Bewerbung auf mehrere Stellen

Alle Fragen, die den Bereich des Foren-Namens abdecken

Moderator: Verwaltung

Kasimir
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 3751
Registriert: Sonntag 10. Dezember 2006, 11:18
Ausbildungslevel: RA

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Kasimir »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Solar hat geschrieben: Bei uns war es deshalb z.B. Usus, dass man nach einem ausführlichen Eingangsgespräch mit dem/den Partnern der jeweiligen Bereiche nochmals halbstündige Einzelgespräche mit allen Associates hatte und gemeinsam mit einigen Associates zum Mittagessen ging (wo man dann etwas lockerer fragen kann). Das kann schon sehr anstrengend sein und einen ganzen Tag gehen. Lohnt sich aber m.E. für beide Seiten sehr.
Fand ich immer brutal nervig - da sitzen dann drei Associates, die zwar Rechtswissenschaften studiert haben, aber kaum mit Messer und Gabel umgehen können und keine vernünftigen Tischmanieren haben (Ellenbogen auf dem Tisch, keine Serviette auf dem Schoß, das Trinkglas oben nehmen, Fleisch verkehrt herum schneiden, mit der Servicekraft respektlos umgehen [wofür ich nachher zum Tresen ging und um Entschuldigung gebeten habe, nicht die drei Deppen]) - und zudem irgendein schickimicki Lokal ausgewählt haben, wo man eh nur drei Gabeln der überteuerten schlechten Pasta essen kann, weil es nicht schmeckt ("Man gehe ja hier immer hin, weil es so gut sei." Meine Gegenantwort: "Ach, da gibt es deutlich bessere Lokale für weniger Geld - aber Sie möchten sich ja verkaufen" kam mittelgut an). Gesprächsgrundlage: ihre Verfahren. Fängt er eine zu labern an. Fängt der nächste zu labern an. Fängt der dritte zu labern an. Inklusive mandatsrelevanter Öffentlichkeit, die ich als Nicht-Kanzleiangehöriger niemals hätte hören dürfen und kruder Rechtsansichten. Ich argumentiere entschieden dagegen, mit irgendwas muss den Frust über die schlechte Pasta ja bewältigt werden. Alle drei sehr patzig: Was nehmen Sie sich denn heraus? Ende des Gesprächs. Ich habe auch darauf bestanden, selbst zu zahlen.

Man geht sich später sowieso immer auf die Nerven und was zählt? Noten und Zeugnisse. Jedenfalls bei der aktuellen Bewerbungslage, wo jeder Vollhorst bei Gleiss (und Co.) reinkommt.
Und was passiert zwei Tage später: Vertrag im Briefkasten. Es geht nur um Noten und Zeugnisse.
Haha. Großartig. Da wäre ich gerne dabei gewesen. Aber du hast recht: Beim gemeinsamen Mittagessen sollte es um das persönliche Kennenlernen gehen und nicht um Jura. Wer meint, dass er mit seinem Beruf oder seiner Tätigkeit angeben muss, ist ohnehin eine arme Wurst.
Tibor hat geschrieben:Gibt es noch physische Datenräume?
Selten, wenn dann sind es besonders sensible Informationen in sog. "roten Datenräumen". Wenn es blöd läuft, dann haben zu solchen Datenräumen nur Partner Zugang. Es hört nie auf.... ;-)
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
lucyyy
Power User
Power User
Beiträge: 359
Registriert: Dienstag 29. Januar 2008, 21:53

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von lucyyy »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich hatte mich ja selbst nach Hause geschickt. Weil ich in diesem "Team" niemals hätte arbeiten wollen. Man sollte doch bei Tisch über andere Dinge als über Arbeit sprechen können. Kultur? Zeitgeschehen? Essen und Trinken? Autos? (Wovon sie in der Gesamtheit nichts verstanden - ich fing ja mehrmals mit solchen Themen an, aber nein: Verfahren, Verfahren, Verfahren.) Und nicht über die Dämlichkeit der Verfahren...
Guten Morgen,
also ich erwarte schon, dass man im Rahmen eines Bewerbungs-Lunches über die Kanzlei spricht - ich bin ja nicht dort um meine 10 neuen BFFs kennen zu lerne, sondern will ja wissen, wie der Laden tickt. Kultur und Zeitgeschehen kämen mir bei diesem Setting etwas strange vor. Wir reden mit unseren Bewerbern darüber, wie der Laden läuft, die die Arbeit (tatsächlich) ist, wie die Arbeitszeiten (tatsächlich) sind, wie die Partner (tatsächlich) sind etc...

VG
Lucyyy,
die entgegen Solar`s Meinung nach wie vor die Auffassung vertritt, dass man durchaus erwarten kann, dass jemand nach dem Ref. berichten kann, was er gerne macht und warum - es gibt ja nicht über 100k dafür, dass sich jemand nochmal fröhlich orientieren soll (wofür waren denn sonst die Stationen im Ref :-k ). Meine Chefs kommen allenfalls damit klar, wenn die Gebiete ähnlich sind, wenn uns aber morgen jemand erzählt, dass er sich zwischen Immobilienwirtschaft und IP/IT nicht entscheiden kann, hinterlässt das durchaus Fragezeichen. Ich möchte ja nicht leugnen, dass der Markt es im Moment erfordert, dass man vieles von Bewerbern hinnimmt, aber wir schicken hier nach wie vor Leute weg, wo wir nicht den Eindruck haben, dass die das machen wollen, was wir hier täglich machen.
Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen. ;-)
Benutzeravatar
Solar
Power User
Power User
Beiträge: 508
Registriert: Freitag 11. August 2006, 00:27
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Solar »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich hatte mich ja selbst nach Hause geschickt. Weil ich in diesem "Team" niemals hätte arbeiten wollen. Man sollte doch bei Tisch über andere Dinge als über Arbeit sprechen können. Kultur? Zeitgeschehen? Essen und Trinken? Autos? (Wovon sie in der Gesamtheit nichts verstanden - ich fing ja mehrmals mit solchen Themen an, aber nein: Verfahren, Verfahren, Verfahren.) Und nicht über die Dämlichkeit der Verfahren...
Damit hast du absolut Recht und das haben wir auch so gehandhabt. Wir haben beim Mittagessen z.B. immer über Arbeitszeiten, Freizeit, Stimmung in der Kanzlei oder Umgang mit der vielen Kohle gesprochen - also vor allem über Dinge, die sich der Bewerber im steifen Rahmen der Kanzlei nicht zu fragen traute (siehe Lucyyy). Dazu haben wir uns dafür interessiert, was der Bewerber bislang so in seinem Leben getrieben hat und wo seine Interessen liegen bzw. von uns erzählt. Um "Fälle" ging es so gut wie nie, das ist ja auch vollkommen albern.
Lucyyy hat geschrieben:die entgegen Solar`s Meinung nach wie vor die Auffassung vertritt, dass man durchaus erwarten kann, dass jemand nach dem Ref. berichten kann, was er gerne macht und warum - es gibt ja nicht über 100k dafür, dass sich jemand nochmal fröhlich orientieren soll (wofür waren denn sonst die Stationen im Ref :-k ). Meine Chefs kommen allenfalls damit klar, wenn die Gebiete ähnlich sind, wenn uns aber morgen jemand erzählt, dass er sich zwischen Immobilienwirtschaft und IP/IT nicht entscheiden kann, hinterlässt das durchaus Fragezeichen. Ich möchte ja nicht leugnen, dass der Markt es im Moment erfordert, dass man vieles von Bewerbern hinnimmt, aber wir schicken hier nach wie vor Leute weg, wo wir nicht den Eindruck haben, dass die das machen wollen, was wir hier täglich machen.
Vielleicht müssen wir zwischen "wollen" und "können" unterscheiden: Das "Können" eines Absolventen hält sich nämlich in jedem Rechtsgebiet sehr in Grenzen und wenn man sich dann auf SPB oder REF-Vorerfahrung verlässt, lügt man sich m.E. in die eigene Tasche. "Wollen" kann ich nachvollziehen: Hier geht es euch ja eher darum, ob der Kandidat sich in dem Rechtsgebiet dauerhaft wohl fühlt. Hier bleibe ich aber bei meiner Einschätzung, dass das nicht überbewertet werden darf. Denn m.E. lernt man weder als Praktikant noch als Referendar ein Rechtsgebiet aus praktischer Sicht wirklich kennen. Vielmehr schnuppert man da immer nur in der Hiwi-Position rein ("recherchiere mal dieses oder jenes") und kann dann im Alltag sehr schnell ein böses Erwachen erleben.

Viel maßgeblicher sind da die praktischen Interessen, die der Bewerber im Zweifel noch gar nicht richtig in einem Gebiet verorten kann (will ich viel Jura machen oder viel unterwegs sein und koordinieren; will ich viel ans Gericht usw.) und vor allem die Partner, für die man arbeitet. Ich habe z.B. das Rechtsgebiet, in das ich im SPB hatte und in dem ich eine Ref-Station absolviert hatte, begonnen und dann entsetzt innerhalb der GK nach einem halben Jahr gewechselt (aufgrund des Partners aber auch der inhaltlichen Ausrichtung). Ab dann war ich in einem Gebiet, von dem ich keine Ahnung hatte. Dort hat es mir aber bis zum Schluss sehr gut gefallen. Derartiges kam bei uns immer wieder vor. Wichtiger als das theoretische Interesse am Rechtsgebiet ist daher m.E. die Frage, welche Tätigkeiten damit verbunden sind und wie die Persönlichkeitsstruktur in dem Rechtsgebiet ist und ob sie passt. Das kann die Kanzlei häufig besser einschätzen, da sie den Einblick hat. Darauf wird m.E. in den Bewerbungsgesprächen zu wenig Wert gelegt.
Kezzlerinho
Häufiger hier
Häufiger hier
Beiträge: 106
Registriert: Montag 16. November 2015, 22:57
Ausbildungslevel: RRef

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Kezzlerinho »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben: Fand ich immer brutal nervig - da sitzen dann drei Associates, die zwar Rechtswissenschaften studiert haben, aber kaum mit Messer und Gabel umgehen können und keine vernünftigen Tischmanieren haben (Ellenbogen auf dem Tisch, keine Serviette auf dem Schoß, das Trinkglas oben nehmen, Fleisch verkehrt herum schneiden...
Interessante Diskussion, ich muss hier aber leider nochmal off-topic einhaken: Wie schneidet man Fleisch denn "verkehrt herum"?
Will doch immer an meinen Tischmanieren arbeiten, um nicht wie die 3 Kollegen oben unangenehm aufzufallen 8-[
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Muirne »

Kezzlerinho hat geschrieben:
Einwendungsduschgriff hat geschrieben: Fand ich immer brutal nervig - da sitzen dann drei Associates, die zwar Rechtswissenschaften studiert haben, aber kaum mit Messer und Gabel umgehen können und keine vernünftigen Tischmanieren haben (Ellenbogen auf dem Tisch, keine Serviette auf dem Schoß, das Trinkglas oben nehmen, Fleisch verkehrt herum schneiden...
Interessante Diskussion, ich muss hier aber leider nochmal off-topic einhaken: Wie schneidet man Fleisch denn "verkehrt herum"?
Will doch immer an meinen Tischmanieren arbeiten, um nicht wie die 3 Kollegen oben unangenehm aufzufallen 8-[

Einfach vegetarisch bestellen. Und immer schön den Brotteller an Ort und Stelle stehen lassen!
Serviette lege ich aber auch nur auf den Schoß, wenn das Restaurant Qualität hat. Habe letztens erst für 60 Euro gegessen und es gab nicht mal Stoffservietten. [-X
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Line
Newbie
Newbie
Beiträge: 8
Registriert: Samstag 2. September 2017, 16:46
Ausbildungslevel: RRef

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Line »

Zum Fleisch: Je nach Tierart und Körperteil gibt es Fleischstücke, die man nur mit der oder gegen die Faser schneiden sollte, weil sie sonst weniger zart sind. Solch eine Kanzlei würde ich aber auch meiden wie der Teufel das Weihwasser :lmao:


zum Thema:
Danke Solar, du schreibst mir direkt aus der Seele. Das Können wird zunächst einmal durch die Noten der Staatsexamen belegt, sie zeigen, ob man logisches und systematisches Verständnis hat und dies auch zu Papier bringen bzw. mündlich ausdrücken kann, oder ob man das eben nicht schafft. Alles fachliche lernt man dann "on the go". So habe ich es sowohl in der Anwalts- als auch der Wahlstation mitbekommen. Natürlich gibt es immer auch "Cracks", die im Gebiet ihrer absolut praxisrelevanten Doktorarbeit tätig werden möchten und sowieso schon seit dem dritten Lebensjahr nichts anderes als Kollektivarbeitsrecht machen wollten.

Was das Wollen angeht, kann ich dir ebenfalls nur zustimmen. Zunächst einmal kommt es darauf an, ob der Bewerber überhaupt eine genügende intrinsische Motivation mit sich bringt, sich in ein bestimmtes Arbeitsfeld und -umfeld einzuarbeiten. Mir persönlich fällt es viel viel leichter, bestimmte zivilrechtliche Gebiete von vornherein auszuschließen, als mich auf ein bestimmtes festzulegen. Ich weiß aber, dass wenn ich einmal in einem Thema drin bin, mir die Arbeitsatmosphäre gut gefällt (ganz, ganz wichtig!) und auch die tägliche Arbeit meinen Stärken entspricht, ich mich diesem Thema voll und ganz verschreiben werde. Grundsätzlich macht mir die juristische bzw. intellektuell anspruchsvolle Arbeit einfach Spaß.

Du hast den Unterschied zwischen z.B. IT-Recht und M & A ganz gut herausgearbeitet, vielen Dank dafür. Ich würde mich tatsächlich als eher menschenscheue Person bezeichnen, die sich besser in Themen "reinfressen" kann, als mit Mandanten abends bis 3 Uhr an der Bar Mandantenpflege zu betreiben. Von daher wäre ich menschlich im M&A Bereich vielleicht gar nicht gut aufgehoben. Das hängt dann aber auch davon ab, wie der Bereich in der Kanzlei ganz konkret ausgestaltet ist, ob z.B. nicht doch gesellschaftsrechtliche Themen im Vordergrund stehen.

Wollen wir hoffen, dass meine Traumkanzlei auf die neueren Bedürfnisse junger Menschen eingeht und mich tatsächlich so unter die Lupe nimmt, wie du es hier vorstellst :)
Herr Schraeg
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2811
Registriert: Montag 15. März 2010, 10:35
Ausbildungslevel: RA

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Herr Schraeg »

Intessante Friktionen und Kontroversen hier:

Bei der Kontroverse Solar ./. Lucyyy bin ich auf Solars Seite: Wenn sich jemand bewirbt, der Kartellrecht und nichts anderes machen will, in Ordnung. Mindestens ebenso freue ich mich über jemanden, der nur das Rechtsgebiet XY und/oder Z ausschliesst und ansonsten für alles - z.B. Zivilrecht in allen Spielarten wie Immobilienrecht oder M & A oder sonst etwas - offen und flexibel ist.

Bei der Kontroverse Solar ./. Kasimir hat Kasimir Recht. Solars Sicht von M & A erscheint mir doch etwas romantisiert und nicht idealtypisch. Typischerweise verhandelt der associate die ersten drei oder vier Jahre gar nichts, na ja jedenfalls nichts Wichtiges, und fährt auch nicht in der Weltgeschichte herum. Die Chance auf eigenverantwortliche Aussenauftritte ist in anderen Bereichen wie Litigation deutlich höher.

By the way: Die Einschätzung von M & A als unjuristisch geht an der Sache vorbei. Das können juristisch simple Verträge sein, aber auch juristisches Hochreck. Gerade bei asset deals können das hochkomplexe Konstruktionen im Immobilarsachenrecht, verzahnt mit Mobilarsachenrecht, Arbeitsrecht usw. sein.

Bei der Kontroverse Lucyyy ./. Duschgriff schliesslich: unentschieden mit leichtem Punktvorteil für Lucyyy. Klar ist das Ausplaudern von Mandatsinterna ein No go. Und klar fragt man auch nach sonstigen Interessen, um sich kennen zu lernen. Aber der Schwerpunkt eines solchen Mittagessens liegt doch darin, die Kanzlei aus einer anderen Perspektive als der des Partners im Vorstellungsgespräch zu erfahren.
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

lucyyy hat geschrieben:also ich erwarte schon, dass man im Rahmen eines Bewerbungs-Lunches über die Kanzlei spricht - ich bin ja nicht dort um meine 10 neuen BFFs kennen zu lerne, sondern will ja wissen, wie der Laden tickt. Kultur und Zeitgeschehen kämen mir bei diesem Setting etwas strange vor. Wir reden mit unseren Bewerbern darüber, wie der Laden läuft, die die Arbeit (tatsächlich) ist, wie die Arbeitszeiten (tatsächlich) sind, wie die Partner (tatsächlich) sind etc...
Ich glaube, wir haben grundsätzlich verschiedene Vorstellungen, wie eine berufliche Zusammenarbeit funktionieren kann. Wer beim einem Mittagessen zum Kennenlernen - oh Verzeihung, es schimpft sich ja "Lunch" - nur über die Kanzlei sprechen möchte - warum denn? Es gibt doch viel interessantere Themen, die einen deutlich besseren Einblick in die Persönlichkeit einer Bewerberin oder eines Bewerbers erlauben. Man möchte sich doch kennenlernen. Und nein: es geht nicht darum, neue beste Freunde zu finden. Ich möchte mein Berufsleben aber auch nicht an der Seite kultur- und manierenloser Dummschwätzer verbringen.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Solar hat geschrieben:
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Ich hatte mich ja selbst nach Hause geschickt. Weil ich in diesem "Team" niemals hätte arbeiten wollen. Man sollte doch bei Tisch über andere Dinge als über Arbeit sprechen können. Kultur? Zeitgeschehen? Essen und Trinken? Autos? (Wovon sie in der Gesamtheit nichts verstanden - ich fing ja mehrmals mit solchen Themen an, aber nein: Verfahren, Verfahren, Verfahren.) Und nicht über die Dämlichkeit der Verfahren...
Damit hast du absolut Recht und das haben wir auch so gehandhabt. Wir haben beim Mittagessen z.B. immer über Arbeitszeiten, Freizeit, Stimmung in der Kanzlei oder Umgang mit der vielen Kohle gesprochen - also vor allem über Dinge, die sich der Bewerber im steifen Rahmen der Kanzlei nicht zu fragen traute (siehe Lucyyy). Dazu haben wir uns dafür interessiert, was der Bewerber bislang so in seinem Leben getrieben hat und wo seine Interessen liegen bzw. von uns erzählt. Um "Fälle" ging es so gut wie nie, das ist ja auch vollkommen albern.
Du, das hätte mich auch nicht die Bohne interessiert und ebenso gelangweilt. Ich frage doch auch die Partner im Vorstellungsgespräch, wie sehr sie ihre Associates knechten, wie lange sie selbst da sind, ob sie dabei nur auf die Associate-Vorlage warten oder auch mal selbst etwas arbeiten.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Herr Schraeg hat geschrieben:Bei der Kontroverse Lucyyy ./. Duschgriff schliesslich: unentschieden mit leichtem Punktvorteil für Lucyyy. Klar ist das Ausplaudern von Mandatsinterna ein No go. Und klar fragt man auch nach sonstigen Interessen, um sich kennen zu lernen. Aber der Schwerpunkt eines solchen Mittagessens liegt doch darin, die Kanzlei aus einer anderen Perspektive als der des Partners im Vorstellungsgespräch zu erfahren.
Hat mich halt nie interessiert, weil Du nachher eh nicht verlässlich weißt, wie der Laden tickt.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Benutzeravatar
Solar
Power User
Power User
Beiträge: 508
Registriert: Freitag 11. August 2006, 00:27
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Solar »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Du, das hätte mich auch nicht die Bohne interessiert und ebenso gelangweilt. Ich frage doch auch die Partner im Vorstellungsgespräch, wie sehr sie ihre Associates knechten, wie lange sie selbst da sind, ob sie dabei nur auf die Associate-Vorlage warten oder auch mal selbst etwas arbeiten.
Da bist du aber in der absoluten Minderheit der Bewerber - die allermeisten dürften sich das nicht trauen und fragen dann beim Mittagessen ganz gezielt danach.

Es fragt sich, worüber du denn dann überhaupt noch mit den Associates sprechen wolltest? Über so unverfängliche Dinge wie Politik oder Religion etwa? Man lernt sich doch nicht nur über das besprochene Thema kennen, sondern über die Art der Unterhaltung. Deshalb konntest du deine Gesprächspartner gleich ausschließen, weil sie mit ihren Fällen offenbar nur angeben wollten und sie sich nach deinem Maßstab nicht benehmen konnten. Das lag dann doch aber nicht am Gesprächsthema.

Sympathie entscheide ich nicht anhand des besprochenen Themas, sondern anhand des Verhaltens meiner Gesprächspartner (und der geäußerten Ansichten). Wenn mir ein Gesprächspartner bspw. durch den (anonymen) Fallbericht Einblicke in seinen Arbeitsalltag ermöglicht und mir dabei durch die Art seines Verhaltens/Gesprächsstils seine Persönlichkeit zumindest im Ansatz zeigt, ist das doch nicht weniger wertvoll als wenn ich mit ihm übers Angeln spreche. Im Gegenteil: So lerne ich zugleich nochmals eine unverstellte Sicht eines Associates gegenüber der Arbeit in der Kanzlei kennen. Der Partner kann gerade nicht einschätzen, wie es sich als Associate bei ihm so arbeitet - deshalb ist das diesbezügliche Gespräch mit ihm auch völlig für die Katz.
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Solar hat geschrieben:Es fragt sich, worüber du denn dann überhaupt noch mit den Associates sprechen wolltest?
Ich wollte mit den Associates doch gar nicht sprechen. Das stand irgendwie auf diesem Terminprogramm.
Solar hat geschrieben:]Sympathie entscheide ich nicht anhand des besprochenen Themas, sondern anhand des Verhaltens meiner Gesprächspartner (und der geäußerten Ansichten). Wenn mir ein Gesprächspartner bspw. durch den (anonymen) Fallbericht Einblicke in seinen Arbeitsalltag ermöglicht und mir dabei durch die Art seines Verhaltens/Gesprächsstils seine Persönlichkeit zumindest im Ansatz zeigt, ist das doch nicht weniger wertvoll als wenn ich mit ihm übers Angeln spreche. Im Gegenteil: So lerne ich zugleich nochmals eine unverstellte Sicht eines Associates gegenüber der Arbeit in der Kanzlei kennen. Der Partner kann gerade nicht einschätzen, wie es sich als Associate bei ihm so arbeitet - deshalb ist das diesbezügliche Gespräch mit ihm auch völlig für die Katz.
Scusi, interesssiert mich nur bedingt, weil ich einen anderen Ansatz habe. Ich möchte Menschen kennenlernen, nicht wie duplizierbare Associates irgendwelche Fälle sehen und bearbeiten.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Benutzeravatar
Trente Steele82
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6079
Registriert: Mittwoch 27. Januar 2010, 19:19
Ausbildungslevel: RRef

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Trente Steele82 »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Solar hat geschrieben:Es fragt sich, worüber du denn dann überhaupt noch mit den Associates sprechen wolltest?
Ich wollte mit den Associates doch gar nicht sprechen. Das stand irgendwie auf diesem Terminprogramm.
Solar hat geschrieben:]Sympathie entscheide ich nicht anhand des besprochenen Themas, sondern anhand des Verhaltens meiner Gesprächspartner (und der geäußerten Ansichten). Wenn mir ein Gesprächspartner bspw. durch den (anonymen) Fallbericht Einblicke in seinen Arbeitsalltag ermöglicht und mir dabei durch die Art seines Verhaltens/Gesprächsstils seine Persönlichkeit zumindest im Ansatz zeigt, ist das doch nicht weniger wertvoll als wenn ich mit ihm übers Angeln spreche. Im Gegenteil: So lerne ich zugleich nochmals eine unverstellte Sicht eines Associates gegenüber der Arbeit in der Kanzlei kennen. Der Partner kann gerade nicht einschätzen, wie es sich als Associate bei ihm so arbeitet - deshalb ist das diesbezügliche Gespräch mit ihm auch völlig für die Katz.
Scusi, interesssiert mich nur bedingt, weil ich einen anderen Ansatz habe. Ich möchte Menschen kennenlernen, nicht wie duplizierbare Associates irgendwelche Fälle sehen und bearbeiten.
Ah, außerirdische Bioduplikate https://www.youtube.com/watch?v=Un-MH8Anddg :D

In der Sache bin ich auch beim Duschgriff. Ich kenne solche "Lunche" zwar nicht aus eigener Erfahrung, wenn ich ein solches aber über mich ergehen lassen müsste (als Bewerber), dann würde ich schon gern mehr über meine möglichen Kollegen erfahren wollen (die Arbeit ist ja im Zweifel überall ähnlich). Keiner von denen, die da sitzen wird ernsthaft die negativen Seiten des Partners oder der Arbeit ausplaudern, schon gar nicht, wenn man mit mehreren da sitzt. Man bekommt eine geschönte Fassung präsentiert, aus der man auch nicht schlauer wird. Und so Aussagen wie "Oh, ja manchmal kann es auch bis 23.00 Uhr gehen." hören sich weniger schlimm an, wenn man verschweigt, dass "manchmal" dann doch eher häufiger vorkommt.
"Ich bin ein Freund der privaten Passivitäten, bin also ein fauler Mensch, der versucht seine Intelligenz einzusetzen, um weiterhin faul zu bleiben zu können." (Benno Heussen)
Benutzeravatar
Solar
Power User
Power User
Beiträge: 508
Registriert: Freitag 11. August 2006, 00:27
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Solar »

Trente Steele82 hat geschrieben:In der Sache bin ich auch beim Duschgriff. Ich kenne solche "Lunche" zwar nicht aus eigener Erfahrung, wenn ich ein solches aber über mich ergehen lassen müsste (als Bewerber), dann würde ich schon gern mehr über meine möglichen Kollegen erfahren wollen (die Arbeit ist ja im Zweifel überall ähnlich). Keiner von denen, die da sitzen wird ernsthaft die negativen Seiten des Partners oder der Arbeit ausplaudern, schon gar nicht, wenn man mit mehreren da sitzt. Man bekommt eine geschönte Fassung präsentiert, aus der man auch nicht schlauer wird. Und so Aussagen wie "Oh, ja manchmal kann es auch bis 23.00 Uhr gehen." hören sich weniger schlimm an, wenn man verschweigt, dass "manchmal" dann doch eher häufiger vorkommt.
In unserer Abteilung war oberstes Gebot: Ehrlichkeit und ungeschönten Blick auf die Arbeit - auch die Arbeitszeiten. Das haben wir bei den Lunches durchgezogen. Zwar hat niemand gesagt "Partner A ist ein [Wort wollen wir hier nicht hören] und Choleriker", das lag aber daran, dass die Partner unserer Praxisgruppe eben nicht solche waren. Wir haben aber durchaus hervorgehoben, welche Eigenheiten die Partner haben und dass nicht jeder Partner zu jedem Associate passt. Das ist in einer größeren Praxisgruppe außerordentlich wichtig: Welcher Partner lässt die Associates früh von der Leine (dabei aber mglw. alleine), welcher ist eher konservativ distanziert im Umgang, welcher eher locker undistanziert, wer ist Micro-Manager usw.

Es lässt sich nicht weg-argumentieren: Derartige Infos sind für den Bewerber außerordentlich wichtig und ich werde sie nur von Associates erfahren - und dann am ehesten bei einem ungezwungenen Mittagessen. Klärt man Bewerber hierüber nicht auf, sind sie schneller wieder weg als man "Halbjahresgespräch" sagen kann.

Im Übrigen bleibe ich dabei: Das Gesprächsthema ist beim Kennenlernen zweitrangig. Sieht man doch bei Duschgriffs persönlicher Erfahrung: Er konnte unabhängig vom Gesprächsthema erkennen, dass er offenbar bei mit ihm inkompatiblen Associates am Tisch saß. Das aber nicht aufgrund des Themas, sondern aufgrund ihres Verhaltens.

Ein [Wort wollen wir hier nicht hören] erkennt man in der Regel sowohl beim Gespräch über die Arbeit (unter anderem daran, ob ungeschönt geschildert wird) als auch beim Gespräch über das Hobby-Imkern.
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Bewerbung auf mehrere Stellen

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Solar hat geschrieben:In unserer Abteilung war oberstes Gebot: Ehrlichkeit und ungeschönten Blick auf die Arbeit - auch die Arbeitszeiten. Das haben wir bei den Lunches durchgezogen. Zwar hat niemand gesagt "Partner A ist ein [Wort wollen wir hier nicht hören] und Choleriker", das lag aber daran, dass die Partner unserer Praxisgruppe eben nicht solche waren. Wir haben aber durchaus hervorgehoben, welche Eigenheiten die Partner haben und dass nicht jeder Partner zu jedem Associate passt. Das ist in einer größeren Praxisgruppe außerordentlich wichtig: Welcher Partner lässt die Associates früh von der Leine (dabei aber mglw. alleine), welcher ist eher konservativ distanziert im Umgang, welcher eher locker undistanziert, wer ist Micro-Manager usw.
Das ist doch völlig in Ordnung, wenn man darüber reden möchte. Mich hat das nicht sonderlich interessiert. Es war ein Standardangebot dieses Bewerbungsverfahrens und ich hätte mich ohne Weiteres auch ohne dieses Mittagessen entscheiden können. Wobei... Bei besagter Kanzlei hätte ich vielleicht ohne dieses Essen zugesagt (extrem sympathischer und fachlicher hervorragender Partner), aber die Drei waren ein Gegenargument. Mit der Begründung habe ich dem Partner dann auch abgesagt.
Es lässt sich nicht weg-argumentieren: Derartige Infos sind für den Bewerber außerordentlich wichtig und ich werde sie nur von Associates erfahren - und dann am ehesten bei einem ungezwungenen Mittagessen.
Scusi, diese Mittagessen - Lunch ist ein hässliches Wort (jedes Mal als es darum ging, ob man sich noch zum "Lunch" treffen wollte, habe ich höflich gefragt, ob es doch nicht besser ein Mittagessen sein darf) - waren mir immer unwichtig. Sie führen entweder zu den oben geschilderten Verhaltensversagen oder zu keiner Mehrerkenntnis. "Was wollen Sie denn noch wissen?" Ich hatte keine Fragen, die habe ich "oben" doch schon gefragt.

Und: die Bewerbungsgespräche in der Anwaltschaft habe ich immer sehr geschätzt, da waren viele Perlen dabei, die ich heute nicht missen wollte. Aber dann im Regelfall auf Partnerebene, wo es um konkrete Aussichten ging und nicht um Labern ohne gegenseitiges Interesse.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Antworten