Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

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Spencer
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Spencer »

Ich gehe schon davon aus, dass man seitens des Bundes vorher mit den Ländern Gespräche geführt hat. Und da das ganze auf höchster Ebene ("auf Ebene der Regierungschefs von Bund und Ländern") aufgehängt wird, sind auch nicht die üblichen Scharmützel zwischen FM und JM zu erwarten, bei denen in der Vergangenheit das JM häufig den Kürzeren gezogen hat.

Bei aller Skepis: Selbst wenn nur der Bund seinem Versprechen nachkommen würde, wären 1.000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte schon eine echte Hausnummer. Zumal man endlich auch mal an den nichtrichterlichen Bereich gedacht hat.
Ryze
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Ryze »

Spencer hat geschrieben:Ich gehe schon davon aus, dass man seitens des Bundes vorher mit den Ländern Gespräche geführt hat. Und da das ganze auf höchster Ebene ("auf Ebene der Regierungschefs von Bund und Ländern") aufgehängt wird, sind auch nicht die üblichen Scharmützel zwischen FM und JM zu erwarten, bei denen in der Vergangenheit das JM häufig den Kürzeren gezogen hat.

Bei aller Skepis: Selbst wenn nur der Bund seinem Versprechen nachkommen würde, wären 1.000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte schon eine echte Hausnummer. Zumal man endlich auch mal an den nichtrichterlichen Bereich gedacht hat.
Um die Skepsis auszuräumen müsste mal geklärt werden, ob die zuvor schon verkündeten "Aufstockungen" der Länder, wie zuletzt etwa die Ankündigung Niedersachsens "250 neue Richter und Staatsanwälte" einzustellen, auf diese neuen 6000 (bzw. 2000 im höheren Dienst) Stellen angerechnet werden, welcher Stichtag für eine etwaige Anrechnung gelten soll, über welchen Zeitraum die Einstellungen stattfinden sollen und ob damit tatsächlich neue Planstellen geschaffen werden und nicht nur eine schön klingende Zahl dahinter steckt, die den ohnehin erfolgenden Ersatz für die bald in den Ruhestand Eintretenden umfasst.

Es wäre leider naiv, zu glauben oder zu hoffen, dass es sich in dem Fall lediglich um ein Kommunikationsproblem der Presse handelt und diese Fragen tatsächlich schon geklärt sind. Die vagen Aussagen, die einen erheblichen Spielraum für die nachfolgende Umsetzung eröffnen, und eine schön klingende Zahl, verbunden mit dem Ausrufezeichen hinter dem Rechtsstaat kurz vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen erscheinen dazu wohl viel zu genehm. Beklagenswert, dass die dpa offenbar keine Mitarbeiter zu beschäftigen scheint, die hier mal nachhaken und ggf. eine etwaige Verweigerung der Antwort kenntlich machen.

Gespannt darf man auch sein, wo die Mitarbeiter denn herkommen sollen, hat man doch jetzt schon große Probleme, die Stellen zu besetzen. 2000 Stellen wäre etwa 1/3 der Absolventen des 2. Staatsexamens eines ganzen Jahres, angesichts der Nachfrage in Verwaltung, Unternehmen und Kanzleien wird das durchaus witzig.
Spencer
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Spencer »

Sicher, dass sind alles berechtigte Punkte. Und wahrscheinlich wird seitens der chronisch klammen Länder noch ordentlich Wasser in den Wein gegossen werden. Allerdings ist mir die Schlagzeile "6000 neue Stellen für die Justiz" lieber als "Weitere Stellenkürzungen in der Justiz".

Es ist ja schon ersichtlich, dass hinsichtlich der personellen Ausstattung der Justiz in den letzten 1-2 Jahren ein echtes Umdenken seitens der Politik stattgefunden hat. Viele Länder (v.a. NRW, BW, Hessen, Niedersachsen) haben bereits für erhebliche Stellenzuwächse gesorgt. Dabei haben sich bereits erste Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung abgezeichnet. Deswegen gehe ich davon aus, dass man die Besetzung der (wie auch immer berechneten) 2.000 neuen Stellen über die Dauer einer Legislaturperiode strecken wird, um nicht zu starke Abstriche bei den Notenanforderungen machen zu müssen.

Tendenziell ist diese Entwicklung für alle Absolventen der nächsten Jahre jedenfalls eher von Vorteil als von Nachteil ;)
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Tibor
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Tibor »

Es ist vor allem nur ein sinnloser Programmpunkt für die Medien und das Stimmvieh bei der SPD.

1.) Justiz ist Ländersache
2.) Es gibt gar nicht genug potentielle Bewerber, die die üblichen Kriterien erfüllen und
3.) in den kommenden Jahren müssten - dank Pensionierungswelle ab 2020 - ohnehin flächendeckend deutlich mehr Einstellungen erfolgen als zZt.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Spencer
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Spencer »

Sehe ich anders:

zu 1.): Es wäre doch nicht das erste Mal, dass der Bund den Ländern finanziell unter die Arme greift. Über Kompetenzverlagerung reden wir hier gar nicht.

zu 2.): Nicht sofort, aber über 4 Jahre gestreckt schon. Zur Not geht man halt bei den Noten noch etwas weiter runter.

zu 3.): Ich hoffe nicht, dass es sich bei den neuen Stellen lediglich um den Ersatz dieser wegfallenden Stellen handelt, sondern um zusätzliche Stellen. Alles andere wäre in der Tat reiner Etikettenschwindel.
Gelöschter Nutzer

Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wenn der Staat mehr zahlen würde, fänden sich leicht deutlich mehr Absolventen...

(in b4 zwanzig empörte Kommentare, dass man nicht aus finanziellen Gründen Richter werden sollte)*



*dazu nur: für einen rational denkenden Menschen ist jede Berufswahl das Ergebnis einer Abwägung der verschiedenen Faktoren bei individuell unterschiedlicher Gewichtung: Inhalt der Tätigkeit, Bezahlung, Arbeitszeiten, Aufstiegschancen usw. Ist es eine bessere Motivation, (hoffentlich) vergleichsweise niedrigere Arbeitszeiten zu haben, als (mehr) Geld zu verdienen?
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Ara
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Ara »

Suchender_ hat geschrieben:Wenn der Staat mehr zahlen würde, fänden sich leicht deutlich mehr Absolventen...

(in b4 zwanzig empörte Kommentare, dass man nicht aus finanziellen Gründen Richter werden sollte)*



*dazu nur: für einen rational denkenden Menschen ist jede Berufswahl das Ergebnis einer Abwägung der verschiedenen Faktoren bei individuell unterschiedlicher Gewichtung: Inhalt der Tätigkeit, Bezahlung, Arbeitszeiten, Aufstiegschancen usw. Ist es eine bessere Motivation, (hoffentlich) vergleichsweise niedrigere Arbeitszeiten zu haben, als (mehr) Geld zu verdienen?
Naja n Einstiegsgehalt von round about 40.000 Euro Netto (+ Vorteile der Verbeamtung) musst du in der freien Wirtschaft erstmal kriegen. Das sind über 70.000 Euro Brutto für nen Nichtbeamten. Später endet selbst der R1 bei über 50.000 Euro netto. Das sind dann 100.000 Brutto in der freien Wirtschaft. Das muss der durchschnittliche Anwalt auch erstmal machen.

Ich weiß mein Ausbildungsrichter hat mich auch ganz schockiert gefragt "Wie soll ich davon bitte eine fünfköpfige Familie ernähren? Da muss ich ja in den Plattenbau ziehen", aber hungern tut da keiner. Ich glaube nicht, dass mehr Leute in den Staatsdienst gehen würde, wenn es mehr Geld geben würde. Entweder möchte man in den Staatsdienst oder man würde es auch für 20.000 Euro mehr im Jahr nicht wollen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
sai
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von sai »

Ara hat geschrieben:
Suchender_ hat geschrieben:Wenn der Staat mehr zahlen würde, fänden sich leicht deutlich mehr Absolventen...

(in b4 zwanzig empörte Kommentare, dass man nicht aus finanziellen Gründen Richter werden sollte)*



*dazu nur: für einen rational denkenden Menschen ist jede Berufswahl das Ergebnis einer Abwägung der verschiedenen Faktoren bei individuell unterschiedlicher Gewichtung: Inhalt der Tätigkeit, Bezahlung, Arbeitszeiten, Aufstiegschancen usw. Ist es eine bessere Motivation, (hoffentlich) vergleichsweise niedrigere Arbeitszeiten zu haben, als (mehr) Geld zu verdienen?
Naja n Einstiegsgehalt von round about 40.000 Euro Netto (+ Vorteile der Verbeamtung) musst du in der freien Wirtschaft erstmal kriegen. Das sind über 70.000 Euro Brutto für nen Nichtbeamten. Später endet selbst der R1 bei über 50.000 Euro netto. Das sind dann 100.000 Brutto in der freien Wirtschaft. Das muss der durchschnittliche Anwalt auch erstmal machen.

Ich weiß mein Ausbildungsrichter hat mich auch ganz schockiert gefragt "Wie soll ich davon bitte eine fünfköpfige Familie ernähren? Da muss ich ja in den Plattenbau ziehen", aber hungern tut da keiner. Ich glaube nicht, dass mehr Leute in den Staatsdienst gehen würde, wenn es mehr Geld geben würde. Entweder möchte man in den Staatsdienst oder man würde es auch für 20.000 Euro mehr im Jahr nicht wollen.
So sieht es aus. Ich verstehe die ganze Diskussion um die Höhe der Besoldung auch nur bedingt. Erstmal ist es objektiv betrachtet, insbesondere bei zwei Verdienern im Haushalt, mehr als genug für ein gutes Leben. Und darüber hinaus muss man, wie Ara zurecht sagte, entsprechend viel Geld in der freien Wirtschaft überhaupt verdienen. Unbestritten gibt es in der GK und in großen Konzernen mehr zu holen, keine Frage. Und auch der Einzelanwalt mit Nischenspezialisierung wird wahrscheinlich mehr verdienen. Wenn man sich aber Statistiken zum Durchschnittsgehalt von Juristen über alle Berufs- und Altersgruppen hinweg ansieht, macht man als Richter einen ziemlich guten Schnitt.
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

1. Der Vergleich von Richtern (idR zwei überdurchschnittliche Staatsexamina) mit dem durchschnittlichen Anwalt hinkt.

2. Es ist unredlich, die Bedeutung der Bezahlung zu leugnen. Natürlich gibt es viele Absolventen, die nur Anwalt oder Richter werden wollen, weil sie hiervon felsenfest überzeugt sind und sich als "Anwalts- bzw. Richtertyp" sehen. Gleichzeitig spielen aber - jedenfalls bei vielen Menschen - auch finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle. Wie viele Kandidaten würden sich bei der GK bewerben, wenn man dort nur exakt so viel wie als Richter verdienen würde?

Bei einer signifikant höheren Bezahlung würden sich naturgemäß mehr (gute) Absolventen finden, die statt "3 Jahre GK" unmittelbar in der Justiz anfangen würden.
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Kroate
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Kroate »

Ara hat geschrieben: Naja n Einstiegsgehalt von round about 40.000 Euro Netto (+ Vorteile der Verbeamtung) musst du in der freien Wirtschaft erstmal kriegen. Das sind über 70.000 Euro Brutto für nen Nichtbeamten.
Ist das großzügig gerundet? Ich meine man ist mit R1 zu Beginn bei unter 37k netto. Zieht man noch die Kosten für die PKV ab, sollte man bei knapp 60k Bruttoäquivalent in der freien Wirtschaft landen.

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Schnitte
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Spencer hat geschrieben:Sehe ich anders:

zu 1.): Es wäre doch nicht das erste Mal, dass der Bund den Ländern finanziell unter die Arme greift. Über Kompetenzverlagerung reden wir hier gar nicht.

zu 2.): Nicht sofort, aber über 4 Jahre gestreckt schon. Zur Not geht man halt bei den Noten noch etwas weiter runter.

zu 3.): Ich hoffe nicht, dass es sich bei den neuen Stellen lediglich um den Ersatz dieser wegfallenden Stellen handelt, sondern um zusätzliche Stellen. Alles andere wäre in der Tat reiner Etikettenschwindel.
Zu 1.): Meiner Vorstellung von Föderalismus entspricht es, dass die Kompetenzträger das, was sie im Rahmen ihrer Kompetenz tun, dann auch selbst aus ihren eigenen Mitteln finanzieren. Wenn Kompetenzträger A (Bund) zu Kompetenzträger B (Länder) sagt: "Macht ihr das mal, ich geb euch auch das Geld dafür", dann wird die Kompetenzordnung ausgehöhlt. Genau dafür haben die Länder ihre eigenen Haushaltshoheiten.

Zu 2.): Zustimmung. Die kriegt man schon besetzt. Richter/Staatsanwalt sind nach wie vor attraktive Berufe, die eine Menge Absolventen anstreben.

Zu 3.): Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Versprechen oder eine Ankündigung aus Koalitionsverhandlungen als Etikettenschwindel entpuppt....
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Schnitte
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Suchender_ hat geschrieben: Bei einer signifikant höheren Bezahlung würden sich naturgemäß mehr (gute) Absolventen finden, die statt "3 Jahre GK" unmittelbar in der Justiz anfangen würden.
Der Staat muss nur das bezahlen, was nötig ist, um die offenen Stellen mit hinreichend qualifizierten Leuten besetzt zu kriegen. Das ist gewährleistet: Trotz der ewigen Diskussionen über Richterbesoldung versus Privatsektorgehälter gibt es genug Absolventen mit der notwendigen Qualifikation, die sich für die Richterlaufbahn (oder die als Staatsanwalt) entscheiden. Klar, je nach Jahrgang und geografischer Region mag es mal ein wenig eng werden beim Bewerberfeld, aber dass es systematische, großflächige Vakanzen in der Richterschaft gebe, weil keiner mehr Richter werden will, kann man nun wirklich nicht zu behaupten. Von daher ist die Besoldungspraxis des Staates bei den Richtern alles in allem schon OK: Er kriegt das, was er braucht, zu den Preisen, die er zu zahlen bereit ist. Warum sollte er mehr bezahlen?
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Gelöschter Nutzer

Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In der Diskussion ging es aber doch gerade um die (angeblich) angestrebte Neueinstellung vieler weiterer Juristen. Da es bereits gegenwärtig eher einen Bewerbermangel gibt, wird dies ohne eine verbesserte Bezahlung, einen sonstigen Anreiz oder eine weitere (deutliche) Senkung der Notenanforderungen nicht zu schaffen sein.

Ab einem gewissen Punkt stellt sich auch die Frage, ob eine etwas bessere Bezahlung insoweit nicht vorzuziehen wäre. Denn es sollte allgemeine Ansicht sein, dass Juristen mit besseren Noten im Schnitt (!) über bessere juristische Fähigkeiten verfügen und dies im Schnitt (!) auch und gerade im Staatsdienst wünschenswert ist.*


*(wäre dem nicht so, könnte man sich die "Staats"examina auch gleich sparen)
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Tibor
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Tibor »

In der aktuellen DRiZ findet sich auch wieder ein allzu weinerlicher Beitrag über den Vergleich R2-Endstufe und Partner einer GK.

"Die Schere öffnet sich im Berufsleben dann immer weiter, da die Gehälter bei Anwälten und Unternehmensjuristen stärker steigen als sie bei Richtern oder Staatsanwälten wachsen. So verdienen juristische Führungskräfte der ersten Ebene nach den Kienbaum-Zahlen heute in Unternehmen im Mittel 174.000 Euro jährlich, 84.000 Euro oder 93 Prozent mehr als vor 25 Jahren. Seniorpartner in großen Anwaltskanzleien kommen im Mittel inzwischen sogar auf 328.000 Euro [...] Das Einkommen eines Richters, der in der Besoldungsgruppe R2-Endstufe vergütet wird, nimmt sich im Vergleich dazu eher schmal aus. Nach den aktuellen Besoldungszahlungen ... auf rund 88.000 Euro pro Jahr ...".

Diese *mimimi* Beiträge der Richterschaft sind lächerlich und weinerlich. Lächerlich sind sie, weil sie wie immer Äpfel und Birnen vergleichen. Nicht nur wird regelmäßig Netto&Brutto wie willkürlich in einen Topf geworfen, obgleich das Beamten-Richter-Brutto mangels SV-Abzügen zu einem höheren Netto führt. Nein, da werden dann natürlich auch geflissentlich alle R2-Richter zu Führungskräften erklärt, obgleich ein VRiLG ganz bestimmt nicht mit einem Partner einer Kanzlei zu vergleichen ist, und sich die "Verantwortung" bzw. "Führung" diametral unterscheidet (Personalverantwortung, Umsatz). Weinerlich ist es zudem, weil die (Lebens)Arbeitsbelastung völlig unter den Tisch fallen gelassen wird, denn selbst wenn Proberichter bis zur Ernennung sicherlich mehr als 40h schuften werden, nimmt doch die zeitliche Belastung spätestens ab der Einsicht "Ende der Karriere" ab: Droht kein Beförderungsschritt mehr in Sicht zu sein, wird kein Richter mehr im Jahresdurchschnitt an eine 40h/Woche kommen.

Aber viel schlimmer - und das wurde auch in diesem Thread noch nicht beachtet - ist doch die unterschiedliche Bemessung der "Entlohnung". Wenn die Besoldung p.a. immer wenigstens im Inflationsausgleich ansteigt, obgleich es "der Wirtschaft" schlecht geht, wird immer gern das Alimentationsprinzip genannt. Sobald es aber in "der Wirtschaft" besser läuft, ist es auf einmal ein scheinbarer "Marktmechanismus", der zur Besoldungshöhe führt. Ist es aber nicht: amtsangemessene Besoldung hat nichts mit der Vergütung von ursprünglich gleich ausgebildeten Personen zu tun. Die Amtsangemessenheit wird nicht dadurch tangiert, dass ein Partner einer Anwaltskanzlei mit Mitte 50 durchschnittlich 93% mehr verdient als noch vor 25 Jahren und die Besoldung nicht äquivalent gestiegen ist. Die Amtsangemessenheit macht eben an ganz anderen Paramentern fest. Hier sollte man ehrlicherweise anknüpfen, wenn man an sein Bundesland Forderungen stellt. Insoweit kann ich auch ein Unbehagen verstehen, wenn in Bawü deutlich weniger gezahlt wird als in anderen Ländern, obgleich es in Bawü auch deutlich "teurere Lebensmittelpunkte" gibt. Hier müsste man wohl in Flächenstaaten überlegen, ob es nicht Ballungsraum- oder Pendlerzuschläge geben müsste, um unterschiedliche Lebenshaltungskosten im Land auszugleichen. Es ist aber völlig unverständlich, dass ein Beamter/Richter/Soldat mit der gleichen Euro-Auszahlung in Weiden in der Oberpfalz oder in München (bzw. Ellwangen/Stuttgart; Paderborn/Düsseldorf) amtsangemessen alimentiert wird.
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Schnitte
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Re: Zukünftige Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Beitrag von Schnitte »

Man könnte darauf formalistisch antworten: Die vom geltenden Recht vorgesehene Mindestanforderung für die Befähigung zum Richteramt ist das bestandene Zweite Staatsexamen. Auch der Kandidat, der beide Examina mit 4,00 Punkten im jeweils letzten Versuch hinter sich gebracht hat, ist "befähigt zum Richteramt".

In weniger formalistischer Manier: Auch unter "guten" Juristen (nicht zwangsläufig im Sinne der Notenstufe "gut", sondern im Sinne von "weit überdurchschnittlich und daher sicher eine wünschenswerte Zielgruppe des Recruting von Richtern") ist Richter nach wie vor ein attraktiver Beruf. Ob man da jetzt einen halben Punkt rauf oder runter geht, da hängt nicht der Rechtsstaat dran. Ich habe nicht den Eindruck, dass massenweise Dumpfbacken eingestellt werden, weil die Richterstellen anders nicht zu besetzen wären.

Übrigens würde mich mal eine Statsitik interessieren, wie viele Punkte Richter im Schnitt haben, verglichen mit dem Schnitt unter GK-Anwälten. Ich glaube, in so einem Vergleich würde die Richterschaft nicht so schlecht abschneiden, weder im "Altbestand" noch unter den jährlichen Neueinstellungen. Von daher ist die Lage nicht so katastrophal, wie sie gerne gezeichnet wird. Und ich bleibe bei meiner Aussage von vorhin: Der Staat bekommt für die Richteschaft das, was er braucht, zu den geltenden Besoldungstabellen. Warum sollte er mehr bezahlen?
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