Vergaberecht oder InsO

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Miroma23
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Vergaberecht oder InsO

Beitrag von Miroma23 »

Hallo ihr Lieben,

wsl wurde das Thema Vergaberecht bereits angesprochen, dennoch hoffe ich, dass mir jemand ein paar Tipps und seine ehrliche Meinung sagen kann.
Ich bin mit dem 2. Examen fertig und stehe vor dem Berufseinstieg. Im Studium habe ich mich auf die außergerichtliche Sanierung/ Insolvenzverwaltung spezialisiert und habe in dem Bereich auch meine Diss geschrieben.
Eigentlich stand für mich fest, dass ich dort auch erstmal den Einstieg probieren möchte. Musste aber herausfinden, dass das gar nicht so einfach ist und das Gehalt ziemlich niedrig ist. Seit gestern habe ich die Option, den Berufseinstieg im Vergaberecht zu beginnen. Ich habe damit als wissenschaftlicher Mitarbeiter schonmal was zu tun gehabt und glaube, dass es ziemlich interessant, spannend und vor allem vielfältig ist. Aufgrund der kurzen Fristen mitunter sicher auch stressig... Ich möchte allerdings nicht stupide mit dem Gesetz arbeiten, sondern eher beratend tätig werden, nicht nur am Schreibtisch sitzen und "an den Leuten dran sein". Das Gehalt würde auch passen und die Kanzlei ist darauf spezialisiert. Für mich steht fest, dass ich nicht zwischen den Rechtsgebieten springen, sondern den Fokus auf ein Gebiet legen möchte.

Habt ihr Erfahrungen mit dem Vergaberecht und könnt ihr dies für den Einstieg empfehlen? Ich wäre euch für eure Meinung wirklich dankbar, da ich gerade ein bisschen zwischen den Stühlen stehe und nicht weiß, ob sich dieses Angebot für mich evtl als großer Glücksfall herausstellt und ich zu engstirnig bin, wenn ich mich auf Sanierung/InsO versteife.
Vielen Dank euch erstmal.
lizard_king
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von lizard_king »

Hallo Miroma23,

zur Spezialisierung im Vergaberecht kann ich nur raten.

Ich selbst mache das nun seit gut 10 Jahren und davon die letzten drei als Rechtsanwalt.

1. Der Fachanwalt für Vergaberecht ist noch immer ziemlich neu, es gibt noch keine Unmengen davon (und man benötigt lediglich 5 forensiches Fälle ;-))

2. Die Community ist in DE überschaubar - war man auf drei, vier Veranstaltungen, so kennt man einen Großteil der Player.

3. Die Arbeit ist vielfältig: Von punktueller Beratung bis hin zur vollständigen Abwicklung ganzer Vergabeverfahren machen wir alles - da kann man sich nicht immer darauf zurückziehen, dass man doch Rechtsanwalt sei und nicht wirklich an echten Dokumenten arbeiten müsse - Hemdsärmel hoch und ran!

4. Man hat sehr, sehr viel mit Menschen zu tun, die die Materie als lästig empfinden, sich aber daran halten müssen. Ist manchmal anstrengend, aber immer sehr spannend.

5. Speziell die Bezüge zum Europa-, Zivil-, Verwaltungs- und Kartellrecht sind sehr spannend und manchmal auch ganz schön verzwickt - auch das muss man mögen.

6. Das Rechtsgebiet lebt extrem stark von Rechtsprechung der Vergabekammern, der Vergabesenate der OLG sowie des EuGH. Da auf dem Laufenden zu bleiben, ist anspruchsvoll und anstrengend, aber lohnenswert.

7. Die letzte große Reform war letztes Jahr, also im April 2016. Das ist jetzt demnach ein sehr guter Zeitpunkt, um einzusteigen.

8. Beachte: Der Unterschied zwischen Bauvergaberecht und Vergaberecht von Lieferungen und Leistungen ist sehr extrem. Ein Bauvergaberechtler und ein ("normaler") Vergaberechtler müssen erst einmal eine gemeinsame Sprache finden. Hier sollte man sich für eine Seite entscheiden und dabei bedenken, dass es Bauvergaberecht schon sehr viel länger gibt und da die Konkurrenz bereits eher ausgeprägt ist.

9. Dieses Rechtsgebier wird nach meiner Wahrnehmung eher deutlich von kleineren Kanzleien dominiert, wo auch wirklich "gearbeitet" und nicht nur beraten wird. Das sind dann zwar meist nicht die wahnsinnigen Gegenstandswerte, aber ...

10. Bitte nur mit Honorarvereinbarung, nach Aufwand und mit ordentlichem Stundensatz arbeiten!

11. Networking und Seminare halten ist essenziell.

[12. Insolvelzrechtler gibt es bereits wie Sand am Meer, die Haftungsrisiken sind enorm, eine betriebswirtschaftliche Ausbildung ist nicht nur von Vorteil - sondern essenziell.]

Vielleicht hilft das ein Wenig - bei Fragen gerne eine E-Mail schicken an stetter@mayburg.de.

Beste Grüße

lizard_king
chr1983
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von chr1983 »

Ich kann mich den Ausführungen von Lizard King nahezu uneingeschränkt anschließen. Das Vergaberecht ist in der Tat ein sehr abwechslungsreiches und vielschichtiges Rechtsgebiet.

Dass das Vergaberecht von kleineren Kanzleien "dominiert" wird, würde ich allerdings so nicht unterschreiben. In vielen Nachprüfungsverfahren sieht man häufig GK-Anwälte. Allen & Overy, Baker, Bird & Bird, Dentons, KL Gates, Taylor Wessing usw. verfügen über namhafte Vergaberechtler. Auch die deutschen Läden wie CMS, Görg, Heuking, HFK, FPS, Luther usw. haben teilweise sehr große Vergaberechtsdezernate.

Das Nieschendasein des Vergaberechts hat m.E. aber einen Nachteil: Bei der Arbeitsplatzsuche ist man im Zweifel an die großen/größeren Städte gebunden. In Frankfurt oder Berlin einen Job im Vergaberecht zu finden dürfte gut möglich sein, will man hingegen nach Flensburg, Zwickau oder Gelsenkirchen dürfte es schon deutlich schwieriger sein. Ich könnte mir vorstellen, dass das im Insolvenzrecht anders aussieht.

Weitere Infos gerne per PM.
"Eine Banane bleibt eine Banane." (VG Frankfurt, Urt. v. 08.06.2016 - 5 K 4598/14.F)
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Miroma23 hat geschrieben:Habt ihr Erfahrungen mit dem Vergaberecht und könnt ihr dies für den Einstieg empfehlen?
Ja, kann man einsteigen, wenn es nicht gerade Bauvergaberecht ist. Die Fristen sind weniger das Problem, sondern gucke mal, ob die Kanzlei vermehr Auftragsgeber oder Auftragsnehmer vertritt. Ich würde nur noch bei Bewerberkanzleien - also solche, die dort stark agieren - arbeiten wollen.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von Miroma23 »

Mit dieser positiven Resonanz, hinsichtlich des Vergaberechts, habe ich tatsächlich nicht gerechnet, so dass es mir ein gutes Gefühl gibt.
Vielen, vielen Dank euch =D>
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famulus
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von famulus »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Auftragsgeber oder Auftragsnehmer
*grusel*
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Jaha, Papa Duschgriff darf das auch mal.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Vergaberecht oder InsO

Beitrag von Organwalter »

Den Antworten meiner Vorredner schließe ich mich gerne an: Das Vergaberecht bietet für den an Staat, Politik und Wirtschaft interessierten "Öff-Rechtler" ein hervorragendes Betätigungsfeld, bei dem i.d.R. keine Vorkenntnisse von Berufseinsteigern erwartet werden (können) - da es eben kein Ausbildungsstoff ist!

Dabei scheint das Bewerberfeld nicht (mehr) sooo groß zu sein - aus erster Hand weiß ich, dass auch das JUVE Vergaberecht Top-Ranking (an Top-Orten!)gerade händeringend junge (Top- :D ) Kollegen sucht... (Details aus dem Buschfunk gerne via PN)
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