OJ1988 hat geschrieben:Levi hat geschrieben:Honigkuchenpferd hat geschrieben:Levi hat geschrieben:Ich bin im 1. Staatsexamen zur mündlichen Prüfung eine Dreiviertel Stunde zu spät gekommen (wegen Stau auf der Autobahn, infolge eines Unfalls).
Ich hatte natürlich auch großen Bammel, es war aber am Ende alles völlig unproblematisch. Ein kurzer Anruf des Vorsitzenden der Prüfungskommission beim Landesjustizprüfungsamt hat die Sache geklärt. Auskunft LJPA: Routinefall, kommt immer wieder vor. Ich soll einfach die weitere mündliche Prüfung mitmachen und die fehlende Prüfungsteile werden abschließend - als Einzelprüfung - hinten dran gehängt. So lief das dann auch ab.
Ein Nicht-Bestehen der gesamten Prüfung (nur) wegen etwas zu spät kommen zur mündlichen Prüfung, hielte ich vor dem Hintergrund von Art. 12 GG auch für völlig unverhältnismäßig. Egal, was in der Prüfungsordnung steht.
In der Regel wird einige Minuten anstandslos gewartet. So war es ja auch im zugrunde liegenden Fall. 45 Minuten sind sicherlich schon ein Grenzfall, aber wenn man auf Stau wegen eines Unfalls verweisen kann, dürfen auch hier die meisten Prüfungskommissionen warten.
Die Ansicht, ein Nicht-Bestehen sei im Lichte des Art. 12 I GG "völlig unverhältnismäßig", wenn ein nicht nur ganz unerhebliches Zuspätkommen
selbst verschuldet ist (was sämtliche Vorschriften wie § 20 I JAG NRW voraussetzen), ist aber mal wieder eine fixe Idee, die wohl kein Gericht so teilen würde, um es freundlich auszudrücken. Es liegt in der Verantwortung des Prüflings, rechtzeitig zu erscheinen. Weder die Prüfungskommission noch die anderen Prüflinge haben Zeit und Nerven zu verschenken.
Na, dann wirst du mir sicherlich auch begründen können, warum es hier kein milderes Mittel gibt (z. B. Nachprüfung - wie in meinem eigenen Fall, oder Ladung zu einem anderen Termin)?
Auch wirst du mir sicherlich begründen können, warum es im Rahmen einer Berufszugangsprüfung (nach vielen Jahren Studium) angemessen sein sollte, die gesamte Prüfung für nicht bestanden zu erklären, nur weil jemand versehentlich 20 Minuten zu spät aus der Mittagspause kommt?
Mildere Mittel stehen (fast) immer zur Verfügung. Damit sie die Verhältnismäßigkeitsprüfung entsprechend beeinflussen, müssen sie freilich zur Erreichung des legitimen Ziels auch
gleich effektiv sein.
Der legitime Zweck der ersten juristischen Prüfung ergibt sich aus §§ 5 ff. DRiG iVm § 2 JAG NRW bzw. den entsprechenden Vorschriften der anderen Bundesländer:
"(1) Die erste Prüfung besteht aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung. Sie hat die Aufgabe festzustellen, ob der Prüfling das rechtswissenschaftliche Studienziel erreicht hat und damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist.
(2) Die Prüfung soll zeigen, dass der Prüfling das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden kann und über die hierzu erforderlichen Rechtskenntnisse in den Prüfungsfächern mit ihren europarechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Bezügen, ihren rechtswissenschaftlichen Methoden sowie philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen verfügt. Dies schließt Grundkenntnisse über Aufgaben und Arbeitsmethoden der rechtsberatenden Praxis ein.
(3) Darüber hinaus soll der Prüfling im Rahmen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung seine Fähigkeit zu vertieftem wissenschaftlichen Arbeiten beweisen."
Pünktlichkeit ist daher kein Prüfungsgegenstand. Insofern ist nicht erkennbar, inwiefern der Zweck der Prüfung weniger effektiv erreicht würde, wenn in einmaligen Fällen der Verspätung (die immer mal passieren können) eine Nachprüfung am gleichen Tag oder die Teilnahme an einer anderen mündlichen Prüfung erfolgt.
Ebenfalls noch milder wäre es auch, einfach nur das zu bewerten, was während der Zeit der Anwesenheit in der Prüfung gesagt wurde. Ob jemand in der Prüfung sitzt und zeitweise gar nichts sagt oder während dieser Zeit auch körperlich nicht anwesend ist, kann für die Bewertung keinen Unterschied machen.
Wie die Erfahrungen von thh und mir selbst zeigen, scheint eine angemessene Handhabung im Übrigen auch gängige Praxis in Verspätungsfällen zu sein. Ich habe auch zuvor noch nie von einem Fall gehört, bei dem ein Zu-spät-Kommen zur mündlichen Prüfung zum Nicht-Bestehen der Prüfung geführt hätte.