Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

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OJ1988
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von OJ1988 »

Kroate hat geschrieben:
Ara hat geschrieben: Naja n Einstiegsgehalt von round about 40.000 Euro Netto (+ Vorteile der Verbeamtung) musst du in der freien Wirtschaft erstmal kriegen. Das sind über 70.000 Euro Brutto für nen Nichtbeamten.
Ist das großzügig gerundet? Ich meine man ist mit R1 zu Beginn bei unter 37k netto. Zieht man noch die Kosten für die PKV ab, sollte man bei knapp 60k Bruttoäquivalent in der freien Wirtschaft landen.

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Das ist zu großzügig gerechnet. Zieht man PKV-Kosten ab, landet man (bundeslandverschieden) bei 2.8k - 2.9k netto im Monat. Also eher 35.000 netto statt 40.000. Das ist bummelig etwa halb so viel wie als Großkanzleianwalt. Wenn die Arbeitszeiten sich dann aber nicht großartig unterscheiden, kommen alle, die nicht völlig für den Staatsdienst brennen (so viele sind das nicht), ins Grübeln. Man macht sich was vor, wenn man behauptet, die Bezahlung wäre bei der Entscheidung für den Staatsdienst gar kein Kriterium. Bei mir war es - vorerst - einer der wesentlichen Gründe, mich gegen die Justiz zu entscheiden.
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Ara
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Ara »

Kroate hat geschrieben: Ist das großzügig gerundet? Ich meine man ist mit R1 zu Beginn bei unter 37k netto. Zieht man noch die Kosten für die PKV ab, sollte man bei knapp 60k Bruttoäquivalent in der freien Wirtschaft landen.
Ist natürlich Bundeslandabhängig. Ich hatte die Zahlen für Hamburg genommen, weil sie mir nahe waren. Da ist man mit Steuerklasse I ohne Kinder und ohne Kirchensteuer bei R1 Stufe 1 bei 39,448,08 Euro Netto im Jahr (PKV geht aber natürlich tatsächlich noch ab).
Suchender_ hat geschrieben:1. Der Vergleich von Richtern (idR zwei überdurchschnittliche Staatsexamina) mit dem durchschnittlichen Anwalt hinkt.
Die zwei überdurchschnittlichen Staatsexamina bringen dir als normaler Anwalt aber nicht automatisch Geld. Sie öffnen dir die Tür in die Großkanzlei, wenn du durch diese Tür aber nicht gehst, haben sie auf dein Gehalt wenig Einfluss. Bei mittelständigen Kanzleien wirds eher um deine tatsächliche Arbeitsleistung gehen und weniger um die Examensnote. Als Selbstständiger zählt die Note logischerweise auch nichts.
Suchender_ hat geschrieben: Bei einer signifikant höheren Bezahlung würden sich naturgemäß mehr (gute) Absolventen finden, die statt "3 Jahre GK" unmittelbar in der Justiz anfangen würden.
Hier bedenkst du nicht, dass es relativ egal ist, ob sie 3 Jahre früher oder später Richter werden. Ob da ein Richter nun 30 oder 33 Jahre arbeitet, macht nicht soviel aus. Außerdem wird die GK dann wieder die Preise anziehen und du bist in der gleichen Situation wie zuvor, nur zahlen alle mehr.

Was mich persönlich von der Bezahlung im Staatsdienst abschreckt ist nicht die Höhe, sondern das fehlende Potential nach oben. Du bist halt realistisch gesehen bei R2 begrenzt und das heißt am Ende je nach Familiensituation so ungefähr 60.000 bis 65.000 Euro netto. Das ist mE nicht schlecht, ist aber natürlich noch einmal ein gutes Stück davon entfernt, was du aus einer erfolgreichen Kanzlei (auch abseits der GK) rausholen kannst. Das ist halt die Hauptabwägung "Sicherheit" vs. "Chancen".
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Droht kein Beförderungsschritt mehr in Sicht zu sein, wird kein Richter mehr im Jahresdurchschnitt an eine 40h/Woche kommen.
Das bestreite ich nachdrücklich. Es gibt genug Juristen, die für sich selbst den Anspruch haben, dass in ihrem Bereich nichts anbrennen soll - ganz egal, wie Bezahlung und Karriereperspektiven aussehen.
Übrigens würde mich mal eine Statsitik interessieren, wie viele Punkte Richter im Schnitt haben, verglichen mit dem Schnitt unter GK-Anwälten. Ich glaube, in so einem Vergleich würde die Richterschaft nicht so schlecht abschneiden, weder im "Altbestand" noch unter den jährlichen Neueinstellungen.
Gerade unter den Richtern, die zwischen 2010 und 2025 in den Ruhestand gehen / gegangen sind, gibt es viele, die punktemäßig über sehr schwache Examina verfügen und mit diesen Noten heute keine Chance auf eine Einstellung in den Justizdienst hätten.

Von Ballungsraumzulagen halte ich wenig - das ist doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein (siehe aktuelle Beschlusslage in Bayern / München), und häufig gibt es da auch Wertungswidersprüche. Grundsätzlich denke ich, dass die Justiz zunächst die Arbeitsbedingungen verbessern muss - dann wird es auch wieder mehr Juristen in die Justiz ziehen. Heute weiß doch jeder Referendar, wie katastrophal die Arbeitsbedingungen in der Justiz mitunter sein können - und damit meine ich nicht nur das Arbeitspensum, sondern schlicht auch so etwas wie die Arbeitsausstattung. Langfristig sollte man in den Besoldungsdebatten auch mal einen Blick auf andere europäische Länder werfen und schauen, wie Richter dort bezahlt werden.
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Tibor
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Tibor »

Quantensprung hat geschrieben:
Droht kein Beförderungsschritt mehr in Sicht zu sein, wird kein Richter mehr im Jahresdurchschnitt an eine 40h/Woche kommen.
Das bestreite ich nachdrücklich. Es gibt genug Juristen, die für sich selbst den Anspruch haben, dass in ihrem Bereich nichts anbrennen soll - ganz egal, wie Bezahlung und Karriereperspektiven aussehen.
Es wird diese geben. Ich bezweifle aber nur, dass im Durchschnitt aller Richter mit "Ende der Karriere" ein Wochenbelastung von durchschnittlich > 40h rauskommt.
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Schnitte
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Quantensprung hat geschrieben: Gerade unter den Richtern, die zwischen 2010 und 2025 in den Ruhestand gehen / gegangen sind, gibt es viele, die punktemäßig über sehr schwache Examina verfügen und mit diesen Noten heute keine Chance auf eine Einstellung in den Justizdienst hätten.
Dazu habe ich keine empirischen Daten, aber nehmen wir mal an, in dieser Alterskohorte ist der Notendurchschnitt unter Richtern tatsächlich niedriger (und zwar im Verhältnis zu Privatsektorjuristen aus der gleichen Altersgruppe, was ja der Vergleichsmaßstab ist, der uns interessiert - der Vergleich "Richter damals versus Richter heute" ist für die Diskussion, die wir hier führen, irrelevant). Unterstützt das das übliche "Wir Richter verdienen so wenig!-Gejammere? Ich finde nein: Der 2010-2025 in Ruhestand gehende Richter ist in den Babyboomer-Jahrgängen von ca. 1945-1960 geboren und ist damit ca. 1975-1990 in das Berufsleben eingetreten. Also zu Zeiten, als - Beiträgen wie dem von Tibor zitierten DRiZ-Artikel zufolge - die Einkommensschere zwischen Richterschaft und Privatsektor nicht so weit auseinanderklaffte wie heute. Am Geld kann's dann also nicht primär liegen, dass sich die notenmäßig schwächen Absolventen dieser Generation reihenweise an den Gerichten tummeln.
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Schnitte
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Ara hat geschrieben: Die zwei überdurchschnittlichen Staatsexamina bringen dir als normaler Anwalt aber nicht automatisch Geld. Sie öffnen dir die Tür in die Großkanzlei, wenn du durch diese Tür aber nicht gehst, haben sie auf dein Gehalt wenig Einfluss. Bei mittelständigen Kanzleien wirds eher um deine tatsächliche Arbeitsleistung gehen und weniger um die Examensnote. Als Selbstständiger zählt die Note logischerweise auch nichts.
Das ist m.E. der zentrale Punkt hier. Die jammernden Vergleiche von Richtern gehen letztlich immer auf das Argument zurück: "Mit meinen Noten könnte ich in der Großkanzlei viel mehr verdienen!". Die richtige Antwort hierauf ist natürlich: "Du bist aber nicht in der Großkanzlei; wenn du ein Großkanzlei-Einkommen willst, solltest du auch in die Großkanzlei gehen." Die Tatsache, dass man notenmäßig in der Großkanzlei sein könnte, ist halt noch lange nicht dasselbe, wie wenn man tatsächlich in der Großkanzlei ist.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Dazu habe ich keine empirischen Daten, aber nehmen wir mal an, in dieser Alterskohorte ist der Notendurchschnitt unter Richtern tatsächlich niedriger (und zwar im Verhältnis zu Privatsektorjuristen aus der gleichen Altersgruppe, was ja der Vergleichsmaßstab ist, der uns interessiert - der Vergleich "Richter damals versus Richter heute" ist für die Diskussion, die wir hier führen, irrelevant). Unterstützt das das übliche "Wir Richter verdienen so wenig!-Gejammere? Ich finde nein: Der 2010-2025 in Ruhestand gehende Richter ist in den Babyboomer-Jahrgängen von ca. 1945-1960 geboren und ist damit ca. 1975-1990 in das Berufsleben eingetreten.
Da bin ich ganz bei dir. Mein Einwand zielte darauf ab, dass man die Notenanforderungen durchaus noch absenken kann (bzw. eher: die Einstellungsvoraussetzungen etwas breiter fächern kann), ohne dass der Rechtsstaat gefährdet ist. In der DRiZ gab es vor einigen Jahren einen Aufsatz, in dem dargestellt wurde, dass die Befähigung zum Richteramt tatsächlich über viele Jahre die einzige Voraussetzung für den Zugang zum höheren Justizdienst gewesen ist.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Spencer »

Schnitte hat geschrieben:
Suchender_ hat geschrieben: Bei einer signifikant höheren Bezahlung würden sich naturgemäß mehr (gute) Absolventen finden, die statt "3 Jahre GK" unmittelbar in der Justiz anfangen würden.
Der Staat muss nur das bezahlen, was nötig ist, um die offenen Stellen mit hinreichend qualifizierten Leuten besetzt zu kriegen. Das ist gewährleistet: Trotz der ewigen Diskussionen über Richterbesoldung versus Privatsektorgehälter gibt es genug Absolventen mit der notwendigen Qualifikation, die sich für die Richterlaufbahn (oder die als Staatsanwalt) entscheiden. Klar, je nach Jahrgang und geografischer Region mag es mal ein wenig eng werden beim Bewerberfeld, aber dass es systematische, großflächige Vakanzen in der Richterschaft gebe, weil keiner mehr Richter werden will, kann man nun wirklich nicht zu behaupten. Von daher ist die Besoldungspraxis des Staates bei den Richtern alles in allem schon OK: Er kriegt das, was er braucht, zu den Preisen, die er zu zahlen bereit ist. Warum sollte er mehr bezahlen?
Eine untere Grenze hat ja zum Glück das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung zur Richterbesoldung aus dem Jahr 2015 gezogen:

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 01709.html
aa) Die Ämter eines Richters oder Staatsanwaltes in der Besoldungsgruppe R 1 stellen hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation ihrer Inhaber.
[...]
Für die Einstellung in den höheren Justizdienst wird seitens der Justizverwaltungen der Länder das Erreichen einer Mindestnote in der Ersten Prüfung und der Zweiten juristischen Staatsprüfung erwartet. Das Land Sachsen-Anhalt hat entsprechende Einstellungsvoraussetzungen nicht veröffentlicht. Ausweislich eines Schreibens des Justizministeriums Sachsen-Anhalt an das Finanzministerium Sachsen-Anhalt vom 3. September 2009 anlässlich des Ausgangsverfahrens werden bei Einstellungen in den höheren Justizdienst in Sachsen-Anhalt „in den letzten Jahren […] grundsätzlich zwei Prädikatsexamina“, also mindestens 9 Punkte in beiden Examina, vorausgesetzt (vgl. Anlage B 8 der Akte des Ausgangsverfahrens 5 A 206/09). Diese Anforderungen werden nur von einem geringen Teil der Absolventen erfüllt. So bestanden im verfahrensgegenständlichen Jahr 2010 in Sachsen-Anhalt 13,04 % der geprüften Kandidaten die staatliche Pflichtfachprüfung der Ersten Prüfung mit der Note „vollbefriedigend“ oder besser. Bei der Zweiten juristischen Staatsprüfung lag der Anteil bei 15,16 % (vgl. den Jahresbericht des Landesjustizprüfungsamtes im Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2010, S. 2 und 5). Damit dürften regelmäßig nicht mehr als 10 % der Absolventen die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst erfüllen. Vor diesem Hintergrund muss die Besoldung so ausgestaltet sein, dass sie in der Regel auch für diese verhältnismäßig kleine Gruppe besonders gut qualifizierter Absolventen hinreichend attraktiv ist.
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Schnitte
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Spencer hat geschrieben: Eine untere Grenze hat ja zum Glück das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung zur Richterbesoldung aus dem Jahr 2015 gezogen:

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 01709.html
aa) Die Ämter eines Richters oder Staatsanwaltes in der Besoldungsgruppe R 1 stellen hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation ihrer Inhaber.

Nach § 5 Abs. 1 Hs. 1 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592) erwirbt die Befähigung zum Richteramt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst von zwei Jahren mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; gleiches gilt für die Befähigung zum Amt des Staatsanwaltes (vgl. § 122 Abs. 1 DRiG). Die Studienzeit beträgt grundsätzlich vier Jahre (vgl. § 5a Abs. 1 Hs. 1 DRiG). Der Vorbereitungsdienst dauert zwei Jahre (vgl. § 5b Abs. 1 DRiG). Zum Richter auf Lebenszeit kann gemäß § 10 Abs. 1 DRiG ernannt werden, wer nach Erwerb der Befähigung zum Richteramt mindestens drei Jahre im richterlichen Dienst tätig gewesen ist; dem richterlichen Dienst steht eine staatsanwaltliche Tätigkeit gleich (vgl. § 122 Abs. 2 DRiG).

Für die Einstellung in den höheren Justizdienst wird seitens der Justizverwaltungen der Länder das Erreichen einer Mindestnote in der Ersten Prüfung und der Zweiten juristischen Staatsprüfung erwartet. Das Land Sachsen-Anhalt hat entsprechende Einstellungsvoraussetzungen nicht veröffentlicht. Ausweislich eines Schreibens des Justizministeriums Sachsen-Anhalt an das Finanzministerium Sachsen-Anhalt vom 3. September 2009 anlässlich des Ausgangsverfahrens werden bei Einstellungen in den höheren Justizdienst in Sachsen-Anhalt „in den letzten Jahren […] grundsätzlich zwei Prädikatsexamina“, also mindestens 9 Punkte in beiden Examina, vorausgesetzt (vgl. Anlage B 8 der Akte des Ausgangsverfahrens 5 A 206/09). Diese Anforderungen werden nur von einem geringen Teil der Absolventen erfüllt. So bestanden im verfahrensgegenständlichen Jahr 2010 in Sachsen-Anhalt 13,04 % der geprüften Kandidaten die staatliche Pflichtfachprüfung der Ersten Prüfung mit der Note „vollbefriedigend“ oder besser. Bei der Zweiten juristischen Staatsprüfung lag der Anteil bei 15,16 % (vgl. den Jahresbericht des Landesjustizprüfungsamtes im Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2010, S. 2 und 5). Damit dürften regelmäßig nicht mehr als 10 % der Absolventen die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst erfüllen. Vor diesem Hintergrund muss die Besoldung so ausgestaltet sein, dass sie in der Regel auch für diese verhältnismäßig kleine Gruppe besonders gut qualifizierter Absolventen hinreichend attraktiv ist.
Wobei die von dir hervorgehobene Passage das unterstreicht, was ich hier auch sage: Dass es letztlich nur darauf ankommt, wie attraktiv die Stelle für die Bewerber ist. Es kommt also darauf an, ob sich zu den angebotenen Konditionen qualifizierte Leute finden, die bereit sind, das zu machen, was - und hier wiederhole ich mich bewusst - gegenwärtig meinem Eindruck nach sicher der Fall ist. Einen "absoluten", d.h. von der Bereitschaft der Absolventen, den Job zu ergreifen, losgelösten Standard dafür, wieviel ein Richter bekommen "muss", hat das Bundesverfassungsgericht damit nicht aufgestellt. Einen solchen Standard kann es auch nicht geben.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Spencer »

Jein. Sobald der Staat nicht mehr genügend Bewerber zu den jetzigen Konditionen findet, was sich derzeit ja schon in einigen Bereichen/Regionen abzeichnet, könnte er natürlich auch einfach Stück für Stück die Notengrenze absenken und so den Pool geeigneter Bewerber wieder vergrößern, anstatt die Besoldung zu erhöhen. Einen Mangel an Juristen haben wir in Deutschland ja nun wirklich nicht. Solange er jedoch an den jetzigen Notengrenzen festhält, muss die Besoldung auch geeignet sein, um ausreichend Bewerber mit diesem Notenprofil zu rekrutieren.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Ara »

Spencer hat geschrieben:Jein. Sobald der Staat nicht mehr genügend Bewerber zu den jetzigen Konditionen findet, was sich derzeit ja schon in einigen Bereichen/Regionen abzeichnet, könnte er natürlich auch einfach Stück für Stück die Notengrenze absenken und so den Pool geeigneter Bewerber wieder vergrößern, anstatt die Besoldung zu erhöhen. Einen Mangel an Juristen haben wir in Deutschland ja nun wirklich nicht. Solange er jedoch an den jetzigen Notengrenzen festhält, muss die Besoldung auch geeignet sein, um ausreichend Bewerber mit diesem Notenprofil zu rekrutieren.
Aber der Staat hält doch gar nicht an den jetzigen Notengrenzen fest? Es sollte kein Bundesland mehr geben, wo ein Doppelprädikat für die ordentliche Gerichtsbarkeit zwingende Voraussetzung ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Ara hat geschrieben:Es sollte kein Bundesland mehr geben, wo ein Doppelprädikat für die ordentliche Gerichtsbarkeit zwingende Voraussetzung ist.
Ebenso, wie es auch keine Großkanzlei geben dürfte, wo ein Doppelprädikat zwingende Voraussetzung für die Einstellung ist (auch wenn sie das in ihrer Außendarstellung gerne anders behaupten). Von daher ist die Parität zwischen GK und Justiz doch gewährleistet.

Die allenthalben vernommenen Klagen der Großkanzleien darüber, wie schwer es ist, Leute anzuwerben, sind übrigens ein weiteres Indiz gegen die These, dass der Privatsektor mit seinen höheren Gehältern der Justiz die guten Leute wegkaufe.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Spencer hat geschrieben:Solange er jedoch an den jetzigen Notengrenzen festhält, muss die Besoldung auch geeignet sein, um ausreichend Bewerber mit diesem Notenprofil zu rekrutieren.
Wenn das die Anforderung des BVerfG ist, dann ist sie vollkommen inhaltsleer. So etwas ergibt sich schlichtweg aus der Notwendigkeit, die vorhandenen Stellen zu besetzen; das muss nicht erst das Bundesverfassungsgericht in höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickeln.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Spencer »

Das BVerfG hat hier allerdings eine Bremse eingebaut, was ein mögliches Absenken der Notengrenze angeht (Rz. 117):
aa) Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt (vgl. BVerfGE 114, 258 <294>; 130, 263 <292>), zeigt sich auch daran, ob es in dem betreffenden Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben. Gradmesser für die fachliche Qualifikation der eingestellten Richter und Staatsanwälte sind vorrangig die Ergebnisse in der Ersten Prüfung und der Zweiten juristischen Staatsprüfung. Sinkt – auch im Vergleich zu den Ergebnissen dieser beiden Prüfungen aller Absolventen in dem Vergleichszeitraum insgesamt – das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten.
Schnitte hat geschrieben: Die allenthalben vernommenen Klagen der Großkanzleien darüber, wie schwer es ist, Leute anzuwerben, sind übrigens ein weiteres Indiz gegen die These, dass der Privatsektor mit seinen höheren Gehältern der Justiz die guten Leute wegkaufe.
Es könnte aber auch daran liegen, dass der Teich, aus dem sich sowohl Grosskanzleien als auch Vater Staat die letzten Jahre ihre Topabsolventen geangelt haben, zuletzt immer kleiner geworden ist. Seit 2001 ist die Zahl der Absolventen um 40% gesunken. Da fällt es mittlerweile ins Gewicht, wenn sich v.a. immer mehr männliche Bewerber zumindest für die ersten 1-3 Jahre für die GK entscheiden.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Spencer hat geschrieben: Es könnte aber auch daran liegen, dass der Teich, aus dem sich sowohl Grosskanzleien als auch Vater Staat die letzten Jahre ihre Topabsolventen geangelt haben, zuletzt immer kleiner geworden ist.
Damit stützt du meine These statt sie zu widerlegen. Den Beschwerden der Richter liegt die Annahme zu Grunde, dass die Rekrutierungsprobleme der Justiz auf das Gehaltsgefälle zwischen Justiz und Privatsektor zurückzuführen seien. Das sehe ich nicht so, und du ja anscheinend, wie dein Beitrag zeigt, auch nicht.
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