Berufseinstieg

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Moderator: Verwaltung

TeaLover
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Berufseinstieg

Beitrag von TeaLover »

Hallo allerseits,

ich war bislang nur stiller Mitleser in diesem Forum. Nun möchte ich aber auch gerne etwas posten, da ich alleine nicht mehr weiter weiß.

Vor ca. 4 Monaten fing ich als Berufseinsteiger in einer Großkanzlei an. Die Kanzlei und meinen jetzigen Partner kannte ich bereits aus meiner Anwaltsstation und da es mir dort so gut gefallen hatte, bin ich da auch gleich geblieben. Ich freute mich sehr über diesen nahtlosen Übergang nach meinem Examen und dachte mir, dass ja nichts mehr schief gehen könnte. Schließlich kannte ich die Kanzlei und die Leute bereits. Tja, nach 4 Monaten dort sieht die Welt nun schon anders aus. ::?

Ich fühle mich immer noch nicht angekommen und ziemlich allein gelassen, obwohl der Partner und die Kollegen nett sind. Man in meinem Bereich regelmäßig früh rauskommt (für eine Großkanzlei ja nicht selbstverständlich), das Gehalt mehr als stimmig ist und ich wirklich spannende Aufgaben habe, die ich sehr gerne mache. Das mag alles recht paradox klingen und ich weiß auch nicht, was mit mir gerade los ist. :( Ich erkenne mich nicht wieder. Ich bin verunsichert und mache mir viel zu viele Gedanken. Dabei war ich immer der rationale Typ. Doch nun reagiere ich auf vieles (bspw. Äußerungen von meinem Partner) sehr sensibel (natürlich nicht vor ihm).

Der Partner in meinem Bereich ist an sich ein sehr netter Mensch. Ruhig, sachlich, aber auch sehr penibel und distanziert im Umgang zu seinen Angestellten. Ich weiß nie, woran ich bei ihm bin. Ich wünschte mir, es gäbe von ihm mehr Feedback. Meist gibt er mir eine Aufgabe und erwartet, dass ich sie zu seiner Zufriedenheit erledigen soll und ich ihn nicht weiter damit behelligen soll. Aber da ich noch Berufsanfänger bin, ist für mich vieles Neuland. Wenn es nicht gut war, meint er nur, dass ich es nächstes Mal besser machen soll. Er wird dabei nie konkret. Wie soll ich denn da aus meinen Fehlern lernen? Ich bin ein sehr lernwilliger Mensch und möchte gerne so viel wie möglich mitnehmen. Gerne kann man mich auch kritisieren und mir Tipps und Hinweise geben, wie ich etwas konkret besser machen kann. Ich hatte auch schon mit vielen Arten von Vorgesetzten zu tun und kann auch unter schwierigen Chefs (aufbrausend, kleinlich usw.) arbeiten. Da bin ich nicht sonderlich zimperlich. Mit seiner Art komme ich aber irgendwie nicht so richtig klar. Während meiner Station ist es mir noch nicht in dem Maße aufgefallen. Denn da hatte er mich viel mehr angeleitet. Vielleicht hatte ich als Referendar in seinen Augen auch nur Welpenschutz gehabt.

Inzwischen konnte ich mich schon etwas mehr an seine Art gewöhnen und ich denke, dass er auch nicht unzufrieden mit mir ist. Allerdings kann ich mir unter diesen Umständen nicht vorstellen für eine längere Zeit hier zu bleiben, was ich sehr schade finde. Denn es ist eine sehr schöne Kanzlei. Jedoch ist er für mich nicht der ideale Mentor und ich werde unter ihn wohl nicht mein volles Potential entfalten können. Andererseits weiß ich nicht, ob es woanders viel besser wäre. Hier stimmt wirklich vieles. Ach, ich bin einfach hin- und hergerissen. :( Meine Freundin und meine Familie meinen, dass es mit der Zeit sicherlich besser werden wird und es nur der Praxisschock sei. Der Berufseinstieg sei nie leicht und ich hätte es mit meinem Vorgesetzten auch schlechter treffen können. Ich weiß das auch alles. Daher fühle ich mich ja auch so schlecht und unfähig.

Gerne möchte ich euch fragen, wie ihr euren Berufseinstieg damals erlebt habt und ob meine Gedanken und Gefühle normal sind und es sich mit der Zeit geben wird. Vielleicht habt ihr auch Tipps für mich, wie ich mit einem sachlich-distanzierten Vorgesetzten am besten umgehen soll, der wenig bis gar kein Feedback und Anleitungen gibt. Besten Dank im Voraus!
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Muirne
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Muirne »

Wenn du die Arbeit nicht nochmal auf den Schreibtisch bekommst, sodass du dir die eigenen Fehler erarbeiten kannst, wie wäre es ihn konkret bei so einem Feedback fragen, wo du genau etwas anders machen kannst?
Man muss ja keine Grundsatzdebatte draus machen, aber einfach jede 3. Arbeit mal nachfragen, wie du dich bei der Aufgabe verbessern kannst, könnte ich mir als Lösungsansatz vorstellen.

Insgesamt bedeutet Berufseinstieg ganz oft mit verschiedenartigen (schlechten) Führungsstilen klarkommen. Persönlich habe ich keine Toleranz für Choleriker und würde unter so jemandem nicht arbeiten. Dass man aber jemanden findet, der einem tolles Feedback gibt und dann noch lobt, das ist glaube ich fast ein Wunschtraum. Mit manchem muss man sich arrangieren, das ist menschlich und gehört dazu. Bevor ich allerdings den Job wechsle, würde ich (ohne großes Aufhebens) doch mal versuchen ein bisschen an dem Problem zu arbeiten, wo es von deiner Seite möglich ist.
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julée
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von julée »

Man muss sich die Vorgesetzten gelegentlich auch ein wenig erziehen bzw. wissen, wie man zu seinen Antworten kommt. Und wenn Dein Partner sachlich-distanziert ist, dann ist er möglicherweise über konkrete Nachfragen (wenn Du eine Sache zum ersten Mal machst oder beim letzten Mal ein „machen Sie es bei nächsten Mal besser“) erreichbar und dann auch hinreichend auskunftsfreudig. Und da musst Du dann ggf auch einfach ein wenig beharrlich und aufdringlich sein, anstatt Dich an der Aufgabe zu versuchen, ohne eine Idee zu haben, was Du machen sollst.
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scndbesthand
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von scndbesthand »

Vergleiche Deinen Entwurf mit der Finalfassung des Gutachtens/Schriftsatzes/Berichts. Wenn Dir eine Änderung nicht klar ist, frage konkret nach. Dass bei jeder Akte eine detaillierte Besprechung vorgenommen wird, kann man nicht erwarten. Eigeninitiative ist gefragt.


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Mr_Black
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Mr_Black »

Ich halte das für den ganz normalen Praxisshock.
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Herr Schraeg
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Herr Schraeg »

scndbesthand hat geschrieben:Dass bei jeder Akte eine detaillierte Besprechung vorgenommen wird, kann man nicht erwarten.
Eigentlich sollte man das bei der Ausbildung eines Berufsanfängers schon erwarten dürfen, in der Praxis - auch meiner eigenen ::oops: - ist es leider selten.

Aber der Rat ist richtig: Vergleich der endgültigen Fassung der Dokumente mit dem eigenen Entwurf, um aus den Änderungen zu lernen. Alles nicht dramatisch, sondern der von Mr. Black beschriebene Praxisschock.
TeaLover
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von TeaLover »

Vielen Dank für die Rückmeldungen!

Ich werde eure Tipps beherzigen und versuchen weiter am Ball zu bleiben und mich in Geduld zu üben.

@julée Ich frage mittlerweile auch schon öfter nach als noch zu Beginn. Manches bleibt dann zwar trotzdem noch unklar, da er nicht so gut im Erklären ist, aber es hilft schon weiter. Eventuell könnte ich in Zukunft noch aufdringlicher sein, wie du es so schön ausgedrückt hast. Es fällt mir nur schwer, da durch seine sehr distanzierte Art die Hemmschwelle ihn anzusprechen höher liegt als bei meinen früheren Chefs. Es muss mir wohl nur gleichgültiger werden, was er von mir denkt. Ich mache mir da einfach zu viele unnötige Gedanken.

@scndbesthand @Herr Schraeg Ich handhabe es bereits so, wie ihr es beschrieben habt. Gleiche alles ab und lerne aus den Änderungen. Natürlich weiß ich, dass Eigeninitiative gefragt ist. Nur dachte ich, dass die Sachen, die stets propagiert werden (,,stellen ihnen einen Mentor an die Seite", ,,bei uns werden sie an die Arbeit herangeführt" etc.) auch so stimmen würden, dass ich mir nicht alles selbst beibringen muss und auch was von meinem Partner und Mentor lernen würde. Er mir nicht nur eine Sache gibt, kurz erklärt worum es geht und dann wieder geht. Bei Nachfragen meist antwortet, dass ich einfach weiter schauen soll. Ich fühle mich dann ziemlich allein gelassen. Meine Kollegen haben das ein oder andere noch nicht gemacht, daher können sie mir auch keine Tipps geben.
Natürlich fällt es mit jedem Mal leichter, wenn einem später eine ähnliche Aufgabenstellung begegnet. Man merkt auch, dass man Fortschritte gemacht hat. Jedoch nicht Dank des Mentors, sondern durch Eigenleistung. Ich habe mir das anders vorgestellt, aber wahrscheinlich läuft es an vielen Orten so ab. ::?

Momentan gehe ich nicht gerne zur Arbeit wegen der Art und Weise meines Chefs. Es löst bei mir Unwohlsein aus. Bin froh, wenn das Wochenende naht oder er mal nicht im Büro ist und das alles missfällt mir sehr. Das kenne ich so nicht. Denn ich bin ein sehr strebsamer Mensch, der gerne und viel arbeitet. Meint ihr, dass ich zu sensibel bin und zu viel von meinem 1. Job erwarte? Ich möchte nur gerne wieder mit Freude zur Arbeit gehen, wie damals während den Referendariatsstationen und am Lehrstuhl. Den Bereich möchte ich nicht wechseln, da es mein Wunschrechtsgebiet ist. Ich möchte auch noch nicht nach 4 Monaten aufgeben. Zumal ich nicht weiß, wie sich die Zusammenarbeit mit einem anderen Partner gestalten würde. Habe nur Angst, dass es nach einem oder zwei Jahren nicht viel besser wird und was ich dann machen soll. Woanders könnte es mir auch so ergehen oder noch schlechter. ::?
julée
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von julée »

TeaLover hat geschrieben: @julée Ich frage mittlerweile auch schon öfter nach als noch zu Beginn. Manches bleibt dann zwar trotzdem noch unklar, da er nicht so gut im Erklären ist, aber es hilft schon weiter. Eventuell könnte ich in Zukunft noch aufdringlicher sein, wie du es so schön ausgedrückt hast. Es fällt mir nur schwer, da durch seine sehr distanzierte Art die Hemmschwelle ihn anzusprechen höher liegt als bei meinen früheren Chefs. Es muss mir wohl nur gleichgültiger werden, was er von mir denkt. Ich mache mir da einfach zu viele unnötige Gedanken.
Die Hemmschwelle solltest Du Dir m. E. abtrainieren. Natürlich musst Du nicht mit unnötigen Fragen nerven, die Du Dir selbst hättest beantworten können, wenn Du mal drei Minuten darüber nachgedacht hättest. Aber es ist ja nicht besser, wenn Du die Sachen einfach "irgendwie" machst, nämlich im Zweifelsfall "falsch" (das ist ja oft auch subjektiv), als wenn Du vorher mit der Frage, ob Du besser Variante A oder B nimmst, ankommst. Wenn Du fragst, kannst Du aber was lernen - und gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Deine Sachen mit nur marginalen Änderungen rausgehen können (win-win-Situation).

Im Übrigen solltest Du Dir bewusst machen, dass der Welpenschutz vorbei ist und man von Dir für das viele Geld monatlich auch eine gewisse Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit erwartet und Dir kein "Ref II" mit jede Menge Händchenhalten bietet (und wahrscheinlich auch nirgendswo anders bieten wird).
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von TeaLover »

julée hat geschrieben:Aber es ist ja nicht besser, wenn Du die Sachen einfach "irgendwie" machst, nämlich im Zweifelsfall "falsch" (das ist ja oft auch subjektiv), als wenn Du vorher mit der Frage, ob Du besser Variante A oder B nimmst, ankommst. Wenn Du fragst, kannst Du aber was lernen - und gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Deine Sachen mit nur marginalen Änderungen rausgehen können (win-win-Situation).
Solche Fälle (eher Variante A oder B) sind auch nicht problematisch. Ich halte dann kurze Rücksprache mit ihm und es hat sich erledigt. Es geht eher um Rechtsauslegungssachen. Kommentare helfen nicht immer weiter und da wünschte ich mir, ich könnte mich mit jemanden austauschen. Er meint dann nur, dass ich nochmal schauen soll und dann es so machen soll, wie ich denke. Oft ist ihm es dann aber nicht Recht und ich hätte es lieber so und so machen sollen. Da frage ich mich, wieso er mir das nicht gleich sagt, als ich ihm um Rat fragte. ::?
julée hat geschrieben:Im Übrigen solltest Du Dir bewusst machen, dass der Welpenschutz vorbei ist und man von Dir für das viele Geld monatlich auch eine gewisse Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit erwartet und Dir kein "Ref II" mit jede Menge Händchenhalten bietet (und wahrscheinlich auch nirgendswo anders bieten wird).
Ich arbeite gern selbstständig und brauche auch niemand, der mir mein Händchen hält und über die Schulter schaut. Es geht mir eher um das Miteinander. Menschlich ist mein Chef schon bemüht und nett (fragt kurz wie es einem geht, was man am Wochenende gemacht hat), aber fachlich behandelt er einen von Oben herab. Statt konstruktive Kritik gibt es oft Bemerkungen à la ,,Haben Sie das nicht im Studium/Referendariat gehabt?" Das nagt dann schon an einem. ::? Ich versuche mir da jetzt ein härteres Fell zuzulegen, aber es demotiviert und macht mich im Umgang mit ihm auch verkrampfter.
Als Berufsanfänger ist man noch unsicher und das macht den Start nicht einfacher. Er gibt einem das Gefühl, dass man fachlich nichts kann. Ich arbeite jedoch auf einem sehr speziellem Rechtsgebiet, womit man im Studium/Ref nicht wirklich in Berührung kommt und daher vieles "on the job" erst lernt. Zwar gibt es in meinem Lebenslauf einen roten Faden, aber ich arbeite darin ja nicht wie er schon 20 Jahre. Das vergisst er wohl oft bzw. ist ihm nicht bewusst. Er ist wahrscheinlich schon zu weit von dem Stadium eines Berufsanfängers entfernt.

Übrigens danke für deine stets schnellen Rückmeldungen, Julée. :)
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Muirne
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Muirne »

Er ist halt nicht dein Teamkollege, sondern dein Chef. Wenn es darum ginge, dass ihr euch bei Rechtsauslegungssachen austauscht, dann könnte er es auch (und schneller) selbst machen. Die Erwartungshaltung hat mit den meisten Jobrealitäten wenig zu tun und man kann dabei auch schlecht bezahlt werden.
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TeaLover
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von TeaLover »

@Muirne Ich verstehe deinen Punkt und ich hätte auch kein Problem allein vor mich hinzuarbeiten. Jedoch finde ich es schwierig, dass von ihm oft herablassende Bemerkungen kommen bei der Nachbesprechung und keine konstruktive Kritik. Ich bin nun erst Berufsanfänger und habe nicht viel Praxiserfahrung. Er setzt m.E. ziemlich viel spezielles Wissen voraus und bemerkt es nicht, da er es schon so lange macht. Spreche ich ihm darauf an oder auf was anderes, dreht er es immer so, dass es an mir liegen würde. An ihm prallt jede Kritik ab (äußere natürlich alles stets sehr höflich). Mir ist auch klar, dass er sich auch nicht mehr ändern wird und ich lernen muss mit seiner Art klarzukommen. Derzeit fällt es mir nur immer noch schwer. ::|

Ich habe mal unter jd. gearbeitet, der von seiner Art sehr hektisch und anspruchsvoll war. Er kam rein, hat gesagt, dass ich dies und das machen soll (nicht so höflich wie mein jetziger Partner, sondern fast wie im Befehlston) und ging wieder. Wenn ich Fragen hatte, hat er sie kurz und präzise beantwortet und entließ mich wieder. Bei Nachbesprechungen hat er mit seiner Meinung nicht hintern Berg gehalten, sondern er hat mir genau gesagt, was nicht gut war. Machte mir bei ihm auch nichts aus, da es stets sachlich war (im Gegensatz zu meinem jetzigen Partner). Aber er hat mir auch immer mitgeteilt, mit welchem Teil er schon zufrieden war. So wusste ich immer, wo dran ich war und ich habe sehr gerne für ihn gearbeitet und viel in der Zeit gelernt. Andere waren von seiner direkten Art etwas abgeschreckt, aber ich kam gut mit ihm klar. Daher dachte ich eigentlich bisher, dass ich nicht sonderlich zimperlich bin, was Kritik angeht. Leider arbeitet er inzwischen im Ausland. Sonst hätte ich mir auch vorstellen können dort anzufangen.

Danke für deinen bisherigen Input, Muirne. O:) So, ich muss jetzt wirklich schlafen gehen. :D
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Einwendungsduschgriff
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Muirne hat geschrieben:Er ist halt nicht dein Teamkollege, sondern dein Chef. Wenn es darum ginge, dass ihr euch bei Rechtsauslegungssachen austauscht, dann könnte er es auch (und schneller) selbst machen. Die Erwartungshaltung hat mit den meisten Jobrealitäten wenig zu tun und man kann dabei auch schlecht bezahlt werden.
Gibt ja auch einen Mittelweg. "Mein" damaliger Partner hat es in der Regel so gemacht:

- Akte/Auftrag mir gegeben mdB, sich zügig einen Überblick und eine erste Meinung zu verschaffen
- kurze Besprechung, wohin die Reise gehen soll; zunächst ich, dann er (selten länger als 10-15 Minuten), Besprechung des weiteren Zeitplans
- Ausarbeitung meinerseits, möglicherweise auch mit Zwischenfragen, die aber lieber gebündelt und zielorientiert
- Abgabe der Ausarbeitung
- Durchsicht, Besprechung (kleinere Korrekturen im Text machte er selbst bzw. sein Vorzimmer), letzteres aber nur, wenn größere Änderungen anstanden oder es ihm noch zu dünn war

Unser Vorteil war, dass wir einen sehr ähnlichen Schreibstil gepflegt haben. Aber wir hatten auch die gleiche Schwierigkeit: ein Rechtsgebiet, in der gute Nachschlagewerke eher Mangelware sind und der Kollegenkreis war klein und mit der einen Kollegin habe ich mich so gar nicht verstanden. Aber der Partner war super. Typ: nachmittags in den Fanblock der Eintracht und abends auf den Bundespresseball oder zur Atlantikbrücke.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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scndbesthand
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von scndbesthand »

Dass Du von oben herab behandelt wirst, kommt in den unterschiedlichsten Ausprägungen immer einmal wieder vor. Auch noch nach Jahren erfolgreicher Berufstätigkeit.

Es ist aber auch eine Fähigkeit, die man sich aneignen muss, trotz kleiner und großer Gemeinheiten nicht die Lust an der Arbeit zu verlieren, die man an sich gerne verrichtet und für die man sich entschieden hat.


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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Kasimir »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Muirne hat geschrieben:Er ist halt nicht dein Teamkollege, sondern dein Chef. Wenn es darum ginge, dass ihr euch bei Rechtsauslegungssachen austauscht, dann könnte er es auch (und schneller) selbst machen. Die Erwartungshaltung hat mit den meisten Jobrealitäten wenig zu tun und man kann dabei auch schlecht bezahlt werden.
Gibt ja auch einen Mittelweg. "Mein" damaliger Partner hat es in der Regel so gemacht:

- Akte/Auftrag mir gegeben mdB, sich zügig einen Überblick und eine erste Meinung zu verschaffen
- kurze Besprechung, wohin die Reise gehen soll; zunächst ich, dann er (selten länger als 10-15 Minuten), Besprechung des weiteren Zeitplans
- Ausarbeitung meinerseits, möglicherweise auch mit Zwischenfragen, die aber lieber gebündelt und zielorientiert
- Abgabe der Ausarbeitung
- Durchsicht, Besprechung (kleinere Korrekturen im Text machte er selbst bzw. sein Vorzimmer), letzteres aber nur, wenn größere Änderungen anstanden oder es ihm noch zu dünn war
Dieses Vorgehen finde ich mustergültig. Meines Erachtens sind die Anzahl der tatsächlichen Rechtsfragen bei den meisten Aufgaben gering bzw. können vorab bzw. rechtzeitig vor Abgabe abgestimmt werden können. Die meisten Fehler liegen nach meiner Erfahrung auch nicht bei der rechtlichen Beurteilung, sondern darin, dass der Associate nicht "sauber" arbeitet.

Was der Associate machen sollte:
- Produkt beim Partner so abliefern, wie der Associate es an den Mandanten schicken würde (keine Rückfragen etc.; dies kann man - bei Bedarf - auf dem Weg zum Ergebnis gebündelt besprechen
- klare Formulierungen
- keine Rechtschreibfehler (!), einheitliche Formatierung und Verwendung von Begriffen
- klares Ergebnis/Empfehlung an den Mandanten (ein Vermerk an den Mandanten ist keine Hausarbeit; ich kann als Partner auch nicht zum Mandanten gehen und sagen, dass 3 Stimmen in der Literatur dafür und 2 dagegen sind und deshalb die Rechtslage unklar ist)
- Blick dafür, was der Mandant will (worauf kommt es ihm an, wirtschaftliche Relevanz der Fragestellung)
- Blick dafür, was die Aufgabe eines Associates ist (den Partner zu entlasten), d.h. es hilft nichts, wenn man 5mal am Tag mit Fragen vorbeikommt und auch nicht, wenn das abgelieferte Produkt nicht verwertbar (fertig oder praxisuntauglich) ist

Und zum Ausbildungsanspruch: Ja, ich erkenne an, dass der Associate ausgebildet werden möchte. Es handelt sich allerdings zuvorderst um ein Arbeitsverhältnis, d.h. der Partner muss den Laden wirtschaftlich betreiben. Associates sind da, um den Partnern Arbeit abzunehmen und damit mit ihnen Geld verdient werden kann. Dafür werden die Associates ja auch fürstlich entlohnt.

Ich bin auch gerne bereit, Associates auszubilden, wenn sich dies langfristig auszahlt. Damit sich eine solche Investition für den Partner und die Kanzlei rechnet ist allerdings auch eine gewisse Planbarkeit erforderlich. Was nützt es mir, wenn ich Zeit und Geld in die Ausbildung eines Associates stecke, der - Stichwort: Generation Y - nach 1-2 Jahren wieder weg ist? Associates werd ab dem 3. oder 4. Jahr richtig wertvoll. D.h. es sollte ggf. auch ein Umdenken auf Associate-Seiten stattfinden. Der Trend, eine Tätigkeit als Rechtsanwalt als einen 1-2jähres Übergangszeitraum zu sehen, führt eben auch dazu, dass die Kanzleien und Partner nicht dazu bereit sind, bedingungslos in die Ausbildung der Associates zu investieren. Hier beißt sich also die Katze in den Schwanz.
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Tibor
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Re: Berufseinstieg

Beitrag von Tibor »

Kasimir hat geschrieben: Und zum Ausbildungsanspruch: Ja, ich erkenne an, dass der Associate ausgebildet werden möchte. Es handelt sich allerdings zuvorderst um ein Arbeitsverhältnis, d.h. der Partner muss den Laden wirtschaftlich betreiben. Associates sind da, um den Partnern Arbeit abzunehmen und damit mit ihnen Geld verdient werden kann. Dafür werden die Associates ja auch fürstlich entlohnt.
Genau so. Man kann nicht erwarten so bezahlt zu werden, als sei man ein alter Hase und zugleich nicht wenigstens 90%ig selbständig zu arbeiten.

Bei uns lief das damals auch eher so:

1. Email/Anruf vom Chef, ich möge schnell vorbeikommen/zurückrufen, neuer Auftrag
2. dabei Kurze Schilderung, wer was etc., Verweis auf Emails bzw. alte Vorgänge, die die Sekretärin gleich übersenden wird
3. Erste Nachfragen von mir zum Budget und was der Mdt bis wann will, dann kurz gegengerechnet nach den üblichen Fees/Abrechnungen (80% Associate / 20% Partner für Review/Calls) --> hier ggf. erste inhaltliche Nachfragen
4. Hauptarbeit, erster Entwurf des Produktes ausgearbeitet
5. Vorlage zum Partnerreview
6. Feintuning
7. Versand nach letzten Änderungen

Die Punkte 2-4 sind natürlich unterschiedlich umfangreich; erwartet der Mdt nur ne kurze Ausarbeitung einzelner Fragen zu singulären (abgeschlossenen) Sachverhalten, gibt es idR ne Email. Dann ist 2-4 linear. Will der Mdt ein Gutachten bzw. eine mehrseitige Stellungnahme um dies einer anderen Personen vorzulegen, dann ggf. Vorabpräsentation einer Gliederung, ggf. nur auf Zuruf ("ich würde das wie folgt gliedern ... ok?"). Der Punkt 4 ist natürlich die Hauptarbeit an Sachverhalt & Rechtsfrage und sauberer (adressatenbezogener) Formulierung (insb. EN). Hier kann man ggf. auch auf Kollegen zugreifen, aber natürlich nicht dauerhaft und zu jeder Frage. Man muss auch mal die sprichwörtlichen Eier haben, dies oder jenes selbst zu entscheiden und Wichtigkeit/Unwichtigkeit differenzieren. Nur bei größeren Sachen wird man in diesem Prozess die Zeit haben, beim Partner in frühen Phasen nachzufragen. Erwartet der Mdt binnen paar Stunden eine erschöpfende Antwort in einer Email, dann ist Nr. 4 eine Einbahnstraße. Natürlich ist es auch bei jedem Associate ein Lernprozess und ich würde lügen, wenn ich bereits bei den ersten Aufgaben entsprechend strukturiert vorgegangen wäre. Aber wie Kasimir das schon schreibt, man muss sich auch immer klar sein: Die ganze Kanzlei ist ein Dienstleister, der Associate ist das kleinste Rad im Dienstleister.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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