Chancen als "alter" Zweitstudent

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hallöchenpopöchen
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Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von hallöchenpopöchen »

Liebe Community,

allen einen schönen Sonntag erstmal :fansroses

Mich plagen seit einer Weile folgende Gedanken: Ich studiere gerade Jura im ab Oktober zweiten Semester, also noch total am Anfang und bin dabei schon 24. Ich habe vorher einen wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor gemacht und immer nebenbei gearbeitet, wenn auch nicht immer fachnah und wenn auch oft auf Studentenjobniveau ;)
Ich wäre, wenn ich den Freischuss machen würde, bei 4 Jahren Studium und 1,5 Jahren Examensvorbereitung, sagen wir noch ein halbes Jahr Puffer für irgendwelche .. Fristen oder andere Bürokratie, dann brauche ich 6 Jahre ab Studiumsbeginn zum Examen, ich war bei Beginn noch 23, also wäre ich mit 29 erst mit meinem Freischuss fertig. Gehen wir davon aus ich mache noch den Verbesserungsversuch, dann wäre ich 30. Mit 30 erst Referendariat, macht 32 Jahre im zweiten Staatsexamen wenn alles zügig und ohne Wartezeiten vonstatten geht.

Vor ein paar Tagen habe ich folgenden Artikel gefunden: http://www.al-online.de/fileadmin/userfolders/downloads/pdf/Die_Berufsaussichten_fuer_Juristen_2009.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt) . Dort geben einige Großkanzleien das gewünschte Höchstalter ihrer Bewerber mit 32 an.
Es ist ziemlich leicht fürmich über dieses Alter zu kommen, da das oben beschriebene Szenario ja eine Idealvorstellung ist.
Auch wenn einige kein Alter angeben, hat man dann nicht zumindest einen dicken Nachteil, wenn sich jemand mit ähnlicher Note bewirbt, aber einige Jahre jünger ist? Irgendwelche zusätzlichen Titel könnte ich mir vor Berufseintritt also erst recht nicht leisten. Doktortitel wäre ein absoluter Traum, aber eben auch wirklich ein Traum, wenn auch einer Freundin von mir das tatsächlich noch im Bewerbungsgespräch für die Zukunft schmackhaft gemacht wurde, mit ziemlich genau 9 Puntken im ersten Staatsexamen.

Das Zweitstudium war keine leichtfertige Entscheidung, ich habe einige Freunde deren erste Staatsexamina ich "live" miterlebt habe, genau wie ihre Ergebnisse. Von Durchgefallen bis Prädikat ist einiges dabeigewesen, die dunklen Seiten und der Weg zum Examen sind mir also bekannt, daher bitte meine Frage nicht falsch verstehen. Dass nur die oberen 20% Prädikat machen und auch dass Großkanzleien nicht das einzige erstrebenswerte Ziel sind, weiß ich. Es ist ja aber scheinbar so, dass sie so ziemlich der "Jura-Olymp" sind, und wird man dort genommen, kann man überall hin. Da ich mein Zweitstudium selbst mit Ach und Krach finanziere und ja schon "studiumserfahren" bin würde ich natürlich gerne mein Bestes geben und versuchen was geht.

Hat da also jemand eine realistische Einschätzung? Oder Vorschläge, wie man seine Situation verbessern könnte? Würde mich jetzt halt auch ungern hetzen um mein Alter einzuhalten anstatt irgendwie innerlich ruhig die Sache so anzugehen, dass ich das Gefühl habe fürs Examen vorbereitet zu sein. Ein schöner Anblick waren meine jetzt examinierten Jurafreunde dieses Jahr nämlich nicht.

Vielen Dank im Voraus!
Eagnai
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Eagnai »

1. Du bist nicht alt.

2. Du hast außerdem nicht trödelnd herumgesessen, sondern bereits ein anderes Studium abgeschlossen, das dir zusätzliche Qualifikationen verschafft.

--> Mach dir keine Sorgen. Mit vernünftigem Examen dürften dir alle Wege offen stehen - an deinem Alter jedenfalls wird es sicher nicht scheitern.
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Blaumann
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Blaumann »

Hier: Zweitstudent, das Jurastudium mit 23 Jahren angefangen, mit 30 Volljurist. Keine Probleme auf dem Arbeitsmarkt.

Die Umfrage stammt von 2009, der juristische Arbeitsmarkt hat sich seit dem zu Gunsten der Bewerber deutlich verändert.

Sofern es damals tatsächlich im wesentlichen Umfang Altersgrenzen bei Kanzleien gegeben haben sollte, dürfte man von diesem Kriterium im Hinblick auf die Knappheit von qualifizierten Bewerbern als erstes abgerückt sein. Es kann der Personalabteilung völlig Humpe sein, ob der Associate 28 oder 32 ist. Interessant ist sein wirtschaftliches Potential.

Kritisch gesehen wird häufig die Rumbummelei im Studium. Das hat aber nichts mit dem Alter zu tun.
Auch wenn einige kein Alter angeben, hat man dann nicht zumindest einen dicken Nachteil, wenn sich jemand mit ähnlicher Note bewirbt, aber einige Jahre jünger ist?
Selbst wenn, Du hast einen B.Sc. in Wirtschaftswissenschaften. Musst Dich halt entsprechend verkaufen.
Oder Vorschläge, wie man seine Situation verbessern könnte?
Deutlich straffer planen, 6 Jahre für's Studium müssen nicht sein. Das geht auch in 4,5-5 ohne große Hektik.

Die Finanzierung steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Ein schöner Anblick waren meine jetzt examinierten Jurafreunde dieses Jahr nämlich nicht.
Die Augenringe gehören zur Standardausstattung. ;)
Honigkuchenpferd
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Die Behauptung aus diesem Link ist m.E. ohnehin nach Quatsch mit Soße. Es ist regelrecht eine Frechheit von AL, so etwas zu verbreiten. Welche Kanzlei sollte Bewerber ab 32 regelmäßig verschmähen oder sich das auch nur leisten können? Auch 2009 war das schon Unfug.
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Ara
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Ara »

Die meisten Juristen sind eh nicht ein lebenlang irgendwo angestellt. In der Regel wird man Selbstständig, Sozius oder Partner. Warum sollte es daher einen Arbeitgeber interessieren ob sein Bewerber 29 oder 35 ist? Wenn der nach 5 Jahren eh nicht mehr angestellt ist, ist es relativ banane ob er mit 34 oder mit 40 aufhört, um in irgendeiner Form in die Selbstständigkeit zu wechseln.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
julée
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von julée »

Wenn andere mit 17/18 das Jurastudium angefangen und zügig durchgezogen haben, dann ist 32 zum Berufseinstieg natürlich im Vergleich "steinalt". Aber wenn man die Zeit nicht nur irgendwie vertrödelt hat, sondern was Sinnvolles gemacht hat: Warum sollte sich ein Arbeitgeber daran stoßen?

Ich würde allerdings bei der Bemessung der Studiendauer Einsparpotential sehen - gerade weil Du das Studium aufgrund Deiner vorherigen Studienerfahrung wesentlich effizienter angehen können wirst, als der gänzlich unbedarfte Erstsemester, der drei Wochen vor den ersten Klausuren panisch feststellt, dass das aber verdammt viel Stoff ist, den man für die Semesterabschlussklausuren beherrschen muss und dann 2-3 Semester braucht, um das optimale Lernsystem zu finden. Und Dein Bedarf nach "Studentenleben" ist vielleicht schon deutlich gesättigter als bei dem durchschnittlichen Studienanfänger, so dass mehr Zeit zum Arbeiten und Studieren übrig bleibt.
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Eagnai »

Ja, 6 Jahre bis zum Examen braucht man nicht, wenn man hauptberuflich studiert und nicht in erheblichem Umfang nebenher arbeiten oder Kinder/Angehörige betreuen muss. 5 Jahre (die Prüfungsphase eingeschlossen) sind ohne Weiteres machbar.
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Tibor
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Tibor »

3 Semester Grundstudium
3 Semester Hauptstudium und Schwerpunktstudium
2 Semester Examensvorbereitung
1 Semester Prüfungen
= 9 Semester = 4,5 Jahre von Immatrikulation bis Zeugnis. Dann idR 0,5 Jahre Wartezeit bis Beginn Ref und nach weiteren 2,0 Jahren Ref ist man mit beiden Examen durch, also nach 7 Jahren.
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von julée »

@Tibor: Und das ist zeitlich bereits eine der ungünstigsteren Varianten: In BW kann man - aufgrund der etwas kürzeren Prüfungszeiträume und des schnelleren Übergangs ins Ref - nach 4,25 Jahren das 1. Examen und nach rund 6,5 Jahren das 2. Examen haben.
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Tibor
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Tibor »

Klar. Das sollte der typische Zeitrahmen sein. Schneller geht's immer.
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von julée »

Freilich, schneller geht immer. Aber wenn man die Monate zählt, die irgendwo zwischen dem Ende des 8. Fachsemesters und dem Beginn des Refs "verloren" gehen, gibt es optimalere und suboptimalere Bundesländer.
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Muirne »

Wirklich quatsch. Ich bin vergleichsweise auch alt und hatte nie Probleme mit Bewerbungen und auch von Gks habe ich Zusagen erhalten als es um Wissmit ging. Es ist sogar eher beinahe nirgends so egal wie alt man ist wie bei Jura, denn die Notenfixierung schlägt zuerst mal alle weiteren Kriterien. Ob man dann einem anderen Bewerber mit gleichen Noten vorgezogen wird, das kann an 10 weiteren Variablen liegen. Vergleichsweise jung und formbar zu sein kann freilich ein Vorteil sein oder ein Nachteil, wenn Leute gesucht werden, die nicht mehr zu Hause wohnen und ein gewisses Auftreten und Lebenserfahrung an den Tag legen. Kommt auf die Ausrichtung des AG an. Ich weiß zB persönlich auch genau, dass ich lieber die 30 jährige ReFA hätte, die vorher Literaturwissenschaften abgebrochen hat als die 20 jährige, die mich groß anguckt; bei gleicher formaler Quali - das ist auch schlicht eine Geschmacksfrage. Mach dir keinen Kopf, das ist alles im Rahmen und du wirst zwar einer der älteren sein, aber ganz so exotisch ist Anfang oder Mitte 30 als Volljurist ja nun auch nicht.

Nebenbei gibt es Leute, die gerade deine Kombi sogar absichtlich nacheinander oder nebenbei studieren. Nicht mal, wenn du 10 Jahre gereist wärst, sähe ich ein Problem (denn es kommt ja darauf an, wie du dein Studium nun gestaltest), aber so nun gleich gar nicht.
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i live in tokyo
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von i live in tokyo »

Ich gehöre zwar nicht zu den "alten" und bin jetzt mit 26 fertig, allerdings muss ich mich den Leuten anschließen. Es gab viele in meiner AG, die über 30 waren. Der Durchschnitt lag sogar bei 29/30. Davon hatten zwar einige einen Dr., aber nicht alle. Und ich habe von keinem gehört, dass das im Laufe ihrer Bewerbungsphase irgendwann mal überhaupt zur Sprache kam. M.E. fällst du eher auf, wenn du jung bist. Denn so ging es mir eher, dass man mich darauf ansprach, wieso ich so "jung" sei.

Also solltest du dir auf keinen Fall Gedanken über dein Alter machen. Konzentier dich lieber auf das Examen (Klausuren Klausuren Klausuren! :-w )
Tobias__21
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Tobias__21 »

Ich gehöre auch schon zu den Alten, da mir während der Examensvorbereitung was dazwischen kam und ich aussetzen musste. Überhaupt kein Problem, im Gegenteil fand man es sogar gut - "beeindruckend" (wurde mir tatsächlich mal so gesagt) In meiner jetzigen Kanzlei könnte ich später auch anfangen, wie mir gesagt wurde, sofern das zweite Examen stimmt, da es menschlich und fachlich wohl passt. Im Staatsdienst ist das Alter überhaupt kein Problem, ich glaube die Grenze liegt da irgendwo bei 42-45 (in BW) für die Verbeamtung. Und zu guter letzt sind in meiner AG auch einige, die die 30 überschritten haben und zwischenzeitlich was anderes gemacht haben. So exotisch ist das alles nicht. Ich hab mir auch einen Riesenkopf gemacht und bis jetzt hatte ich überhaupt keine Probleme. Und Du bist ja gar nicht mal alt und ein Bachelor in WiWi ist doch super geil, das haben nicht viele :) Also mach Dir keine Sorgen und viel Spaß beim Studium :)
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Eagnai
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Re: Chancen als "alter" Zweitstudent

Beitrag von Eagnai »

i live in tokyo hat geschrieben:M.E. fällst du eher auf, wenn du jung bist. Denn so ging es mir eher, dass man mich darauf ansprach, wieso ich so "jung" sei.
... und dann wiederum muss man sich in manchen Bewerbungsgesprächen die Frage gefallen lassen, warum denn bitteschön man nie über den Tellerrand geschaut und mal was anderes gemacht hat. ;)
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