Als Volljurist neu orientieren

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EinHeinz
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von EinHeinz »

Du solltest schon mal ein wenig den Verstand einschalten, anstatt einem Coach für so einen Unsinn Geld zu überweisen.

Die Aussage, unter Juristen fehl am Platz zu sein, ist doch ziemlich einfach. Warum ist das so? Weil sich diejenigen in irgendeiner Art mit Recht beschäftigen? Mehr Gemeinsamkeiten aller Juristen sehe ich nicht.

Auch die Interessen Sport, Reisen und unter Leuten sein sind so flach wie ein Pfannkuchen. Welcher Sport? Golf, Schach oder Rugby? Mannschaft oder Einzelsport? Aktiv oder auf der Couch? Reisen das gleiche - allein, organisiert, Afrika, Europa oder lieber nur eine Arte Reportage? Unter Leute sein: besoffen im Pub, im Fußballstadion oder bei einem gemeinnützigen Projekt Sonntagmorgen?

Kannst du nach sieben Jahren Ausbildung tatsächlich nicht benennen, was du gern machen würdest? Das ist schwer nachvollziehbar.

Hinsetzen, überlegen was du kannst, was dir Freude bereitet und womit du das Gefühl hast, deine Welt ein wenig zu verbessern.

Danach kann man überlegen, welche Arbeit in Frage kommt. Umgekehrt wird es eher schwierig.
Thandor79
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Thandor79 »

Levi hat geschrieben:Es gibt doch genügend Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung (im weiteren Sinne) wo man mit Jura im klassischen Sinne eher weniger zu tun hat, sondern in erster Linie Führungskraft ist und Management-Aufgaben wahrnimmt. Für viele Juristen, die berufnah arbeiten wollen, ist das eher abschreckend und daher dürfte ein Einstieg dort mit deinen Noten zurzeit relativ problemlos sein.

Wenn deine Allgemeinbildung und deine Wirtschaftskenntnisse gut sind, könnte - aufgrund deiner genannten Interessen - z. B. auch der Auswärtige Dienst etwas für dich sein.
Wollte ich auch schreiben. Als echte Führungskraft ist man oft nur noch weniger in juristischer Arbeit drin.

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MacNCheese
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von MacNCheese »

Vielen Dank für eure Antworten.

Unternehmensberater ist eher weniger was für mich wegen der ganzen Reiserei. Wie Tibor zutreffend gesagt hat, ist eine Dienstreise nicht wie eine Privatreise.

In der Öffentlichkeitsarbeit oder der öffentliche Verwaltung werde ich mich mal umschauen.
EinHeinz hat geschrieben:Kannst du nach sieben Jahren Ausbildung tatsächlich nicht benennen, was du gern machen würdest? Das ist schwer nachvollziehbar.

Hinsetzen, überlegen was du kannst, was dir Freude bereitet und womit du das Gefühl hast, deine Welt ein wenig zu verbessern.

Danach kann man überlegen, welche Arbeit in Frage kommt. Umgekehrt wird es eher schwierig.
Ganz ehrlich: Ich überlege das schon seit dem Abi, bin aber noch zu keinem Ergebnis gekommen. In der Schule war ich überall gut, aber kaum an etwas besonders interessiert (so kommt man doch zu Jura :crazy:). Könntest du mir sagen, wie ich herausfinden soll, was ich will?
julée
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von julée »

MacNCheese hat geschrieben: Ganz ehrlich: Ich überlege das schon seit dem Abi, bin aber noch zu keinem Ergebnis gekommen. In der Schule war ich überall gut, aber kaum an etwas besonders interessiert (so kommt man doch zu Jura :crazy:). Könntest du mir sagen, wie ich herausfinden soll, was ich will?

Die Denkarbeit und Selbstreflektion wird Dir niemand abnehmen können: Was sind Deine Stärken und Schwächen? Welche Aspekte in den einzelnen Ref-Stationen fandest Du positiv, welche negativ? Was machst Du in Deiner Freizeit gerne?
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Einwendungsduschgriff
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

EinHeinz hat geschrieben: Kannst du nach sieben Jahren Ausbildung tatsächlich nicht benennen, was du gern machen würdest? Das ist schwer nachvollziehbar.
Das ist nicht selten. Ich kenne ganz viele solcher Beispiele, im Regelfall diejenigen mit hervorragenden Noten. Warum ist das so? Weil es Menschen gibt, die sich stark selbst mit sich selbst und ihren Werten befassen. Wer es einmal erlebt hat, blendet das nicht aus: wenn die eigenen Werte den eigenen fachlich-beruflichen Interessen widersprechen oder jedenfalls zu unschönen Kollisionen führen. Da kann ein Coaching durchaus helfen und Strukturen aufdecken, die man selbst nicht kennt. Ein "setz Dich mal hin und denke nach" klingt für mich da wenig zielführend. Es unterstellt dem Adressaten nämlich, dass er sich nicht um sich selbst kümmere. Vielleicht macht er das nun sehr intensiv, findet aber keine weiteren Optionen?

Julée: Nein, Abnehmen kann man ihm sie nicht. Aber kann in einer Selbstreflexion hervorragend angeleitet werden.

TE: Nur ein kleiner Rat, der vielleicht blöd klingen mag - nimm' Dir einen großen Papierbogen. Mache mehrere Abteilungen - z. B. 1. Fachlich-juristische Interessen/Fähigkeiten, 2. Persönliche Fähigkeiten (berufsbezogen, also nicht "kann einen Wasserball auf meiner Nase balancieren" , es sei denn Du präferierst die Einstellung in einem Meerespark), 3. Die eigene Werteordnung, vielleicht auch schon vorreflektiert (welche Werte hast Du aus Deiner Ursprungsfamilie bekommen? Welche hast Du übernommen, welche verworfen, welche gab es vorher nicht? Und Werte sind auch ganz klar: Reisen, Sport. Und dann nimm ein neues Blatt drei Tage später und nehme Dir unzâhlige Berufsbilder und stimme für Dich ab, was funktioniert und was nicht. Das ist der erste Schritt. Ich habe das intensiv begleitet durch einen außenstehenden Dritter als sehr gewinnbringend empfunden. Und das kann auch einmal die beste Freundin aus Kindertagen sein.

Vergesse nicht: ein Beruf muss nicht alles vereinen, nicht die eierlegende Wollmichsau sein. Auch für andere Berufe sehr förderlichen Interessen kann man manchesmal als Jurist nicht verfolgen.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Kasimir
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Kasimir »

Natürlich sollte man Interesse an seiner Tätigkeit haben, aber Arbeit dient primär dem Lebensunterhalt und nicht der Selbsterfüllung. Als Akademiker ist man doch ohnehin schon recht privilegiert, da man sich Studium und Berufstätigkeit recht frei aussuchen kann. Wie viele Leute sind froh überhaupt einen Job zu haben?

Es soll kein typisches Generation Y-Bashing sein, aber mir scheint trotzdem, dass es der Generation teilweise auch einfach zu gut geht. Ich habe zu Beginn meines ersten Jobs in meine, Ref-Einzimmarapartement gelebt und es war mein Antrieb Geld zu verdienen, damit ich nach einiger Zeit Möbel und Miete für eine richtige Wohnung finanzieren konnte und später dann für einen Urlaub. Reicht so etwas als Antrieb nicht aus?
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
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Einwendungsduschgriff
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Ich glaube nicht, dass es dem TE an einem Antrieb fehlt. Er möchte nur einigermaßen richtig starten. Hilft Dir ein junger Kollege nicht auch besser, wenn er das Gefühl in seinen Beruf zu passen. Eine Passion mitbringt? Für einen Brot-und-Butter-Beruf würde ich jedenfalls nicht die Motivation mitbringen, mich zeitlich extrem stark einzubringen.

Also entweder: der Beruf reißt mich mit oder ich mache Brot und Butter und lebe meine Werte anderswo aus.
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MacNCheese
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von MacNCheese »

julée hat geschrieben: Die Denkarbeit und Selbstreflektion wird Dir niemand abnehmen können: Was sind Deine Stärken und Schwächen? Welche Aspekte in den einzelnen Ref-Stationen fandest Du positiv, welche negativ? Was machst Du in Deiner Freizeit gerne?
Ich bin analytisch, diszipliniert, verantwortungsbewusst, kommunikationsfähig und aufgeschlossen und ehrlich gesagt arbeite ich lieber selbstständig als ständig im Team. Meine Schwächen sind, dass ich null künstlerisch oder handwerklich begabt bin. Naturwissenschaften sind auch nicht so meins. Hilft das was zur Selbstreflexion? Ich selbst würde mich als der Macher-Typ bezeichnen. Mein Traum wäre es, ein Unternehmen zu gründen und dann Tag und Nacht was Großes oder wenigstens was wirtschaftlich Rentables draus zu machen. Unternehmer bewundere ich sehr, finde es einfach interessant und wäre auch gerne mein eigener Chef. Überlege auch schon ewig, was man so gründen könnte, aber mir fällt nichts ein. Früher war das wohl einfacher.

Im Ref hat mir nichts so wirklich gefallen. In der Verwaltungsstation waren AG-Leiter und Ausbilder sehr nett, aber die Materie nicht so mein Fall. Aktenbearbeiten in der StA und bei Gericht hat mir auch nicht gefallen. Anwaltsstation auch nicht. An der Wahlstation hat mir halt gefallen, dass ich im Ausland war.

Hobbies hatte ich ja schon genannt.
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
EinHeinz hat geschrieben: Kannst du nach sieben Jahren Ausbildung tatsächlich nicht benennen, was du gern machen würdest? Das ist schwer nachvollziehbar.
Das ist nicht selten. Ich kenne ganz viele solcher Beispiele, im Regelfall diejenigen mit hervorragenden Noten. Warum ist das so? Weil es Menschen gibt, die sich stark selbst mit sich selbst und ihren Werten befassen. Wer es einmal erlebt hat, blendet das nicht aus: wenn die eigenen Werte den eigenen fachlich-beruflichen Interessen widersprechen oder jedenfalls zu unschönen Kollisionen führen. Da kann ein Coaching durchaus helfen und Strukturen aufdecken, die man selbst nicht kennt. Ein "setz Dich mal hin und denke nach" klingt für mich da wenig zielführend. Es unterstellt dem Adressaten nämlich, dass er sich nicht um sich selbst kümmere. Vielleicht macht er das nun sehr intensiv, findet aber keine weiteren Optionen?

Julée: Nein, Abnehmen kann man ihm sie nicht. Aber kann in einer Selbstreflexion hervorragend angeleitet werden.

TE: Nur ein kleiner Rat, der vielleicht blöd klingen mag - nimm' Dir einen großen Papierbogen. Mache mehrere Abteilungen - z. B. 1. Fachlich-juristische Interessen/Fähigkeiten, 2. Persönliche Fähigkeiten (berufsbezogen, also nicht "kann einen Wasserball auf meiner Nase balancieren" , es sei denn Du präferierst die Einstellung in einem Meerespark), 3. Die eigene Werteordnung, vielleicht auch schon vorreflektiert (welche Werte hast Du aus Deiner Ursprungsfamilie bekommen? Welche hast Du übernommen, welche verworfen, welche gab es vorher nicht? Und Werte sind auch ganz klar: Reisen, Sport. Und dann nimm ein neues Blatt drei Tage später und nehme Dir unzâhlige Berufsbilder und stimme für Dich ab, was funktioniert und was nicht. Das ist der erste Schritt. Ich habe das intensiv begleitet durch einen außenstehenden Dritter als sehr gewinnbringend empfunden. Und das kann auch einmal die beste Freundin aus Kindertagen sein.

Vergesse nicht: ein Beruf muss nicht alles vereinen, nicht die eierlegende Wollmichsau sein. Auch für andere Berufe sehr förderlichen Interessen kann man manchesmal als Jurist nicht verfolgen.
.

Soll ich mich dabei dann nur auf juristische Berufe beziehen oder einfach alles, was mir einfällt? Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, irgendwas mit Jura zu machen.
Kasimir hat geschrieben:Natürlich sollte man Interesse an seiner Tätigkeit haben, aber Arbeit dient primär dem Lebensunterhalt und nicht der Selbsterfüllung. Als Akademiker ist man doch ohnehin schon recht privilegiert, da man sich Studium und Berufstätigkeit recht frei aussuchen kann. Wie viele Leute sind froh überhaupt einen Job zu haben?

Es soll kein typisches Generation Y-Bashing sein, aber mir scheint trotzdem, dass es der Generation teilweise auch einfach zu gut geht. Ich habe zu Beginn meines ersten Jobs in meine, Ref-Einzimmarapartement gelebt und es war mein Antrieb Geld zu verdienen, damit ich nach einiger Zeit Möbel und Miete für eine richtige Wohnung finanzieren konnte und später dann für einen Urlaub. Reicht so etwas als Antrieb nicht aus?
Ich muss halt auch ehrlich sagen, dass es mir finanziell gut geht und ich halt nicht unbedingt viel Geld verdienen muss. Es fehlt mich nicht an Motivation, ich will halt einfach etwas machen, wo ich das Gefühl habe, mich jedenfalls teilweise entfalten zu können und etwas Zufriedenheit zu verspüren. Es ist leider so, dass alle meine bisherigen Ausbilder ganze Arbeit geleistet haben, mich von den juristischen Tätigkeiten abzuschrecken.
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Unzweideutig »

Ich bin Einzelanwalt, Spezialist für ein Gebiet, dabei v.a. beratend tätig. Ich würde sagen, Jura macht ca. 15% meiner Zeit aus. Ansonsten bin ich Unternehmer, Kommunikator, Zuhörer, Organisator. Schonmal in sowas reingeschnuppert?

Gruß Unzweideutig
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Idee1290 »

Ich hab mich ein bisschen wiedererkannt, insofern, als dass ich einige Zeit nach dem 1. Examen das Gefühl hatte, "das war jetzt echt genug Jura, nie wieder, der Scheiß!" Ich stecke gerade im 2. Examen und habe auch die Befürchtung, dass das bei mir wieder kurz hoch kommen könnte. ;-)
Auch wenn du sagst, es sei schon immer so bei dir, daher einfach als Anregung: Das könnte auch jedenfalls teilweise aus dem gewissen Post-Examens-Tal herrühren, in das die meisten nach den Prüfungen erstmal fallen. Danach sieht die Welt vielleicht gar nicht mehr so schrecklich aus und du hast auch wieder mehr Ideen.

Ganz konkret: In meiner Wahlstation war ich in einem Landesministerium, wo von den meisten Juristen eher politisch gearbeitet wurde. Um Paragraphen und Regeln und Gesetze ging es da eigentlich kaum mehr. Mir hat die Arbeitseinstellung da als solche nicht gefallen (immer noch sehr Behörde), aber es war kein Jura im engeren Sinne mehr.
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Re: Als Volljurist neu orientieren

Beitrag von Schnitte »

OJ1988 hat geschrieben: Mittwoch 15. November 2017, 12:52 Ich hätte jetzt auch zu allererst "Unternehmensberater " gesagt. Reisen wirst du da jedenfalls genug.
+1. Consulting ist in so einer Situation eine interessante Option. Bei den großen Strategie-Buden (also die McKinseys und BCGs dieser Welt) ist man auch als Jurist gern gesehen. Vielfältig ist es auch, weil jedes Projekt anders ist, und reisen tut man reichlich.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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