35 Stunden Woche bei McDermott

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julée
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von julée »

Atropos hat geschrieben:Ich finde es manchmal etwas abwegig, so zu tun, als wäre GK eben ein Job wie jeder andere. Werden die ganzen Arbeitszeitregeln denn in den Spitzen der Ministerialbürokratie eingehalten, wenn gerade die Eurozone gerettet werden muss?
1) Das Arbeitszeitgesetz hält auch den GK-Anwalt für einen ganz normalen Arbeitnehmer - für so abwegig man dies auch halten mag.
2) Wenn der Ausnahmefall der Regelfall ist, dann spricht Einiges für eine entsprechende Anpassung der Personalsituation und Arbeitsweise, anstatt so zu tun, als müsse man jeden Tag völlig unvorhergesehen die Eurozone retten. (Dass es trotz allem immer noch Ausnahmefälle geben kann, geschenkt.)
@julée: Was, wenn man einen Fall aufgrund des komplexen Sachverhaltes eigentlich erst effektiv bearbeiten kann, wenn man sich vorher ~ 100-200 Stunden in den konkreten Fall eingelesen hat. Sollen dann Mandanten quasi 2 oder 3 Mitarbeiter für diese Einarbeitungszeit bezahlen, damit diese sich im Schichtdienst abwechseln können? Ich wäre natürlich dafür, aber ich kann verstehen, wenn Mandanten das nicht wollen.
Anders gefragt: Ist es wirklich sinnvoll, wenn nur ein Anwalt ein derart komplexes und umfangreiches Projekt ganz alleine bearbeitet? Hat der Mandant möglicherweise einen Vorteil davon, wenn nicht ein einzelner Anwalt mit einer 40 oder 80 Stundenwoche das Mandat bearbeitet, sondern 3 Anwälte mit einer 35-40 Stundenwoche? Wie viele Stunden fallen überhaupt bei Projekten an, die 100-200 Stunden Einarbeitungszeit erfordern? Und wie zahlreich sind derartige Projekte? Ob der Mandant das bezahlen möchte, wird man sehen müssen (ohne unmittelbare Benefits sicherlich nicht), aber die andere Frage wäre, ob man (= die Kanzlei) zu diesen Bedingungen arbeiten möchte oder ob es nicht andere, attraktivere Geschäftsfelder gibt, bei denen sich diese Problematik nicht in gleicher Schärfe stellt.
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Tibor
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Tibor »

Und der Kapitalismus so: UBT, UBT, UBT, UBT ...
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julée
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von julée »

Man kann eben nicht alles haben.
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Thandor79
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Thandor79 »

Atropos hat geschrieben:Wohlgemerkt ist der Umkehrschluss nicht richtig, dass nur weil sehr lange gearbeitet wird das automatisch bedeuten muss, dass das Projekt komplex + dringend war oder die Arbeitszeiten wirklich im konkreten Fall notwendig ist.
Aber der Schluss wäre nahe liegend, dass man gerade kein wichtiges Projekt hat und damit selbst nicht wichtig ist, wenn man nur von 9 - 17 Uhr arbeitet.

Bei innerlich unsicheren Menschen, die ihre Bestätigung aus Arbeit ziehen, da muss es die extra Nachtschicht sein, auch wenn es nur um den Import von Kaugummi geht. Selbst erlebt solche Typen und darum glaube ich kurzfristig noch nicht so recht an so ein Modell. Auch wenn es sicher irgenwann kommen muss, aus verschiedenen Gründen. Weniger Potenzial an Bewerbern, höhere Konkurrenz, andere Prioritäten bei den jungen Leuten, gesetzliche Regelungen ...
Atropos
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Atropos »

In der Theorie bin ich ja völlig bei euch. Aber seien wir doch mal pragmatisch: In welchem Beruf verdienen ~28jährige, die ,,nur'' zu den besten 15-20% Absolventen ihres Studienganges gehören (also nicht irgendwelche Silicon Valley Genie-Programmierer etc) denn bitte 120.000€ Brutto pro Jahr? Warum ist der Referendar im letzten Monat der Wahlstation nur 3500€ / Monat wert und einen Monat später als Associate mehr als das Doppelte?

Die ganze Gehaltsstruktur ist einfach darauf angepasst, dass Leute erheblich mehr als 40 Stunden pro Woche im Büro verbringen. Kann man beklagen, man kann auch versuchen andere Modelle zu entwickeln (was ja auch vernünftig ist), aber das Geld einstreichen und dann auf ,,normaler Arbeitnehmer'' pochen ist für mich einfach ein bisschen "Venire contra factum proprium"...
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Tibor
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Tibor »

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julée
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von julée »

@Atropos: Aber das ist ja ein völlig anderer Punkt; 100k mitnehmen und anschließend rumheulen hat in der Tat wenig Stil. Das Angebot des Arbeitgebers ist allerdings schlichtweg "Für das x-fache Gehalt sind bitte (fast) alle Regeln egal" und weil "das x-fache" in absoluten Zahlen so wahnsinnig viel ist, wird es weithin als geradezu absurd angesehen, den Regelverstoß als solchen zu benennen. Sicherlich, es mag praktische Gründe geben, warum es zumindest bequemer ist, wenn weniger Leute für mehr Geld erheblich mehr arbeiten, aber rechtlich, arbeitsmedizinisch, gesellschaftlich usw. spricht doch Einiges dafür das Modell GK nicht zu glorifizieren und den Regelverstoß nicht als unbedingt notwendig zu postulieren, sondern vielmehr über Änderungen nachzudenken, die insbesondere im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen stehen.
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Tibor
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35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Tibor »

Man kann als Außenstehender gern die Regelverstöße benennen. Nur dürften die Regeln mE eher teleologisch zu reduzieren sein; es liegt keinerlei Schutzbedürftigkeit des 1st-year Associates einer GK in Deutschland vor, wenn er für ein Gehalt > 90T€ 50-60h / Woche arbeiten will. Wie gesagt, im Vergleich zu anderen Staaten startet bei uns kein Absolvent mit Ausbildungsschulden, die ihn wirtschaftlich dazu zwingen, einen Job mit solchem Salär anzutreten. Jeder mir persönlich bekannte GK Newbie wusste auch, worauf er sich einlässt: viel Geld für viel Arbeit, bei vagen Partnerchancen. Schutzbedürftigkeit des sozial schwachen Arbeitnehmers sieht für mich ganz anders aus.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Trente Steele82 »

Also, als Außenstehender finde ich die Bemühungen jedenfalls sehr löblich. Ob das sich auszahlt oder angenommen wird, wird am Ende ja die Zeit zeigen.

Aktuelles Projekt: http://www.juve.de/nachrichten/namenund ... t-in-koeln

Ich finde sowas jedenfalls erstmal positiv.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von sai »

julée hat geschrieben:@Atropos: Aber das ist ja ein völlig anderer Punkt; 100k mitnehmen und anschließend rumheulen hat in der Tat wenig Stil. Das Angebot des Arbeitgebers ist allerdings schlichtweg "Für das x-fache Gehalt sind bitte (fast) alle Regeln egal" und weil "das x-fache" in absoluten Zahlen so wahnsinnig viel ist, wird es weithin als geradezu absurd angesehen, den Regelverstoß als solchen zu benennen. Sicherlich, es mag praktische Gründe geben, warum es zumindest bequemer ist, wenn weniger Leute für mehr Geld erheblich mehr arbeiten, aber rechtlich, arbeitsmedizinisch, gesellschaftlich usw. spricht doch Einiges dafür das Modell GK nicht zu glorifizieren und den Regelverstoß nicht als unbedingt notwendig zu postulieren, sondern vielmehr über Änderungen nachzudenken, die insbesondere im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen stehen.
Die erste Änderung wäre in dem Fall allerdings: niedrigere Gehälter.
Denn zwei Associate mit 40 Stunden Woche kosten eben doppelt soviel wie einer mit 80.

Und das wird kein Mensch mitmachen, weil die Arbeit in einer GK eben nicht so glamourös und hoch anspruchsvoll ist, wie in jeder Stellenanzeige und bei jedem Recruitung Event gerne behauptet wird. Das Modell GK ist für 95 % der Berufseinsteiger doch alleine aufgrund des exorbitant hohen Gehaltes attraktiv.
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Kasimir »

sai hat geschrieben:
julée hat geschrieben:@Atropos: Aber das ist ja ein völlig anderer Punkt; 100k mitnehmen und anschließend rumheulen hat in der Tat wenig Stil. Das Angebot des Arbeitgebers ist allerdings schlichtweg "Für das x-fache Gehalt sind bitte (fast) alle Regeln egal" und weil "das x-fache" in absoluten Zahlen so wahnsinnig viel ist, wird es weithin als geradezu absurd angesehen, den Regelverstoß als solchen zu benennen. Sicherlich, es mag praktische Gründe geben, warum es zumindest bequemer ist, wenn weniger Leute für mehr Geld erheblich mehr arbeiten, aber rechtlich, arbeitsmedizinisch, gesellschaftlich usw. spricht doch Einiges dafür das Modell GK nicht zu glorifizieren und den Regelverstoß nicht als unbedingt notwendig zu postulieren, sondern vielmehr über Änderungen nachzudenken, die insbesondere im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen stehen.
Die erste Änderung wäre in dem Fall allerdings: niedrigere Gehälter.
Denn zwei Associate mit 40 Stunden Woche kosten eben doppelt soviel wie einer mit 80.

Und das wird kein Mensch mitmachen, weil die Arbeit in einer GK eben nicht so glamourös und hoch anspruchsvoll ist, wie in jeder Stellenanzeige und bei jedem Recruitung Event gerne behauptet wird. Das Modell GK ist für 95 % der Berufseinsteiger doch alleine aufgrund des exorbitant hohen Gehaltes attraktiv.
Zwei Associates mit 40 Wochenstunden kosten deutlich mehr als einer mit 80 Wochenstunden, alleine schon aufgrund der Fixkosten wie Büromiete, Büroausstattung, Fortbildungskosten, Sekretariat etc.
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
Theopa
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Theopa »

"Auch diese Associates sollen theoretisch zum Vollpartner ernannt werden können."
Sofern sie männlich und katholisch sind könnten sie theoretisch auch zum Papst ernannt werden.
Thandor79
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Thandor79 »

Trente Steele82 hat geschrieben:Also, als Außenstehender finde ich die Bemühungen jedenfalls sehr löblich. Ob das sich auszahlt oder angenommen wird, wird am Ende ja die Zeit zeigen.

Aktuelles Projekt: http://www.juve.de/nachrichten/namenund ... t-in-koeln

Ich finde sowas jedenfalls erstmal positiv.
Die Grundidee wird sicher viele anziehen. Auch einige sehr gute Leute. Nicht jeder Topjurist will nur weil er gut ist immer 70 Stunden arbeiten. Nur:

Die können dann doch eigentlich auch Richter werden. Oder in irgendeiner Bundes-Behörde die A13 mitnehmen (Aufstieg bis A15 ist ja zumindest als Frau nicht völlig unrealistisch) und dann eben das passende Familienmodell für sich zeitlich umsetzen. Mehr Sicherheit, noch besser planbare Arbeitszeit.
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Tibor
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von Tibor »

Aber Richter und Rechtsanwalt ist nicht beliebig substituierbar; manch einer will eben nur Rechtsanwalt sein, kann aber weder als Beamter oder Richter glücklich werden (vice versa).
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Re: 35 Stunden Woche bei McDermott

Beitrag von julée »

sai hat geschrieben:Die erste Änderung wäre in dem Fall allerdings: niedrigere Gehälter.
Denn zwei Associate mit 40 Stunden Woche kosten eben doppelt soviel wie einer mit 80.

Und das wird kein Mensch mitmachen, weil die Arbeit in einer GK eben nicht so glamourös und hoch anspruchsvoll ist, wie in jeder Stellenanzeige und bei jedem Recruitung Event gerne behauptet wird. Das Modell GK ist für 95 % der Berufseinsteiger doch alleine aufgrund des exorbitant hohen Gehaltes attraktiv.
Wenn sich allerdings für die Hälfte des Gehalts nicht genügend finden, dann wären steigende Gehälter wiederum die logische Konsequenz. 75-80k für eine 40-45 Stundenwoche klingt für mich jetzt auch nicht so völlig unattraktiv - zumal man dann Zeit hätte, das Geld auch noch auszugeben.
Tibor hat geschrieben:Aber Richter und Rechtsanwalt ist nicht beliebig substituierbar; manch einer will eben nur Rechtsanwalt sein, kann aber weder als Beamter oder Richter glücklich werden (vice versa).
+ 1

(Und das ist sicherlich auf Dauer auch keine vernünftige Motivation, wenn man im Staatsdienst länger Zeit irgendein subjektiv stinklangweiliges Rechtsgebiet bearbeiten muss und noch nicht mal Freude an der Tätigkeit an sich hat.)
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