nebengebieten gibt es mangels ausreichender Fallzahlen eben auch sehr selten obergerichtliche Rechtsprechung.
Und Du meinst, § 23 ArbZG sei - strafrechtlich gesehen - kein abgelegenes Nebengebiet?
Strich hat geschrieben:Das Arbeitszeitgesetz betrifft aber ca. 40 Millionen Menschen, ganz grob über den Daumen gepeilt.
Das macht Strafnormen aus diesem Bereich allerdings noch nicht zum strafrechtlichen Kernbereich.
Strich hat geschrieben:Ich bin mir gerade aber gar nicht sicher, ob du mit diesen Beispielen eigentlich conträr zu meiner Auffassung bist. Wenn du sagst, diese Delikte werden nicht engmaschig verfolgt und sich, entsprechend zu den Großkanzleifällen, herausstellen würde, dass diese Delikte tatsächlich agr nicht verfolgt werden, sollte man sich eben auch die Frage stellen, ob das von den beteiligten Kreisen als Überzeugung des Richtigen getragen wird.
Dass diese Delikte nicht verfolgt werden, sehe ich bisher nicht, sondern nur eine Variante von "wo kein Kläger, da kein Richter": "wo keine Anzeige, da keine Ermittlungen".
Strich hat geschrieben:Ich frage mich ohnehin was hier alle befürchten?
Ich befürchte gar nichts, halte aber den Gedanken, dass sich aus dem bloßen Faktum fehlender Strafverfahren Gewohnheitsrecht ergeben soll, weiterhin für völlig fernliegend und Deine Ausführungen dazu nicht für überzeugend.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Strich »

thh hat geschrieben: Dass diese Delikte nicht verfolgt werden, sehe ich bisher nicht, sondern nur eine Variante von "wo kein Kläger, da kein Richter": "wo keine Anzeige, da keine Ermittlungen".
Diese Aussage ergibt keinen Sinn.
thh hat geschrieben:
Strich hat geschrieben:Ich frage mich ohnehin was hier alle befürchten?
Ich befürchte gar nichts, halte aber den Gedanken, dass sich aus dem bloßen Faktum fehlender Strafverfahren Gewohnheitsrecht ergeben soll, weiterhin für völlig fernliegend und Deine Ausführungen dazu nicht für überzeugend.
Ja genau, weil Gewohnheitsrecht als einzige Voraussetzung hat, dass Straftaten nicht verfolgt werden und genau das hier ständig behauptet wurde ::roll:
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von EinHeinz »

Strich hat geschrieben: Ich frage mich ohnehin was hier alle befürchten? Das Gewohnheitsrecht wird sicherlich kein Chaos und Willkürherrschaft verursachen ^^ Das verhindern seine Voraussetzungen.
Was ist deine Mission? ::roll:
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