Manches muss einfach gemeldet werden

"Off-Topic"-Forum. Die Themen können von den Usern frei bestimmt werden.
Es gelten auch hier die Foren-Regeln!

Moderator: Verwaltung

sai
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1579
Registriert: Montag 27. Mai 2013, 10:30
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von sai »

Muirne hat geschrieben:Ich hatte mal ne Führung in nem Stahlwerk. Der Typ, der da Vorsteher war, hat auch nicht hinter dem Berg damit gehalten, dass Frauen leider problematisch seien, wegen der ganzen Schutzvorschriften, bei Schwangerschaften und so. Außerdem müsse er dann für die Toiletten bauen. Deshalb stelle er die wirklich nicht so gerne ein. No offense.
Dürfte bei der Müllabfuhr und auf dem Bau praktisch ähnlich aussehen. Sind zwar harte Jobs, aber alle gar nicht schlecht bezahlt. Können Frauen halt nur noch Grundschullehrerinnen werden, ohne selbst schuld zu sein. Ach ne, stimmt, dann feminisieren sie ja die raufenden Jungen auf dem Schulhof und hemmen diese dadurch in ihrer Entwicklung. Einfacher wäre, Frauen arbeiteten gar nicht, putzten oder kochten halbtags Kaffee. Dann bloß nirgends oder wenigstens nur ein bisschen Frauen dort (so es die hart arbeitenden Männer noch irgendwie volkswirtschaftlich auffangen können), wo ernsthafte wirtschaftliche Interessen oder Männerbelange eine Rolle spielen. Das ist zwar eine Karikatur, aber das ist es eben auch, wenn sich Männer plötzlich um Geschlechterverhältnisse in der Richterschaft sorgen, wo die komplette Rechtsprechung, die komplette Ausbildung doch seit jeher männlich geprägt war und auch immer noch ist - da hab ich jetzt im Forum noch wenig Kritik lesen dürfen, also derart feministische Positionen wären mir jedenfalls entgangen. Aber Vorsicht, wenn mal ne Weile mehr Frauen eingestellt werden als Männer, fürchterliche Folgen stehen ins Haus.
Wir können hier gerne offen über das Thema diskutieren. Aber außer Polemik hast du bislang nichts gebracht.
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Muirne »

Was soll man denn da diskutieren? Die naheliegende Lösung ist nicht, sich darüber zu beschweren, dass es zu viele Frauen gibt, die zwischendurch ausfallen, sondern einfach etwas mehr Stellen zu schaffen, um die Fehlzeiten aufzufangen, die dadurch entstehen, dass Frauen eben relativ sicher mal eine Zeit in ihrem Leben im gewählten Beruf ausfallen.
Fördern muss man dabei den Wiedereinstieg, die Kinderbetreuung und Elternzeit, die auch Männer nehmen. Passiert ja zT auch.
Frauen und Männer am Arbeitsplatz gegeneinander auszuspielen ist definitiv kein Ansatz, den ich goutieren kann. Mir ist klar, dass das Realität ist, solange eben Planstellen nicht berücksichtigen, dass Frauen arbeiten und dann auch ausfallen, aber die Konsequenz, die du vorhin benannt hast, dass unter der Hand im ÖD Männer derzeit schon bevorzugt werden, obwohl man sich gerade das Gegenteil auf die Fahne schreibt, ist bedenklich und Ausdruck der Diskriminierung, die Frauen wegen ihrer Gebärfähigkeit und der gesellschaftlichen Rolle als Mutter allerorts erfahren müssen.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Muirne »

Tobias__21 hat geschrieben:Meine Freundin ist ja in der Naturwissenschaft unterwegs. Da sieht es ganz anders aus. Teilweise wird da unverhohlen ausgesprochen, "dass die Karriere mit Kindern vorbei ist" und man keine "Doktorandinnen nehme, die vorhaben schwanger zu werden". Das hat wirklich einer gebracht. Generell ist das Metier dort eher männlich dominiert. Sagt sie zumindest. Sie war auch auf so ner gender Konferenz "I, Scientist". Danach durfte ich mir einiges anhören. Als ich dann meinte, dass ich das so aus der Justiz nicht kenne und eher das Gegenteil erlebe (Teilzeitmodelle, Kinderfreundlichkeit, viele Richterinnen und Staatsanwältinnen) wollte es sie es mir schier nicht glauben.

Um mal wieder sinnfreies Zeug aus meinem Leben zu erzählen....:D
ist nicht sinnfrei, sondern beschreibt das allgemeine Problem sehr gut. Dass Frauen in unserem Bereich (insbesondere eben beim Staat) so viele werden konnten ist eine große Errungenschaft und man kann nur hoffen, dass das auch in andere Bereiche irgendwann durchdringt. Die Notwendigkeit von Quoten zeigt sich an solchen Strukturen eben leider. Mir wäre es auch lieber, man bräuchte keine Quoten.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Liz »

sai hat geschrieben:
Muirne hat geschrieben:Ist natürlich niedlich, wenn sich Männer nun, da es mehr Frauen werden, um die Ausgewogenheit der Geschlechter (natürlich nur in den guten Berufen) sorgen. Jahrhundertelang wars ja eher so: \:D/
Ganz so einfach ist es nicht, gerade im öffentlichen Dienst. Wenn sich ein Großteil der neu eingestellten Kolleginnen nach drei Jahren erst mal für einige Zeit in den Mutterschutz verabschiedet und anschließend das Recht hat, mit vollen Stellen zurückzukommen, hat das ganz erhebliche Auswirkungen auf die Gerichts-/Behördenorganisation. Das sind alles Planstellen, die nicht nachbesetzt werden können, während die Arbeit nicht weniger wird und von anderen aufgefangen werden muss.
Ja, das ist organisatorisch sicherlich ebenso ein Albtraum wie alle anderen "überraschenden" Ausfallzeiten auch. Wobei es derzeit personaltechnisch sogar interessant sein dürfte, heute Stellen vorübergehend in Teilzeit zu besetzen, die dann in 10 Jahren nach einer Aufstockung auf Vollzeit helfen, die Pensionierungswelle abzufangen.
sai
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1579
Registriert: Montag 27. Mai 2013, 10:30
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von sai »

Muirne hat geschrieben:Was soll man denn da diskutieren? Die naheliegende Lösung ist nicht, sich darüber zu beschweren, dass es zu viele Frauen gibt, die zwischendurch ausfallen, sondern einfach etwas mehr Stellen zu schaffen, um die Fehlzeiten aufzufangen, die dadurch entstehen, dass Frauen eben relativ sicher mal eine Zeit in ihrem Leben im gewählten Beruf ausfallen.
Das wäre sicherlich wünschenswert. Solange aber überall im öffentlichen Dienst gespart wird, ist das ein Problem. Gerade bei Gerichten ist es zudem unmöglich, weil man die Leute nicht für zwei Jahre als Vertretung im Angestelltenverhältnis beschäftigen kann.

Ich denke eher, dass man die Digitalisierung weiter vorantreiben, mehr Heimarbeitsplätze einrichten und dafür sowohl für Männer als auch für Frauen die Elternzeiten verkürzen sollte. Es gibt ja mehr als genug Selbstständige, die es auch ohne Weiteres hinbekommen, für ihre Kinder da zu sein und trotzdem von zu Hause aus zu arbeiten.
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Liz »

@sai: Gerade bei Gericht ist doch (noch?) in weiten Teilen "Heimarbeit" unproblematisch möglich: einfach mittags die Terminsakten einpacken und zu Hause die Sitzung vorbereiten oder das Urteil schreiben. Die Frage dürfte dann eher sein, wie konzentriert man tatsächlich arbeiten kann, wenn nebenan die Kinder spielen.
Benutzeravatar
Vorkriegsjugend
Power User
Power User
Beiträge: 535
Registriert: Freitag 18. April 2014, 14:46

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Dafür sollten die Kinder ja Ritalin bekommen.
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Tibor »

Das Problem ist doch nicht die Organisation der Arbeit, sondern die starren Strukturen, die sich nicht einfach "wegwischen" lassen. Wenn man die organisatorische Unabhängigkeit der Richterschaft beibehalten will, muss auch eine Frau die "droht Mutter zu werden" dennoch irgendwann auf eine Planstelle ernannt werden. Dann ist damit aber auch gleichzeitig die Nichtversetzbarkeit eingetreten. Geht nun ein verplanter Richter für eine Übergangszeit aus dem Dienst, dann gibt es eben das organisatorische Problem, dass die Arbeit umverteilt werden muss. Entweder man packt dann in diese Stellen Proberichter, man stellt tatsächlich Richter auf Zeit ein oder man verteilt die Arbeit auf den Bestand. Bei größeren Gerichten wird man das ggf. machen können, bei einem kleinen Amtsgericht können aber 7 Kollegen eben nicht schnell 2 ausfallende Richterinnen und deren Akten "auffangen". Zudem lässt sich "Kinderausfall" auch eher schlecht steuern und absprechen. Diese Probleme kann und muss man ansprechen. Ich habe adhoc keine Idee, wie man das Problem in kleinen Einheiten elegant lösen könnte. Eigentlich bleibt nur die Proberichterauffüllung, was aber auch eigentlich nicht "Sinn der Sache" sein kann.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Liz »

@Tibor: Ich denke, es ist beides: Das eine ist die Zeit des Mutterschutzes und etwas Elternzeit - das mag an kleinen Gerichten schwieriger als an größeren Gerichten sein. Das andere ist die Frage, wie schnell und mit welchem Stellenanteil die Frauen zurückkommen - das dürfte auch etwas damit zu tun haben, wie gut eine Vollzeitstelle eigentlich mit der Familie vereinbar ist. Sinnvoll dürfte es zudem sein, den Personalbedarf so zu kalkulieren, dass nicht jeder Ausfall zu einer übermäßigen Mehrbelastung der verbleibenden Kollegen führt.
sai
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1579
Registriert: Montag 27. Mai 2013, 10:30
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von sai »

Liz hat geschrieben:@Tibor: Ich denke, es ist beides: Das eine ist die Zeit des Mutterschutzes und etwas Elternzeit - das mag an kleinen Gerichten schwieriger als an größeren Gerichten sein. Das andere ist die Frage, wie schnell und mit welchem Stellenanteil die Frauen zurückkommen - das dürfte auch etwas damit zu tun haben, wie gut eine Vollzeitstelle eigentlich mit der Familie vereinbar ist. Sinnvoll dürfte es zudem sein, den Personalbedarf so zu kalkulieren, dass nicht jeder Ausfall zu einer übermäßigen Mehrbelastung der verbleibenden Kollegen führt.
Tut mir leid, aber das sind doch alles Floskeln, die nicht bringen. Es ist immer wünschenswert den Personalbedarf so zu kalkulieren, dass es nicht zu Mehrbelastung von Kollegen kommt.

Wir haben hier knapp 40 Richter. Davon sind derzeit 7 (Frauen und Männer) in Mutterschutz bzw. in Elternzeit; und zwar langfristig, d.h. teilweise ein Jahr oder länger. Damit fällt nahezu auf einen Schlag fast 20% der Arbeitskraft weg. Das ist ein riesiges Problem.
Survivor
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3109
Registriert: Montag 22. August 2005, 11:37

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Survivor »

Ich halte den Vorschlag von sai für vernünftig. Der öffentliche Dienst kann sich nicht Quoten verordnen ohne den Ausfall der Kolleginnen durch weitere Stellen abzufangen.
"Wenn die Welle kommt, dann nimm dir Zeit."

-Duke Kahanamoku-
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Tibor »

Ich würde wirklich Justiz (richterliche Unabhängigkeit) und öffDienst (allgemein) trennen. Beamte kann man versetzen, auch wenn es dem Versetzten weh tut. Einen Richter eben nicht. Muss man das Organisationsrecht eben anpassen: Eine Versetzung für höchstens drei zusammenhängende Monate ermöglichen, soweit der Richter im Zeitpunkt des Ablaufs der Versetzungszeit bspw. das 55. Lj. nicht vollendet hat, wobei die Versetzung strikt nach Alphabet bzw. Lebensalter geht (bspw. älteste zuerst).
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Syd26
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 3576
Registriert: Montag 8. März 2004, 14:07
Ausbildungslevel: RA

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Syd26 »

sai hat geschrieben: Ich denke eher, dass man die Digitalisierung weiter vorantreiben, mehr Heimarbeitsplätze einrichten und dafür sowohl für Männer als auch für Frauen die Elternzeiten verkürzen sollte. Es gibt ja mehr als genug Selbstständige, die es auch ohne Weiteres hinbekommen, für ihre Kinder da zu sein und trotzdem von zu Hause aus zu arbeiten.
Mal aus Sicht einer Selbständigen: Auch über uns schwebt das Damoklesschwert der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Als Selbständige kann ich zwar meistens dort arbeiten, wo ich möchte, allerdings nicht mit kleinen Kindern um mich herum. Home-Office hilft doch nur dann, um eventuelle Fahrtzeiten zu verkürzen, damit man die Abholzeiten der KiTas einhalten kann oder um Krankheiten zu überbrücken - allerdings ist Arbeiten mit krankem Kleinkind eher weniger effizient.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
Benutzeravatar
Kroate
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1466
Registriert: Sonntag 25. Dezember 2011, 09:46
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Kroate »

Tibor hat geschrieben:Muss man das Organisationsrecht eben anpassen: Eine Versetzung für höchstens drei zusammenhängende Monate ermöglichen, soweit der Richter im Zeitpunkt des Ablaufs der Versetzungszeit bspw. das 55. Lj. nicht vollendet hat, wobei die Versetzung strikt nach Alphabet bzw. Lebensalter geht (bspw. älteste zuerst).
Oder einfach "Springer" als Planstellen schaffen mit einer angemessenen Zulage.

Gesendet von meinem SM-N950F mit Tapatalk
Survivor
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3109
Registriert: Montag 22. August 2005, 11:37

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Survivor »

Schon richtig Tibor. Wobei ich mir nicht sicher bin, was schwerer durchsetzbar ist: die Änderung des Organisationsrechts oder ein geordneter entsprechender Stellenaufwuchs.
"Wenn die Welle kommt, dann nimm dir Zeit."

-Duke Kahanamoku-
Antworten